Breakfast in Europa: Warum ich weiter an unseren Kontinent glaube

Man muss sich immer mal vergewissern – über sich selbst sowieso, über seine Überzeugungen natürlich und über das Wahrnehmen der Realität um sich herum. Wie Leser meiner Kolumnen wissen, bin ich zur Zeit in Rom, und gestern habe ich an dieser Stelle darüber geschrieben, wie gut es ist, dass wir endlich keine Roaminggebühren mehr bezahlen müssen, wenn wir im EU-Ausland telefonieren. Über Jahre eine skandalöse Abzocke, gewissermaßen alternativlos, und nun außer Kraft. Dank der EU.

Ja, ja, an dieser Stelle steigt bei vielen Lesern der Blutdruck an. Griechenland bekommt für seinen maroden Haushalt wieder frisches Geld und überhaupt: warum haben die den Euro bekommen? Uns so viele Kredite? Und Bürgschaften…von uns! Sie haben recht: Wie die Bürokraten in Brüssel und Berlin damals vorgegangen sind, ist nicht schönzureden. Aber unser Wirtschafts- und Finanzsystem ist nicht zusammengebrochen. Und der Euro? 2008 haben mir Freunde, die sich selbst im Gegensatz zu mir als kleinem Journalisten, „wirtschaftlichen Sachverstand“ bescheinigen, gesagt, der werde in Kürze abgeschafft, DM-Scheine seien bereits gedruckt und nachts Laster in Deutschland unterwegs, die die Sparkassen-Filialen bestücken. Erinnern Sie sich noch daran? Wir haben Mitte 2017, und selbst heute deutet nichts außer den Kassandrarufen einiger Profiteure, die in Büchern und Talkshows viel Geld mit dem vermeintlich bevorstehenden Untergang verdienen, darauf hin, dass so etwas in absehbarer Zeit geschehen könnte.

Europa ist nicht die EU – natürlich nicht. Und einen Nationalstaat EU sehe ich nicht einmal als schemenhafte Silhouette am Horizont. Ein Staatenbund Europa, eine Gemeinschaft freier Länder auf gleichen Wertüberzeugungen basierend – Freiheit, Demokratie, Recht, Abendland – das ist es. Dazu muss man kein Romantiker sein, um der Idee Europas etwas abzugewinnen, das geht auch als Realist. Aber Romantiker sein, das ist auch nicht schlecht.

Gestern sprachen wir darüber als wir mit Freunden spätabends auf der berühmten Scalinata di Trinità dei Monti im Herzen der Ewigen Stadt saßen, die wir Deutsche die Spanische Treppe nennen. 1723 erbaut, eine Folge städtebaulicher Ambitionen des Papstes Innozenz XIII., ist sie rund um die Uhr ein Anziehungspunkt für vorzugsweise junge Menschen im Herzen dieser wirklich pulsierenden italienischen Metropole, die wahrlich auch eine euroäische ist. Ein paar Stufen vor uns eine Schulklasse aus Spanien, einer der Schüler – wohl der Klassenclown – führt etwas vor, alle Lachen. Wir auch, obwohl wir nicht ein Wort von den Faxen verstehen, die er aufführt. So wie auch die Italiener um uns herum, irgendwo sprechen welche auf Englisch. Ein Sicherheitsmann schlendert durch die Reihen, begleitet von einem Carabinieri. Alkohol ist hier auf der Treppe strikt verboten. Doch es ist heiß im Frühling in Rom, auch um 23 Uhr noch. Ein junger Mann – #wirschaffendas – kommt mit einer grünen Plastiktüte durch die Reihen, eiskaltes italienisches Bier in 0,5-Liter-Dosen, das Stück für 3 Euro. Wir kaufen sechs und verbergen sie unsichtbar für die Aufpasser hinter unseren Waden. Und trinken sie aus.

Die Länder Europas und die Mentalitäten ihrer Bewohnen sind ganz unterschiedlich. Solche Abende gibt es auch in anderen europäischen Metropolen. In Kopenhagen oder Dublin sind sie immer friedlich, man schließt schnell Freundschaft mit Menschen aus anderen Teilen der Welt. In Paris, Berlin oder London gibt es solche spontanen Straßenfeste auch, aber man weiß, dass dort die Stimmung auch aggressiv umschlagen kann. Menschen aus Ländern, die oft Kriege geführt haben, sind wohl doch anders als die Bewohner des Auenlandes.

