Der Verzicht auf Wettbewerb ist schlecht für eine Gesellschaft

Der Bayerische Lehrerverband hat eine Idee. Schulnoten, so die Präsidentin Simone Fleischmann, seien nicht hilfreich. Und deshalb solle man „überdenken“, ob es überhaupt noch Noten oder lieber eine „differenziertere und individuellere Leistungsbewertung“ geben solle. Und Fleischmann wird konkret: Lernentwicklungsgespräche sollen zukünftig Schulnoten ablösen. Gespräche seien motivierend für die Kinder, und der Lehrer können dem Schüler in einem solchen Gespräch „Kritisches viel besser“ vermitteln. Und in Presseberichten lese ich, dass der Bayerische Elternverband diese Überlegungen ebenfalls begrüßt.

Nun, wenn Profis etwas überdenken und Vorschläge machen, nehme ich das grundsätzlich ernst. Wir alle wollen das Beste für unsere Kinder, und die Diskussion um Motivation und Leistung sind so alt wie die Menschheit. Es gab vor einigen Monaten in Nordrhein-Westfalen eine Diskussion darüber, ob man die alljährlichen Bundesjugendspiele an den Schulen nicht abschaffen sollen. Weil Kinder, die dabei nicht so gut abschneiden, traurig sind. Und die von der damaligen NRW-Landesregierung Rüttgers eingeführten Kopfnoten, die Benehmen und soziale Kompetenz der Kinder bewerten sollten, wurden von Rot-Grün danach gleich wieder abgeschafft, weil es ja für die Lehrkräfte unzumutbar sei, sich mit jedem einzelnen Kind individuell auseinanderzusetzen.

Nichts gegen Lernentwicklungsgespräche an sich, es ist immer gut, wenn Schüler und Lehrer im Gespräch sind. Aber ein Verzicht auf Wettbewerb ist aus meiner Sicht kontraprodaktiv. Das ganze Leben ist ein Wettbewerb. Nur wer sich im Wettbewerb mit anderen messen lässt, kann seine eigene tatsächliche Leistungsfähigkeit einschätzen. Und erlebt einen Ansporn. Und wer nicht so gut ist, kann das auch als Ansporn verstehen. Und jeder Mensch erlebt Siege und Niederlagen, das ganze Leben lang. Soll nicht die Schule in erster Linie auf das Leben vorbereiten? Man verliert doch nicht nur in der Schule? Man kann auch Misserfolg im Beruf haben oder privat beim Werben um einen möglichen Beziehungspartner. Ich habe nichts gegen Gespräche in der Schule – am liebsten unter Einbeziehung der Eltern. Aber ist halte eine Gesellschaft, die in allen Bereichen immer weicher und lascher wird, für langfristig kaum lebensfähig.

Im Münchner Merkur wird heute der bildungspolitische Sprecher der SPD, Martin Güll, zitiert. Er sagt: „Für viele Kinder und Jugendliche ist der Zeugnistag oft beschämend, wenn sie schwarz auf weiß durch wenige Noten bestätigt bekommen, den Anforderungen in der Schule nicht zu genügen.“ Ja, aber wenn der Schüler den Anforderungen nicht genügt, warum um alles in der Welt soll man es ihm nicht mitteilen, damit er sich mehr anstrengt?