Geiz ist geil? Am einzigen offenen Schalter beim Billigflieger

Ich bin seit einigen Monaten wieder viel in Berlin. Und jedesmal stellt sich die Frage: ICE oder fliegen? ICE ist schön, wenn pünktlich und man einen Sitzplatz hat und arbeiten kann. Aber sechs Stunden sind sechs Stunden. Und der Flughafen Düsseldorf ist 17 Autominuten von unserem Zuhause entfernt. Zeit ist Geld, also entscheide ich mich in 80 Prozent der Fälle für das Flugzeug.

Geiz ist geil, hört man gelegentlich in der Werbung, und wer muss nicht auf die Kosten achten? So lande ich bei der Online-Buchung meistens bei EasyJet, weil die meistens die günstigsten Anbieter sind. Und EasyJet ist eine große Nummer im Markt geworden mit ihrem Billigflugkonzept.

Aber billig ist eben nur möglich, wenn auf jeden Schnickschnack verzichtet wird…. Die Flugzeuge sind eng, meistens sind die Maschinen ausgebucht. Freigetränk? Kostenlose Zeitung? Fehlanzeige! Service? Naja…

Als ich am Samstagmittag etwa eine Stunde und 45 Minuten vor Abflug im Terminal C des Retro-Flughafens Berlin-Tegel eintraf, wähnte ich mich auf der sicheren Seite. Flug online gebucht, allerdings die Reservierungsnummer nicht dabei. Was fehlte war einzig die Bordkarte. Kein Problem, sollte man meinen.

Zum EasyJet-Schalter – „Bekomme ich bei Ihnen eine Bordkarte, oder muss ich mich beim Einchecken anstellen?“ Eincheck-Schalter – die Antwort. Lange Schlange von flugbereiten Kunden vor mir, nur zwei Schalter besetzt. Zehn Minuten, 20 Minuten, irgendwann war ich an der Reihe. Locker den Perso auf den Counter geknallt und verkündet: „Ich fliege um 13.05 Uhr nach Düsseldorf“. Die junge Frau suchte ein wenig und kam zum Ergebnis: „Um 13.05 Uhr geht kein Flug nach Düsseldorf.“ Ich lasse als Journalist mal außer acht, dass Flüge sowieso nicht „gehen“ können, aber ich wollte auch nicht den Klugscheißer raushängen lassen. Also: „Vielleicht verwechsle ich Abflug- und Boarding-Zeit. Aber ich bin auf die nächste Maschine nach Düsseldorf gebucht.“ „Wie ist denn Ihre Buchungsnummer?“ „Die habe ich nicht griffbereit, aber vielleicht können sie einfach mal im System nach meinem Namen schauen…“

„Es gibt aber keinen Flug nach Düsseldorf um 13.05 Uhr“, erklärte mir die durchaus freundliche und hilfswillige Dame. Ich erinnerte, dass wir das schon festgestellt hatten und fragte, wann denn die nächste Maschine dorthin fliegt. Wie aus der Pistole geschossen antwortete sie: „Um 12.45 Uhr!“ Na also, dann muss die das sein, also einfach mal ins System schauen. Das könne sie von ihrem Platz aus leider nicht, da müsse ich nach gegenüber zum EasyJet-Schalter, dort werde man mir helfen.

Den EasyJet-Schalter kannte ich ja schon und so startete ich nochmal auf Los. Zwei Männer standen vor mir, ein Schalter war geöffnet. Der ältere Herr um die 70 hatte – anders als ich – Zeit. Ich schwöre: 25 Minuten lang plauderte er mit der Servicekraft über was auch immer. Inzwischen stauten sich hinter mir weitere Ratsuchende. Da ich am Horizont sehen konnte, dass beim Securitycheck lange Schlagen Wartender standen, wurde ich nervös. Auch dort würde ich wahrscheinlich 20 oder 25 Minuten Zeit verbringen müssen. Der Mann vor mir – auch genervt von seinem Vormann – atmete mehrfach gut hörbar aus und verdrehte die Augen. Dann war er dran und hatte auch irgendein Anliegen, das sieben, acht Minuten dauerte. Ich ließ meinen Koffer stehen und ging zu einem zweiten Schalter, der geschlossen war. Dort saß eine streng blickende Mittvierzigerin in dunkelblauer Uniform und mit hochgfesteckten Haaren. Sie sah mich an, ich klopfte vorsichtig an ihr Fenster. Sie schüttelte energisch den Kopf und fuhr allen ernstes eine Plastikjalousie vor meinen Augen runter. Service ist irgendwie anders. Ich also zurück in die Reihe und war dann auch bald dran. Der junge Freund dort kannte mich schon, und ich trug vor, dass ich seit 55 Minuten einfach nur meine Boardkarte haben möchte. Er schaute zur großen Uhr in der Halle und sagte: „Wir können Sie jetzt nicht mehr einchecken, Sie sind zu spät.“

Ich habe nicht zugeschlagen, aber mein Gesichtsausdruck signalisierte ihm zweifellos, dass das in diesem Moment für mich eine Option zu sein schien. „Können Sie mich auf den nächsten Flug umbuchen?“ „Der ist erst um 21.45 Uhr.“ Und zu einer anderen Airline? Nein, das sei nicht möglich, sondern nur innerhalb EasyJets. Ich fragte noch nach der Erstattung der Kosten meines Fluges. Nein, das sei auch nicht möglich. Weg ist weg. Beim Flugzeug und bei meinem Geld.

Grußlos drehte ich mich um, fand irgendwann Eurowings, kaufte anstandslos für 108 Euro ein Tickelt und flog eine Stunde später nach Hause, in der ich über die tiefere Bedeutung des Wortes Servicewüste nachdachte.

Was lehrt uns das? Leser, die wissen, dass ich CDU-Mitglied bin, werden sagen (und mir schreiben), was ich für ein Depp bin, dass ich meine Buchungsnummer nicht dabei und kein Ticket auf dem Smartphone hatte, sondern Papier wollte. Meine Schlussfolgerung ist eine andere. Wenn wir nicht bereit sind, angemessene Preise zu zahlen, dann erleben wir eben sowas. Wir streben immer danach, den letzten Cent herauszuholen. Geiz ist geil, die Großhändler zahlen lächerliche Preise an die Produzenten, damit wir Billigmilch, Billigfleisch und bei Discountern Billigkleidung kaufen können, die in Bangladesh von Kindern genäht werden.

Und ja,  es gibt viele Leute auch in Deutschland, die genau auf ihr karges Geld achten müssen, um den Monat zu überstehen. Die kaufen nicht frische Kiwis aus Südafrika bei Edeka oder warten in der Senator-Lounge auf den nächsten Überseeflug. Und das führt unausweichlich zu der Frage: Warum eigentlich ist das so in einem der vergleichsweise reichsten Länder der Welt, dass die halbe Bevölkerung jeden Cent rauszuholen versucht.

Ich habe nichts gegen EasyJet, wirklich nichts. Soll jeder machen, wie er mag. Aber ich fliege zukünftig mit anderen, auch wenn der Flug 20 Euro mehr kostet…