Heute Morgen Frühstück auf der Dachterrasse unseres Hotels mit herrlichem Blick über die Stadt mit den vielen Kuppeln und Kirchen. Zwei Tische weiter ein junges Paar, vielleicht um die 30 herum. Zwischen Kaffee und diesen unfassbar leckeren italienischen Backwaren haben sie eine kleine dänische Fahne aufgestellt, nur für sich. Meine Frau und ich beschließen spontan, uns auh eine kleine Deutschlandfahne zu besorgen. Für den Fall, dass wir mal wieder irgendwo in Europa frühstücken…

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Dieser Artikel wurde 28 mal kommentiert

  1. Alexander Droste Antworten

    “ … Ein Staatenbund Europa, eine Gemeinschaft freier Länder auf gleichen Wertüberzeugungen basierend – Freiheit, Demokratie, Recht, Abendland – das ist es. Dazu muss man kein Romantiker sein, um der Idee Europas etwas abzugewinnen, das geht auch als Realist. Aber Romantiker sein, das ist auch nicht schlecht.“

    Vielen Dank, das ging mir nah.

    • Dorothea Hohner Antworten

      Lieber Herr Kelle und Herr Droste,

      mir auch, das ging mir auch nah, genau diese Passage…..man darf auch Dichter sein, J. W. v. Goethe sagte damals schon: die Sprache Europas ist das Christentum……

      Und nein, EU ist nicht gleich Europa…damit ist es auf dem Punkt, ich wünsche allen eine gute Zeit und einen guten Weg!

  2. Konrad Kugler Antworten

    Jaaaaa, die wunderschöne Idee EUROPA!

    Was wird von ihr verwirklicht? Nicht das Schöne, zB Gottesbezug, nicht das Edle, nein Verwahrlosung muß sein. Schikanen für Staaten, die sich gegen den Abtreibungswahn stemmen, und keine Invasoren aufnehmen, weil sie ihren nationalen Charakter bewahren wollen.

    Die EU ist von einem charakterlosen sozialistischen Sauhaufen okkupiert. Gegen den sind die vernünftigen, weil konservativen Kräfte immer im Hintertreffen.

  3. Uwe Monheimius Antworten

    Warum Griechenland den Euro bekommen hat:
    Fischer und Schroeder damals haben durchgewunken…

    Eben einmalig typisch deutsch wieder:
    Harmonie. Tolleranz bis zum abwinken.

    Und die Griechen haben so gelogen
    seiner Zeit!
    Heute alles vergessen_ die armen Griechen.

    Und die neue Zuwendung nach Athen, wird hier als von Gott gewollt, verstanden!!
    Duemmer geht (n) immer.

    • Alexander Droste Antworten

      Dann kam die Bankenkrise 2008. Darüber ist Griechenland gestolpert. Jetzt haben sie ein echtes Problem. Insbesondere, weil sie nicht rauskommen aus der Misere. Die Griechen, das einfache Volk, büßen es und wir zahlen es, was Banken und Regierungen verzapft haben.

  4. H. Urbahn Antworten

    An einen Staatenbund Europa mit den von Ihnen , Herr Kelle, genannten Eigenschaften ist sicher ein erstrebenswertes Ziel, nur ist dies auch das Ziel von Juncker, merkel Macron und anderen Eurokraten? Das glaube ich nicht. Deren Ziel ist ein Superstaat Europa in denen die Bürger nur als Konsumenten und als Arbeitskräfte vorkommen, aber nicht als Souverän.
    Noch eine Randbemerkung: Sie schreiben, das Finanz- und Wirtschaftssystem existiert noch, aber zu welchem Preis. die deutschen Sparer hat dieser Wahnsinn inzwischen 470 Milliarden gekostet, garnicht zu reden von den 870 Milliarden des Target 2 -Saldos für die der deutsche Steuerzahler aufkommen muß. und was ist der Erfolg. der Erfolg ist null, Griechenland braucht frisches Geld und bekommt es, auch wenn dazu zum x-ten Male alle für die Kriterien von Herrn Schäuble nicht beachtet werden. Italien steht finanziell am Abgrund, wenn die EZB ihre rechtswidrige Staatenfinanzierung einstellt, ist Italien Pleite und für Frankreich mit dem undurchsichtigen Macron sieht es nicht viel besser aus.

