Ein Scheitern mit Ansage: Frau Merkel hat sich verrannt

Wenn man Journalist ist, kommt man ein wenig herum. In den vergangenen Wochen hatte ich das Vergnügen an mehreren interessanten Gesprächsrunden teilzunehmen. Es waren Hintergrundgespräche, in denen Abgeordnete und einige wenige Medienleute zusammensaßen, oder – vor wenigen Tagen – interessierte (nicht „besorgte“) Bürger aus dem westlichen Ausland. Natürlich ging es vornehmlich um die Flüchtlingspolitik, die Neujahrsnacht und immer nach kurzer Zeit um die Frage: Was macht Frau Merkel da und warum? Zum Was konnte ich etwas beisteuern, zum Warum fiel mir auch nichts ein – ebenso wie den anderen am Tisch. Selbst einige derjenigen, die noch beim CDU-Bundesparteitag eifrig mitgeklatscht hatten, machten einen ratlosen Eindruck.

Nun weiß jeder, der regelmäßig meine Kolumnen und Kommentare liest, dass ich in Bezug auf Frau Merkel über die Jahre ein ambivalentes Verhältnis entwickelt habe. Ihr Kurs der sogenannten „Modernisierung“ ihrer Partei, der in weiten Teilen lediglich die Übernahme von Positionen anderer Parteien war, die man über viele Jahre bekämpft hatte, gefiel mir nicht. Und die radikale Kursänderung in der Energiepolitik fand ich….sagen wir…erstaunlich. Aber es ist nicht so, dass ich sie deshalb für eine schlechte Bundeskanzlerin hielt. Im Gegenteil. Insbesondere ihre internationalen Auftritte haben mir häufig imponiert, etwa als sie einst den iranischen Außenminister auf der Münchner Sicherheitskonferenz ohne Rücksicht auf diplomatische Gepflogenenheiten wegen der aggressiven Politik des Landes zusammenfaltete. Und an der Spitze der Großen Koalition hat sie Deutschland gemeinsam mit dem damaligen SPD-Finanzminister Peer Steinbrück gut durch die internationale Finanzkrise geführt, aus der unser Land – anders als viele andere europäische Staaten – stark herauskam. Klar, wenn ein Land wirtschaftlich gut dasteht, dann ist das in erster Linie eine Leistung der Unternehmen. Aber die ruhige Hand und Maßnahmen wie die Garantie der Spareinlagen waren richtig und dürfen einen Anteil am Erfolg beanspruchen.

Doch dieses Mal ist alles anders. Man hat als Beobachter das Gefühl, dass sich Frau Merkel beim Thema Flüchtlinge geradezu verrannt hat und nun keinen akzeptablen Ausweg findet. Die Gründe mögen ehrenvoll sein. Vielleicht ist sie wirklich einfach überzeugt, das Richtige zu tun. Vielleicht hat sie den berühmten wehenden Mantel der Geschichte gespürt. Vielleicht hat sie darauf gesetzt, dass sie mit einer Art unerklärter Allparteien-Koalition alle Widerstände beiseite fegen kann. Doch das ist Makulatur. Spätestens seit den Ereignissen der Neujahrsnacht, bricht die Stimmung in Deutschland massiv ein. Schaffen wir das wirklich? Wirtschaftlich sicher. Aber was die Integration der Zuwanderer anbetrifft, ist Deutschland schon jetzt an seine Grenzen gelangt. Kein Tag, an dem nicht Polizeieinsätze in Flüchtlingsunterkünften stattfinden. Bürgermeister und Stadtverwaltungen, die unterstützt von vielen Bürgern Großartiges geleistet haben, aber die nun an ihre Grenzen stoßen. Polizei-Gewerkschafter, die vor einem Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung warnen und von „NoGo-Areas“ sprechen. Ein unüberhörbarer Unmut in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der in dieser Woche fast zu einer Unterschriftensammlung gegen die Politik der eigenen Kanzlerin geführt hätte. Unions-Abgeordnete, die den geballten Zorn ihrer Wähler in Briefen, Mails und Bürgersprechstunden abbekommen. Ein SPD-Ministerpräsident, der öffentlich erklärt, Frau Merkel müsse ihre Politik ändern – alternativlos. Und dann die aktuelle Wahlumfrage: CDU/CSU bundesweit minus 7 Prozent im Vergleich zur Bundestagswahl 2013, die AfD bei 11 Prozent. Sicher geglaubte Wahlsiege für die CDU in drei Bundesländern wackeln. In der EU ist Deutschland mit seiner Flüchtlingspolitik isoliert. Ehemalige Bundesverfassungsrichter ziehen öffentlich die Verfassungsmäßigkeit der aktuellen Politik unserer Bundesregierung in Zweifel. Wann hat es so eine Situation vorher schon mal gegeben?

Es ist inzwischen nicht mehr die Frage, ob die Politik der Bundeskanzlerin so weitergeführt werden kann. Die einzige Frage ist, wann und durch wen sie endet. Was später über Angela Merkel in den Geschichtsbüchern stehen wird, entscheidet sich in den nächsten Wochen.