Egal, um was es geht, wir sind dagegen
Der russische Physiologe Iwan Pawlow experimentierte vor 100 Jahren mit hungrigen Hunden, denen er Futter zeigte und dies zuvor durch Klingeln an einer Glocke ankündigte. Nach mehreren Versuchen lief den Hunden schon das Wasser aus dem Maul, wenn nur die Glocke läutete. Sie verknüpften diese Töne mit dem Futter. Pawlowsche Reflexe erleben wir heute auch in der Politik. Egal, was Politiker und Regierungen vorschlagen oder auf den Weg bringen, reflexhaft springt ein Teil der Bevölkerung auf und ist dagegen. Das kann ein neuer Bahnhof sein, das kann eine neue Startbahn auf einem Flughafen sein oder auch die Bewerbung für Olympische Spiele. Aus der erfreulichen Möglichkeit, berechtigte Einwände gegen ein Vorhaben vorzubringen, ist reflexhaftes Ablehnen von allem geworden. Das geplante Freihandelsabkommen TTIP ist auch so ein Beispiel, wo ein an sich gutes und innovatives Vorhaben wegen einiger weniger zu diskutierender Teilprobleme mit großem Geschrei grundsätzlich verteufelt wird.
Und nun also der Vorschlag einer gemeinsamen europäischen Armee. Heute Morgen las ich im Internet schon wieder Weltuntergangsszenarien aller Art. Ich habe persönlich noch keine feste Meinung zu dem Vorschlag, halte ihn aber für nachdenkenswert. Erstaunlich, dass insbesondere Leute, die sonst immer lautstark danach rufen, dass sich Deutschland und Europa stärker von den USA abnabeln sollten, nun auch dagegen sind, wenn genau das versucht wird. Dass Europa verstärkt Verteidigungsaufwand betreiben sollte, zeigen die Vorgänge in der Ostukraine ebenso wie die offenbar nur bedingt bestehende Einsatzfähigkeit mancher westlicher Streitkräfte. Warum also nicht eine gemeinsame Verteidigungs-Armee für die Länder unseres Wirtschafts- und Kulturraumes unter deutscher Beteiligung? Die andere Sichtweise: Eine solche Armee würde die NATO möglicherweise mittelfristig in Frage stellen, zumindest aber schwächen. Auch nicht schön. Will heißen: Der Vorschlag ist respektabel und macht Sinn, birgt aber Risiken, die gut bedacht werden sollten. Aber die reflexhafte Ablehnung jeglicher Idee, die aus der Politik kommt, ist ein Fehler, der zu Stillstand führt und damit letztlich unserem Land schadet.