GASTSPIEL: Felix Honekamp über Demokratie und Freiheit

Was, wenn eine Mehrheit morgen entscheiden sollte, dass Autos nicht mehr rot sein dürfen, weil statistisch mit roten Autos mehr Unfälle passieren? Was, wenn eine Mehrheit morgen entscheiden sollte, dass Rasenflächen in Gärten nur noch auf eine minimale Länge gestutzt werden dürfen, damit Kaninchen und Regenwürmer dort besser überlebensfähig sind? Was, wenn eine Mehrheit morgen entscheiden sollte, dass Kirchenglocken nicht mehr geläutet werden dürfen? Oder keine Minarette mehr gebaut werden dürfen?

Demokratie: Die Herrschaft des Staatsvolkes, meist vertreten durch ein Parlament! Kaum ein politisches System hat es in der Vergangenheit geschafft, sich derart unangreifbar darzustellen. Will man heute einer politischen Richtung oder der Regierung eines Landes den schwerstmöglichen politischen Vorwurf machen, dann lautet der, sie sei undemokratisch.

„Demokratie“, so ein bekanntes Bonmot Winston Churchills, „ist die schlechteste aller Regierungsformen – abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.“ Von den allermeisten wird das übersetzt mit „die beste aller Regierungsformen“, wodurch der versteckte Hinweis auf die Mängel dieser Staatsform, die eingangs beispielhaft und – zugegeben – polemisch dargestellt wurden, vollständig ausgeklammert wird. Kritik an der Demokratie wird schnell als „undemokratisch“ bezeichnet, dabei sollte doch gerade in einer Demokratie – so sie denn wirklich frei ist – gerade die Diskussion über die Staatsform legitim sein. Wenn die Demokratie zu einem „weltlichen Gott“ erhoben wird, ist dagegen Gefahr im Verzug. Dabei gerät auch schnell aus dem Blick, dass Freiheit und Demokratie oft in einem Atemzug genannt werden, aber keine Synonyme darstellen. Als Gegenteil der Demokratie wird allzu leicht die Diktatur, die Alleinherrschaft eines Tyrannen oder Königs oder auch einer Partei bezeichnet, bei der Herrscher oder Herrschende nicht durch demokratische Wahlen an die Macht gekommen sind.

Dabei ist schon der Definition – Herrschaft des Staatsvolkes – zu entnehmen, dass mit einer solchen Gegenüberstellung kein Gegenteil beschrieben wird. So wird auch in einer Demokratie Herrschaft ausgeübt – nur eben nicht durch einen Diktator. Egal ob in Form einer direkten oder einer parlamentarischen Demokratie, oder einer der vielen Mischformen: Immer werden Entscheidungen getroffen, denen sich Minderheiten zu beugen haben. Wird also in einer Demokratie über Autofarben entschieden, dann müssen sich auch die daran halten, die dergleichen für hanebüchenen Unsinn halten. Werden in einer Demokratie Steuer- oder Sozialgesetzgebungen entschieden, dann sind diejenigen, die die entschiedene Politik für falsch halten, nicht nur gezwungen, sie zu akzeptieren; sie müssen sie auch finanzieren! Wenn Freiheit unter anderem bedeutet, über das legal erworbene Eigentum frei zu verfügen, dann wird diese Freiheit schon beträchtlich eingeschränkt.

Eine solche Problematik entsteht – und hier wird es wirklich schwerwiegend für den Erhalt einer freien und demokratischen Gesellschaft – besonders in einem Sozialstaat wie in Deutschland oder vielen anderen Ländern Westeuropas: Opportunistische Entscheidungen wie Wahlgeschenke verhelfen Parteien zur Mehrheit, Sparkurse dagegen sind Gift in jedem Wahlkampf. Derartige Wohltaten werden – je größer der Anteil der Nettoempfänger ist – zu einem wahlkampfentscheidenden Faktor. Mahnende Stimmen, die für eine rigide Ausgabenpolitik stimmen oder gar das Wort der freien Marktwirtschaft im Mund führen, werden so schnell als unsozial abgestempelt, jedenfalls aber überstimmt. Freiheit – im Sinne einer Verfügungsgewalt über sich selbst und sein Eigentum – sieht anders aus.

So ist auch der Satz Thomas Jeffersons zu verstehen: „Demokratie ist, wenn sich zwei Wölfe und ein Schaf am Tag darüber unterhalten, was es am Abend zum Essen gibt.“ Scherzhaft – und um deutlich zu machen, dass es sich bei Freiheit und Demokratie nicht um Synonyme handelt – fügen manche diesem Satz eine Ergänzung an: „Freiheit ist, wenn das Schaf mit einer Waffe in der Hand Einspruch erheben kann.“ Freiheit und Demokratie werden durch all das nicht zum Widerspruch, das hieße, den benannten Erläuterungen zu viel Gewicht zuzumessen. Freiheit und Demokratie stehen aber schnell in einem Spannungsverhältnis, sobald sich auch nur ein Einzelner einer demokratisch verfassten Entscheidung nicht beugen möchte – egal ob aus egoistischen Gründen, ob er der Meinung ist, dass die Entscheidung fachlich falsch und schädlich ist, oder ob es sich um eine für seine Begriffe unmoralische Entscheidung handelt. Aber auch wenn es nicht um Begriffe wie Moral oder Richtigkeit geht: Jede Entscheidung, durch die jemand anderes zu einem Handeln gezwungen wird, widerspricht der Freiheit. Insofern, so ein ebenfalls geflügelter Satz, ist auch die Demokratie ein Mittel, von dem nur mit Augenmaß Gebrauch gemacht werden sollte – auch demokratische Entscheidungen können unrecht und freiheitsbeschränkend sein.

Für die Demokratie, und auch die Form der parlamentarischen Demokratie, sprechen dagegen einfache Praktikabilitätsgründe. Bestimmte Entscheidungen sind auf einer übergeordneten Ebene – kommunal, national, manche vielleicht international – zu treffen, damit sie wirksam werden können. Soll ein Einzelner die Kultivierung seines Gartens bestimmen und eine Nachbarschaft möglicherweise noch recht einfach über die Gestaltung des gemeinsamen Spielplatzes abstimmen können; bei anderen Themen wird es deutlich komplexer, lokal zu handeln und zu entscheiden. Zu diesen Fragen gehören zum Beispiel die innere und äußere Sicherheit oder auch ein Mindestmaß an sozialem Netz für in Not Geratene. Allein aus finanziellen Gründen sind derartige Entscheidungen nur auf überregionaler Ebene sinnvoll zu treffen, und wäre es im Umkehrschluss nicht möglich, auf eine einstimmige Entscheidung zu setzen. Eine demokratisch mit Mehrheit gewählte Regierung oder ein Parlament erscheint da das willkommene Mittel der Wahl, derartige Themenfelder bearbeiten und entscheiden zu können.

