Der Mann, der das Richtige tat, als der Mantel der Geschichte wehte

Heute ist der Tag der Deutschen Einheit! Haben Sie mal kurz daran gedacht? Am 3. Oktober 1990 stand ich mit einem Kopfhörer über den Ohren und einem Mikrophon in der Hand auf der Pressetribüne am Reichstag und berichtete live für ein gutes Dutzend Privatradios überall in Deutschland, als die gewaltige schwarz-rot-goldene Fahne aufgezogen wurde zum Klang der Freiheitsglocke. Den Blick nach vorn gerichtet auf ein wahrliches Meer von Menschen und Fahnen. Unvergessliche Momente meines Journalistenlebens.

Die CDU-Politikerin Julia Klöckner hat vorhin getwittert, dass heute im Film mit Zeitdokumentationen zum Festakt der damalige Kanzler Helmut Kohl weder gezeigt noch überhaupt erwähnt wurde. Frau Klöckner findet das skandalös…und ich auch.

Helmut Kohl hat nicht die Wiedervereinigung ausgelöst. Natürlich nicht! Den Anstoss haben die tapferen Männer und Frauen der Bürgerrechtsbewegung auf den Straßen von Leipzig und Dresden und vielen Orten im damals unfreien Teil unseres Landes gegeben. Unfassbar mutige Menschen, unsere Landsleute „drüben“.

Und dann wehte der Mantel der Geschichte und der Bundeskanzler tat genau das Richtige. Er fand die richtigen Worte im Dezember 1989 vor der Dresdner Frauenkirche, er setzte sich einem schrillen Pfeifkonzert des vieltausendköpfigen linken Mobs vor dem Schöneberger Rathaus aus. Er überzeugte den US-Präsidenten Bush senior – das war leicht – und Frankreichs Präsidenten Mitterand – das war schwer. Er zwang Maggie Thatcher so lange zum Saumagenessen in Oggersheim, bis auch sie zustimmte. Und er plauderte mit Gorbatchow auf einer Steinmauer am Rhein in Bonn über den ewigen Lauf der Geschichte, der verläuft wie so ein großer Fluß. Und schließlich schwitzte und soff er mit Jelzin. Für Deutschland…

Helmut Kohl hat in diesem Prozess, der zur Wiedervereinigung Deutschlands führte, eine herausragende Rolle gespielt, was auch immer man sonst an ihm kritisieren kann und muss.

Aber heute gibt es nur eins, was man ihm zurufen sollte, wo immer er jetzt auch ist: Danke Kanzler!

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Dieser Artikel wurde 18 mal kommentiert

  1. Waldenser343 Antworten

    Ich bin kritischer gegenüber Helmut Kohl. Zurecht befindet sich die CDU im Niedergang (aktuell nach Umfrage bei 26 %). Denn sie macht keine echt konservative Politik. Am besten wäre es, wenn sich die CSU von der CDU abspaltet. Die AfD wird in Bayern vor der SPD landen. Auch die Partei FW wird viele Stimmen bekommen. Wir brauchen eine öko-konservative Politik und eine Erneuerung des Christentums. Mehr dazu auf meiner Internetseite (bitte auf meinen Nick-Namen klicken).

    • UweEmm Antworten

      Fuer die Einheit war Helmut Kohl ein (der) Leuchtturm!

      Heute sehe ich aktuell in. D. keinen Leuchtturm.

      Das und nur das, meine ich, ist das Problem.

  2. Siegfried Kieselbach Antworten

    Helmut Kohl war ein Mensch mit Stärken und Schwächen, wie wir alle ! Für mich war er einfach der GRÖßTE ! Meinen Dank an Klaus Kelle für den schönen
    „Nachruf“. Die Formulierungen sind treffend. Beschämend finde ich das Verhalten der CDU-Oberen.

