Diese Reformer sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren…

Den Namen Hassan Ruhani werden Sie heute nocht oft hören. 58 Prozent der iranischen Wähler haben ihn erneut zum Präsidenten gewählt und das Schlimmste verhindert. Ruhani, so berichten Medien weltweit, sei ein „Reformer“. Und im direkten Vergleich mit dem unterlegenen islamistischen Hardliner Ebrahim Raeissi ist er das wohl auch. Aber machen wir uns nichts vor: Eine Wahl im Iran ist eine Wahl im Iran. Im Gottesstaat, wie man so sagt. Alle Kandidaten müssen vor der Wahl die Genehmigung des klerikalen Establishments erhalten, sonst stehen sie nicht auf dem Wahlzettel. Aber dann, immerhin, ist es eine demokratische Wahl, an der auch wieder sehr viele Iraner teilgenommen haben. Für einen islamischen Staat beeindruckend.

Nun also wieder Ruhani, der Reformer. Wenn Sie das Gefühl haben, sie hätten seinen Namen schon mal gehört, dann will ich Ihnen helfen. Im Januar vergangenen Jahres besuchte der Gast aus Teheran die italienische Hauptstadt Rom. Dort ließen die Behörden vorher nackte Statuen in den Museen und am Straßenrand der Fahrwege von Herrn Ruhani verhüllen, damit der hohe Herr nicht mit der Sünde optisch in Kontakt kam. Kein Scherz, wirklich so passiert. Aus Rücksicht auf den muslimischen Glauben des iranischen Präsidenten wurde beim Abendessen auch kein Wein serviert. Die Gäste hatten ja Wasser und Saft. Deutsche Kirchenführer pflegen neuerdings ja auch ihre Kreuze abzulegen, wenn das von muslimischen Geistlichen gewünscht wird. Beim Rom-Besuch traf Ruhani übrigens auch Papst Franziskus, geistliches Oberhaupt der katholischen Weltkirche. Ob dort vorher alle Kreuze abgehängt wurden, damit sich der Gast wohlfühlte, ist nicht überliefert. Irgendwann wird Herr Ruhani sicher auch Berlin besuchen. Hoffentlich führt seine Fahrstrecke nicht am Holocaust-Denkmal vorbei, wenn es bis dahin nicht von Herrn Höcke verhüllt wurde.

Im Iran gilt die Scharia, Jungen gelten ab 15 und Mädchen ab neun Jahren als volljährig. Die Todesstrafe wird im Iran oft vollstreckt, immer wieder auch an Jugendlichen. Etwa 100 Minderjährige warten derzeit nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen in ihren Zellen auf die Hinrichtung. Die 16-jährige Atefah Sahaaleh aus Neka wurde erhängt, nachdem sie wegen „unkeuschen Verhaltens“ zum Tode verurteilt worden war. Unter staatlicher Folter hatte sie zugegeben, dass sie mehrfach vergewaltigt worden sei. Selbst schuld, wird der Mullah sagen…

Ja, im Land des Reformers ist was los. Als Ruhani 2013 zum ersten Mal gewählt wurde, nannte er danach Israel ein „elendes regionales Land“. Das finde ich hinnehmbar, seit US-Präsident Obama Russland einst als „regionale Macht“ bezeichnete. Apropos Russland: Reformer Ruhani und Wladimir Putin sind sich absolut einig, dass Assad uns sein Rest-Syrien ein unterstützenswerter Partner für ihre Länder sind. Im Zusammenhang mit Syrien bewies Ruhani im Januar immerhin seinen Sinn für Humor, als er sagte: „Der Iran wird weiterhin an der Seite des syrischen Volkes stehen und auch eine engere gemeinsame Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus begrüßen.“ Der Iran ist ja bekannt als schärfster Kritiker des Terrorismus.

