Heute vor 78 Jahren starben die Geschwister Scholl: Manchmal ist Aufgeben keine Option

„Ich habe noch nie jemanden so sterben sehen.“

Das soll Johann Reichart nach dem Krieg gegenüber Bekannten über die Hinrichtung der Studenten Sophie Scholl gesagt haben, die heute vor 78 Jahren um 17 Uhr im Münchner Gefängnis Stadelheim zusammen mit ihrem Bruder Hans und dem Kommilitonen Christoph Probst unter dem Fallbeil starben, Reichart war der ausführende Scharfrichter, der in den Nazi-Jahren etwa 3.000 Menschen hingerichtet hat.

Die Geschwister Scholl und Probst waren Mitglied der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“, die sich 1942 vornehmlich aus Studentenkreisen gebildet hatte, um Widerstand gegen die Barbarei der Nationalsozialisten zu leisten – mit einfachen Mitteln. Sechs Flugblätter verschickten und verteilten sie in Tausender-Auflagen an Kommilitonen und Intellektuelle in München, nachdem sie von Bekannten über Massenerschießungen in Polen und Russland erfahren hatten. Die Aktionen wurden immer wirksamer, Kuriere fuhren in andere süddeutsche Städte und verteilten heimlich die Flugblätter, die von den Greueltaten und dem Sterben an der Ostfront berichteten. Nach der Schlacht von Stalingrad und der Kapitulation der 6. Armee verstärkten die mutigen Studenten ihren Einsatz gegen das Hitler-Regime, dem sie von Beginn an nicht einmal ablehnend gegenüber gestanden hatten.

Die Mitglieder der „Weißen Rose“ verband, dass die meisten ihrer Mitglieder gläubige Christen beider Konfessionen waren. Sie konnten ihren Glauben mit dem, was da im deutschen Namen geschah, nicht mehr in Einklang bringen.

Die Situation eskalierte am 13. Januar 1943 zur 470-Jahr-Feier der Münchner Universität. Im Kongresssaal sprach Paul Giesler, der Gauleiter von München, und es kam zu spontanen Protesten der Studenten im Auditorium. Als Giesler die Studenten als „Drückeberger“ beleidigte und vulgäre Bemerkungen zu den Studentinnen wagte, verließen viele der jungen Leute den Saal, die Mehrzahl von ihnen Soldaten in Uniform, auch Kriegversehrte befanden sich darunter. Polizeisperren wurden durchbrochen, eine Gruppe befreite bereits festgenommene Mitstudenten aus den Händen der Polizei. Ein unerhörter Vorfall, den die Nazis auf keinen Fall auf sich beruhen lassen wollten.

Das letzte Flugblatt der „Weiten Rose“ gelangte über Skandinavien sogar nach England und wurde 1943 in Hunderttausenden Exemplaren von Flugzeugen über Deutschland abgeworfen. Überschrieben war es mit „Ein deutsches Flugblatt – Manifest der Münchner Studenten“. Da lebten die tapferen Widerstandskämpfer aber schon nicht mehr.

Am 18. Februar kamen Hans und Sophie gegen 10:45 Uhr durch den Haupteingang in das Universitätsgebäude. Sie trugen einen rotbraunen Koffer und eine Aktentasche bei sich, beide gefüllt mit Flugblättern, die sie vor den  noch geschlossenen Hörsälen und in den Fluren des Unigebäudes auslegten. Eigentlich schon auf dem Weg nach draußen rannte Sophie rauf zur Brüstung im zweiten Stock und warf die verbliebenen Flyer über die Brüstung in den Lichthof der Münchener Universität. Das bemerkte der Hörsaaldiener Jakob Schmid, der Sophie ergriff und festhielt, bis die Gestapo eintraf.

Vier Tage später wurden Sophie und Hans Scholl sowie Christoph Probst vom Volksgerichtshof unter Vorsitz des widerwärtigen eigens aus Berlin angereisten Richters Roland Freisler wegen „landesverräterischer Feindbegünstigung, Vorbereitung zum Hochverrat und Wehrkraftzersetzung“ zum Tod verurteilt. Das Hinrichtung erfolgte am gleichen Tag. In den dreitägigen Verhören durch die Gestapo bot man nur ihr an, ihr Leben zu verschonen, wenn sie sich öffentlich dazu bekenne, „Mitläuferin“ der „Weißen Rose“ gewesen zu sein. Sophie entschied sich für die Guillotine…

Für uns unverständlich oder? Warum haben die das gemacht, wenn sie doch wussten, dass sie damit in tödlicher Gefahr schwebten? Warum mussten die mit den Licherketten in Ost-Berlin, Leipzig und Dresden auf die Straßen gehen? Warum musste der polnische Elektriker Lech Wałęsa Massenproteste in Danzig und anderswo gegen die kommunistischen Machthaber organisieren? Warum machen Menschen sowas? Warum planten Dietrich Bonhoeffer, Wilhelm Canaris und andere den Sturz Hitlers, warum versuchte Claus Schenk Graf von Stauffenberg Hitler zu töten?

Ich denke, es gibt immer Augenblicke in der Geschichte, wo jemand beherzt das Heft des Handelns in die Hand nimmt ohne Rücksicht auf das eigene Leben. Weil es Zeit ist, das Richtige zu tun. Und es gibt viele Beispiele solcher Menschen überall auf der Welt. Manchmal haben sie es geschafft, manchmal sind sie gescheitert. Aber Aufgeben war für sie keine Option.

Heute verneige ich mich mit ganzem Herzen vor den tapferen Männern und Frauen der Weißen Rose und allen Widerstandskämpfern gegen jede Art von Tyrannei.

„Es lebe die Freiheit!“ (Das waren ie letzten Worte von Hans Scholl vor seiner Exekution mit der „Fallschwertmaschine“.)

 

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