Afghanistan muss nun auf eigenen Beinen stehen

Der Kampfeinsatz der NATO in Afghanistan ist also nun beendet. Ab 1. Januar 2015 bilden die westlichen Staaten nur noch Sicherheitskräfte aus und unterstützen diese, wenn es mal brenzlig wird. War’s das also? Kommen die Taliban zurück? Jeder Tote, jeder Verletzte, jede Milliarde – alles umsonst? Ich weiß es nicht, aber ich glaube es auch nicht. Der Gradmesser für meine Beurteilung sind nicht die deutschen Politiker, die von Anfang an gegen die Einsatz waren. Auch nicht die Kommentatoren jener Medien, die schon die mörderischen Anschläge vom 11. September 2001 auf die USA mit einem zynischen „selbst schuld“ begleiteten. Und schon gar nicht die notorischen Amerika-Hasser, die wir auch in diesen Wochen und Monaten wieder erleben. Nein, was mir ein wenig Optimismus vermittelt, sind die Aussagen jener Bundeswehrsoldaten, die dort waren. Die ein oder mehrmals am Hindukusch im Einsatz waren, oft unter Gefahr für Leib und Leben. Trotz beängstigender Erlebnisse, trotz toter Kameraden und manche sogar trotz selbst erlittener Verletzungen physischer und psychischer Art: Mit einer Ausnahme haben mir alle, mit denen ich sprechen konnte, gesagt: Es ist gut und richtig, dass wir dort sind und dem Land helfen. Manche reden ja gern abfällig über die jungen afghanischen Frauen, die nun zur Schule gehen dürfen. Aber es ist ein wichtiger Fortschritt, von dem ich glaube, dass es nicht mehr zurückzudrehen sein wird. Ja, die Taliban werden nun verstärkt Gewalt anwenden, und niemand weiß sicher, ob die afghanischen Sicherheitskräfte willens und in der Lage sind, dem standzuhalten. Und ja, Afghanistan wird in 100 Jahren noch nicht eine Demokratie sein, wie wir im Westen uns das vorstellen. Wer das angenommen hat, versteht sowieso nichts. Aber auch Afghanistan hat nun eine Chance, sich selbst zu entwickeln.
Fraglich ist, ob der massive Abzug der NATO-Soldaten nicht zu früh kommt. Wir erleben gerade im Irak, was passieren kann, wenn ein Machtvakuum entsteht. Ich denke, wenn man einen „Nation building“-Prozess beginnt, muss man auch konsequent sein und diese Entwicklung so weit voran treiben, bis sie sicher unumkehrbar ist. Ob das in Afghanistan bereits der Fall ist, wird die Zukunft zeigen.