Bürgerliche könnten jetzt endlich etwas verändern – aber wir streiten uns lieber

„Ich bin von Vodafone“, sage ich in jüngster Zeit immer mal, wenn mich jemand fragt, was ich so beruflich mache. Und füge dann hinzu: „Connecting People!“ Der frühere Werbespruch des britischen Telefommunikationsriesen. Leute zusammenbringen, vorzugsweise solche, die eigentlich nicht miteinander sprechen sollen, es aber gerne möchten. Das ist eine schöne Aufgabe, bei der man – nebenbei bemerkt – höchst faszinierende Leute kennenlernt.

Ich weiß nicht, ob Sie schon mal von „CPAC“ gehört haben, der alljährlichen Konferenz der amerikanischen Konservativen, Christen und Libertären? Tausende Teilnehmer aus mehr als 100 Organisationen treffen sich dort, um über Fragen der Zeit und ihre Antworten aus konservativer Sicht zu diskutieren. Es ist ein Schaulaufen auch für mögliche Präsidentschaftskandidaten. Wer sich hier ordentlich präsentiert, hat die Aufmerksamkeit mindestens der halben amerikanischen Nation. Und wieder einmal sind die Amis viel weiter als wir.

Bei der Bundestagswahl im September 2014 war für mich und viele andere das wichtigste Ergebnis: Es gibt keine rot-rot-grüne Mehrheit mehr in Deutschland. Endlich! Es gibt keine Mehrheit für all den Irrsinn in der Flüchtlingspolitik, der inneren und äußeren Sicherheit, den schwachsinnigen Gender-Kreationismus, den wir alle mit dreistelligen Millionenbeträgen pro Jahr finanzieren müssen. Und mir würden noch andere Themen einfallen in der Europapolitik, bei den Steuern oder dem aufgeblähten Öffentlich-Rechtlichem Rundfunk.

Wir Bürgerlichen könnten endlich etwas verändern, aber wir streiten uns, wir grenzen uns aus, wir verweigern das Gespräch. Ist das nicht irre? Schauen Sie nach Österreich, was dort in den vergangenen Wochen passiert ist. Und ja, das ist nicht 1:1 zu vergleichen. Die FPÖ hat 30 Jahre gebraucht, bis sie zu einer koalitionsfähigen Kraft herangereift ist. Und immer noch tauchen da manchmal – vorsichtig gesagt – seltsame Irrlichter auf. Aber Sebastian Kurz? Der Wahnsinn! Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich mir einen solchen Mann an der Spitze von Partei und Land hier wünsche.

Natürlich geht das alles nicht so einfach. Unter Frau Merkel wird es keine liberal-konservative Politik in Deutschland geben. Und christliche Überzeugungen werden auch in den nächsten dreieinhalb Jahren bei ihr nicht festzustellen sein. Und ja, es gibt in der FDP nach wie vor eine Tiefkühl-Verstimmung gegenüber der Merkel-Union. Zu tief sitzt die Erinnerung an die Fernsehbilder 2013 von den aus dem Bundestag fliegenden Liberalen und dann die Bilder von der freudetrunkenen und singenden CDU-Führungsriege. „Merkel wollte uns damals vernichten, und sie hat es zunächst geschafft“, sagte mir erst in dieser Woche ein FDP-Bundestagsabgeordneter im persönlichen Gespräch. Und dann die AfD… sechs Millionen Deutsche haben sie in einer freien und geheimen Wahl auf dem Stimmzettel angekreuzt. Und während gestern auf Facebook ein CDU-Europaparlamentarier, von dem ich politisch in Brüssel noch niemals irgendetwas Relevantes gehört habe, meine Frau und mich anpöbelte, wegen unseres „Geschäftsmodells“ Konservativ, kam mir in den Sinn: Sollten wir nicht mal darüber nachdenken, WARUM diese Menschen keinen anderen Ausweg wussten, als eine rechtskonservative Neugründung zu wählen? Sollten wir nicht darüber nachdenken, wo die etablierten Parteien niederschmetternd versagt haben? Wo sie sich um Volkserziehung bemühten, statt darauf zu hören, was der Bevölkerung wirklich auf den Nägeln brennt?

Es ist auch nicht einfach für einen bürgerlichen Konservativen wie mich mit der AfD. Ich kenne ein halbes Dutzend Bundestagsabgeordnete der AfD persönlich. Denn ich bin nicht nur „bei Vodafone“ 🙂 sondern in erster Linie Journalist. Und ich spreche, mit wem ich will. Und es waren wirklich gute Gespräche über unser Land und seine Probleme. Trotzdem bleibt für mich die Hürde bei Herr Höcke und seiner völkischen Gesinnung, die ich überhaupt nicht teile. Ich lebe gern in einem freien Europa der Vaterländer, in einer Gesellschaft, in den jeder so leben kann, wie er oder sie es frei für sich entscheidet. In Wohlstand und in Sicherheit, ohne auch nur daran zu denken zu müssen, dass bei uns einmal die Scharia zum Gegenstand der Rechtspflege werden könnte.

Als der großartige US-Präsident Ronald Reagan 1988 aus dem Oval Office schied, schaute und hörte ich mir seine „Farewell Address to the Nation“, seine Abschiedsrede an die Nation, an, und mir kamen die Tränen vor dem Fernseher:

„Zeit meines politischen Lebens habe ich über die leuchtende Stadt gesprochen, und ich weiß nicht, ob ich jemals verständlich machen konnte, was ich damit meinte, wenn ich sie sah und von ihr sprach. In meiner Erinnerung war sie eine große Stadt, die auf massiven Steinen gebaut wurde, stärker als ein Ozean, windgepeitscht und von Gott gesegnet. Und in dieser Stadt wimmelte es von ganz unterschiedlichen Menschen von überall her, die harmonisch und in Frieden zusammenlebten. Eine Stadt mit einem großen Hafen, wo freier Handel betrieben wurde und wo es wimmelte von Kreativität. Und es gab auch Stadtmauern, doch die hatten Tore. Und die Tore standen offen für jeden mit dem Herzen und dem Willen hier dabei zu sein. Das ist es, was ich sah und immer noch sehe.“

Und genau das ist es, wie ich mir als Konservativer mein Land und meinen Kontinent auch heute vorstelle.

Die ganze Rede finden Sie übrigens hier. Legen Sie Tempotaschentücher bereit!

Am 8. September sind Sie alle eingeladen, zum dritten Treffen der bürgerlichen Schwarmintelligenz nach Paderborn zu kommen. Laden Sie Gleichgesinnte dazu ein, treffen Sie Autoren und Politiker aus dem bürgerlichen Lager, die mit Ihnen und Euch über den Zustand unseres Landes diskutieren, einander kennenlernen und feiern wollen.

Wenn Sie dabei sein möchten, schreiben Sie mir an kelle@denken-erwuenscht.com ! Das ist noch keine verbindliche Anmeldung, aber es hilft uns, zu planen.