Darf man über „Rechte“ unvoreingenommen berichten? Ja, klar, werden viele Leser jetzt sagen. Journalisten müssen immer unvoreingenommen berichten. Sehe ich im Grundsatz auch so, aber das Thema „Rechts“ ist heikel in Deutschland, auch noch 72 Jahre „danach“. Man darf das nicht vergessen, was sich im deutschen Namen ereignet hat, man muss die Erinnerung an den Holocaust weiterhin wach halten, damit sich so etwas nie wieder ereignet. Sie kennen meine Haltung dazu.

Nun ist es aber gar nicht so einfach, zu unterscheiden. Ein Rassist, ein Antisemit – klar, die sind stramm rechts, und mit denen will ich – und ich hoffe auch Sie alle hier – nichts zu tun haben. Aber die politische Geografie ist durchaus nicht immer klar zu verorten. Waren die Nationalsozialisten nicht rechts, aber als Sozialisten auch links? Ist nicht der französische Front National mit ihrem Kampf gegen Zuwanderung originär rechts? Aber hat der FN nicht ein Parteiprogramm, das ansonsten Sozialismus pur ist? Ich rate allen Freunden, bei den neuen Parteien und Bewegungen genau hinzuschauen, was da in der Packung alles drin ist! Und werden nicht in Deutschland ehemalige Stasi-Spitzel vom Staat gefördert, um selbst CDU-Mitglieder zu „rechts“ zu erklären, nur wenn sie die Ehe von Mann und Frau immer noch gut finden? Man wird schnell zum „Rechten“ heutzutage. Auch, wenn man gar nicht rechts ist. Lesen Sie bei Orwell nach, wie so etwas geht.

In Wien gab es gestern einen Sturm der Empörung im Blätterwald um einen jungen Mann namens Martin Sellner. Der ist einer der Sprecher der rechten „Identitären Bewegung“, die es mit politischen Aktionen wie zum Beispiel letztens der „Besetzung“ des Brandenburger Tores bis auf die Titelseite der BILD geschafft hat. Martin Seller ist ein bekanntes Gesicht in Wien. Der „Identitäre“ steht nicht zum ersten Mal in der Zeitung. Am vergangenen Freitag gegen 22 Uhr wurde er an einer U-Bahn-Station von fünf linken sogenannten „antifas“ erkannt und mit Tritten und Schlägen angegriffen. Der junge Rechte wehrte sich mit einer „Pfefferspray-Pistole“ und vertrieb so die maskierten Angreifer.

Martin Sellner mischte sich aus Gründen seiner körperlichen Unversehrheit unter die Leute am Bahnhof und rief die Polizei, die dann auch kam und den Vorfall aufnahm. Erstaunlich aber, was am nächsten Tag berichtet wurde. „Identitärer schoss mit Waffe um sich“ lauteten da Überschriften. Auf Twitter schrieben österreichische Journalisten, Seller hätte doch „zuhause bleiben sollen“ und „provoziert“. Einfach, weil er abends das Haus verließ und auf einem Bahnsteig stand.

Ich weiß nicht, ob Herr Sellner rechtsradikal ist. Die Frage, warum er eine Gaspistole dabei hat, wenn er abends durch Wien geht, erklärt er in einem Interview damit, dass er schon mehrfach körperlich von linksradikalen Gewalttätern körperlich attackiert worden ist und vor einigen Monaten das Auto seiner Eltern angezündet wurde.

Von den Identitären weiß ich nicht mehr als das, was ab und an in der Zeitung über ihre Aktionen berichtet wird. Aber ich denke, man kann auch als Journalist nicht zweierlei Maß gelten lassen und aus einem Opfer einer Gewalttat einen Täter machen. Einfach nur weil er „rechts“ sein könnte.

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Dieser Artikel wurde 8 mal kommentiert

  1. Uwe_aus_DO Antworten

    Ja, das ist ein echtes Problem hier bei uns. Wem der Mainstream zu „fortschrittlich“ ist, wer bürgerlich-konservative Werte erhalten möchte, wird von den Gutmenschen ganz schnell als „rechts“ abgestempelt – und gegen rechts ist alles erlaubt.

    Für mich ist „links“ genauso radikal (und abzulehnen, spätestens wenn es gegen Menschenrechte und/oder mit Gewalt) wie „rechts“. Und Stalin genauso ein Massenmörder wie Hitler.

  2. S v B Antworten

    Sie haben von der Presse die Gaspistole übernommen, lieber Herr Kelle, aber es gibt eine Videoaufzeichnung, in welcher Herr Sellner vom Einsatz eines Pfeffersprays, den er in der letzten Zeit stets mit sich führt, spricht. Was wohl stimmen mag?