    • Walter Lerche Antworten

      Genau so sehe ich das auch!
      Die Euro-Zone ist nicht gut für unsere Familien, weil unsere Lebensleistung aus Vergangenheit, Gegenwart und in der Zukunft infolge Umverteilung entwertet wird. Die Sparguthaben repräsentieren unsere Arbeit von gestern, die Geldtransfers und unverschämt hohen Steuern nehmen es vom Heute und morgen bleiben uns nur noch digitale Coins o.s.ä.
      Wir als Privatpersonen haben keine Priorität. Wir stören nur. Was man von uns will, das ist unsere Arbeitsleistung und unser Geld, was wir gerade mal noch übrig haben. Wenn ich 100 Euro in der Tasche habe, dann geht es nur noch darum, wie die Lobbys die bekommen. Die fehlende Priorität privater Menschen erkennt man auch daran, dass man deren private Verkehrsmittel aus den Städten drängen will.
      Dabei wird unterschlagen, dass unsere ganze Versorgung, unsere Wirtschaft und eigentlich fast alle Güter auf „Diesel“ basieren. Ohne Diesel ginge gar nichts. Ohne Diesel wären die Supermärkte leer. Dabei waren Autos nie so sauber wie heute. Und die Leute bleiben auch in Großstädten immer gesünder und werden älter. Woher kommt also der fatale Grenzwert für unsere privaten Autos? – Ja, von der EU aus Brüssel natürlich! Würde man den Grenzwert realistisch setzen, dann würden unsere Fahrzeuge von der Politik nicht entwertet. Will man sauber Luft in Städten haben, müsste man ganz anderes ansetzen. Nicht ohne Grund schweigen die deutschen Autohersteller zu diesem Thema. Warum wohl?!

      Ganz ehrlich lieber Herr Kelle, im Gegensatz zu Ihnen würde ich lieber Roaming-Kosten bezahlen als meine private Altersvorsorge und meine Lebenskraft an das europäische und globale Großkapital zu verlieren. Wie Sie sicherlich wissen, bekommt die griechische Bevölkerung von unseren Euros keinen zu sehen. Die bleiben größtenteils in Frankfurt im Bankenviertel. Oder nicht?

      • Walter Lerche Antworten

        Kürzlich stieg im Focus der Ballon „Abwrackprämie für Dieselautos“. – Damit ist die Katze aus dem Sack. Damit schließt sich der Kreis. Das erklärt, warum sich die deutsche Autoindustrie so sehr zurückhaltend zu den im Raum stehenden Diesel-Fahrverboten verhalten. Na kla, so einen richtigen Schluck aus der Pulle bekommen, richtig viel Kohle von den Leuten, nämlich Steuergelder in Form solcher „Abwrackprämie“. Hat ja schon einmal geklappt. Jedes Problem wird dazu instrumentalisiert, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen ohne Gegenleistung, natürlich per Gesetz, man arbeitet zusammen. Diesem Ballon werden weitere folgen und am Ende wird es so kommen.
        Und gibt es kein Problem, dann wird eines geschaffen. Im Focus las ich auch, dass die Luftqualität in München und Stuttgart noch nie so gut war, wie sie heute ist. Aus gesundheitlichen Gründen gäbe es keinen Grund, etwas zu ändern, wobei man natürlich immer etwas verbessern könne. Und DAS genügt, um uns 100 Milliarden Schaden zuzufügen, der von privaten und gewerblichen Fahrzeughaltern zu bezahlen ist? – Ja sieht das denn keiner oder höre ich das Gras wachsen?

  5. Verena von Buch Antworten

    Haetten die Politiker von damals Homers Odyssee gelesen, haetten sie wissen muessen, dass die Griechen mit einem trojanischen Pferd in die EU wollten. Sind halt Schlitzohren die Griechen ( natuerlich nicht Alle)

    • Walter Lerche Antworten

      Oder der Euro für Griechenland ist der Preis dafür, dass dort Putin keinen Zugang zur Südflanke Europas bekommt. Das wird wohl auch der wahre Grund sein, immer weiter zu zahlen. Das gefällt nicht nur den Griechen, die von dem Geld nichts sehen, sondern gewiss auch denen, die sich dieses Geld einstreichen. Griechenland wird m. E. instrumentalisiert für eine nie dagewesene Umverteilung und Entwertung unserer Lebensleistung. Und ich sehe schon den Tag kommen, da gilt man als „rechts“, wenn man weitere Zahlungen kritisiert. Oder sie werden verschwiegen. Es geht hierbei m. E. nicht wirklich um Griechenland.