In einer solchen Sichtweise fußt auch das Selbstverständnis der Politik und der Politiker: Derjenige der sich als Diener des Volkes versteht, sieht seine Aufgabe darin, die Probleme eines Landes, das ihn gewählt hat, zu lösen. Ein solches Selbstverständnis droht aber schnell aus dem Ruder zu laufen. So enthält der Koalitionsvertrag von 2013 der schwarz-roten Koalition neben eindeutig national zu lösenden Themen auch solche wie den W-LAN/Breitbandausbau, die Gestaltung der Zeit für die Familie, Wartezeiten auf Facharzttermine oder – gerade wieder aktuell – die Förderung der Elektromobilität. Die Botschaft einer solchen Politik an die Bevölkerung und die Wähler lautet: Macht euch keine Sorgen, wir kümmern uns um alles! Möglicherweise hat so mancher Politiker dabei eine Hollywoodsicht auf sich als aufrechten, demokratischen und gerechten Helden: Ein Präsident, der die Welt rettet wie Bill Pullman als Präsident Whitmore im Film „Independence Day“ oder zumindest sein Team um sich herum raushaut, wie Harrison Ford als Präsident Marshall in „Air Force One“ – das sind die starken Typen, die sich mancher Wähler an den Schalthebeln der Macht wünscht, und als die diese sich auch gerne identifizieren.

Doch dieses Fremdbild ist einem drastischen Wandel unterworfen: Den meisten erscheint es, dass ein Regierungschef eher Ähnlichkeit hat mit dem von Kevin Spacey gespielten Frank Underwood aus der US-Serie „House of Cards“ – korrupt, gewissenlos, unmoralisch und mit dem eiskalten Spruch auf den Lippen, dass Demokratie maßlos überschätzt wäre. Beide Bilder von Politik und Politikertypen sind natürlich bis auf Einzelfälle nicht realistisch; nur sollte man nicht meinen, dass der unmoralische Machtmensch unwahrscheinlicher wäre als der altruistische erste Diener seines Volkes. Politiker sind auch nur Menschen, darum ist ein übermenschlicher Anspruch – des Politikers an sich selbst oder des Wählers an den Politiker – nicht gerechtfertigt. Dabei ist die bislang noch oft anzutreffende Einschätzung der Politik durch die Wähler „Die kümmern sich! Die machen das!“ genauso einseitig wie das sich langsam aber sicher breitmachende „Die belügen und betrügen uns alle!“. Man darf dem durchschnittlichen engagierten Politiker durchaus seine Sorge um Land und Leute abnehmen. Man darf ihm abnehmen, dass er nach bestem Wissen und Gewissen Entscheidungen trifft. Aber erstens bedeutet guter Wille nicht gleichzeitig gute Entscheidungen in immer komplexeren Themen. Und zweitens sollte der Satz des großen politischen Liberalen und Katholiken des 19. Jahrhunderts, Lord Acton, immer im Hinterkopf bleiben: „Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut.“ – Wer einmal von der Macht gekostet hat, dem mag der Ausbau der Macht allzu verführerisch erscheinen – die Schweine aus George Orwells „Farm der Tiere“ lassen grüßen.

Wenn nun aber die Demokratie und die Freiheit in einem Spannungsverhältnis stehen und die parlamentarische Demokratie ebenfalls mit den beschriebenen Risiken für die Freiheit einhergeht, eine solche Regierungsform aber schon alleine aus Praktikabilitätsgründen in vielen Fällen angeraten erscheint: Was ist dann die Alternative?

Der libertäre Denker Roland Baader hat in seinen 2008 erschienenen „Freiheitsfunken“ deutlich gemacht, dass die Essenz der Freiheit nicht in der Mitbestimmung, sondern in der Selbstbestimmung liegt. Zu ihr steht die Demokratie – die einen Teil, oft einen zu großen Anteil der Selbstbestimmung aufhebt – tatsächlich im Widerspruch. An ihr muss sich darum eine demokratische „Legitimation“ messen, weil sie in der Regel die Freiheit der Menschen beschneidet. Demokratische Entscheidungen sind nur in dem Maße legitim, wie anders keine angemessene Problemlösung gefunden werden kann. Darüber hinaus ist ein heilsamer Prozess der Bewusstwerdung der Möglichkeiten und Grenzen der Politik notwendig. Praktikable und ethisch vertretbare Alternativen zu einer Demokratie stehen nicht zur Diskussion, daher wird es darum gehen müssen, das System der Demokratie an sich zu optimieren.

Mehr Subsidiarität statt Zentralisierung von Entscheidungen, mehr Selbstverantwortung statt Delegation von Verantwortung auf Staat und Regierung, mehr Sachauseinandersetzung statt machiavellistischer Machtpolitik, und mehr – um dieses altmodische Wort zu benutzen – Demut in der Politik statt Allmachtsphantasien, alles lösen zu müssen und zu können: Es ist ein anderer Politik- und Demokratiestil, der notwendig ist, damit nicht plötzlich Alternativen aufstehen, die weder für überzeugte Demokraten noch für Verteidiger der Freiheit akzeptabel sein werden. Papst Benedikt XVI. hat in seiner Rede vor dem Bundestag am 22. September 2011 die Bitte des jungen Königs Salomo an Gott wiedergegeben: „Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht“ (1. Kön 3, 9). Das Gute zu tun, das Richtige zu entscheiden, auch einzusehen, eine Entscheidung nicht treffen zu können oder zu sollen, das muss für einen Politiker der Maßstab sein; und es muss – umgekehrt – für den Wähler das Argument zur Stimmabgabe für einen Politiker sein. Der Anspruch mag hoch sein, er mag zu idealistisch oder gar naiv klingen. Aber welchen Grund sollte man als Wähler haben, einen Politiker zu wählen, von dem man nicht wenigstens annimmt, dass er sich um ein solches Verständnis und um eine solche Politik bemüht?

Zynismus und Politikverdrossenheit haben insofern bei allen Mängeln der Politik keinen Platz. Die Politik an sich ist in der Tat alternativlos: Entscheidend sind die Maßstäbe, die an eine gute Politik angelegt werden, damit Demokratie und Freiheit am Ende in einem ausgewogenen Verhältnis stehen.

Erstveröffentlichung 9. Mai 2016 in „Die Tagespost“ www.die-tagespost.de




Warum wollen so viele jungen Leute nicht mehr freundlich sein?

