Die Nato sendet eine Botschaft an den Kreml – zurückhaltend und klug

Das „Morning Briefing“ des Handelsblattes kommt immer passend per Mail zum Morgenkaffee bei mir und vielen anderen Lesern der Zeitung an. Chefredakteur Gabor Steingart schreibt immer ein paar Zeilen zu den wichtigen Themen des Tages, und in der Regel ist es geistreich, was er zu Papier bringt. Heute war das nicht so. Zur angekündigten Verlegung von insgesamt 4.000 Nato-Soldaten in die baltischen Staaten und nach Polen schreibt Steingart:

„Die Nato hat gestern beschlossen, 4.000 zusätzliche Soldaten in Osteuropa zu stationieren. Mit dieser so genannten „Vornepräsenz“ will man Putin beeindrucken. „Wir sind auf dem richtigen Weg“, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Der Mann kennt offenbar nicht die Größe des Moskauer Militärapparats (etwa eine Million aktive Soldaten; 2,3 Millionen Reservisten) und versteht wenig von der Psyche der Russen.“

Ganz davon abgesehen, dass sich das westliche Verteidigungsbündnis bei Erfüllung ihrer Aufgabe keineswegs daran orientieren sollte, ob die russische Psyche gerade wohlgestimmt ist oder nicht, ist die Überlegung des Kollegen Steingart Milchmädchen-Strategie. Wer die Erklärung der Nato zu der Truppen-Verlegung gelesen hat, der sollte wissen, dass die Nato keineswegs vorhat, Putins Millionenheer mit 4.000 Soldaten im Ernstfall quasi zurückzuschlagen. Der Handelsblatt-Chef – bei allem Respekt – sollte bemerkt haben, dass die Maßnahme überaus klug ist. Denn das Bündnis verlegt, zunächst zeitlich begrenzt, multinationale Kontingente ins Baltikum und Polen. Soldaten aus Großbritannien, Frankreich, Deutschland und den USA – militärisch ein anderes Kaliber als die zwar stolzen und freiheitsliebenden Kleinstaaten Litauen, Lettland und Estland. Und auch Polen. Ein russischer Angriff auf diese Soldaten wäre de facto ein Angriff auf diese – unsere – Länder, darunter drei Atommächte. Würde Putin das wagen? Die Nato ist etwas anderes als die völkerrechtswidrige Einverleibung der Krim. Tatsächlich ist die Entscheidung der Nato strategisch klug, vom Umfang her äußerst zurückhaltend und alles andere als ein kriegerischer Akt. Es ist nichts weiter als eine Botschaft an den Kreml, eine Grußkarte sozusagen. Liebesgrüße nach Moskau.