      • Walter Lerche Antworten

        Zum Thema Helmut Kohl sagte jemand im Deutschlandfunk, dass Kohl dem „Euro“ seinerzeit zustimmen musste, um die Deutsche Einheit zu bekommen.
        Wenn das so war, und es ist für mich nachvollziehbar, dann ist der Euro der Preis für die Einheit Deutschlands.

        Aber, was anschließend mit dem Euro gemacht wurde, wie er missbraucht und instrumentalisiert worden ist, wie er durch Vermehrung entwertet worden ist, wie man ihn benutzte, um ohne Limit höhere Schulden zu machen, dass gehörte sicher nicht zum damaligen Deal Kohls mit Russen, Engländern, Franzosen und Amerikanern. Der Geldtransfer aus Deutschland heraus und auf NimmerWiedersehen kann durch demokratische Wahlen nicht gestoppt werden, dagegen unwichtige Dinge schon.

  6. Siegfried Simperl Antworten

    Ein Europa der Freiheit ist ein Europa der Ehrlichkeit, ein Europa, das nicht davor zurückschreckt, zu sagen, was falsch läuft. Wir alle wissen, dass es einige Dinge gibt, die im Rückblick anders gemacht werden müssen. Es gibt viele politische Maßnahmen, die nicht funktionieren. Es gab zu viel Bürokratie. Manch eine Regulierung ist nicht effizient, oder zielte nicht auf das Richtige oder wird schlecht koordiniert. Gleichzeitig kommen Probleme auf, aber die Politik stellte sich blind oder ist zu ängstlich um kühne, beherzte Entscheidungen zu treffen. Dafür bezahlen wir jetzt den Preis. Ich würde sagen: Einen sehr hohen Preis!

    • Walter Lerche Antworten

      Entscheidungen in Richtung Lösung dieses Problems sowie für viele andere notwendige Themen werden von Politikern nicht getroffen, sondern vor sich hergeschoben. Das macht die Sache um ein Vielfaches teurer.

  7. Klaus Beck Antworten

    Lieber Herr Kelle,
    ich habe es jetzt dreimal gelesen: Weil es – in einigen Ländern – der EU keine Roaming-Gebühren mehr gibt, der Euro als gemeinsames Zahlungsmittel trotz Unkenrufen (noch) fortbesteht und man in jedem Land der EU eine bunte Menge an Menschen und Fähnchen sehen kann, ist das Konstrukt „EU“ gut?

    Europa, daran darf ich erinnern, gab es lange vor Merkel, Brüssel und dem polittaktischen Wahn vom vereinigten Europa. Wenn ich als Dreijähriger damals eine deutsche Fahne in den Adria-Sand hätte stecken wollen: Wen hätte es gekümmert? Und da waren auch Dänen am Strand.

    Vielleicht wäre es auch gut daran zu erinnern, dass der Deutsche im europäischen Vergleich nicht an der Spitze, sondern im Keller des „Reichtums“ steckt, weit hinter Italien und Griechenland, dies schon aufgrund des kaum vorhandenen Wohneigentums bei verhältnismäßig weniger Netto-Lohnsteuerzahlern. Der einzige Reichtum Deutschlands beruht auf seiner schier unerschöpflichen Arbeitskraft. Und deshalb fließen deutsche Transferleistungen in korrupte Länder mit hoher Lebensfreude und niedriger Arbeitsmoral …
    Jamas! Alla salute! À la vôtre.

    Und wenn in deutschen Altenheimen und Krankenhäusern der Patient (und auch das Personal) nur noch als Störfaktor im Gewinn-Generierungsprozess von Investoren und Konzernen besteht und x-Tausende alter Menschen im Altenheim in ihrem Siechtum nur noch verwaltet werden, ist das für die Leistungserbringer der vorangegangenen Generation sicher ein ganz enormer Trost, wenn der „Euro“ fortbesteht.

    Deutschen Arbeitsnehmern, die 30, oft 40 Jahre ihres Lebens für dieses Land gearbeitet und Abgaben ohne Ende bezahlt haben, bei der Rentenbegutachtung sagen zu dürfen, dass sie für einen Rentenbezug leider noch nicht krank genug sind, aber sich weiter auf dem Amt demütigen lassen dürfen, hilft da in der Erweiterung des Blickwinkels.
    Diese Menschen sch… (Zitat) nämlich auf Griechenland und jene handwerklich-ideologische Missgeburt „EU“, die nur für die Betuchten, Verklärten und Vorteilsnehmer attraktiv ist und sich deshalb in einem Prozess der „laufenden Reanimation“ befindet, obwohl der Hirntod schon lange festgestellt wurde.

