In St. Petersburg findet derzeit das Internationale Wirtschaftsforum statt. Jedes Jahr treffen sich über 7000 Führungspersonen aus Politik und Wirtschaft, führende Wissenschaftler und Medienvertreter aus der ganzen Welt unter der Schirmherrschaft des Präsidenten der russischen Föderation. Sie dikutieren über die wichtigen Fragen der Gegenwart: wie wird sich die globale Wirtschaft entwickeln? Wie kann das Verhältnis zwischen den Staaten West und Ost entspannt werden? Wie entwickelt sich diese Welt für alle gedeihlich? EU-Kommissionspräsident Juncker schaute heute vorbei, sozusagen als Friedenstaube, der unter bestimmten Bedingungen die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland in Aussicht gestellt hat.

Wenn geneigte Leser zufällig gerade in St. Petersburg sein sollten, mein Tipp: Schlendern Sie doch einfach mal dort in den Saal! Geht nicht? Klar, aus Sicherheitsgründen werden hochkarätige Treffen solcher Art vom gemeinen Publikum abgeschirmt. So wie bei den Bilderbergern. Das ist dieser total verschwörerische „Geheimbund“, von denen die Feinde der westlichen Lebensart so gern schreiben und sprechen. Im Jahr 1954 auf Einladung von Prinz Bernhard der Niederlande im „Hotel de Bilderberg“ in Oosterbeek gegründet, treffen sich alljährlich hochrangige Persönlichkeiten aus westlichen Staaten zum Meinungsaustausch. So ähnlich wie bei der alljährlichen Wirtschaftskonferenz in Davos oder jetzt im russischen St. Petersburg. Völlig normal, ja sogar wünschenswert, gerade in rauhen Zeiten. Gut, dass sich die Herren Putin und Juncker treffen und mal die Meinung geigen.

Verschwörungstheoretiker erfinden allerlei Geschichten um solche Konferenzen. Welcher Krieg geführt wird, wer zum Bundeskanzler gewählt wird, wie der Leitzins der US-Notenbank festgelegt wird – all das beschließt man nicht bei den Bilderbergern. Glauben Sie nicht? Im Jahr 2012 fand die Bilderberger-Konferenz in – höchst verdächtig! – USA statt, genau in Chantilly. Und mal ehrlich: welcher düstere Geheimbund, der Böses im Schilde führt, würde dazu ausgerechnet einen deutschen Grünen einladen?

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Dieser Artikel wurde 13 mal kommentiert

  1. Alexander Droste Antworten

    Geheimbünde finden jenseits aller Öffentlichkeit statt. Sonst wären sie ja nicht geheim. Was da geplaudert wird, kann, muss aber nicht ausschlaggebend für das Weltgeschehen sein.

    Es ist völlig einleuchtend, Herr Kelle, dass es nicht zwingend menschheitsschädigend ist, wenn die Öffentlichkeit zeitweilig aus dem Diskurs herausgehalten wird. Absolute Transparenz kann so manches auch verhindern, was menschheitsförderlich wäre, weil es dem einen oder anderen nicht gefällt und daraus riesige Kampanien gemacht würden.

    Allerdings muss ich nachschieben, dass Pläne, die auf solchen Veranstaltungen geschmiedet werden, die benachteiligten Menschen der Welt begünstigend mitberücksichtigen sollten. Handelsabkommen z.B., die zulasten z.B. afrikanischer oder asiatischer Länder gehen, sind unmoralisch und für christliche Gesellschaften, wie der westlichen Wertegemeinschaft unwürdig. Es wäre für uns kein Schaden, wenn wir zugunsten armer Länder etwas kürzer treten würden. Ich denke da konkret z.B. an den Rohstoffhandel und die Verarbeitung. Gewinne daraus und Entwicklungspotentiale gehen allzu häufig an den eigentlichen Inhabern der Ressourcen vorbei.

    Das liegt allerdings dem kapitalistischen System zugrunde, wenn es sich selbst überlassen wird. Die „Energieströme“ gehen dann hauptsächlich in eine Richtung. Kapitalismus ist nur dann gesund, wenn er nicht wuchert wie Brennnesseln auf einem Acker. Im Binnenland z.B. klafft die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander. Das hat mit Bildung zu tun, auch mit Gesellschaftsmodellen, liegt aber auch an den Solidarsystemen, die „mangels Geld“ immer mehr beschnitten werden. Demografieentwicklung mag noch ein Faktor sein. Wenn man sich einmal anschaut, wo sich das Geld häuft und wo es eklatant mangelt, so muss dieses kapitalistische System einmal neu gedacht werden. Soziale Marktwirtschaft hat mal prima geklappt und war sehr fortschrittlich. Warum nicht mehr? Kann man die monetären Potentaten nicht motivieren, ihre geradezu staatstragenden Einkünfte gemeinnützig einzubringen, ohne diese Potentaten an einen Pranger zu stellen, zu beargwöhnen oder zu verdammen, ohne die ständige Drohung der Enteignung? Was bedeutet in diesem Zusammenhang Verantwortung? Was kann man noch denken, um die Welt auch für die Unterschichten lebenswerter, menschenwürdiger zu machen? Solche Fragen sollten auf diesen Banketts bewegt werden, finde ich. Das würde sehr zu mehr Frieden beitragen.