Wer bei Google „Gute Erziehung“ eingibt, erhält 13,5 Millionen Treffer.Im Wesentlichen Ratgeber von Städten, Gemeinden und Pädagogen, die vermitteln wollen, dass Respekt, Fairness und Hilfsbereitschaft wichtige Werte sind, die Eltern, Schule und hoffentlich auch Kirchen vermitteln sollten. Gestern Abend war ich mit einem guten Freund in einem Restaurant. In unserem Alter sprechen auch Männer selbstverständlich über die eigenen Kinder, und so erzählte er mir von einem Erlebnis am Vortag, als andere Jungs seinen Sohn beschimpft, geschubst und ihm einen Ball geklaut haben. Mein Freund hatte es erfahren, sich direkt ins Auto gesetzt und die ungezogenen Jungs mit deutlichen Worten zur Rede gestellt. Und zwar – wie er sagte – so wie ein Ausbilder bei den US-Marines brüllt, also unmissverständlich.

Fast der ganze Abend drehte sich bei uns um diese Themen. Erziehung und Benehmen. Die Palette reichte von widerwärtigen Erlebnissen aus Bussen und Straßenbahnen in Essen, Duisburg und Krefeld bis hin zu meinen ärztlich verordneten zwei Mal Schwimmen im Hallenbad in unserer Gemeinde. Am vergangenen Wochenende sah ich mich dort im Wasser geneigt, gemeinsam mit meiner Frau einzuschreiten, als zwei weißhäutige Halbwüchsige im Schwimmbecken einen dunkelhäutigen Gleichaltrigen immer wieder würgten und untertauchten, begleitet mit den grinsend vorgetragenen Worten „Ertrink‘, Du Nigger!“ Auch im fortgeschrittenen Alter bin ich mit 1,91 Meter Körpergröße für einen 14-Jährigen eine imposante Erscheinung (und meine Frau sowieso), so dass das Theater sofort ein Ende hatte. Alle drei Jungs, auch das „Opfer“, versicherten, es sei „doch nur Spaß“ gewesen. Im Wasser um uns herum waren vielleicht 20 Leute, niemand von Ihnen zeigte irgendeine Reaktion. Man wollte doch seine Ruhe haben. Ein Bademeister war auch nicht in Sichtweite. Und weil die drei Jungs das Haupt reumütig senkten und fortan zivilisierter spielten, zogen wir von dannen. Ich will Ihnen nicht verschweigen, wie die Gespräche junger Menschen beim Umziehen in den Nachbarkabinen verliefen. „Ey, ich fick‘ Dich“ und „Ich pisse in Deine Kabine“ waren Standard.

Nun könnte der geneigte Leser meinen, die Kelles leben im Ghetto oder, wie man heute sagt,in „einem sozialen Brennpunkt“. Aber das ist nicht so. Hier ist deutsche Bürgerlichkeit pur. Man veranstaltet Nachbarschaftsfeste, geht zur Prozession am Fronleichnam und bringt Blumen auf den Friedhof, wenn Volkstrauertag ist. Viele Einfamilienhäuser, überall ein bis zwei Mittelklasse-Autos davor. Man grüßt sich, wenn man einen Nachbarn trifft, auch wenn man den Namen nicht kennt. Warum werden diese frechen Gören nicht mehr erzogen? Warum sagen ihnen Eltern, Lehrer und Pfarrer nicht mehr, dass man freundlich gegenüber anderen Menschen sein soll. Rücksicht nehmen, hilfsbereit sein! Ich bin ratlos, was in diesem Land los ist. Und diese Probleme sind keineswegs nur (gibt es natürlich auch) ein Thema von Migranten und Integration. Warum wird im Land der Dichter und Denker vielerorts nicht mehr erzogen? Warum lassen wir die Dinge einfach laufen? Ich habe keine Antwort darauf.




GASTSPIEL: BIRGIT KELLE über die Rente, einen Generationenvertrag, der gar keiner ist

Eine der größten Lügen der deutschen Nachkriegspolitik liegt sicher in dem Satz „Die Rente ist sicher“ von Norbert Blüm. Es war in der Zeit, als die LINKE nicht mehr SED, aber schon PDS hieß. Norbert Blüm verkörperte damals in der Regierungskoalition den Kleinen Mann nicht nur körperlich, sondern auch politisch-ideell. Den Satz, den er damals als Arbeits- und Sozialminister im Kabinett Kohl in einer hitzigen Bundestagsdebatte vom 10. Oktober 1997 unvorsichtiger Weise von sich gab, klingt heute wie der reinste Hohn. Ich möchte ihm zugutehalten, dass er das damals selbst geglaubt hat. Irgendwie war die Welt damals auch noch halbwegs in Ordnung. Menschen bekamen regelmäßig Kinder, Ehen wurden mehrheitlich nicht geschieden und Paare wurden noch gemeinsam alt, was die Altersarmut von Frauen übrigens in Grenzen hielt, waren sie doch durch ihre Ehemänner auch später als Witwe noch abgesichert.

Damals diskutierte man die Frage des Rentenniveaus. Experten stritten darüber, ob eine Rente nur ein Existenzminimum abdecken sollte, oder den bisherigen Lebensstandard, den ein Mensch sich erarbeitet hatte, auch im Rentenalter gewährleisten müsse. Aus heutiger Sicht fast schon eine Luxusdebatte, ist man doch heute froh, wenn die zu erwartende Rente zumindest die Armutsgrenze übersteigen wird. Faktisch wurde damals gegen den erbitterten Widerstand der Opposition die schrittweise Absenkung des Rentenniveaus von 70 auf 64 Prozent des Durchschnitts-Nettolohns von CDU/CSU und FDP beschlossen. Blüm sagte damals auch kluge Sätze wie, dass Generationensolidarität durch Generationsgerechtigkeit gestärkt werde, und man nicht Jung gegen Alt ausspielen solle. Heute sagt Norbert Blüm, wenn er nicht gerade eines seiner Bücher anpreist oder in Flüchtlingslagern symbolisch im Schlafsack liegt, übrigens fast nur noch kluge Sätze, auch über die Rente und die Altersarmut von Müttern. Schade nur, dass die Sätze erst heute kommen, da er keinen politischen Einfluss mehr hat und das Kind bereits im Brunnen langsam aber sicher ertrinkt. Und während die SPD damals noch mit ihrem Redner Rudolf Dressler die Theorie vertrat, der „demografische Faktor“ sei ein „pseudowissenschaftliches Alibi und politischer Unsinn“ ergänzte der CDU-Abgeordnete Wolfgang Vogt in besagter Debatte, die finanziellen Folgen des demografischen Wandels könnten nicht allein von den Jungen getragen werden. Solidarität sei keine Einbahnstraße.