    • Friedrich Albrecht Antworten

      Werter Herr Beck, Sie übersehen bei Ihrer übergroßen Skepsis, die ich zum Teil nachvollziehen kann, ein Hauptargument: Die, auch fehlerbehaftete, europäische Einigung seit den späten 50er Jahren des letzten Jahrhunderts hat immerhin erreicht, daß wir uns alle keinen Krieg zwischen EU-Staaten mehr vorstellen können.
      Das sollten wir uns immer wieder vergegenwärtigen und uns im Rahmen unserer Möglichkeiten gegen Fehlentwicklungen engagieren.

      • Klaus Beck Antworten

        Der Krieg hat bereits begonnen.
        Große Teile der deutschen Bevölkerung wollen ihn nur nicht sehen …

        Außerdem geht es nicht um das „Europa der späten 50er Jahre“, sondern um die Zangengeburt der EU.

  8. S v B Antworten

    Der Wegfall der exorbitanten Roaminggebühren wurde der Öffentlichkeit als grandiose Errungenschaft der Eurokraten verkauft. Die billigeren Tarife sind gewiss für viele Reisende vorteilhaft, aber diese als Highlight gefeierte Neuerung ist letztlich doch völlig unverhältnismäßig zu den übrigen, oft nicht nachvollziehbaren und wenig ruhmreichen, Entscheidungen Brüssels.

    Wie euphorisch hat man seinerzeit die Umstellung auf den Euro angekündigt. Der notorisch reiselustigen deutschen Bevölkerung hat man ihn insbesondere mit dem Argument schmackhaft machen können, dass zukünftig der lästige Geldumtausch entfiele. Wenn man allerdings bedenkt, dass auf Reisen längst schon und immer öfter unbar bezahlt wird, fällt dieses seinerzeit als unschlagbar geltende Argument im Nachhinein in sich zusammen.

    Ich habe viele volkswirtschaftliche Bücher über unser großes Sorgenkind, den Euro, gelesen. Er ist und bleibt in seiner gegenwärtigen Form, bzw. Verbreitung, eine Problemwährung. Allerdings mag ich mich keinesfalls einer pessimistischen Aussage unserer Kanzlerin anschließen, die da lautete: Stirbt der Euro, stirbt Europa. Die kurzsichtige Dummheit, die aus diesen Worten spricht, ist wohl kaum zu überbieten. Europa steht vor riesigen Herausforderungen auf den verschiedensten Ebenen, das ist wohl wahr. Um diese alle peu à peu im Verein zu lösen, brauchen wir Europäer einander in einer in Freundschaft und auch wirtschaftlich eng verbundenen europäischen Staatengemeinschaft. Den Euro – in seiner jetzigen Form und Verbreitung jedenfalls – braucht es dazu sicher nicht.

    • S v B Antworten

      Lieber Herr Kelle,

      dass Sie gegen das Alkoholverbot auf der Spanischen Treppe verstoßen haben, enttäuscht mich nun doch etwas. Dieses Verbot ist von den Behörden sicher aus gutem Grunde ausgesprochen worden. Ich könnte mir denken, dass es in der Vergangenheit, vielleicht sogar in Kombination mit anderweitigen Betäubungsmitteln, zu entsprechenden Exzessen gekommen ist, die eben nicht erwünscht sind.

      Im öffentlichen Raum vieler Länder (auch afrikanischer) ist das so genannte drinking in public strikt untersagt. Die Behörden haben auch allen Grund, diesbezüglich Gehorsam einzufordern. Der geschäftstüchtige Anbieter der Dosen könnte just aus einem solchen Lande stammen. Natürlich wird auch in diesen das Verbot häufig genug übertreten. Zum Teil mit schockierenden Konsequenzen, wie ich Ihnen versichern kann. Ich bezweifle, dass Sie und Ihre Begleiter dadurch, dass Sie sich über das bestehende Alkoholverbot so nonchalant hinweggesetzt haben, gegenüber dem europäischen Neubürger ein gelungenes Beispiel für die Einhaltung von Regeln und Verboten auf europäischem Grund und Boden, ergo ein Bild sittsamer europäischer Bürger, geliefert haben. Gerade von Ihnen hätte ich dies aber eigentlich erwartet. Wenn nicht ich, wer dann? muss hier die Frage doch wohl lauten. Wenn’s andere schon nicht tun, sollte man wenigstens selbst mit gutem Beispiel voran gehen. Übrigens, auch Wasser stillt den Durst nicht schlecht.

