Der Politiker an sich

Ist man politisch korrekt, wenn man Politiker lobt? Ich denke nicht, denn es ist inzwischen Usus in Deutschland, Politiker grundsätzlich als Deppen darzustellen und anzusehen. Insofern will ich mal eine Lanze für die Spezies brechen, die in der sogenannten „Comedy“ im Öffentlich-rechtlichen Rundfunk Tag für Tag als grenzdebile Volltrottel dargestellt wird. Fast zehn Jahre meines Lebens habe ich als politischer Korrespondent gearbeitet – in Berlin und in Düsseldorf. Und ich muss gestehen, ich habe neben Postenjägern, Zynikern und Leuten, die nichts mehr interessiert als ihre üppige Altersversorgung, auch viele Abgeordnete kennengelernt, die ihren Job ernst nehmen und gute Arbeit leisten. Übrigens quer durch die Parteien, wenn man mal von der SED/PDS/Linke absieht, wobei ich annehme, dass es da auch welche gibt.
Was erwarten wir von den Leuten, die wir als unsere Repräsentanten in Parlamente schicken? Sie sollen klug sein, ehrlich und vor allem sollen sie immer genau das vertreten, was wir selbst auch denken. Das ist allerdings nicht ganz leicht, denn auch mit unserer Stimme sind sie immer dem ganzen Staatsvolk verantwortlich, so dass Konflikte nicht ausbleiben. Jeder von uns hat das schon erlebt. Man ringt sich zur Stimmabgabe für einen Kandidaten durch, kreuzt den oder die an, und schon ein paar Wochen später stimmt er (sie) für etwas, das uns gar nicht gefällt. Ärgerlich, aber unvermeidlich. Doch was ist die Alternative? Wollen wir ein dirigistisches System, in dem der Bürger nichts zählt und keine Mitwirkungsmöglichkeiten hat? Oder wollen wir ein Systen, das sich weiterentwickeln lässt? Vielleicht hin zu mehr plebiszitären Elementen wie in der Schweiz? Oder ein Mehrheitswahlrecht wie in Großbritannien? Vieles ist denkbar. Ich zum Beispiel würde mir kleinere Parlamente wünschen. Wenn die USA mit 400 Abgeordneten bei 300 Millionen Bürgern auskommen, wieso brauchen wir mehr als 600 für 80 Millionen?
Aber natürlich ist nicht alles gut hier. Oft kommen Abgeordnete in ihre Positionen, ohne sich direkt dem Bürger stellen zu müssen, etwa beim EU-Parlament, wo es keine Direktwahl gibt. Oder, wenn man ein europäisches Parlament will: Warum dann nicht auch länderübergreifende Listen? Da würde mir viel einfallen.
Vor allem gehören zu einer Demokratie aber selbstbewusste und aufmerksame Bürger. Auch daran fehlt es in Deutschland vielfach. Wir müssen denen stärker auf die Finger schauen, die uns vertreten sollen. Wir müssen vor der Wahl intensiver nachfragen, was sie mit unserem Vertrauen später anfangen wollen. Und wenn sie uns enttäuschen, müssen wir sie abwählen. Früher habe ich oft „kleinere Übel“ gewählt. Das mache ich heute nicht mehr.

Vergangene Woche war ich auf einem privaten Fest, wo auch ein paar Abgeordnete dabei waren. Es war sehr voll, sehr laut, es ging (feucht-)fröhlich zu, es wurde lautstark gesungen und Schnaps aus Mini-Fläschchen getrunken. Und irgendwann habe ich gedacht: Eigentlich sind die ja wie wir….

image_pdfimage_print

Dieser Artikel wurde 16 mal kommentiert

  1. heribert joppich Antworten

    natürlich sind nicht alle Politiker über einen Kamm zu scheren. Dennoch vermisse ich bei einer großen Zahl hier insbesondere im Linken und Grünen Bereich die Einstellung, dass sie nach unserer Verfassung dem deutaschen Volk verpflichtet sind und nicht erst anderen Bereichen dieser Welt.

