Für Palaver-Runden über Aleppo ist keine Zeit mehr

Es gibt drei Themenkomplexe, die mir zum Hals heraushängen, weil im Grunde dazu bereits alles gesagt wurde: Merkel & Flüchtlinge, Trump vs Clinton und Putin & Sanktionen. Jeden Tag schreiben Kollegen darüber, jeden Tag wird es breit in den sozialen Netzwerken diskutiert, und jeden Tag muss ich mich qua Job leider damit auseinandersetzen.

Nun, nehmen wir heute also mal Vladimir Putin und das Treffen gestern im Kanzleramt zum Thema Syrien und Ukraine, an dem neben der Gastgeberin Merkel auch Frankreichs Präsident Hollande und aus der Ukraine Präsident Poroschenko teilnahmen – in wechselnden Runden, versteht sich. Schon im Vorfeld hatten alle Parteien erklärt, man solle von den Gespräche nicht zu viel erwarten. Poroschenko gar wollte bis vor einer Woche überhaupt nicht teilnehmen, weil sowieso kein Fortschritt zu erwarten sei. Da könnte der Mann aus Kiew sogar recht gehabt haben. Außer ein paar Fernsehbildern mit Akteuren, die demonstrativ einen missmutigen Gesichtsausdruck zeigen, ist nichts herausgekommen. Wie auch, wenn der entscheidende Mann, der das Morden in Syrien und der Ostukraine morgen früh am Telefon beenden könnte, keinerlei Anstalten macht, sich zu bewegen?

Die EU-Staaten sind – angeführt von Deutschland und Frankreich – eine gewaltige Wirtschaftsmacht, aber leider auch strategisch in der Außenpolitik nicht mehr als ein Bettvorleger. Die Ukraine kann mit ihren bescheidenen militärischen Mitteln allenfalls Nadelstiche gegen den großen Bruder aus dem Nordosten setzen. Entscheiden kann die Regierung in Kiew nichts. Bleibt Russland, die Atommacht, geführt von einem Mann, der sich wahrscheinlich vom Westen gedemütigt sieht und nun mit seinem Land auf Augenhöhe wieder im Kreis der Großen mitspielen will. Ein legitimer Wunsch, der aber auch verantwortliches Handeln voraussetzt. Jedenfalls, wenn man die Dinge nicht als Russen-Freund oder USA-Freund betrachtet, sondern als deutscher Staatsbürger.

Ist also Palaver ein Wert an sich? Gut, dass wir uns mal wieder mit Putin auf ein Tässchen Kaffee treffen? Ich habe zunehmend Zweifel am Sinn dieser Art von softer Diplomatie. In den Radio-Nachrichten hörte ich heute EU-Schultz von der SPD, der sagte, die Kriegsparteien in Syrien müssten nun aber jetzt mal – dieses Mal aber wirklich – die Waffen ruhen lassen. Ich bin sicher, bald wird es wieder ein Gipfeltreffen und weiteres Palaver geben. Ist ja gut, dass man miteinander spricht, auch wenn nichts dabei herauskommt. Nur mal, um deutlich zu machen, was gemeint ist, wenn wir über Aleppo sprechen: das ist so ähnlich wie die Flächen-Bombardierung der ungeschützten Stadt Dresden in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945, als mindestens 25.000 Zivilisten, darunter zahlreiche schlesische Flüchtlinge, in einem wahren Feuersturm ihr Leben verloren. Ein furchtbares, für den weiteren Kriegsverlauf gegen Nazi-Deutschland völlig bedeutungsloses Vorgehen der Briten und Amerikaner. Aleppo und die hunderttausenden Zivilisten, die noch in der Stadt ausharren, werden allerdings nicht eine Nacht und einen Tag bombardiert – sondern jede Nacht und jeden Tag. Seit Wochen.