      Ich hoffe, Sie nehmen mir meine kritischen Anmerkungen nicht allzu übel. Ihnen allen wünsche ich selbstverständlich noch eine wunderschöne Zeit in der Ewigen Stadt, inklusive dolce-far-niente, versteht sich.

      • Klaus Kelle Antworten

        Liebe Frau vB,

        ich bin kein notorischer Regelnübertreter, das darf ich Ihnen versichern. Und ich hoffe, Sie schreiben mir zugute, dass ich gegenüber meinen Lesern ehrlich bin und auch derartige Regelverstöße „beichte“. Ich darf Ihnen versichern, meine Freunde und ich wir haben uns höchst zivilisiert verhalten. Und wir widmen unsere Zeit in Rom den großartigen Kulturschätzen und dem Gebet im Zentrum der katholischen Weltkirche, weniger dem Genuß alkoholischer Getränke.

        Mea Culpa! Ihr Klaus Kelle

  9. treu Antworten

    Sehr geehrter Herr Kelle, Sie sind um diese schöne Reise ganz sicher zu beneiden, ich wäre jetzt auch gern in Rom! 😉 Die Frage ist nur, hat Ihnen die Reise an sich, das italienische Flair oder das eiskalte Bier die Sinne vernebelt. Sie hätten wahrscheinlich nur eine kleine „Umfrage“ unter den Italienern machen brauchen, um zu erfahren, wie diese über die EU und Europa denken. Aber auch so erscheint mir ihr Beitrag als eindeutig bierselig motiviert, wenn Sie all das ausblenden, was nicht nur in Europa sondern auch in Deutschland selbst schief läuft und dieses Europa zwischen dem Allmachtsgehabe des demokratisch nicht legitimierten EU-Beamten-und Politikermoloch und den Bemühungen vieler Länder ihre Souveränität nicht in Brüssel an der Garderobe abzugeben Dieses Europa wird durch eine vollkommen aberwitzige Wirtschafts-und Finanzpolitik und durch die Armutseinwanderung unweigerlich zerstört werden. In diesem Sinne, genießen Sie Ihre Reise, wer weiß, wie lange das so noch möglich sein wird und wie Rom und Italien in ein paar Jahren aussehen werden!

  10. Andreas Schneider Antworten

    Am den „Kontinent Europa“ bestehen wohl die geringsten Zweifel – das Kernübel unserer Tage ist das aus allen Fugen geratene Kontrukt EU, wodurch letztlich „Europa“ (der große Taum, der ich schon seit meiner Jugendzeit begeistert) in Mißkredit gerät.

    Ebenfalls aus meiner Jugendzeit stammt die Karikatur eines Trüppchens von EWG-Honoratioren, die, vor einem fettleibigen Dinosaurier stehend (auf dessen Wanst „wirtschaftlich“, auf dem im Vergleich winzigen Kopf „politisch“ zu lesen war), das Riesenvieh mit einem lakonischen „Gigantisch! Und dieses niedliche Köpfchen!“ bedachten. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß man sich trotz aller Verträge und Lippenbekenntnisse zu keinem Zeitpunkt auch als EG und EU deutlich davon hätte absetzen können. Dennoch war es für mich ein fasznierendes Erlebnis, im Oktober 1977 mit Teilen meines Englisch-Leistungskurses London besuchen zu können. Der Aufenthalt fiel in die Hoch-Zeit des „Deutschen Herbstes“ mit der Befreiung der „Landshut“ in Mogadishu, der Selbstmorder von Stammheim und der Ermordung Martin Schleyers. Wenn in den Tagen zuvor die Einheimischen vielleicht noch etwas Zurückhaltung gezeigt haben mochten (ein sehr subjektiver Eindruck) , so zeigte sich nach dem Einsatz der GSG9 ein deutlicher Respekt vor der Entschlossenheit und Tatkraft des Kanzlers Schmidt – eben daß mir nicht auf die Schukter geklopft worden ist.

