Da legen wir gern noch etwas Geld drauf

„Für den Mathematikunterricht benötigt Ihr Kind ab dem kommenden Schuljahr einen graphikfähigen Taschenrechner…“ So beginnt ein aktueller Brief der Schule, die unser Sohn besucht. Mit dem „Taschenrechner-Erlass“ vom 27. Juni 2012 werde die Nutzung solcher Taschenrechner in der Oberstufe verbindlich, erfahren meine Frau und ich und denken: kein Problem, wir haben ja Lernmittelfreiheit. Wenn unser Sohn das so als zwingend notwendig vorgeschrieben bekommt, wird die Schule ihm schon den entsprechenden Rechner zur Verfügung stellen. Doch weit gefehlt. Uns wird mitgeteilt, dass wir entweder exakt diesen Rechner besorgen sollen oder uns einer Sammelbestellung der Schule anschließen könnten. Dann kostet es uns nur 85 Euro. Das Prinzip Lernmittelfreiheit scheint hierzulande einige Dellen bekommen zu haben, und gleich fällt mir ein, was zwischendurch sonst immer noch so zu kaufen ist, Bastelmaterial für den Kunstunterricht etwa, Reclam-Heftchen für das Verständnis der Weltliteratur, und natürlich gibt es auch immer mal die Umlage namens „Kopiergeld“. Bei mehreren Kindern summiert sich das und wirft die Frage auf: Warum müssen wir Bürger, die mit unseren Steuern ohnehin den ganzen Staatsapparat finanzieren, immer zusätzlich berappen, wenn wir etwas brauchen? Warum schließt die angebliche Lernmittelfreiheit nicht alle Lernmittel ein? Oder nehmen Sie etwas, das alle betrifft. Jeder Deutsche muss ein amtliches Ausweispapier haben, ich glaube ab 16 Jahren. Gehe ich zum Einwohnermeldeamt und beantrage einen Personalausweis, muss ich Gebühren zahlen. Mein Sohn hat jetzt seinen Reisepass verlängern lassen, nicht neu beantragt, sondern verlängert. Kostet 59 Euro. Und wie üblich fragt niemand in Deutschland, mit welcher Berechtigung eigentlich die staatlichen Einrichtungen und Mitarbeiter, die wir finanzieren, uns Geld abknöpfen, wenn wir eine Leistung von ihnen haben wollen.
Eine Unternehmerin am Niederrhein erzählte mir einmal, dass sie eine neue Halle für ihren Betrieb gebaut hat. Mehr als 15 Prozent der gesamten vorgesehenen Summe für den Bau ging für gesetzlich vorgeschriebene Gutachter drauf. Zitat: „Da kommen zwei Mann für zehn Minuten, übergeben mit ein Ringbuch mit Formblättern, die ich lesen und beachten soll. Nach zehn Minuten waren sie wieder weg. Dafür musste ich 1.500 Euro bezahlen.“ Wie meistens in Deutschland stellt dieses System niemand in Frage. Es wird schon alles seine Ordnung haben, wir sind ja in Deutschland.