  2. H. Urbahn Antworten

    Solange unsere Abgeordneten nichts anderes tun als den „Befehlen“ ihrer Parteiführung zu folgen, solange wir in einen von den Parteien usurpierten Staat leben und die Abeordneten alles tun um diesen Zustand zu erhalten und solange das Recht des Bürgers auf Recht mit Füßen getreten wird, kann ich keinen Respekt vor unseren Abeordneten haben auch wenn es Abgeodrnete gibt, die sich um einzelne Probleme von Bürgern in ihrem Wahlkreis kümmern.

  3. S v B Antworten

    Jetzt sind Sie, lieber Herr Kelle, sicher nicht nur mir eine Erklärung bezüglich Ihrer Wahlentscheidung schuldig. Es bleibt einem doch gar nichts anderes übrig, als das berüchtigte „kleinere Übel“ zu wählen! Wenn Sie erklären, just dies nicht mehr zu tun, muss ich davon ausgehen, dass Sie mit der von Ihnen favorisierten Partei in – sagen wir mal – mindestens 90 Prozent aller Programmpunkte übereinstimmen. Weniger scheint mir in diesem Falle keinesfalls mehr, sondern echt „übel“. Vielleicht wollen Sie mit Ihrer Aussage ja auch nur kundtun, dass Sie die Faxen endgültig dicke haben und nie wieder ein Wahllokal betreten werden? Oder gar, dass Sie ungültige Stimmzettel abzugeben gedenken, womit Ihnen ebenfalls erspart bliebe, das „kleinere Übel“ zu wählen. Also: bitte, bitte erklären Sie mir, wie auch ich es bewerkstelligen kann, eine gültige Stimme abzugeben, ohne dabei die Namen von Repräsentanten des „kleineren Übels“ anzukreuzen. Im Voraus ganz herzlichen Dank für Ihren Tipp.

    • Klaus Kelle Antworten

      Ich schaue mir vor der jeweiligen Wahl an, wo es die größten Übereinstimmungen zu meiner Haltung gibt, und besonders im kommunalen Bereich auch, wer überzeugende Persönlichkeiten ins Rennen schickt. Das funktioniert ganz gut, auch wenn die Übereinstimmungen selten mehr als 60% sind. Aber ich räume ein: Es gab Jahre, da war es viel leichter.

      • S v B Antworten

        Na also, auch Sie schaffen die Quadratur des Kreises nicht und wählen weiterhin das kleinere Übel. Geht wohl jedem so, der kein blinder Mitläufer ist.

  4. Alexander Droste Antworten

    Da erinnere ich mich dunkel an eine Rede von Helmut Markwort, bei der er ebenfalls die Politiker vor der mitunter geschmacklosen Pauschalverdammung in Schutz nahm. Ich habe ihn damals in einem Brief gelobt. Mir gefällt der Stil, wie man mit den gewählten Verantwortungsträgern und Repräsentanten umgeht, ebenfalls überhaupt nicht. Kontrolle und Kritik sind durchaus erwünscht und auch notwendig, dafür aber sachlich zu halten. Aber: Haben nicht die Politiker selber einen schlechten Stil bei ihren Debatten? Ich wünsche mir mehr Kultur der gegenseitigen Achtung. Ob die Entscheidungen, die heute getroffen werden, richtig sind, weiß man sowieso erst später. Die Politiker treffen sie nach Einholung von Expertenrat. Daher ist die Schelte an die Experten zu richten.
    Den Stil rundum die Griechenlandkrise fand ich zutiefst erschütternd.