Aus damaliger Sicht, war die Rentenreform ein einschneidender Akt, aus heutiger Sicht war sie zaghaft und das eigentliche Problem, der demographische Wandel, wurde damals einerseits noch nicht entscheidend wahrgenommen, von anderen nicht einmal ernst genommen. Absehbar war es aber schon damals. Eines ist jedoch klar, damals wie heute: Redet man in Deutschland über Rente, dann redet man über Neid und Missgunst. In keiner anderen Debatte ist man schneller bei dem Begriff „Unsozial“. Da sind plötzlich alle da, die glauben, ein Recht auf eine Rente zu haben, die sich ungerecht behandelt fühlen. Und dann kommen noch Begriffe wie „Lebensleistung“ ins Spiel, und man ist endgültig emotional in einer Sackgasse politisch festgefahren.

Ich schicke es also vorsorglich vorweg, bevor Rentnerhorden auf mich eindreschen: Ich finde die Renten der derzeitigen Rentnergeneration angemessen und ansonsten unantastbar. Erst letzte Woche ereilte uns die Meldung, dass das Rentenniveau derzeit so hoch ist, wie seit 23 Jahren nicht mehr. Ab Juli erwarten die deutschen Rentner eine Steigerung auf ihrer Abrechnung, was einfach an der guten Konjunktur liegt. Ich gönne es ihnen, sie haben hart gearbeitet und uns großgezogen, ich will ihnen nichts wegnehmen. Nahezu gleichzeitig veröffentlichte der Westdeutsche Rundfunk seine Renten-Weissagung, dass jedem zweiten Bundesbürger wegen des sinkenden Rentenniveaus im Alter eine gesetzliche Rente unterhalb der Armutsgrenze drohe. Lassen wir beiseite, dass die Berechnungen des WDR etwas wirr und mehr aus dem Bauch heraus, denn durch wissenschaftliche Arbeit belegt waren und deswegen zu recht kritisiert wurden. Ganz falsch waren sie aber dennoch nicht. Dass meine Generation im Alter durch ganz normale Berufstätigkeit niemals das Rentenniveau meiner Elterngeneration erreichen kann, ist inzwischen Binsenweisheit. Das lässt sich jedoch nicht verändern, indem wir den heutigen Rentnern etwas weg nehmen, sondern indem wir eine nahezu radikale Rentenreform durchführen, die – wie man an anderer Stelle immer so gerne sagt – mit der Zeit geht und sich den modernen Lebensweisen anpasst.

Wir können nicht rückwirkend Rentenansprüche verändern, das wäre unfair all denjenigen gegenüber, die Jahrzehnte eingezahlt und sich auf ihre Erwartungen verlassen haben. Wir müssen nicht Alt gegen Jung bemühen in dieser Debatte sondern die eigentliche Front endlich benennen und eröffnen: Eltern gegen Kinderlose. Gut, das wird Ihnen kein Politiker so deutlich sagen. Erstens, weil diese Front das Potential für soziale Unruhen hat, zweitens, weil die Neid-Debatte damit garantiert ist, drittens, weil düstere Rentenaussichten für stetig wachsende, kinderlose Bevölkerungsteile politisch nicht opportun erscheinen, um wieder gewählt zu werden und viertens, weil zunehmend mehr Politiker ebenfalls kinderlos sind, was ihr Verständnis für die Sorgen und Nöte von Eltern nicht gerade verstärkt.

Die Front Eltern gegen Kinderlose macht aber Sinn, weil die Zahl der Kinderlosen wächst und ihre Renten mit hoher Wahrscheinlichkeit sicher sind. Gleichzeitig sinkt der Anteil der Eltern an der Bevölkerung, ihre Renten werden immer unsicherer. Besonders unfair wird es, weil der Bevölkerungsteil der Eltern durchschnittlich höhere Leistungen für das Rentensystem erbringt, während sich die kinderlose Bevölkerung den Mühen und Kosten des Kinderkriegens entzieht und somit auch den Investitionen in die nächste Generation, von der dieselben Menschen aber dennoch eine Rente erwarten.

Da schlägt dann der sogenannte Generationenvertrag zu, der jedenfalls auf dem Papier sagt, dass wir heute die Renten unsere Eltern finanzieren, weil sie uns ja freundlicherweise großgezogen und ihr Geld in uns investiert haben und dafür unsere Kinder später in Dankbarkeit und Respekt unsere Renten erwirtschaften und auszahlen werden. Auf dem Papier wie gesagt. Klappt aber, wie man sieht nur dann, wenn man Kinder zeugt, die dann auf dem Arbeitsmarkt tätig sind und in eine Rentenkasse einzahlen. Und klappt nicht, wenn nicht genug Kinder da sind, dafür aber Alte, die trotzdem eine Rente haben wollen.

Es ist so banal und einfach, dass ich mich manchmal frage, wieso wir unser sterbendes Rentensystem nicht längst modernisiert haben. Es muss mit den vier oben genannten Gründen zu tun haben. Sonst ist man immer gerne dabei, die Dinge an moderne Zeiten anzupassen, gerade in Familienfragen, nicht jedoch bei der Rente. Unser Rentensystem stammt noch aus der Adenauer-Zeit. Sie wissen schon, damals, „Kinder kriegen die Menschen immer“-Adenauer. Ein Zitat, das sich heute als genauso fatal falsch herausstellt wie Blüms „Die Rente ist sicher“. Beide hatten in ihrer Zeit Recht für den Fall, dass sich nichts an den gesellschaftlichen Strukturen ändert. Da aber heute schon fast ein Drittel aller jungen Menschen dauerhaft aus verschiedenen Gründen kinderlos bleibt, muss eine nachhaltige Rentenpolitik diesen Wandel der Gesellschaft mit denken.

Heute sind wir 70 Jahre weiter, haben aber immer noch das gleiche System. Vielleicht müssen wir damit anfangen, der jungen Generation noch einmal den Unterschied zwischen Kapitalversicherung und umlagefinanzierter Rente zu erklären, damit sie sich nicht weiterhin dem Irrglauben hingibt, mit ihren Einzahlungen in die Rentenkasse irgendwelche Ansprüche zu erwerben oder gar Kapital anzusparen.

Es gilt als Tabu in der Rentendiskussion, dass man Menschen, die Kinder groß gezogen haben, mehr Rente auszahlt, als Menschen, die keine Kinder groß gezogen haben. Wer einmal so einen Vorschlag mit Kinderlosen diskutiert hat, weiß, wovon ich rede. Bei solchen Forderungen ist gleich wieder Aufschrei. Schnell wird dann von einer „Schlechterstellung“ und „Bestrafung“ von Kinderlosen gesprochen. Die Frage ist jedoch, wieso man sie besser stellt, als Eltern, die Kinder groß gezogen haben und damit zusätzlich Leistungen erbracht haben?

