Die dunkle Seite der Sicherheit: Wie Jack Bauer und Carrie Mathison unser Rechtsverständnis herausforderten

Ich habe die Dezember-Abende genutzt, mir noch einmal die Staffeln der US-Serie „Homeland“ anzuschauen. Da geht es – natürlich – um die Nationale Sicherheit der USA, die unbedingt geschützt werden muss – in diesem Fall von der famosen Claire Danes in der Hauptrolle als CIA-Agentin Carrie Mathison.

Atemberaubende Plots, Spannung und Ernsthaftigkeit in einer Zeit nach den Anschlägen von 9/11. Eine andere atemberaubende, wenn auch ganz anders angelegte Serie ist „24“, die mir mein Freund Ralf vor vielen Jahren empfahl, als es noch kein Netflix, dafür an jeder Ecke Videoshops gab. Als ich ihm sagte, ich hätte noch nie eine Folge von „24“ gesehen, das damals – glaub ich – auf ProSieben ausgestrahlt wurde, antwortete er spontan, ich solle ihm einfach vertrauen, in die nächste Videothek gehen und Geld ausgeben für die erste Staffel, damals auf DVD.

„Vertrau mir einfach!“ – was soll ich da machen, und Ralf, der mich seit Jugendzeiten wahrscheinlich besser kennt als jeder andere Mensch auf der Welt, hatte natürlich recht. Ich habe „24“ mit allen Sinnen verschlungen damals, die ersten fünf Staffeln habe ich über die Jahre bestimmt jede fünfmal komplett angeschaut. „Failure is not an Option“, so auch heute noch mein Lebensmotto.

Es war ein bizarrer Moment der Mediengeschichte, als im Jahr 2006 eine Delegation hochrangiger US-Militärs und Verhörspezialisten in den Produktionsbüros der Serie 24 in Los Angeles erschien. Ihr Anliegen war kein technisches, sondern ein moralisches: Sie baten die Produzenten, die Folterszenen der Hauptfigur Jack Bauer in den Filmen zu reduzieren.

Der Grund für den überraschenden Besuch hatte einen konkreten Hintergrund: Junge US-Soldaten im Irak und in Afghanistan begannen, die brutalen Methoden Bauers eins zu eins in die Realität zu übertragen. Wenn der Held im Fernsehen durch Schmerz in Sekunden an Informationen kam, warum sollte man sich dann im Feld an die komplizierte „Genfer Konvention“ halten?

Dieser Vorfall, der sich tatsächlich ereignet hat, markiert den Beginn einer gesellschaftlichen Debatte, die bis heute nachwirkt: Inwieweit darf ein Rechtsstaat seine eigenen Fundamente einreißen, um sein Überleben zu sichern? Die Serien 24 und Homeland wurden zu den wichtigsten Laboratorien für dieses ethische Experiment.

<strong>24: Das Diktat der tickenden Uhr</strong>

In 24 wurde ein Szenario zur moralischen Norm erhoben, das Juristen als „Ticking Time Bomb“ bezeichnen.

Prämisse: Eine Atombombe tickt im Herzen einer Stadt, tausende Leben sind in Gefahr, und ein Verdächtiger schweigt beharrlich. Ist Folter in diesem Fall legitim? Die Serie beantwortete dies durch alle Staffeln mit einem lauten und eindeutigen „Ja“.

Die Machart der Serie „24“ ist das sogenannte Echtzeitformat, die unerbittlich tickende Uhr. Die Bombe tickt, keine Zeit mehr zum Nachdenken oder um in Gesetzbüchern zu blättern.

Jack Bauer wurde damals zum Prototyp des „notwendigen Ungeheuers“. Er handelte außerhalb des Gesetzes, um das Gesetz zu retten. Die Serie suggerierte dabei zwei gefährliche Gedankenmodelle, die in die reale Politik einsickerten: Erstens, dass Folter verlässlich und sofort funktioniert. Zweitens, dass derjenige, der die Folter ausübt, ein tragischer Held ist, der die moralische Schuld für uns alle auf sich nimmt.

Rechtsphilosophisch ist das eine Katastrophe, denn ein Staat, der Folter zulässt, verliert seine moralische Überlegenheit gegenüber den Terroristen. Dennoch führten die Bilder von Jack Bauer dazu, dass in der Ära nach 9/11 die Akzeptanz für „verschärfte Verhörmethoden“ in der US-Bevölkerung signifikant stieg. Die Fiktion hatte die Hemmschwelle der Realität gesenkt.

<strong>Homeland: Die Erosion der Seele</strong>

Während 24 die Action feierte, blickte Homeland ab 2011 auf die Trümmer dieser Politik. Die Serie war ein Stück weit so etwas, wie das intellektuelle Korrektiv.

Hier hieß unsere (und meine persönliche) Heldin, Carrie Mathison, keine unbesiegbare Kampfmaschine, sondern eine psychisch labile Analystin. Homeland verlagerte die Frage der Legitimität vom physischen Schmerz hin zur moralischen Erosion staatlichen Handelns.

Hier wurde der „Krieg gegen den Terror“ als eine endlose Spirale aus Drohnenangriffen, Überwachung und Verrat dargestellt. Während Jack Bauer das Gesetz mit dem Messer brach, brach Carrie Mathison es mit dem Computer und der Drohne. Die Serie thematisierte die „gezielte Tötung“ – ein rechtsstaatliches Paradoxon. Wenn ein Staat Menschen auf Basis von Geheimdienstinformationen ohne Prozess per Knopfdruck liquidiert, verlässt er den Boden des Due Process (des ordentlichen Gerichtsverfahrens).

Homeland zeigte die Kosten: Jedes Kind, das durch einen „Kollateralschaden“ einer US-Drohne starb, wurde zum Rekrutierungswerkzeug für die nächste Generation von Terroristen. Die Serie stellte die unbequeme Frage: Wenn wir alle überwachen und jeden Verdächtigen aus der Luft eliminieren, welche Freiheit verteidigen wir dann eigentlich noch?

Der fundamentale Unterschied beider Serien, die ich Action-Fans und politisch interessierten Mitbürgern unbedingt empfehle, liegt in der Perspektive. 24 ist eine Serie der Bestätigung. Sie gibt dem Zuschauer das Gefühl, dass es einfache, wenn auch schmutzige Lösungen für komplexe Probleme gibt. Sie ist ein Plädoyer für den Ausnahmezustand als Dauerzustand.

Homeland hingegen ist eine Serie der Zerrüttung. Sie zeigt, dass staatliches Handeln zur Terrorabwehr oft ein verzweifeltes Tasten im Dunkeln ist, das die Handelnden selbst zerstört. Carrie Mathison verliert ihre Familie, ihren Verstand und ihre Heimat an den Dienst – ein Symbol für den Staat, der sich im Kampf gegen den äußeren Feind innerlich selbst zerfrisst.

Der Rechtsstaat sollte sich aber dadurch auszeichnen, dass er auch im Angesicht der tödlichen Bedrohung nicht die Mittel seiner Feinde übernimmt.

<strong>Das klingt gut, oder?</strong>

Ist aber gar nicht so einfach, wenn Sie US-Präsident sind und ein entführtes Passagierflugzug ist unterwegs, um sich ins Capitol in Washington zu bohren. „24″ zeigte uns die Versuchung, diesen Pfad zu verlassen; „Homeland“ zeigte uns den Preis, den wir dann dafür zahlen.

Schön, in einem Staat zu leben, wo man sich über solche Themen Gedanken macht….