  3. Martin S. Antworten

    Dass Helmut Kohl ein wichtiger Akteure bei der Widervereinigung Deutschlands war, ist unstrittig. Fraglich sind jedoch die Intentionen gewesen, aus denen heraus er gehandelt hat. Es ging ihm aller Wahrscheinlichkeit nur darum, sich als Bundeskanzler und sein späteres politisches Vermächtnis zu festigen. Dies war letztlich auch der Grund, weshalb er von 4.000 Menschen ausgepfiffen wurde, als er seine Rede vor dem Schöneberger Rathaus hielt. (Willy Brand wurde am selben Abend vor gleicher Menge unsterblich) Ich würde nicht von einem linken Mob sprechen, auch nicht von Wiedervereinigungsgegnern. Es waren gegner der Person Kohl, die Pfiffen während er seine „Forderungen“ an die DDR stellte. Er war stets ein Machtmensch, der die CDU/CSU fest im Griff hatte und verstand die richtigen Menschen auf seine Seite zu ziehen. Leider unterlief ihm hierbei jedoch der größte Fehler seiner Karriere, als er sein Mädchen und gleichzeitig seine spätere politische Henkerin an den Kabinettstisch holte. Er wusste genau, mit wem er es zu tun hatte und welche Politik Frau Merkel vertritt, er wusste ebenso gut, dass sie ihn sofort von seinem „alten Schlachtross“ stoßen würde, wenn sich die passende Gelegenheit hierzu ergibt…und wenig überraschend tat sie genau dass mittels FAZ-Artikel vom 22. Dezember 1999. Am Ende bleibt ein wütender Altkanzler, der seiner Nachfolgerin vorwarf, sein gesamtes politisches Erbe zu zerstören und dennoch in die Geschichtsbücher eingig, als er seine eigenen Ziele verfolgte. Außerdem bleibt die Frage: „Wie passt Angela Merkel zur Politik Helmut Kohls“. Böße Zungen sprechen davon, dass Hr. Kohl neben den ganzen bekannten Affären eine weitere Gespielin hatte, die es vermochte ihn zu blenden und seinen sonst so klaren Blick zu trüben…

    • W. Lerche Antworten

      Vielleicht wusste sie etwas über ihn und er hatte keine Wahl? Wir mit sozialistischer Sozialisation in nahen Umfeld von Politibüro, Stasi und Auslandsgeheimdienst aufgewachsen ist und Karie machte, wer jederzeit ohne Nennung von Gründen mit seinem Auto in den Westen fahren durfte, wer weit mehr als ein sozialistischer Reisekader war und wer enge Verbindungen zu Moskau pflegte, der wusste gewiss so einiges mehr über westdeutsche Größen, als wir uns vorstellen können. Und während des Umbruchs, des Niedergangs der sozialistischen Eliten und Funktionäre handelten die gewiss mit vielem, vor allem mit Informationen und Gefälligkeiten, was ihnen die Weichen in die neue westliche Welt stellte. Auf jeden Fall finde ich es Faszinierend, wie ein so jemand zum obersten Boss des Landes des Klassenfeindes wurde. Und wenn man ihre seinerzeitigen Worte im Demokratischen Aufbruch bedenkt, dass sie die DDR ganz neu aufbauen, jedoch nicht nach dem Vorbild der BRD, dann verschlägt es mir den Atem, wie sie dorthin kommen konnte, wo sie heute ist. Und sie hält Wort: Sie baut Deutschland um, jedoch nicht nach dem Vorbild der BRD. Ich lese hier gelegentlich von DDR 2.0. Tatsächlich fühle ich mich täglich mehr an die DDR erinnert, und immer sofort, wenn ich den Fernseher einschalte. Na ja, da scheine ich ein Außenseiter zu sein, ein Einzelfall. Denn ich muss wohl falsch liegen, wenn lt. Umfrage über 60% der Deutschen auf diese Frau mehr stolz ist als auf alle anderen Staatsoberhäupter in der Geschichte vor ihr, gefolg von Helmut Schmidt. Na so was.

      • Uwe Emm Antworten

        Allensbach sagt da was anderes, Herr Lerche.

        Ich halte es mit Winson Churchill:
        „Ich glaube nur an die …Umfrage, die ich selbst…gefaelscht habe“.

    • Friedrich Albrecht Antworten

      Sehr geehrter Martin S.,
      woher kennen Sie damalige Motivation von Bundeskanzler Helmut Kohl? Ihre Ausführungen sind wohl nichts anderes, als reine (unschöne) Vermutungen und eigentlich unter dem hier üblichen Niveau. Falls Sie keine Fakten für Ihre Unterstellungen nennen können, sollte Sie besser schweigen, statt wie viele Neider weiterhin dem Negativ-Image des Altkanzlers zu huldigen.