Ja, zusätzliche Leistung, man muss auch das aussprechen. Schieben Sie einfach mal bei Seite dass viele Kinderlose gerne aufzählen, was sie alles für das Gemeinwohl tun, Schulen und Unis bezahlen, Kitas und Ganztagsschulen finanzieren, obwohl sie doch selbst keine Kinder haben. Dazu muss man sagen: Auch der nicht TV-Gucker zahlt dennoch die GEZ mit, der Nichtraucher zahlt die Gesundheitsschäden der Raucher in seiner Krankenkasse mit, der Radfahrer zahlt trotzdem den Bau von Autobahnen mit, der Autofahrer hingegen zahlt auch den öffentlichen Personennahverkehr und der Leistungswillige zahlt immer den Schläfer im System, der morgens keinen Bock hat. Will sagen: Im staatlichen Solidarsystem zahlen wir alle nicht zu knapp und immer auch für Dinge, die wir weder wollen, noch brauchen, und die auch nicht allen nutzen, die aber in ihrer Gesamtheit zu Stabilität und Wachstum der Gesellschaft beitragen. Gerade Schulen und Universitäten nutzen hier eine Menge. Denn eine nicht ausgebildete Kindergeneration wird keine Renten zahlen, sondern allen anderen zeitlebens auf der Tasche liegen.

Deswegen nochmal zum Generationenvertrag, der ja gar keiner ist, denn zumindest eine Generation ist weder geschäftsfähig, um juristisch zuzustimmen, und wäre sie es, sie wäre wohl nicht einverstanden mit diesem Vertrag, den Eltern und Großeltern geschlossen haben, ohne ihre Kinder zu fragen. Dieser Vertrag sieht Verpflichtungen in zwei Richtungen vor: Gegenüber den Eltern, aber auch in die Investition in die nächste Generation der Rentenzahler. Fortpflanzungsverweigerer entziehen sich also der einen Richtung. Und ich höre schon das nächste schlagenden Argument: Was ist mit den ungewollt Kinderlosen? Willst du die jetzt noch doppelt bestrafen, indem sie entweder weniger Rente bekommen oder höhere Beiträge zahlen? Ja, ungewollt Kinderlose kenne ich zu Hauf, faktisch ist es aber völlig egal, warum sie keine Kinder bekommen. Weil uns das als Gesellschaft nichts angeht, warum jemand Kinder hat oder warum nicht. Ob er welche wollte oder nicht, ob er zeugungsunfähig ist oder zeugungsunwillig. Weil es keine Pflicht gibt, sich fortzupflanzen und wir auch keine Mutterkreuze verteilen wollen, diese Kinder aber faktisch und ökonomisch gebraucht werden für ein Umlagesystem in der Rente. Weil ungeborene Kinder nicht ins System einzahlen. Kinder als Alterssicherung ist ja kein neues Konzept. Früher musste man diese nur selbst zeugen, um im Alter abgesichert zu sein. Dank des staatlichen Rentensystems reicht heute das Fremdgebährenlassen, um ebenfalls eine Alterssicherung zu bekommen. Allein das ist neu.

Am Ende bleibt also einfach nur der Fakt stehen: Derjenige, der keine Kinder großzieht und Zeit seines Lebens nur für sich selbst ein Einkommen erwirtschaften muss, hat mehr Geld zur Verfügung auch für seine private Alterssicherung, als derjenige, der mit seinem Einkommen ein, zwei oder gar noch mehr Kinder aufzieht.

Experten einer Studie der Ruhr-Universität Bochum im Auftrag der Bertelsmann Stiftung haben versucht dies zu berücksichtigen und ein gerechtes Rentenmodell aufgemacht, das Investitionen der Eltern mit berücksichtigt und honoriert. Ergebnis: Eine „Basisrente mit Fertilitätsfaktor“, weil es eine „Fehlkonstruktion“ sei, dass die Renten im derzeitigen Umlagesystem immer vom Einkommen der künftigen Generation abhingen, die Kosten für diese Generation aber nur die Familien trügen. Und die Kosten sind erheblich. Je nach Berechnungen sind das übrigens zwischen 120- und 160-tausend Euro pro Kind, die Eltern investieren, bis ihre Kinder finanziell eigenständig sind. Das Geld fehlt dann für private Vorsorge im Alter und ist genau das Geld, das kinderlose nicht für die nächste Generation ausgegeben haben.

Wer keine Kinder erzieht, spart sich das Geld, kann privat vorsorgen und durch ein umfangreiches Erwerbsleben sogar höhere Rentenansprüche erwerben als diejenigen, die Kinder haben, so benennt es die Studie ganz klar. Die Empfehlung lautet, eine Basisrente zu berechnen, die dann je nach Kinderzahl aufgestockt wird. Je mehr Kinder, desto mehr Rente. Eigentlich logisch.

Ganz nebenbei bestätigen die Forscher der Uni Bochum übrigens auch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 2001. Unsere obersten Verfassungshüter hatten damals bereits am Beispiel der Pflegeversicherung angemahnt, die bestehenden Ungerechtigkeiten im umlagefinanzierten Sozialsystem abzubauen. Also in der Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung. Passiert ist nichts, obwohl das Gericht festhielt, dass Eltern allein schon durch das Aufziehen der nächsten Zahler-Generation einen „generativen Beitrag“ an das System leisten und deswegen bei den Zahlungen in die Kassen deutlich entlastet werden müssten. Das Urteil ist nicht das Papier wert, auf dem es geschrieben wurde. Es ist eben kein Geld da, wir können es uns nicht leisten. Ja, wirklich schlimme Zeiten. Und sie werden noch schlimmer werden, wenn junge Menschen der Meinung sind, sie könnten sich Kinder nicht mehr leisten.

Aber möglicherweise muss es auch erst schlimmer kommen. Ich bin gespannt, welcher Jahrgang es sein wird, bei dem das Rentensystem zahlungsunfähig wird. Oder bei dem die Generation der Jungen sagt: Wir kündigen euren Generationenvertrag einseitig auf, schaut wo ihr bleibt, liebe Alten, denn wir zahlen nicht mehr für ein System, aus dem wir selbst nichts mehr heraus bekommen werden. Dieser Tag wird kommen. Wer glaubt, es könnte heute sozial unruhig werden, wenn man die Rentendebatte ehrlich führt, hat keine Ahnung, was uns blüht, wenn wir diese Debatte verweigern. Dann rette sich wer kann und dann schlägt übrigens wieder die große Stunde der Familien: Gut wer dann eine hat, wenn das staatliche Rentensystem nicht mehr kann.

