Wochenende der Entscheidungen – Teil 2: Herr Tsipras!

Das Wesen der Politik moderner Prägung ist in Europa der unbedingte Wille zum Kompromiss. Egal, wie verfahren die Lage ist, egal, wie weit der Zeiger der Uhr fortgerückt ist, es wird palavert. Und oft ist es gut so. Jeder weiß, dass Experten irren und Politiker objektiv falsche Entscheidungen treffen können. In der Griechenland-Thematik ist nun der Zeitpunkt gekommen, eine Auszeit zu nehmen. Alle Beteiligten haben verhandelt bis zur Erschöpfung. Das Auftreten griechischer Delegationen in Brüssel war dabei bisweilen hart an der Unhöflichkeitsgrenze, auf jeden Fall aber von einer demonstrativen Überheblichkeit, die durch nichts zu rechtfertigen war und ist. Nun haben die Griechen entschieden, ihr gutes Recht. Alle Fakten lagen vorher auf dem Tisch, jeder, der gestern bei der Volksabstimmung die Reform-Forderungen abgelehnt hat, und das waren immerhin 60 Prozent, wusste, was er oder sie tat. Wenn jetzt aus Brüssel neue Verhandlungen angeboten würden, wäre es eine völlige Pervertierung der eigenen Grundsätze. Wenn ich als Privatperson hoch verschuldet bin, sagt mir die Bank, was ich tun muss, um weiter Geld zu bekommen. Das ist Geschäftsgrundlage. Nun werden Sie sagen: das kann man doch nicht mit Staaten vergleichen, und Sie haben Recht. Natürlich nicht, hier geht es um ein großes politisches Gesamtkunstwerk bis hin zu militärischen Bündnisverpflichtungen. Aber EU, IWF und EZB sind im Moment nicht am Zug. In Griechenland gehen gerade die Lichter aus. Sein Volk hat gestern auf den Schalter gedrückt und Herrn Tsipras mit großer Mehrheit das Vertrauen ausgesprochen. Dann soll er jetzt mal zeigen, was er drauf hat, um sein Land durch die Krise zu führen. Kanzlerin Merkel und Frankreichs Staatschef Hollande treffen sich heute Abend in Paris, um über die Griechenland-Krise zu sprechen. Mein Rat: Öffnet eine gute Flasche Rotwein und genießt das herrliche Sommerwetter. Es gibt so viele andere Themen, über die es sich zu reden lohnt.