Der Unabwählbare tritt zurück in die zweite Reihe

Gregor Gysi tritt heute von der großen Polit-Bühne ab. Kaum vorstellbar, hat er sich doch in 25 Jahren vereintes Deutschland einen ähnlichen Status erarbeitet, wie einst Helmut Kohl. Irgendwann dachte man: der ist gesetzt und gehört einfach immer dazu. Unabwählbar, sozusagen! Ich gebe zu, ich habe Respekt vor Gysi. Nicht dass ich falsch verstanden werde: der IM Notar-Vorwurf ist unvergessen, die Anschuldigungen in Bezug auf eine wahrscheinliche StaSi-Connection stehen bis heute im Raum, und seine Partei SED/PDS/Linke finde ich heute immer noch so widerwärtig wie früher – aber Gysi ist ein Typ, einer, der mitreißend formulieren kann, der klug und jederzeit schlagfertig ist, und der – da bin ich sicher – längst begriffen hat, wie sehr ein freiheitliches demokratisches System einem Unrechtsstaat wie der früheren DDR überlegen ist. Immer wieder gelang es ihm, pointiert den Finger in die Wunde zu legen und aufzuspießen, wo es eben nicht rund läuft in der neuen gemeinsamen Bundesrepublik. Es ist ja bei weitem nicht alles rosarot hier. Kurzum: Auch wenn er sicher noch hin und wieder als „einfacher Abgeordneter“ das Wort ergreifen wird, nun steht Gysi in der zweiten Reihe. Dem bräsigen Politbetrieb in Berlin wird er fehlen, und er hinterläßt eine so große Lücke, dass sich nun immerhin die Perspektive eröffnet, dass es mit seiner Partei endlich bergab geht. Das hat er bravourös 25 Jahre lang verhindern können. Hauptsächlich er allein.