  4. Onkel Klaus Antworten

    @ Martin S.:
    Dass sich vor dem Schöneberger Rathaus Jusos und andere Linke als „Mob“ versammelt hatten, die Wiedervereinigungsgegner waren und die Versammlung nur stören wollten, können Sie daran hören, dass das größte Pfeifkonzert losging, als Walter Momper die deutsche Nationalhymne anbrummte.
    Wären das Befürworter der deutschen Vereinigung gewesen, hätten sie mitgesungen.

    Kohl musste das Projekt der Einheit gegen Widerstand auch in der BR Deutschland durchsetzen – die SPD hatte von der „Lebenslüge“ der bundesdeutschen Politik gesprochen. Selbst Heiner Geißler hatte im Entwurf zum Grundsatzprogramm vor dem Bremer CDU-Parteitag das Kapitel „Nation“ auf Platz 5 geschoben („Europa“ auf 2), und das trotz der Kenntnis der DDR-Protestbewegungen nach der gefälschten Kommunalwahl im März 1989. Dabei hätten die 7% für die Republikaner bei der Europawahl bereits Warnung genug sein müssen.
    Zu dem Grundsatzprogramm gab es dann auch seitens zahlreicher Kreisverbände Gegenanträge. Auf dem Parteitag ist nicht zuletzt deswegen Geißlers „Putschversuch“, Kohl durch Späth zu ersetzen, gescheitert.
    Kohls nationale Haltung und sein Bekenntnis zur Wiedervereinigung waren 1989 nicht auf reine Machtpolitik oder ein „späteres Vermächtnis“ bezogen, sondern mussten mühsam durchgesetzt werden – nicht gegen eine Mehrheit, aber gegen eine lautstarke Minderheit (auch in den Medien).

  5. ernst thomas Antworten

    Mit der Wertung Helmut Kohls haben Sie völlig recht: dessen Beitrag zur Wiedervereinigung ist bemerkenswert und darf nicht vergessen werden!
    Dass die mediale Darstellung seine Leistung vielfach negiert oder schmälert, ist einfach erbärmlich.
    Und was macht Kohls Partei damit?

  6. Martin Antworten

    Helmut Kohl hat mit der Einheit eine gute Tat vollbracht. Keine Frage. Allerdings hat Kohl Wirtschaft nie sonderlich interessiert. Meiner Meinung nach hat er die Wiedervereinigung wirtschaftlich schlecht gemacht. Und zusätzlich hat er noch den Preis des Euros gezahlt (für Frankreich, wenn es stimmt, was man liest). Und der wird uns langfristig auch sehr schaden.
    Aber trotzdem stimmt:
    Wäre damals jemand CDU-Kanzler gewesen, der so auf die linken Medien hört wie Merkel, wer weiß, was dann geschehen wäre. Die Linksgrünen hassten damals Deutschland schon mehr als alles andere. Und die Vorstellung, dass es wiedervereinigt ist, war ihnen schlicht unerträglich.
    Kohl hat noch versucht, mit dem Privatfernsehen ein konservatives Gegengewicht zum linken Staatsfernsehen einzurichten. Es ist ihm aber nicht gelungen.

    • W. Lerche Antworten

      …alles wohl wahr! Zum Preis der Einheit gehört wohl auch der Euro, wenn wir das nur genau wüssten, und vor allem was noch dazu gehört. Fiskalisch positiv schlägt dabei zu Buche der Wegfall einer hochgerüsteten Armee.
      Die Politiker, so auch Kohl, wussten nicht, wie man das Projekt „DDR-Wirtschaft“ löst. Das war der Moment, als die „Wirtschaft“ (das Großkapital, Banken, Versicherungen, Konzerne) das Ruder übernommen hat und selbiges bis heute steuert. Damals mag die Politik froh darüber gewesen sein, doch jetzt bekommt sie das Ruder nicht mehr zurück.

  7. Klaus Hilbert Antworten

    Ich gebe zu, daß Helmut Kohl nie mein Wunschkanzler war. Er saß Probleme oft aus, statt zu handeln! Bis die Mauer fiel: Als niemand in der Welt wußte, wie es weitergeht – eine solche Situation hatte es nie vorher gegeben – verkündete er im Bundestag seine 10 Punkte zur Wiedervereinigung! Gegen den Widerstand Frankreichs und Englands setzte er diese durch. Geholfen haben Bush senior (für die USA war auch ein wiedervereinigtes Deutschland keine Gefahr) und Gorbatchow.
    Helmut Kohl ist eindeutig der Vater der Wiedervereinigung. Diesen symbolischen Kranz lege ich gern auf sein Grab!