    Alte Feindbilder? Schon zu dieser Zeit verblaßt; auch die recht skeptischen Briten zeigten ein „Europa“-Gefühl. Und ich finde es zutiefst beschämend, daß es heute wieder unser Land ist, das für viele EU-Bürger zum Feindbild hat avancieren können.

    Europa? O ja. Aber nicht mit dieser(!) EU.

    Und am Rande: in https://www.nzz.ch/wirtschaft/abschaffung-der-roaming-zuschlaege-wird-die-schweiz-zur-roaming-hoelle-ld.1300974 kommen von unseren Schweizer Nachbarn auch durchaus nachvollziehbare, kritische Töne zur Abschaffung der Roaming-Gebühren.

  11. Ruth Antworten

    Sehr geehrter Herr Kelle,
    ich gönne Ihnen die schönen Momente in Rom von ganzen Herzen – wundere mich dennoch, wie schnell man durch die mediterrane Atmosphäre den Blick für die Realität verlieren kann.

    Wegen neuen Roaming-Regeln wird die EU gelobt? Die selbe EU die diese Abzocke Jahrelang zugelassen hat?

    Auch lange bevor es die EU gab, reisten Deutsche und Touristen aus allen anderen Ländern der Welt nach Rom und nach Italien.
    Man zahlte in Lire, an Italiener und hatte auch ohne ständig erreichbar sein zu müssen, eine interessante und schöne Zeit.

    Europa hat nur eine Chance, wenn die EU in dieser Form schnellstmöglichst reformiert wird.

    • S v B Antworten

      Die Urlaubsstimmung oder auch Urlaubslaune löst beim Verstand des Reisenden ganz besonders angenehme Schwingungen aus. Auf diese Weise verstellt sie tatsächlich gerne den Blick für die Realitäten. Das ist gewiss den meisten von uns schon so ergangen. Warum auch nicht? Urlaub ist eine Ausnahmesituation; und so soll es auch bleiben.

      Andererseits ist es wohl nur so zu erklären, dass man im Gegenzug die vielen exotischen Zugereisten hier im Lande mit einem geradezu euphorischem Willkommensgehabe empfängt. Schließlich hat man sich im Ausland ja von der unstrittigen Kompatibilität der Mentalitäten überzeugen können, weil man doch so viel von der Welt gesehen und überall unglaublich netten Menschen begegnet ist. Nach einem dreiwöchigen Mexico-Urlaub meinte gerade neulich ein Freund, er könne mir dieses Land und seine Menschen schlüssig erklären. Er konnte mich mit seinen Ausführungen eher nicht überzeugen. Aber ich habe ihm seinen unerschütterlichen Enthusiasmus nachgesehen; immerhin könnte er noch in Urlaubslaune gewesen sein.

  12. Frank Emath Antworten

    Na, dann prost, salute und sanatate! Im Übrigen sind meine oberen Kleidungsstücke mit einem Anhänger in Schwarz-Rot-Gold versehen und bei Spielen unserer Sbornaja – an denen ich im Stadion teilnehme – lege ich aus Überzeugung meine rechte Hand aufs Herz! Was die Zukunft Erupas betrifft habe ich nur eine Sorge, und die hat unser Entwicklungsminister heute im Blätterwald geäussert. Es geht um ein paar Millionen Seefahrer die uns über das schöne Italien bald beglücken werden. Vor diesem Hintergrund erscheinen die bisherigen Sorgen der alten Dame Europa als Peanuts.Wünsche Ihrer Gattin und Ihnen noch einen schöne Zeit in Rom!
    PS: gegenüber der Statue von Giordano Bruno gibt es eines der besten Weinlokale der Stadt. Dort darf man den Wein auch vor dem Lokal trinken.
    Ich kann meine Zeilen nicht ohne einige Anmerkungen zu Helmut Kohl beenden, den ich im Oktober 1978 kennen und schätzen lernen durfte. Er war ein Mensch wie du und ich, der Situationsbedingt im Oktober 1982 Kanzler werden durfte, was er immer wieder betonen sollte. Er hat unter den gegebenen Umständen das Beste für unser Land und Europa getan. Wenn Sie heute sowohl im Westen als auch im Osten des Kontinents nach DEM Kanzler fragen, kriegen Sie nur eine Antwort:Kohl! Schmidt, Schröder und, na ja, werden mit der bekannten, abwertenden Handbewegung qualifiziert. Möge er in Fieden Ruhen!
    Ihr
    Frank Emath

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