  5. S v B Antworten

    Wer wie ein König behandelt werden will, sollte sich auch wie ein König benehmen. So oder so ähnlich habe ich es früher einmal gelernt. Sicher sollte Kritik prinzipiell keine persönlichen Beleidigungen einschließen, aber unsere Volksvertreter bzw. -vertreterinnen machen es einem bisweilen nicht gerade leicht, die gebotene Höflichkeit zu wahren. Nicht wenige von ihnen glänzen durch Äußerungen und Aspirationen, die bisweilen als fragwürdig gelten können (to say the least!). Die gerne praktizierte Pöstchen-Schieberei z. B. muss des Volkes Zorn herausfordern. Ich werde nie verstehen, warum Deutschland 5(!) üppig besoldete Stellvertreter des Bundestagspräsidenten braucht, außer natürlich für den Fall, dass nicht nur Herr Lammert, sondern gleichzeitig auch vier seiner Stellvertreter über Nacht an Grippe erkranken. Dass dies keinesfalls ausgeschlossen werden kann, würde Claudia Roth uns sicher gerne bestätigen. Vieles, was sich heute auf der politischen Bühne abspielt, hat eben ein ordentliches G’schmäckle. Dies wird vom Wahlvolk zu Recht mit feinem Näschen registriert und für „echt unterirdisch“ befunden. Dabei spürt der enttäuschte, aufgebrachte Bürger, dass er kaum eine Chance hat, die Dinge wirklich zu verändern. Eine denkbar schlechte Ausgangsposition, wenn es darum geht, den richtigen Ton zu treffen. Dass nicht jeder die Contenance bewahren und sich angemessen artikulieren kann, ist gewiss auch dem unterschiedlichen Bildungsniveau in der Bevölkerung zuzuschreiben. Deshalb könnte die eine oder andere verbale Entgleisung letztlich sogar verzeihlich sein.

  6. Fritz - Ulrich Hein Antworten

    Herr Kelle, (das „Werter spar ich mir mal), Sie sind zu einem systemkonformen Akteuer verkommen. Ich folgte Ihnen eigentlich nur, um systemkritische und/oder eine Auseinandersetzung mit der hiesigen Politik zu erleben. Schade drum, BLÖD-Zeitung kann ich aus dem Mülleimer fischen. Es geht mir nicht darum, die Politik als solches schlecht zu reden, sondern um die Form, wie sie umgesetzt wird. Was gut ist, muss gesagt werden. Was schlecht ist, muss gegeiselt werden. Da sind Sie leide weit davon entfernt.

    • Klaus Kelle Antworten

      Herr Hein, niemand zwingt Sie, meine Texte zu lesen. Ich halte es seit vielen Jahren so, dass ich schreibe, was ich denke und erlebe. Ich habe nicht vor, das zu ändern, selbst wenn man mich als „systemkonformen Akteur“ schmäht oder – billig – mit der „Blöd-Zeitung“-Keule kommt.

  7. W aus B Antworten

    Guten Tag Herr Kelle,

    ich denke schon, dass Sie recht haben. Einerseits ist unser Parlament sicherlich zu groß (und dabei haben wie die Landesparlamente noch gar nicht betrachtet). Andererseits darf man auch nicht alle Politiker über einen Kamm scheren. Trotzdem ist der schlechte Ruf, den unsere Volksvertreter sich erworben haben auch selbstverschuldet.

    Ich selbst habe leider oft mit dem politischen Bereich zu tun und bin zu dem Schluss gekommen, dass je politischer es wird, desto weiter ist man von einer Sachlichkeit entfernt. Es geht nicht um das vielbeschworene Ringen um die beste Lösung, sondern eher um die Positionierung der eigenen Person und die Diskreditierung des politischen Gegners.
    Ich bin nun wahrlich kein Freund von Willy Brandt aber seinem sinngemäßen Zitat „Verehrte Kollegen, lassen Sie uns nicht vergessen, dass wir Gewählte und nicht Erwählte sind“ kann ich mich nur voll und ganz anschließen. Mehr Demut würde den Damen und Herren gut zu Gesicht stehen.

  8. Bernd Ulrich Antworten

    Der Fisch stinkt vom Kopf her. Und so müßen sich auch die unteren Chargen der Politik die Handlungsweise ihrer jeweiligen Spitzen zurechnen lassen. Vor einigen Tagen beschwerte sich auch Reinhold Michels in der RP über das miserable Ansehen unserer Volksvertreter. Ich schrieb dazu den folgenden Leserbrief, der nur unvollständig wiedergegeben wurde:

    Warum wir unsere Spitzenpolitiker verachten?