Nach der weitgehenden Aufhebung der Sanktionen des Westens gegen den nach Atomwaffen strebenden Iran reiben sich deutsche Unternehmen übrigens die Hände. In Teheran gibt es jetzt viel Geld zu verdienen. Dass der iranische Geheimdienst in Deutschland überaus aktiv ist, oppositionelle Gruppen infiltriert und Regimegegner hierzulande auch bedroht – wen kümmert’s?

Im März dieses Jahres wurde vor dem Berliner Kammergericht ein aus Pakistan stammender Spion namens Syed Mustafa Haider zu vier Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Er hatte im Auftrag des iranischen Geheimdienstes Politiker in Deutschland ausgespäht, sie bei Fahrten verfolgt und Bewegungsprofile angelegt, auch Fotos von Privatwohnungen gemacht, unter anderem von der des Wehrbeauftragten Reinhold Robbe.

Eigentlich sollte man sich Sorgen machen, aber hey, der Ruhani ist doch ein Reformer. Dann ist alles gut.

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Dieser Artikel wurde 4 mal kommentiert

  1. S v B Antworten

    Apropos Spionage.

    Jedem Land, jedem Regime doch bitte seinen Geheimdienst, oder? Was den Iran betrifft, arbeitete der Geheimdienst einstmals natürlich im Auftrag des westlich orientierten, säkularen Shah-Regimes, während der von heute eben im Auftrag der Geistlichkeit unterwegs ist. Recht viel zuvorkommender als die heutigen „Agenten Ihrer Majestät“ gerierten sich die Shah-Schergen dabei auch nicht unbedingt.

    Ohne es zu ahnen, war ich damals eine Zeitlang mit einem iranischen Agenten liiert. Offiziell war dieser Mitglied des iranischen diplomatischen Corps. Seine wahre Funktion jedoch bestand, wie mir erst im Nachhinein bewusst wurde, in der Leitung eines engmaschigen Netzwerks zum Ausspionieren iranischer Studenten in Deutschland. Diese waren durch seine Erfüllungsgehilfen bezüglich ihrer politischen Ausrichtung und Aktivitäten zu überprüfen. Rapportiert wurde jeweils an neutralen öffentlichen Orten wie Hauptbahnhöfen und dergleichen. Geheimniskrämerei, Bespitzelung, und – wer weiß, was sonst noch alles; vermutlich aber das „volle Programm“. Und all dies im Namen und auf Rechnung der pro-westlichen Shah-Regierung.

    Hätte ich zum damaligen Zeitpunkt auch nur geahnt, mit wem ich es in Wirklichkeit zu tun hatte, wäre ich mit besagtem Herrn zumindest in eine lebhafte Diskussion über die Unredlichkeit, bzw. Schande, seiner Machenschaften eingestiegen. Ob ihn dies beeindruckt hätte, muss allerdings bezweifelt werden.

    Bei näherer Betrachtung schmelzen also die Unterschiede selbst zwischen so unterschiedlich anmutenden Regimen wie Butter an der Sonne dahin.

  2. Uwe_aus_DO Antworten

    Ja, sehr gute Fakten und Gedanken zur Einordnung eines Menschen, der hier, vor allem auch in den Medien, als Reformer bezeichnet wird.

    Ich möchte kurz in die Geschichte blicken: (Zig)Tausende Menschen gingen hier auf die Straße, um gegen das Regime des Schahs zu demonstrieren. Nicht zu Unrecht, da gab es viele Menschenrechtsverletzungen. Ich will das nicht aufrechnen, habe auch keine genauen Zahlen, bin mir dennoch sicher: Es waren immer noch weniger als heute.

    Wo sind diese Proteste heute? Nirgends. Jetzt geschieht das ganze ja im Namen von Allah. Und es regiert ein Reformer, da ist doch alles gut.

  3. Wolfgang Antworten

    Also: Der relgigiöse Wächterrat im Iran legt fest, wer sich zur Wahl, aufstellen darf und wer nicht. Von daher gibt es keine „Reformer“. Es gibt nur Wölfe im Wolfspelz und Wölfe im Schafspelz.

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