Der verzweifelte Griff nach jedem Strohhalm – warum Herr Dr. Schiffmann keine Chance hat
Der Hype in den Sozialen Netzwerken um die neue „Partei“ Widerstand2020 des Sinsheimer Medizineres Dr. Bodo Schiffmann wird später weniger die Politologen als vielmehr Psychologen zu intensiven Forschungen motivieren. Wie ist es möglich, dass ein politisch heimatlos gewordener Teil unserer Gesellschaft nach wirklich jedem Strohhalm greift, der sich ihm bietet? Oft wider besseren Wissens. Erinnern Sie sich noch an den Bund Freies Deutschland (BFD) in Berlin? Die Aktionsgemeinschaft Vierte Partei (AVP)? An die DSU, den Bund Freier Bürger, Die Freiheit, Die Republikaner, die Schill-Partei, Die Blauen, die LKR? Natürlich erinnern Sie sich alle, jeder von und hat das verfolgt, viele haben dort mitgemacht, manche auch in mehreren hintereinander. Und was hat es gebracht? Nichts, im besten Fall mal kurz ein gutes Gefühl, mit Gleichgesinnten an einem Tisch zu sitzen und zu jammern. So funktioniert Politik aber nicht, liebe Freunde!
Lassen Sie mich vorab klarstellen:
- Deutschland braucht zum jetzigen Zeitpunkt keine neue bürgerliche Partei. Deutschland braucht in vielen Bereichen (Meinungsfreiheit, Rechtsstaat, Migration, Sicherheit, Familie, Mittelstand) eine andere Politik. Und das dringend!
- Das Angebot nicht linker Parteien ist mit CDU/CSU, FDP und AfD völlig ausreichend, aber alle drei Parteien sind inhaltlich, strukturell und in Teilen personell nicht gut aufgestellt. „Suboptimal“ würde Doris Schröder-Köpf das wohl nennen, wie damals nach dem Auftritt ihres Gatten Gerd in der Wahlrunde der ARD 2005.
- Die Union befindet sich gerade auf einem Höhenflug, der nicht eigenen Leistungen sondern der Tatsache geschuldet ist, dass sich die Bürger in Krisenzeiten hinter ihren Anführern versammeln. Und jetzt ist Corona-Lockdown und die Anführer, die sagen, wo es lang zu gehen hat und die ihre Hände am Geldhahn haben, heißen Merkel, Spahn, Laschet und Söder. Und merken Sie was? Die sind alle in der Union, wobei ich niemals verstehen werde, wie das möglich war, dass Frau Merkel mit ihrem Lebenslauf an die Spitze von CDU und Deutschland kommen konnte. Aber das ist ein anderes Thema. Die Union sollte sich nicht zu früh freuen, denn der Ist-Stand stellt sich äußerst fragil dar. Wenn jetzt im Mai die Lockerungen beginnen und dann passiert etwas, 60 Tote nach einem Besuch in der Gartenwirtschaft so wie es damals beim Karneval in Heinsberg begann, dann ist Feuer unter dem Dach. Die Leute werden dann einen Herrn Laschet als Schuldigen geißeln, der als erster begonnen hat, nach Lockerungen zu rufen. Oder wenn Bundeswirtschaftsminister Altmeier noch im März sagte, es werde – wörtlich – „kein Arbeitsplatz durch das Coronavirus verlorengehen“ und dann gibt es plötzlich Hunderttausende Arbeitslose mehr… Wer sich jetzt in der Union zurücklehnt und denkt, es läuft doch, der kann ein böses Erwachen erleben. Und das schon bald. Die Union muss jetzt die Gelegenheit nutzen, um sich neu aufzustellen, inhaltlich einen deutlichen und glaubhaften Kurswechsel bei Energie, Migration und auch Familie hinlegen. Sonst ist es vorbei mit der Volkspartei der Mitte.
- Die FDP atmet wieder – das ist gut. Gleich mehrere ihrer Spitzenleute haben in den vergangenen Tagen Distanz zum Kurs der Großen Koalition in der Corona-Krise deutlich zu Protokoll gegeben, allen voran Christian Lindner. Aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Und der Lockdown wird uns zwar noch lange beschäftigen, aber es gibt andere wichtige Themen wie etwa die durch die unsinnige Weltuntergangs-Prophetin namens Greta ausgelöste Strangulierung der deutschen Automobilindustrie. Da wäre die FDP extrem wichtig, eine Kursänderung der sogenannten „Klimapolitik“ massiv einzufordern. Ich bin sehr gespannt.
