Heute ist Frauentag! Warum eigentlich, wenn das Geschlecht doch belanglos ist?

Ich beschränke mich heute mal auf Sie, verehrte Damen, weil es ja um Sie geht, wenn international der „Weltfrauentag“ gefeiert wird.

Zwei sehr tragische Ereignisse führten dazu, gerade diesen 8. März als sozialistischen Feiertag auszuwählen: Der Aufstand der Textilarbeiterinnen in New York 1857, bei dem 129 Frauen ums Leben kamen, und den Streik der Textilarbeiterinnen in St. Petersburg 1917. Da kämpften Frauen unter Einsatz ihres Lebens um ihr elementares Menschenrecht – gleich zu sein bei allen Rechten, die die Männer für sich in Anspruch nehmen.

Am 27. August 1910 hatte die deutsche Sozialistin und Frauenrechtlerin Clara Zetkin (1857–1933) auf der „Zweiten Internationalen sozialistischen Frauenkonferenz“ in Kopenhagen die Einführung eines internationalen Frauentages vorgeschlagen, als einen – wie das in diesen Kreisen so heißt – „Kampftag“ der Feministinnen. Es ging damals darum, den Frauen das Recht auf Arbeit und einen Beruf, den Zugang zu politischen Ämtern und das allgemeine Wahlrecht zu erstreiten. Schlimm genug, dass sie es vorher nicht selbstverständlich hatten.

Der Kampf gegen Diskriminierung und für Gleichberechtigung – das hätte man(n) im Grunde nicht den Sozialisten überlassen dürfen. Aber es sind nun einmal in der Regel die Progressiven, die den Anstoß zur Veränderung geben. Das sagt ja schon ihr Name. Und es sind die Konservativen, die dann reflexartig Wiederstand leisten, sich dann schlecht gelaunt drauf einlassen, es irgendwann unterstützen und danach feststellen müssen, dass sie wieder einmal ausgetrickst wurden.

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Und meistens haben sie dann weder den Willen noch die Kraft, die folgenden (Fehl-) Entwicklungen wieder einzufangen

Glauben Sie es oder nicht: Mein Interesse am Feminismus wurde geweckt durch den bahnbrechenden Bestseller „Der kleine Unterschied und seine großen Folgen“ von Alice Schwarzer. Darin dokumentierte sie 16 Gespräche mit repräsentativ ausgewählten Frauen – von der Studentin über die Hausfrau, von der „glücklich Verheirateten“ bis zur Frau, die heimlich in einer lesbischen Beziehung lebte. Begriffe wie „kulturelle Zwangsheterosexualität“ oder die Betrachtung einer Ehe von Mann und Frau als „patriarchales Herrschaftsinstrument“ las und hörte ich damals zum ersten Mal.

Und ich muss zugeben, es faszinierte mich

„Der kleine Unterschied“ erschien 1975 in später insgesamt 12 Sprachen und wurde von Millionen Frauen rund um den Erdball gelesen und heiß diskutiert. Ihre Anhängerinnen vergötterten Alice Schwarzer, gleichzeitig wurde sie vom alten weißen Mann mehrheitlich gehasst.

Ich verstand das nicht, denn Schwarzer hatte mit ihrer Analyse doch in den meisten Punkten recht.

Wie liefen denn so Ehen in den 60er Jahren? Papa verdiente das Geld, ist unter der Woche jeden Tag im Büro oder irgendwo auf Arbeit. Wenn er abends nach Hause kommt, streichelte er den Kindern kurz milde über den Kopf, während die Gattin das Essen kochte, kaltes Bier aus dem Keller holte, wenn er auf dem Sofa Platz nahm zur ARD-„Tagesschau“, die damals eine Institution in Deutschland war. Nicht selten schauten mehr als 25 Millionen Menschen zu, wenn um 20 Uhr die Weltlage sachkundig erläutert wurde.

Viele Frauen hatten keine Schulausbildung, die zu Höherem befähigen würde. Die Töchter wurden in den Familien großgezogen, um bald verheiratet zu werden, Kinder zu bekommen, sie dann zu versorgen, den Haushalt zu organisieren – putzen, waschen, einkaufen, bei den Hausaufgaben helfen. Ohne Bezahlung, versteht sich. Und wenn der Patriarch nach Bier, Fußball und Tagesschau dann mal das Verlangen nach Sex hatte – klar, da stand Mutti bereit, rund um die Uhr.

Dass so ein Rollenmodell irgendwann implodieren muss, war klar

Früher war bei weitem nicht alles besser, liebe Kinder!

Wenn ich heute die Familien meiner Freunde anschaue, dann sehe ich überall Gleichberechtigung pur. Gemeinsam festgelegte Abläufe, wo der eine Verantwortung für dies und die andere für jenes übernimmt. Wo man gemeinsam kocht, gemeinsam Pläne schmiedet, und in nicht wenigen Fällen, die Frau des Hauses bei den entscheidenden Themen den Ton angibt. Einfach so, ganz natürlich. Und ich liebe es, Väter zu sehen, die sich hingebungsvoll mit ihren Kindern beschäftigen.

Nein, Alice Schwarzer und die Ihren haben einst wirklich Großartiges geleistet. Nicht nur für die Frauen, sondern für alle, die in dieser Gesellschaft leben.

Tatsächlich, und damit komme ich zurück zum Anfang, begriff ich dann nach einiger Zeit, was nun aus dem Ruder laufen würde.

Zuerst als ich, damals in Bremen, ich glaube, es war 1986, irgendwo die Ankündigung las, dass Alice Schwarzer in der Stadthalle reden und diskutieren würde. Ich ging hin und wurde am Eingang von markant-barschen weiblichen Ordnerinnen abgewiesen. Ich könne nicht zu der Veranstaltung, weil ich ein Mann sei. Nochmal: Frau verweigerte mir den Zutritt zu einer Veranstaltung, wo es um die Gleichberechtigung von Mann und Frau gehen sollte, weil ich ein Mann bin.

Das war schon eine steile Ansage

Meine erste Begeisterung für Alice Schwarzer kühlte schnell ab. Ihr offenes Eintreten für die völlige Freigabe der vorgeburtlichen Kindstötung, Abtreibung, war und ist für mich absolutes No-Go.

Und dann finde ich aber bis heute immer wieder Dinge, die mir gefallen bei Frau Schwarzer. Sie begriff viel früher als andere, welche Gefahren die unkontrollierte Aufnahme von Millionen Männern aus dem islamischen Kulturkreis mit ihren archaischen Vorstellungen für die Frauen auch in Deutschland mit sich bringen. Sie mischte sich ein, wenn es um Zwangsehen ging, und sie begriff früh, dass Gender und die ganze „queere“ Community auch gegen alle mühsam erstrittenen Frauenrechte gerichtet war. Wenn es völlig egal ist, ob man sich zur Frau oder zum Mann erklärt, wozu braucht man dann Frauenrechte? Gleichstellungsbeauftrage? Quoten?

Und wozu braucht man einen Frauentag?