Dieser Beitrag erschein zuerst im April 2016 auf http://wirtschaftswunder.at




„Wenn wir diese 2.000 Menschen beseitigt haben…“

Mit mindestens 100 Millionen Euro wird in diesem Land aus Steuergeldern der „Kampf gegen Rechts“ pro Jahr subventioniert. Der Kampf gegen Rechtsextremismus ist in Deutschland Staatsraison, und das ist aus unserer Geschichte erklärbar und auch sinnvoll. Rechtsextremismus! Das ist nicht Patriotismus, das ist nicht konservatives Denken, das sind Rassenhass und Herrenmenschen-Gehabe. Und deshalb ist eine Unverschämtheit, dass der Begriff „Rechts“ von Politikern und Medien geradezu inflationär benutzt wird, um politische Gegner zu diskreditieren. Zu den dunklen Jahren unserer deutschen Geschichte gehörten einst auch Nazi-Aufmärsche vor den Wohnhäusern politisch Andersdenkender, gehörten Drohungen, gehörte nackte Gewalt.

An diesem Wochenende konnte man in Stuttgart Linksextremisten bei der „Arbeit“ sehen, die mit Eisenstangen auf AfD-Mitglieder losgehen wollten. Delegierte der Partei bekamen vorher Verhaltensregeln, nicht einzeln zum Veranstaltungsort zu gehen, sondern nur in Gruppen. Ein bestimmtes Parkhaus wurde für AfD-Delegierte („nur in Gruppen gehen“) reserviert und von starken Polizeikräften bewacht. Heute wurde bekannt, dass die Namen, Adressen und Telefonnummern der 2.100 AfD-Mitglieder beim Bundesparteitag von einer linksextremen Webseite im Internet veröffentlicht wurden. Auf der linksradikalen Plattform „Indiymedia“ schrieb ein „Nutzer“: „Wenn wir diese 2000 Menschen beseitigt haben, dann können wir endlich in Frieden leben.“ Gemeint sind die AfD-Funktionäre beim Parteitag.

Das ist kein Spaß, keine Satire – das ist öffentlicher Aufruf zur Gewalt gegen politisch Andersdenkende. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig sagte noch vor wenigen Monaten, Linksradikalismus sei kein ernstes Problem in Deutschland. Sie irrt. Es sind die Methoden von Faschisten, die hier ihre hässliche Fratze zeigen. Und es sind linke Faschisten, die Zu Gewalt aufrufen und die Gewalt ausüben. Justiz und Polizei, der demokratische Rechtsstaat sind gefragt, massiv gegen dieses Pack vorzugehen. Pack? Ja, Pack! Politische Gewalt ist auch dann nicht legitim, wenn sie von links kommt.




Eine demokratische Gesellschaft darf Gewalt nicht dulden

Westdeutscher Rundfunk und Antenne Düsseldorf haben heute morgen berichtet, dass es wegen des AfD-Parteitages zu schweren Ausschreitungen und einem massiven Polizeieinsatz in Stuttgart gekommen ist. Das ist falsch. Wegen den Gewalttaten krimineller linksradikaler Schlägerbanden ist es zu einem massiven Polizeieinsatz gekommen. Jeder Demokrat und jede der etablierten Parteien sollten sich klar positionieren, wenn in einer freiheitlichen Demokratie Horden von Politkriminellen mit blanker Gewalt versuchen, zu verhindern, dass eine Partei in diesem Land ihren Parteitag abhält. Schlimm genug, dass man es heutzutage betonen muss: Ich bin kein Anhänger der AfD, aber sie haben in diesem Land jedes Recht, ihre Meinung zu sagen.




Mister Trump und wie er die Welt sieht

Donald Trump, das steht nicht nur in der Zeitung, hat ernsthaft Chancen, im November das Weiße Haus zu erobern. Das bestätigen mir auch zunehmend Freunde aus den USA. Der Trend, Kandidaten gegen das politische Establishment zu unterstützen und zu wählen, ist in den USA wie auch in Europa zur Zeit absolut angesagt. Und deshalb sollten wir genau zuhören, wenn Trump heute in einer Grundsatzrede in Washington der Welt seine außenpolitischen Schwerpunkte mitteilt.

Er werde als Präsident die Sicherheit seines Landes über alles andere stellen, das machte er gleich zu Beginn klar: „Meine Außenpolitik wird die Interessen des amerikanischen Volkes und die Sicherheit der USA über alles stellen.“ Mal ehrlich, sollte das nicht ein jeder Staatschef seiner Amtszeit voran stellen? In unserem Teil der Welt ist es üblich geworden, alles auf größere Einheiten zu delegieren. Brüssel soll es dann richten. Oder die NATO. Oder die UN. Und letztlich sind es dann die Amerikaner, die die Kastanien für den Westen aus dem Feuer holen. Und so ist folgerichtig, dass auch Trump klare Worte an die NATO-Verbündeten in Europa richtet, die versprochen haben, zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für die Verteidigung aufzuwänden. Aber kaum einer hat das Versprechen eingelöst. Auch Deutschland nicht, unser Land, das immer anderen gute Ratschläge erteilt. Barack Obama, noch Präsident und „Lame Duck“ hatte bei allen Freundlichkeiten in Hannover ebenfalls dieses Thema gegenüber der Bundeskanzlerin klar zum Ausdruck gebracht.

„Wer nicht für uns ist, ist unser Feind“, hatte Präsident George W. Bush nach 9/11 als Leitmotiv ausgegeben. „Wir haben unsere Rivalen und Herausforderer glauben lassen, dass sie mit allem durchkommen“, sagte Trump heute und kündigte an, dass der Kampf gegen den IS ein Schwerpunkt seiner Präsidentschaft sein würde. Amerika, so fuhr er fort, kündige zu viel öffentlich an und veranstalte zu viele Pressekonferenzen. Das werde sich ändern, versprach er. Die USA würden gegenüber ihren Feinden unberechenbarer werden.

Immerhin gab es versöhnliche Töne an Russland und China. Trump will mit beiden offen reden und versuchen, ein deutlich besseres Verhältnis mit den anderen Großmächten zu organisieren, als es jetzt ist. Vielleicht ist es die uninspirierte und erfolglose Außenpolitik Obamas und Clintons, die das heute alles für mich gut klingen lässt. Aber zumindest klingt es nachvollziehbar, was Trump vorhat. Für Europa und damit Deutschland würden bei einem Präsidenten Trump aber wohl härtere Zeiten anbrechen.




