Der Tabubruch von Dinslaken
Die nordrhein-westfälische Stadt Dinslaken (knapp 70.000 Einwohner) hat einen Stadtrat, dem 46 gewählte Mitglieder angehören. Neben ihrer Tätigkeit als Ratsmitglieder teilen sie sich weitere 81 Aufsichtsratsmandate bei städtischen Unternehmen. Das ist ein schönes Zubrot für den ein oder anderen, denn die Ratsmitglieder bestimmen ihre Vergütung selbst und die ist nicht schlecht. Sogar die Parteien freuen sich, denn Rats- und Aufsichtsratsmitglieder zahlen nicht nur Mitgliedsbeiträge, sondern führen aus ihren Vergütungen und Sitzungsgeldern auch noch zusätzlich „Mandatsträgerbeiträge“ ab. Die Hälfte davon bekommen sie einkommensunabhängig vom Finanzamt wieder erstattet. Ein schönes in sich geschlossenes System. Doch als vor einiger Zeit bekannt wurde, dass diese Bezüge in Dinslaken – zumal in einer Zeit höchster finanzieller Not – in kurzer Folge schon wieder erhöht werden sollten, geschah Unerhörtes. Einer aus dem Stadtrat spielte nicht mit. Obwohl selbst Anspruchsberechtigter eines solchen Gremiums, verhinderte er das Vorhaben mittels aktiver Unterstützung eines erfolgreichen Bürgerbegehrens und stellte dann gleich auch noch das ganze System in Frage. Was eigentlich befähigt unterschiedslos Ratsmitglieder, sofern sie nicht gerade Wirtschaftsprüfer, Analysten oder Bankbetriebswirte sind, dazu, Unternehmen zu kontrollieren? Sind sie wirklich zur Kontrolle da, oder wird nur ein Belohnungs-System für parteikonformes Verhalten und für verdiente Parteiarbeit geschaffen? Geht es vielleicht nur um das oben beschriebene Zubrot? Geht es um eine immer sprudelnde Geldquelle für Parteien, die ihre Stadt als ihre Beute betrachten? Warum braucht man diese Kontrollgremien überhaupt? Reichen nicht wie bei jeder anderen vergleichbaren Gesellschaft unseres Wirtschaftssystems verantwortliche Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und die Gesellschafterversammlung aus? Das beschriebene System gibt es nicht nur in Dinslaken, sondern überall in Deutschland. Tausende profitieren davon und verursachen imaginäre “Demokratiekosten”. Und kaum einen von ihnen wird es freuen, wenn das nun mal hinterfragt wird. Der streitbare Mann aus Dinslaken erzählt, dass ihm inzwischen langjährige Ratskollegen erklärt hätten, er werde von ihnen nicht mehr gegrüßt, weil er an einem Tabu gerüttelt hat. Rütteln wir also mit und stellen die Dinge auf den Prüfstand!