    Ganz einfach: Weil sie es verdient haben! Schauen wir uns den Murks doch einmal an: Maut, Mindestlohn, Mietpreisbremse, Maklerverordnung, Frühverrentung. Alles reiner Populismus und gegen den Rat ausgewiesener Experten auf den Weg gebracht! Die Reihe läßt sich beliebig fortsetzen: Die verkorkste Energiewende, die fehlgeschlagene Eurorettung für die Griechen und so weiter. Das kostet und -zig Milliarden. Jeder kann sich mal irren und Fehler machen. Aber hier wurde gegen besseres Wissen gehandelt! Die Spatzen pfiffen schon vor fünf Jahren von den Dächern, daß die Griechen niemals ihre Schulden zurückzahlen können. Hier wurde gegen Sinn und Verstand angeblich „alternativlos“ gehandelt: Allen voran: Frau Dr. Angela Merkel. Die Frau ist bewundernswert; ein Phänomen. In ihrem Kopf allein ist mehr Intelligenz versammelt als am gesamten Kabinettstisch. Warum handelt sie trotzdem bewußt gegen die Interessen dieses Landes? Einfache Antwort: Das Kalkül des Machterhaltes.

    Aber wir brauchen gar nicht auf die hohe Politik zu schauen. Kommunalpolitiker haben Milliarden versemmelt bei Zinsspekulationen und Leasinggeschäften mit US-Firmen. Keiner, absolut niemand wurde dafür zur Verantwortung gezogen. Angeblich hätten die verantwortlichen Herrschaften (oder Seilschaften?) diese Geschäfte nicht verstanden. Es ist für Otto Normalo eine Binsenweisheit, die Finger zu lassen von Geschäften die er nicht versteht. Für die Beachtung dieser einfachsten Regel braucht mein kein Studium der Betriebswirtschaft oder Juristerei!

    Gierige Bänker? Dieses Klischee wurde von unseren Politikern gerne unters Volk gebracht. Immer mit dem Finger auf andere zeigen. Aber wer hat denn die meisten Milliarden versenkt? Das waren die von der Politik kontrollierten Landesbanken und öffentlichen Institute! Helaba, WestLB, NordLB, Bayerische Landesbank, KfW, usw., usw. Die Aufzählung ist bei weiten nicht vollständig.

    Laut Grundgesetz sollten unsere Abgeordneten nur ihrem Gewissen verantwortlich sein. Schön wär‘s. Wir sagte der damalige Kanzleramtsminister Pofalla zu seinem Parteifreund Bosbach: „Hör mir auf mit dieser Sch…!“ Besser konnte er es nicht auf den Punkt bringen.

    Aber seien wir ehrlich: Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient. Wir haben sie gewählt. Also dürfen wir uns nicht beklagen.

    • S v B Antworten

      Das meiste, was Sie sagen, sehe ich genauso. Würde die so erfolgreiche deutsche Wirtschaft unter einem vergleichbarem Know-how leiden, ginge in diesem Land vermutlich bald das Licht aus. Allerdings muss man den Volksvertretern zugute halten, dass Politik aufgrund der inzwischen unüberschaubaren globalen Interdependenzen unvorstellbar vielschichtig, vernetzt und deshalb höchst kompliziert geworden ist. Nicht mal ein Superhirn – schon gar kein menschliches – wäre imstande, so manchen Sachverhalt wirklich bis ins Kleinste zu analysieren und dann absolut passgenau und zukunftsfähig zu entscheiden. Das kann man auch von Politikern nicht verlangen. Verlangen kann man hingegen, dass sie sich in allererster Linie ihrem (Wahl-)Volk verpflichtet fühlen. Dies scheint mir heute leider nicht immer gegeben. Das hoch oben am Reichstag in Stein gemeißelte Gelöbnis („Dem deutschen Volke“) gilt schließlich noch, oder? Falls nicht, könnte der Steinmetz es eigentlich entfernen.