Mein Haus ist meine Burg

Am Dienstagmorgen gegen 2.20 Uhr überraschte ein 63-jähriger Hauseigentümer in einem Dort im Sauerland einen Einbrecher. Und weil der Hauseigentümer Jäger ist, hatte er eine Waffe im Haus. Er schoß auf den Einbrecher und verletzte ihn lebensgefährlich. Inzwischen ist der 18-jährige Täter gestorben. In den sozialen Netzwerken tobt heute die Diskussion über Recht und Unrecht. Durfte der Mann schießen und sogar töten, wo es doch nur um einen Diebstahl, also ein wenig Bargeld oder vielleicht Omas Schmuck ging? Hätte er nicht auf die Beine des Einbrechers schießen müssen? Hatte der Einbrecher ein Messer dabei? Und dürfen die Medien berichten, dass der Täter ein Flüchtling aus Albanien ist? Und ist jemand selbst schuld, wenn er irgendwo einbricht und dann erschossen wird?

Ich muss sagen, dass ich es als grundsätzlich traurig empfinde, wenn ein junger Mensch so unerwartet aus dem Leben gerissen wird. Selbst wenn er eine Straftat begehen wollte und möglicherweise weitere vorher begangen ist, ist es eine Tragödie, wenn ein 18-Jähriger stirbt. Wenn man sich vorstellt, was dort in dem Haus passiert ist, kommen einem viele Gedanken. Hätte der Überfallene nicht die Polizei rufen sollen, statt zur Waffe zu greifen? Das kann keiner beurteilen, der nicht dabei war. In unserem Ort wird jetzt die einzige Polizeiwache nachts geschlossen. Die nächste ist 20 Minuten Fahrzeit entfernt, wenn genügend Beamte Dienst haben, um sofort loszufahren. In so einer Zeitspanne kann eine Einbrecherbande aus Osteuropa mehrere Wohnungen und Häuser in einem ganzen Straßenzug plündern. Osteuropäer? Oooohhhh… ist das nicht schon wieder rechtspopulistisch? Nein, ist es nicht. Die Polizeistatistiken zeugen von einem rasanten Anstieg von Wohnungseinbrüchen in Deutschland von über 100.000 im Jahr. Die meisten werden nicht aufgeklärt. Und die Polizei weiß, dass dieser Deliktszweig sehr stark in Händen organisierter Krimineller aus Osteuropa ist. Seit ich ein Kind war, habe ich mit meinen Eltern regelmäßig die ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY…ungelöst“ geschaut, in der einst der unvergessene Eduard Zimmermann und heute Rudi Cerne effektiv Fahnung nach Kriminellen betreibt. Bis heute bin ich dieser Sendung als Zuschauer treu geblieben. Und wer regelmäßig zuschaut, weiß, dass Einbrecher in der Regel eigentlich immer schwarz gekleidet sind, eine Stoffmaske über dem Gesicht tragen und mit osteuropäischen Akzent ihre Opfer anbrüllen. Ist politisch inkorrekt das zu sagen, aber ist wahr.

Doch zurück zu der Tragödie aus dem Sauerland in dieser Woche. Was hätte ich in einer solchen Situation getan? Wahrscheinlich kann man das nur realistisch einschätzen, wenn man eine solche Ausnahmesituation selbst erlebt hat. Alles andere – mit dem Täter reden und an sein Gewissen appellieren, an seine schwere Kindheit und seine kranke Mutter denken, ihm Kaffee anbieten – ist wenig überzeugend. Vielleicht ist es auch ein Unterschied, ob man allein in einem Haus ist und mit einem Einbrecher konfrontiert wird, oder ob man eine Familie hat. In unserem Haus wohnen vier Kinder und wir haben keine Schusswaffe. Wenn ich nachts einen Einbrecher im Haus höre, würde ich selbstverständlich als erstes versuchen, die Polizei zu verständigen. Und wenn mich einer mit einer Waffe bedroht und Geld fordert, würde ich wahrscheinlich die 20 Euro, die ich normal immer im Portemonnaie habe, rausrücken. Das ist ein Leben nicht wert. Wenn allerdings jemand meine Frau und meine Kinder bedroht oder gar angreift, ist die Zeit für Palaver definitiv vorbei. Dann ist Notwehr und zwar mit allen verfügbaren Mitteln. Und es ist mir völlig schnuppe, was hinterher der öffentlich-rechtliche Rundfunk über mich berichtet.




Österreich bestätigt den europäischen Trend

Der erste Durchgang der Bundespräsidentenwahl in Österreich bestätigt den Trend, der seit einiger Zeit überall in Europa festzustellen ist. Die Wähler wenden sich in Scharen von den etablierten Parteien ab. Die Kandidaten von SPÖ und ÖVP – das Pendant zu SPD und CDU – bekamen jeweils nur noch 11 Prozent Zustimmung, der FPÖ-Kandidat – heutzutage nennt man ihn Rechtspopulist – triumphierte mit rund 35 Prozent der Stimmen. Wie die Stichwahl ausgehen wird, ist offen, da sich eine Allparteienkoalition gegen Norbert Hofer anbahnt. Da aber auch der österreichische Wähler unberechenbar ist, halte ich für denkbar, dass viele bei der Stichwahl FPÖ wählen werden. Sollte das Establishment von Grün bis ÖVP Hofer verhindern, wird er beim nächsten Mal im ersten Wahlgang gewinnen, weil die Bürger Charakterlosigkeit nicht goutieren. Charakterlosigkeit? Ja! Wenn Parteien, die einst inhaltlich nichts verbanden, nun gemeinsam stimmen, um eine unliebsame Konkurrenz zu blockieren, werden sie dafür eine Quittung erhalten. Die Entwicklung auch in Deutschland ist eindeutig – wer nicht bereit ist, sich mit politischen Alternativen auseinanderzusetzen, wird verlieren.




Der Kampf gegen den Terrorismus als absurdes Trauerspiel

Am vergangenen Samstag explodierte vor dem Sikh-Tempel in Essen eine Bombe. Der sogenannte Sikhismus ist eine monotheistische Religion, die ihren Ursprung in Indien hat. Die Anhänger glauben an einen Gott, der weder männlich noch weiblich ist, ein sozial ausgerichtetes Familienleben, der ehrliche Verdienst des Lebensunterhaltes sowie lebenslange spirituelle Entwicklung. Die Sikhs gelten als friedfertige Leute, und auch bei längerem Nachdenken fällt mir kein Grund ein, warum irgendjemand diesen Leuten etwas Böses antun sollte. Aber zwei 16-Jährige aus der Salafistenszene im Ruhrgebiet bauten und zündeten einen Sprengsatz, ausgerechnet bei einer Hochzeitsfeier. Immerhin, trotz des in dieser Woche erneut stattgefundenen Blitzmarathons – eine völlig sinnfreie, weil teure und offenbar wirkungslose Prestigeveranstaltung einzelner Innenpolitiker – waren noch genügend Polizeibeamte vorhanden, um die beiden jungen Terroristen zu finden, zu verhaften und in Zellen zu sperren. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist, dass drei Menschen verletzt wurden, einer davon schwer. Immerhin wagte niemand, den feigen Anschlag als kulturelle Bereicherung für unser buntes Land zu verharmlosen.