  8. HB Antworten

    Darf ich die Wiedervereinigung als Gesamtpaket betrachten, an das sich zu erinnern lohnt, weil die Wiedervereinigung viele Väter hat?
    Egon Bahr, der Visionär der Entspannungspolitik, der Willy Brandt (Kniefall, Friedensnobelpreis) inspiriert hat. Leonid Breschnew (Glasnost, Perestrojka), Karol Wojtyla (Papst Johannes Paul II), der Strippenzieher im Osten, der über Lech Walesa seine schützende Hand gehalten hat. Hans Dietrich Genscher, der Strippenzieher im Westen, der alle Hände voll zu tun hatte, um dieses fragile Gebäude nicht zum Einsturz zu bringen durch das Interview 1986 von Helmut Kohl, der bei Michael Gorbatschow (Friedensnobelpreisträger) Parallelen zu Goebbels gezogen hatte. Die mutigen Montagsdemonstranten in der DDR („A….l….er, wer auf die Straße geht“, lt. KGE). Die ungarischen Grenzöffner. Und Schabowski mit seiner ans Wunder grenzenden Antwort: „Das trifft…nach meiner Kenntnis…ist das sofort, unverzüglich“

    • W. Lerche Antworten

      ..richtig, es gab viele „Fahrzeugführer“ vor Kohl, die Richtung Einheit steuerten. Und an der plötzlich auftauchenden Gabelung des Weges saß Kohl am Steuer, der in diesem Moment alles richtig gemacht hat.
      Was wäre wohl passiert, wenn einer der vielen Besserwisser am Steuer gewsen wäre?

      Ich bin mir sicher, dass Schabowski nicht für die Grenzöffnung verantwortlich ist.
      An diesem Tag, genau 20:00 Uhr, gab es in der gesamten DDR ein russisches Kommando-Unternehmen, welches zeitgleich alle in NVA-(Atom-)Bunkern verschlossenen Chiffriermaschinen einsammelten. Die NVA-Kommandeure durften bei ihrem Leben diese verschlossenen Räume nicht öffnen. Die Russen drohten mit vorgehaltener Kalaschnikow sie auf der Stelle zu erschießen, wenn sie diese Tür nicht öffneten. Andererseits waren diese NVA-Komandanten jahrelang darauf geimpft, dass sie von der NVA hingerichtet würden, sollten sie diese Chiffriermaschine herausgeben. Ich weiß das von einem ehemaligen Kommandant persönlich, der später durch diesen Bunker führte, als er zu besichtigen war. (ist heute ein Verein). – Ich werte das glasklar so, dass die Russen genau wussten, WANN die Grenze aufgemacht wird. Sie hatten kein Vertrauen zu den befreundeteten NVA-Kampf-Geführten.

  9. W. Lerche Antworten

    Seltsam, dass die linken Genossen und Einheits-Gegner nach so vielen Jahren gehässig laut werden. Waren sie doch damals still, als alles schwierig war.
    Ob sie wohl meinen, die vielen Jahre dazwischen machen die Leute vergessen, wie es damals wirklich war? Ob sie wohl meinen, sie könnten die Geschichte in ihrem Sinne neu schreiben? Nach dem Motto, „wer die Medien besitzt, der hat die Wahrheit gepachtet“.

  10. W. Lerche Antworten

    So ein ganz schlimmer Finger seinerzeit war Lafontaine. Im Osten gesellte er sich auf die Straße und erzählte, die Regierung tue zu wenig für die Leute im Osten. Im Westen reklamierte er, das der Osten zu viel Geld koste.
    Weit gekommen mit seiner Polarisierung ist er nicht, außer einem für sich persönlich auskömmlichlichen Leben. Genutzt hat das damals wie heute niemanden.
    Das heißt aber nicht, wäre er anstatt Kohl am Steuer gewesen, dass er es nicht unbedingt schlechter gemacht hätte. Sehr schade, dass damals wie heute viele kluge Köpfe nicht zusammenarbeiten, sondern sich gegenseitig ihr Werk zunichte machen.
    Bezüglich Merkel wäre ich ausnahmeweise froh, würde jemand ihr Werk stoppen und zurückabwickeln. – Immer fragen: Wem nützt es, was unsere Volksvertreter so tun?!

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