Auf Reisen zu Fototerminen beim Großen Bruder

Wie gut ein Politiker für unsereins und wie gefährlich er für die rot-grüne Bagage ist, dafür gibt es einen untrüglichen Gradmesser: andauernde Häme auf SPIEGEL Online. Das Dauerbashing trifft seit Monaten vornehmlich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der im Merkel-Umfeld als die einzige ernsthafte Kraft angesehen wird, der das Elend mit Mutti beenden könnte.

Spahn hatte sich vergangene Woche überraschend mit John Bolton, Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, getroffen und – so die Legende – über die Gefahr durch Bio-Terrorismus unterhalten. Schlimm oder? Und Spahn hat vorher niemanden gefragt, ob er das darf. Und er hat auch nicht seinen Kollegen im Amt des Gesundheitsministers der USA, Alex Michael Azar, getroffen. Und er hat auch keinen Demokraten getroffen, war nicht bei den Obamas zum Tee und hat an keiner Demo gegen Trump teilgenommen. Wenn man unbedingt an jemandem herumnörgeln kann, findet man immer etwas. Mal macht Spahn zu viel allgemeine Politik, mal macht er Gesundheitspolitik – aber dann falsch. Dabei sollte man erwähnen, dass der ehrgeizige Münsterländer in den ersten Monaten im Amt mehr Themen und Lösungsvorschläge unterbreitet hat, als jeder andere Bundesminister – ausgenommen vielleicht Seehofer.

SPIEGEL Online legt in seinem Artikel nahe, der CDU-Politiker habe nur allen zeigen wollen, wie gut er in den USA vernetzt ist, dass er sogar von Bolton empfangen wird. Und weiter? Natürlich ging es darum. So läuft Politik. Oder glaubt jemand, dass CDU-Spitzenkandidat Jürgen Rüttgers Anfang 2005 den kalifornischen Gouverneur Arnold Schwarzenegger in Los Angeles getroffen hat, um über den Braunkohletagebau im Hambacher Forst zu sprechen?