    Egal, auch ich habe mir längst angewöhnt, fast immer mit einem Pfefferspray unterwegs zu sein. Dieser darf zwar offiziell nur zur Abwehr „aggressiver Tiere“ verwendet werden, aber bei vielen unschönen Begegnungen hat sich der rechtzeitige Einsatz eines solchen Sprays insbesondere für junge Frauen als segensreich erwiesen.

    Ich selbst bin in jungen Jahren zweimal mit sehr eindeutiger Absicht überfallen worden (beide Male übrigens von jungen Männern mit Migrationshintergrund, türkischem bzw. iranischem, Political Correctness hin oder her). Ein gezielter Sprühstoß aus dem Pfefferfläschchen hätte sicher seine Wirkung auch damals nicht verfehlt. Unliebsame Erlebnisse dieser Art werfen lange Schatten; man vergisst sie sein Lebtag nicht. Deshalb kann ich mich nur zu gut in die bedauernswerten Opfer sexueller Übergriffe hineinversetzen. Obschon ich heute eher nicht mehr zum potenziellen Opferkreis gehöre, gilt für mich nach wie vor die Devise: Better safe than sorry! Wie gesagt, heute ziehe ich längst einen beißenden Abwehrspray dem Küchenmesserchen vor, mit welchem ich während meiner Au-pair-Zeit in England zu trampen pflegte. Ohnehin hätte dieses allzu leicht den Besitzer wechseln und zu meinem eigenen Nachteil eingesetzt werden können. Soviel zur traurigen Notwendigkeit der Selbstverteidigung. Ich kann Herrn Sellner gut verstehen.

    Allen Eltern lege ich ans Herz, ihre Töchter (und Söhne!) bezüglich möglicher Gefahren aufzuklären und sie eindringlich vor diesen zu warnen. Das Klima in Deutschland ist in jüngster Zeit leider viel rauer geworden.

  3. Hans Wolfgang Schumacher Antworten

    Wenn Herr Sellner von einer „Pfefferspray – Pistole“ sprach, hat er möglicherweise eine lediglich zweischüssige Spray – Pistole gemeint. Das ist ein „Tierabwehrgerät“ und so eine Art Zwitter zwischen einer mehrschüssigen Gaspistole und Pfefferspray aus der Sprühdose. In Deutschland wird diese Selbstverteidigungswaffe , so glaube ich, rechtlich wie Pfefferspray bewertet.
    Wenn diese lediglich 2 Schuss gereicht haben, um 5 ANTIFA – Schläger zu vertreiben, hat Herr Sellner allerdings sehr viel Glück gehabt.
    Was früher mal die SA, die Sturmabteilung der Nazis war, ist heute die ANTIFA, die Sturmabteilung der Linken. Ein brutaler Mob, der den politischen Gegner niederprügelt. Und sich inzwischen auch stark genug fühlt, Polizeiwachen anzugreifen. In Leipzig – Connewitz mindestens 16 mal.
    Solches Treiben muss in in einer wehrhaften Demokratie konsequent unterbunden werden.
    Übrigens auch dann, wenn das Opfer tatsächlich ein Rechtsradikaler wäre. ( Das wäre für mich jemand rechts von der AfD, für die ANTIFA wohl schon Horst Seehofer oder Heinz Buschkowsky. ).
    Dermassen verfälschende Überschriften wie die oben von Herrn Kelle zitierte Überschrift finde ich skandalös. Ich weiß, dass mancher hier das Wort nicht mehr hören und lesen kann und will, ich nenne es: „Lügenpresse“.
    Gibt es eigentlich keine Selbstreinigungsorgane in der deutschen und österreichischen Presse, die den entsprechenden Schreibern mal auf die Finger hauen? Nach dem Motto: Zurück zur Wahrheit oder zurück zur Arbeitsagentur?

  4. Helga Antworten

    Prima,Herr Kelle, dass Sie das aufgreifen!

    Ich höre mir inzwischen mit großem Interesse an, alles , was dieser junge Mann, 27 ?, an Argumenten gegen die desaströse gesellschaftliche Entwicklung vorbringt. Alle Achtung, da ist einer, der nicht rumspinnt, sondern weiß, was Sache ist.

    Von links wird gerade mit Macht und Gewalt die Demokratie abgeschafft. Jeder Minderheitenfurz muss berücksichtigt werden, aber was die Mehrheit will, interessiert nicht. Welche Hybris und Hysterie um sich greift, und zwar überall, führt unweigerlich in bürgerkriegsähnliche Zustände.

    Die Identitären wehren sich gegen die fortschreitende Islamisierung. Die Linken verbünden sich auf das Engste mit dem Islam und geben alle Errungenschaften einer freiheitlichen Gesellschaft preis.

