Das war knapp, Horst…
Wer sich über den freundlichen Beifall für Bundeskanzlerin Angela Merkel beim CSU-Parteitag wundert, hat nicht verstanden, was Politik auch ist: ein großes Schauspiel! Die bayerische Überpartei CSU ist bei der Bundestagswahl im September gerupft worden wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Minus zehn Prozent – das ist man nicht gewohnt bei den Christsozialen, die ihren Freistaat bis heute vorzüglich regieren und weiterentwickeln. In der Bildung, in der Wirtschaft, bei den Finanzen, bei den Arbeitsplätzen – Bayern ist vorn. Und im Fußball auch, was aber wahrscheinlich nicht direkt mit der CSU zusammenhängt. Doch selbst da sitzt mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber ein CSUler im Aufsichtsrat an entscheidender Stelle.
Horst Seehofer hat seine Partei und den Freistaat in unruhigen Fahrwassern übernommen und lange erfolgreich geführt. Doch dann hat er den richtigen Zeitpunkt verpasst, die Staffelübergabe zu organisieren. So wie viele Spitzenpolitiker übrigens. Helmut Kohl war auch so einer, und über Angela Merkel werden Historiker später schreiben, dass auch sie den richtigen Zeitpunkt verpasst hat.
„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“, wissen wir spätestens seit Gorbatschov. Nun ist eben Seehofer zu spät… und mit blauem Auge davon gekommen. Fast 84 Prozent der Delegiertenstimmen konnte er noch einmal hinter sich versammeln – weniger als beim letzten Mal aber angesichts von minus 10 Prozent ein achtbares Ergebnis für den alten Haudegen, der seit seinem wiederholten Einknicken vor der Schwesterpartei und ihrer gewieften Vorsitzenden von Kritikern als „Drehhofer“ geschmäht wird.
Der neue starke Mann in der CSU heißt jetzt Markus Söder. Dass neue Besen gut kehren, dass sich smarte Auftritte dynamischer Kerle auszahlen, haben wir alle gerade in Österreich mit Sebastian Kurz erlebt. Ich traue dem Franken Söder absolut zu, im nächsten Jahr einen starken Erfolg mit der CSU bei der Landtagswahl einzufahren. Und neben Personalspielchen, AfD und Ärger über Frau Merkel darf man auch die nüchternen Fakten nicht aus den Augen verlieren. Bayern ist der Primus in Deutschland. Nirgendwo in Deutschland geht es den Leuten in der Breite so gut wie im Freistaat. Wer hier bei einer Landtagswahl gegen die erfolgreichste Landesregierung stimmt, um Frau Merkel in Berlin eins auszuwischen… ja, auch der hat Politik nicht richtig verstanden…