Im der gedruckten Ausgabe des Magazins „Focus“ findet sich in dieser Woche ein bemerkenswertes Doppelinterview mit dem Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler, und Hans-Georg Maaßen, dem Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Schindler erklärte, die Anschläge von Brüssel und Paris seien von einem Netzwerk von etwa 30 Personen organisiert und ausgeführt worden. Und wörtlich weiter: „Der größte Teil der Mitglieder war den Sicherheitsbehörden bekannt. Dennoch wusste man zu wenig über ihre konkreten Tatplanungen. (…) Wir brauchen Informationen weit vor den Anschlägen, um sie zu verhindern, und nicht erst danach.“ Das erscheint logisch. Weil aber in unserem Land alles mit allem zusammenhängt, hat das Bundesverfassungsgericht am vergangenen Mittwoch andere Vorstellungen geäußert, die rechtsverbindlich und Hausaufgabe für die Politik zugleich sind. Das BKA-Gesetz, das den rechtlichen Rahmen für die Terrorismus-Bekämpfung vorgibt, wird in Teilen entscheidend entschärft. Mit fünf gegen drei Stimmen entschieden die Richter, dass den Persönlichkeitsrechten von Terrorverdächtigen und ihnen nahestehenden Personen mehr Raum eingeräumt werden muss. Also ein Beispiel. Wenn ein Terrorist von den Ermittlern ausfindig gemacht wurde, dürfen BKA und Verfassungsschutz zum Beispiel seine Wohnung mit Mikrofonen und Minikameras verwanzen. Sitzt aber seine Freundin, die nicht als Terroristin bekannt ist, in derselben Wohnung, dürfen die Ermittler nicht ohne Weiteres lauschen und filmen, weil die Dame ja schließlich auch Persönlichkeitsrechte hat und für den mutmaßlichen Massenmörder auf dem Sofa neben ihr nicht verantwortlich gemacht werden kann. Ich bin sicher, irgendwann werden die deutschen Verfassungsrichter entscheiden, dass Polizeibeamte, die mit Haftbefehl vor der Tür eines Verdächtigen stehen, nicht im Interesse der Bürger für Sicherheit sorgen, sondern eigentlich Hausfriedensbruch begehen.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin dafür, dass Deutschland ein liberaler Rechtsstaat bleibt. Ich bin dafür, dass der Staat sich weitgehend aus den Angelegenheiten seiner Bürger raushält. Ohne konkreten Anlass hat niemand meine Post zu lesen, ohne mich zu fragen. Niemand hat etwas auf der Festplatte meines Computers zu suchen, ohne dass ich die Genehmigung erteile. Und meine Telefonate gehen auch niemanden außer dem jeweiligen Gesprächspartner etwas an. Aber wie es so schön heißt: Man muss auch mal die Kirche im Dorf lassen. Haben Sie noch die Bilder von Brüssel und Paris im Kopf, haben sie im Fernsehen die Toten auf den Straßen von Kabul diese Woche gesehen, den brennenden Bus in Jerusalem? Haben Sie noch die Aufnahmen von 9/11 im Kopf, von Madrid und London? Wir haben ein Problem, und das Problem ist, dass in unseren westlichen Gesellschaften eine Menge islamistischer Extremisten darüber nachdenken und intensiv daran arbeiten, möglichst viele unschuldige Menschen umzubringen. Deshalb dürfen wir unsere freiheitlichen Gesellschaften nicht abschaffen, aber wir müssen denjenigen, die in Polizei und Geheimdiensten für unseren Schutz arbeiten, die nötigen Instrumente dafür geben.

Als die rechtsradikalen Killer des sogenannten NSU zehn ausländische Mitbürger feige umgebracht haben, forderten anschließend führende Politiker, es müsse mehr Datenaustausch zwischen den Geheimdiensten und der Polizei in Deutschland geben, um solche terroristischden Gewaltverbrechen zukünftig möglichst zu verhindern. Das Bundesverfassungsgericht hat vorgestern geurteilt, der Austausch von Ermittlungsdaten zwischen den deutschen Behörden sei rechtlich problematisch. Und der Austausch auf internationaler Ebene sei überhaupt nicht wünschenswert. So, als sei der internationale Terror muslimischer Gewalttäter auf Liechtenstein begrenzt….




Tabakwerbung nein, Drogen ja, Bikini auch nein

Rauchen ist gesundheitsschädlicher als Nichtrauchen – das stelle ich gern an den Beginn meiner kurzen Betrachtung über die neuesten Bemühungen unserer Regierenden, die Menschen zu ihrem vermeintlichen Glück zu zwingen. Ich schreibe das als Nichtraucher (seit drei Monaten), der aber auch ein großer Freund der persönlichen Freiheit eines jeden Individuums ist. Bis 2020 darf in Deutschland noch für Tabakprodukte inklusive E-Zigaretten geworben werden. Das hat die Bundesregierung beschlossen. In Kinos darf nur noch Zigaretten-Werbung gezeigt werden, wenn die gezeigten Filme die Altersbeschränkung 18 haben. Und in Kürze werden auf Zigarrettenschachteln mindestens ein Drittel der Vorder- und Rückseite verpflichtend mit Schockfotos bedruckt sein müssen. Lungen mit Krebs, Raucherbeine, abfaulende Zahnstümpfe.

Ist das wirklich Aufgabe eines Staates, die Werbung für ein nicht verbotenes Produkt zu verbieten? Oder wäre der bessere Weg, über die Gefahren des Rauchens zu informieren und dann den Bürger entscheiden zu lassen? Ja, er ist aus der Mode gekommen, der mündige Bürger. Ganz besonders in Deutschland. Rauchen ist gefährlich für die Gesundheit. Gegrilltes Bauchfleisch auch. Motorradfahren und Skifahren sind auch gefährlich und bisweilen tödlich. Will der Staat also zukünftig jede potentielle Gefahr sanktionieren. Ekel-Fotos auf Tabakprodukten, die Würgereiz beim Betrachter hervorrufen, werden staatlich verlangt. Und Werbung mit Frauen im Bikini werden von Herrn Maas jetzt verboten. Und Grünen-Politiker kämpfen massiv gegen das Rauchen, wollen aber Drogen legalisieren. Bin ich eigentlich der Einzige, der das alles ein wenig unlogisch findet?