- Die AfD kommt in diesen Tagen kaum vor in den Medien. Das ist normal, weil a) die meinungsführenden Medien die Partei sowieso nicht mögen und seit Jahren benachteiligen. Und weil b) die Partei weiterhin keine Möglichkeit hat, irgendwie politisch einzugreifen und mitzugestalten. Papiere, Anträge und Anfragen werden fleißig geschrieben in Bundestag und den 16 Landtagen. Dann landen sie direkt im Papierkorb, weil sie von der AfD produziert wurden. Das kann man beklagen, und auch ich finde das schäbig, so zu tun, als seien sechs Millionen Bürger, die diese Partei 2017 gewählt haben, gar nicht existent. So, als hätten sie kein Recht, mitzureden über die Zukunft dieses Landes. Das willkommene Argument aller anderen Parteien bietet der sogenannte „Flügel“, also der „rechte Narrensaum“, wie Beatrix von Storch das treffend formuliert hat. Darin sind die Leute organisisert – Sie glauben nicht ernsthaft, dass sie sich jetzt zerstreuen, oder? – die alleine Schuld daran tragen, dass die Partei zunehmend vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Für die Menschen aus der bürgerlichen Mitte, die in ihrem Leben beruflich etwas zu verlieren haben oder im Öffentlichen Dienst arbeiten ist das eine ernste Angelegenheit, und die ersten haben die AfD bereits verlassen.
Nein, es ist eigentlich alles da – konservativ, liberal, christlich-sozial – nur im aktuellen Zustand für viele Bürger kaum wählbar.
Braucht Deutschland also eine neue bürgerliche Partei? So etwas, wie CDU und CSU einmal waren? Kann sein, dass ein solcher Zeitpunkt irgendwann in zwei, drei Jahren kommen wir, vielleicht sogar muss. Spätestens, wenn nach der Bundestagswahl 2021 eine schwarz-grüne Bundesregierung von einem Kanzler Laschet und einem Vizekanzler Harbeck gebildet wird. Spätestens dann ist endgültig Feierabend für diejenigen, die ihr altes Deutschland von vor 2016 zurückhaben wollen.
Kommen wir also zu Herrn Dr. Schiffmann von den Sinsheimer Schwindelambulanz, der mir und vielen von Ihnen in den vergangenen Wochen mit seinen messerscharfen Video-Analysen zum vorherrschenden Alarmismus so viel Freude bereitet hat. Solche Menschen braucht dieses Land, die sich etwas trauen und der vorherrschenden Meinung mit starken Argumenten entgegentreten. Das ist gelebte Demokratie.
Die Ankündigung, dass dieser großartige Herr Dr. Schiffmann, jetzt seinen Hut in den Ring wirft und mit einer neuen Partei mitmischen will, hat in den bürgerich-konservativen Netzwerken geradezu Euphorie – zuerst wollte ich orgiastische Zustände schreiben – ausgelöst. Aber hören Sie sich das mal an, was er über seine Pläne erzählt! Programm? Er habe da in Berlin Obdachlose gesehen, da müsste man was tun und sie in die verwaisten Hotels einquartieren. Die Armutsmigranten aus aller Welt, die für ein besseres Leben nach Deutschland kommen, vergleicht er allen Ernstes mit Jesus Christus und seinen Aposteln. Ob er damit auch den Anteil der Gewalttäter unter diesen „Flüchtlingen“ meint, die hierzulande „geduldet“ werden, obwohl sie eigentlich längst hätten abgeschoben werden müssen, lassen wir mal im Raum stehen. Jedenfalls sagt Herr Dr. Schiffmann, die Flüchtlinge aus Afrika könnte man problemlos in einem deutschen Bundesland unterbringen. Selbst wenn es ein dünn besiedeltes Flächenland wäre wie Mecklenburg-Vorpommern – ist das wirklich die Hoffnung für unsereins? Herr Dr. Schiffmann appelliert an die Angehörigen von Abgeordneten der anderen Parlamentsparteien, doch ihre Männer zu bewegen, sich #Widerstand2020 anzuschließen. Warum sollten die das tun? Der Name der Partei klingt eher wie ein antifa-Workshop. Politiker, die ihre Mandate behalten wollen, werden sich nicht einer Partei anschließen, die keine Strukturen hat und wo man Klicks auf einer Homepage für „Parteimitglieder“ hält.
Aber keine Frage: Der Hype um Dr. Schiffmann und seine neue Partei belegt auch eindrucksvoll, wie verzweifelt viele Bürger in Deutschland inzwischen mit der politischen Lage sind.