    Eine gescheite Frau wie Birgit Kelle, die mir voll aus dem Herzen spricht, muss mit großem Polizei-Aufgebot geschützt werden. Ex-Muslime, die bestens in der Gesellschaft angekommen sind, warnen vor der Unterwerfung unter den Islam und stehen unter Polizeischutz. Nicht weil Nazis sie bedrohen, sondern Moslems. Die Linken ächten diese übrigens als „Rechte“, weil ja die Linken die besten Islamkenner sind und arabisch verstehen.

    Eine Partei wie die AfD wird nicht mit Argumenten „bekämpft“, sondern mit Gewalt . Wobei mir nicht klar ist, warum man die bekämpfen muss. Es wird doch niemand gezwungen, die zu wählen. Die Identitären, stemmen sich gewaltfrei gegen den totalen Zerfall unserer Gesellschaften . Aber der Zerfall ist offensichtlich das Ziel . Dann kann man die Diktatur einführen und uns gnade Gott. Linke Verbrecher sind genauso zu bewerten wie rechte Verbrecher. Genau das geschieht nicht, denn linke Verbrechen sind „gut“.

    Sehenden Auges schlittern wir genau dahin, wo wir niemals mehr hinwollten.

  5. Wkrüger Antworten

    Was ich von den Identären bisher mitbekommen habe ist nicht viel. Aber es scheinen doch teils zwanghaft-rigide Menschen zu sein, die möglicherweise versuchen ihre eigene Identität zu stärken indem sie den Nationalstaat zum Sinngeber/Heilsspender überhöhen. Sie sind, meines Wissens, zumeist nicht Christen. Ich orientiere mich an Otto von Habsburgs Politikverständnis. Der Nationstaat hat wichtige Funktionen, aber meinen Lebenssinn und meine alleinige Identität vermittelt er mir nicht.

  6. colorado 07 Antworten

    Wir befinden uns inzwischen auf einer „Hexenjagd“ nach allem, was nach „Rechts“ auch nur aussieht. Diese Kriminalisierung der vermeintlich „Rechten“ ( „Identitärer schoss mit Waffe um sich“ ) ist eine Saat des Hasses, die auf mittlere Sicht Meinungsfreiheit und damit die Demokratie vernichten wird.

  7. Andreas Schneider Antworten

    Müssen wir uns nicht die grundsätzlich die Frage stellen, was denn nun ganz konkret „Links“ und „Rechts“ definiert?

    Im Grunde fußt diese Einstufung auf der Sitzverteilung der Französichen Nationalversammlung, in der zu Rechten die Bewahrer des Althergebrachten, die Befürworter der Monarchie usw. saßen. Hingegen fanden die progressiven, „fortschrittlichen“ Kreise zur Linken ihren Platz.

    Aber schon (und gerade, wie ich finde) die Nationalsozialisten stellten dies auf den Kopf: allein schon in ihrer Selbstwahrnehmung sahen sie die NSdAP als „linke“ Partei; zahlreiche Dokumente und Überlieferungen bestätigen, dass im „verhassten rechten Bürgertum“ der „natürliche Feind“ des Nationalsozialismus verortet wurde. Darüber hinaus – waren die Nationalsozialisten „rechts“ im Sinne von konservativ, wie es die Französische Nationalversammlung noch recht sauber zu trennen vermochte? Wohl kaum – weder stand eine Beibehaltung der wackeligen Weimarer Demokratie noch eine Rückkehr zur Monarchie im Fokus. Nein, man wollte etwas gänzlich Neues schaffen. Was aber könnte – bewusst überspitzt – „linker“ gewesen sein? Dennoch sind es eben die Folgen dieser unseligen Ära, aufgrund derer „Rechts“ an den Pranger geraten ist.

    Können wir tatsächlich noch die alten Lager heranziehen? Ich fand schon als Schüler die Aussage meines (familiär NS- wie auch DDR-geschädigten) Jahrgangsstufenleisters und Geschichtslehrers wesentlich sinnvoller und stichhaltiger, nicht die starre Rechts-Links-Dogmatik in den Vordergrund zu stellen, sondern die angewandten Mechanismen scharf im Auge zu behalten – eben im Sinne eines „Nie wieder!“

    Mich beschleicht mehr und mehr das Empfinden, dass er damit auf der richtigen Spur war. Wann waren wir – gefühlt – je weiter weg von „Nie wieder!“ als heute?

  8. Alexander Droste Antworten

    Linke Socke mit Herz auf dem rechten Fleck.
    Was soll eigentlich dieser Krieg alle gegen alle?
    Was soll das, diesen anzuheizen in der Presse?
    Herr Kelle, ich ersinne gerade Verschwörungstheorien: Die Amerikaner wollen Deutschland ins Chaos treiben. Nee, die Russen. Die Presse, das Internet (auch von den Amis kontrolliert) …
    🙂

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