  9. Karin Dahl Antworten

    Frau oder Herr SvB hat Recht in weiten Teilen seines Beitrags. Die Politik ist so kompliziert geworden durch internationale Gesetze u Verflechtungen. Ich denke auch, dass viele Politiker ehrliche fleißige Arbeit leisten und sich sehr einsetzen. Aber leider stellt man auch fest, dass viele von den Sachverhalten, über die sie abstimmen, nicht mal den Hauch einer Ahnung haben. Wie können zB Steuergesetze verabschiedet werden, die häufig ein Steuerberater schwer findet zu verstehen ? Wie sollen die vielen ( abgebrochen ) Soziologen und Lehrer, die Politiker ohne irgendeine fundierte Ausbildung in einem übergreifenden Sachgebiet und vor allen Dingen ohne jemals einen Pfennig in der freien Wirtschaft mühsam erarbeitet zu haben, ausser ideologischer Parteipolitik etwas vertreten? Es wird auch nicht besser werden, wenn wir 700 oder 800 Abgeordnete haben sollten ( so ein Irrsinn!). Egal in welches Parlament man sieht, auf Bundes- , Landes- oder Kommunalebene: sie bringen in erster Linie Schulden zustande ohne wirklich sinnvolle und arbeitsfähige Strukturen zu schaffen. Jedes Unternehmen ist bei solchem Treiben in Kürze pleite! Man könnte sie zum großen Teil durch Experten ersetzen, die ohnehin in großem Maßstab auf allen Ebenen herangezogen werden. Die kosten zusätzliches Steuergeld! Von unseren Politikern könnte man verlangen, dass sie in der Lage sind zu beurteilen, welche Experten herangezogen werden müssen und nicht die zu befragen, die von vornherein die eigene Meinung stützen.
    Man ist einfach oft verärgert, weil es um parteipolitische Machtspielchen geht und um nichts anderes. Oder aus welchem Grund will z B die große Koalition keine Wahlrechtsreform, warum werden Stadtstaaten bei uns nicht in Länder eingegliedert, warum werden ein paar kleine Bundesländer nicht zu größeren zusammengelegt, um Steuergelder ( unser aller Geld !!!) zu sparen? Machterhalt nach meiner Ansicht.
    Aber was soll man tun? Nicht wählen ist die schlechteste Lösung und so kann man doch nur, Herr Kelle?, das kleinere Übel wählen….
    Mit freundlichen Grüßen Karin Dahl

  10. SozialerMensch Antworten

    Sehr geehrter Herr Kelle,

    ich glaube nicht, dass unser politisches Personal seit dem letzten Generaltionenwechsel dabei ist, unser Land gegen die Wand, d.h. in den Staatsbankrott zu fahren und es deshalb wenig gutes über die Politiker zu sagen gibt. Und ich glaube, dass es nicht mehr möglich ist, durch demokratische „Partizipation“ das Ruder noch rumzureißen.

    Als ich 2004/2005 angefangen habe, Politik mitzuverfolgen, sah alles noch anders aus. Damals folgten die Politiker weitgehend Empfehlungen von Ökonomen und Wirtschaftsexperten. Unter Kanzler Gerhard Schröder waren sich SPD, FDP und CDU einig, dass der Sozialstaat zu groß, das Einkommensteuerrecht zu verworren, die Lohnnebenkosten zu hoch und insbesondere der Arbeitsmarkt überreguliert ist. Man war sich weiterhin klar, dass 2025 die Babyboomer-Generation in Rente gehen wird und das die öffentlichen Finanzen demographiebedingt zusammenbrechen werden, wenn man das Land nicht bis dahin durch eine wirtschaftsliberale Reformpolitik für die Zukunft fit macht. Man hatte also noch 20 Jahre. Als parteiübergreifende Lobbyorganisation vermittelte die „Initative Neue Soziale Marktwirtschaft“ diese Einsicht auch der breiten Öffentlichkeit. SPD und Grüne setzten mit der Agenda 2010 Sozialhilfeempfänger stärker unter Druck und schränkten verschiedentlich den Kündigungsschutz ein, sodass tatsächlich einiges in die richtige Richtung ging. Die CDU hatte mit Friedrich Merz einen Topjuristen als Fraktionsvorsitzenden, der als Arbeitgeberanwalt umfangreiche Erfahrungen in der Wirtschaft hatte und Hoffnung machte, dass unter einer Christdemokratischen Regierung der Kurs umso konsequenter fortgeführt würde.