      • Alexander Droste Antworten

        War so eine Mutmaßung. Abkommen hatte ich, glaube ich, auch gar nicht gemeint. Aber letztlich dreht sich doch alles um Geld, oder?

        Kann natürlich auch Intrigen beinhalten, strategisches Mobbing o.Ä. wie auf dem Schulhof, die coolen Jungs … 🙂

  2. Andreas Antworten

    Hm und warum die Geheimniskrämerei?

    Wūrde die Antwort mich schon wieder verunsichern?

    • Klaus Kelle Antworten

      Welche Geheimniskrämerei? Ort, Zeit und Teilnehmer werden bekanntgegeben. Und dann unterhakten sich die Leute über politische Fragen. Was ist daran geheimnisvoll?

      • Andreas Antworten

        Können Sie die „politischen Fragen“ konkretisieren?

        Ich meine, mit Ihrer Herangehensweise, könnte man ja jede Berichterstattung über die Treffen der Regierungschefs begrenzen,oder? Die haben sich halt getroffen und was besprochen, was Dich nicht zu interessieren braucht und jetzt gib Ruhe.

    • Klaus Kelle Antworten

      Lieber Johannes, es gibt keinen Einfluss der Bilderberger auf die „westeuropäische medienlandschaft“. Die Bilderberger sind nichts anderes als die alljährlichen Treffen von Wirtschaftsleuten und Politikern in Davos oder St. Petersburg. Da tauschen sich wichtige Persönlichkeiten über Fragen der Zeit und der Zukunft aus. Gut so.

      • Johannes Antworten

        Es ist schon erstaunlich zu welch unterschiedlichen Schlüssen man kommen kann. Mir kam nach dem Lesen der Studie der Gedanke, dass unsere Massenmedien Handlanger eines „Ministeriums für Wahrheit“ sind, in welchem Mitglieder transatlantischer Netzwerke eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Leider nicht gut so…

  3. Stefan Winckler Antworten

    Ich erinnere mich, Wolfgang Schäuble in Weikersheim um 2001 gehört zu haben. Er begann seinen Vortrag mit den Worten, er habe gerade an einer Bilderberger-Konferenz teilgenommen. So geheim scheint diese Gruppe also nicht zu sein, zumal auch Wikipedia einen nicht ganz kleinen Eintrag darüber aufweist.
    Es ist doch ganz natürlich, dass sich Eliten aus Politik, Wirtschaft, Finanzen und Medien treffen, ohne gleich zum Objekt der Berichterstattung werden zu wollen, sondern frei und ungezwungen über künftige Entwicklungen zu sprechen. Eine Verschwörung, um die Welt zu beherrschen, ist etwas anderes.

    • Andreas Antworten

      Frei und ungezwungen, also ohne Einbeziehung des Souveräns,
      man fasst die Ungeheuerlichkeit solchen Untertanengeistes kaum.

      • Stefan Winckler Antworten

        Auch Diplomatie, Andreas, findet vernünftigerweise nicht auf dem „Marktplatz“, sondern zu einem erheblichen Teil hinter verschlossenen Türen statt. Das zu wissen, hat nichts mit „Untertanengeist“ zu tun – ich nehmen diese Zuschreibung amüsiert zur Kenntnis – sondern mit Effizienz. Nicht selten ist sogar ein geheimer Gesprächskanal nötig, bis Verhandlungen überhaupt bekannt werden, etwa zwischen den Vereinigten Staaten und der VR China 1971, und auch von den Gesprächen Egon Bahrs mit Andrej Gromyko blieb zunächst (!) vieles im Dunkel.

  4. Andreas Antworten

    Ach wissen Sie, Herr Winckler, wer angesichts Nahostkonflikt, Ukrainekrise, Flüchtlingskrise, Finanzkrise usw, von Effizienz der Mächtigen schwärmt, sollte sein Amüsement vielleicht ein wenig überdenken.

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