    Jetzt haben wir noch 10 Jahre bis zur Babybommerverrentung 2025. Und die Politik wird sie nicht nutzen. Mit dem neuen Personal ist die Lage hoffnungslos. Die Agenda 2010 wurde abgebrochen. Stattdessen wuchern nun die Mindestlöhne und etliche andere arbeitsrechtliche Regulierungen. Dasselbe bei den Mieten. Die Atomkraftwerke sollen einfach abgeschaltet werden. Die Energiewirtschaft wird auf Planwirtschaft umgebaut. Zig Milliarden von Euro wurden vorhersehbar ohne wiederkehr in Griechenland versenkt. Die Eurozone treibt massiv Inflation voran und entwertet die Riesterrenten und betrieblichen Altersversorgen, während die kalte Progression wächst. Durch einen extremen Kita-Ausbau binden wir unter massiven Kosten Kindergärtnerinnen, die wir eigentlich als Altenpflegerinnen bräuchen. Und dieses Jahr nehmen wir zu allem überfluss 500 000 Flüchtlinge auf, deren größter Anteil „Sinti&Roma“ aus dem Balkan sind und wer das nicht gut findet, ist ein Rassist und Menschenfeind. Gleichzeitig geht die Massenakademisierung immer weiter voran, d.h. jeder mit nem IQ über 100 ist auf irgendeiner Uni und will danach nen Schreibtischjob, die Akademikerinnen am liebsten alle als Beamte beim Staat wegen der Teilzeit. Der Versuch, Politisch dagegen als AfD Opposition zu machen, wurde durch Rassismusvorwürfe durch öffentlich-rechtliche Sendeanstalten und eine Untewanderung durch Querulaten zunichte gemacht . Und jetzt ist es zu spät, wir kriegen bis 2025 den Bogen nicht mehr.

    Wie konnte das passieren? Ich nehme an, es gab drei Gründe: Frau Merkel, die kein Verantwortungs- und kein Durchsetzungsbewusstsein hat und der offenbar einfach egal ist, was entschieden wird. Die Linkspartei, die der SPD Opposition von Links bekommen und ist nach Links geschweneinen Linkskurs aufgezwungen hat. Aber der Hauptgrund: Die Wirtschaftswundergeneration ist in Rente gegangen und wurde auf derselben Hierarchieebene durch die 68er-Generation also die ersten Bafög-Empfänger ersetzt, d.h. von Exstudenten, die es gewohnt waren, dass der Staat ihnen den Lebensunterhalt bezahlt und die eine Kreissaal – Hörsaal – Plenarsaal-Karriere gemacht hatten.

    All diese Poltiker mögen sympathisch sein, keine Frage. Sympathisch war Gerhard Schröder damals nicht. Aber sie werden im Gegensatz zu letzterem das Land trotzdem an die Wand fahren.

    • Klaus Kelle Antworten

      Sehr geehrter Sozialer Mensch,

      ich teile Ihre Analyse im Großen und Ganzen, denke aber, dass ein wichtiger Aspekt fehlt. Und das sind die Wähler. Es sind die mehr als 70%, die bei der Bundestagswahl ihre Stimme abgegeben und ein Ergebnis herbeigewählt haben, dass eine andere Koalition als die aus Union und SPD praktisch unmöglich machte. Und die SPD hat sich dann am Verhandlungstisch in einem Maße durchgesetzt, das atemberaubend ist. Ohne die SPD am Kabinettstisch gäbe es den allgemeinen Mindestlohn nicht, und ich denke auch die gesellschaftspolitischen Idiotien wie Gender Mainstreaming oder den Angriff auf Ehe und Familie wäre nicht einmal ansatzweise in dem Umfang erfolgt, wie wir das jetzt erleben. Wo soll Frau Merkel ihre Mehrheiten für eine andere Politik finden? Wo erhält sie überhaupt Unterstützung? Medien bejubeln sie, so lange sie rot-grüne Politik vorantreibt. Große Demonstrationen für einen Kurswechsel gibt es nicht, weil Deutschland Urlaub macht, und die AfD ist als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet. So lange das bürgerliche Deutschland unpolitisch alles über sich ergehen lässt und noch stolz darauf ist, dass man ja nicht wählt oder nicht bei Facebook ist usw, wird sich nichts bewegen. Dann spielt die Musik woanders.

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert