Die Lehren aus dem gestrigen Wahlabend

Der gestrige Wahlabend hat die Alternative für Deutschland (AfD) mit zweistelligen Ergebnissen in die Landtage von Brandenburg und Thüringen gespült. Da lohnt es sich, etwas genauer hinzuschauen. Fakt ist: die neue politische Kraft muss vorerst als etabliert angesehen werden. Die nächsten Monate und Jahren werden zeigen, wie fähig die AfD zur Realpolitik ist. Erst vor wenigen Wochen hatte es in der Partei mächtig gekracht, weil vier EU-Parlamentarier – darunter Parteichef Lucke –möglichen Sanktionen gegen Russland zugestimmt hatten, obwohl dies auf einem Parteitag zuvor deutlich abgelehnt worden war. Kein dramatischer Vorgang, aber ein erster Blick der jungen Partei darauf, dass Entscheidungen in einem Parlament etwas anderes sind als Parteiveranstaltungen. Lucke und seine drei Mitstreiter haben in Brüssel höchst verantwortlich und nach eigenem Gewissen entschieden, und das war in diesem Fall auch gut und richtig so.

Das wirklich Erstaunliche am gestrigen Wahltag war aber eine andere Erkenntnis. Die AfD speist sich – anders als erwartet – keineswegs nur aus dem Lager der linksgewendeten CDU oder der siechen FDP. Vielmehr gab es massive Wählerströme auch von der SPD und der Linken zu den angeblichen „Rechtspopulisten“. Entweder ist die neue Partei also gar nicht so rechts, wie bisweilen behauptet wird. Oder man muss sich fragen, was das eigentlich für Leute sind, die bisher SPD und Linke gewählt haben. Dass die AfD aus dem Stand, eineinhalb Jahre nach Gründung, über 10 bzw. über zwölf Prozent Zustimmung erreicht hat und die CDU dennoch zulegte, ist ganz erstaunlich. Wird vielleicht sogar der Modernisierungskurs der Union noch zu einem Erfolgsmodell? Das wäre möglich, wenn CDU und CSU ihre Ablehnung jeglicher Zusammenarbeit irgendwann aufgäben. Doch damit ist auf Sicht nicht zu rechnen.

Aus Sicht der Union übrigens derzeit eine richtige Strategie. In den 80er Jahren hatten sie mit diesem Kurs der Ausgrenzung Erfolg, nachdem die Republikaner in EU-Parlament und Landtag von Baden-Württemberg mit ähnlichen Wahlergebnissen einzogen. Die Republikaner sind inzwischen wieder verschwunden, während die SPD nach jahrzehntelangem Schmusen mit Grünen und Linken zunehmend marginalisiert wird. Wie sich die Dinge weiterentwickeln, hängt nun davon ab, was die AfD in den Parlamenten auf die Beine stellt. Ich denke, man sollte sie jetzt einmal in Ruhe arbeiten lassen, anstatt sie durch Dämonisierung für Verdrossene immer attraktiver zu machen. Irgendwann werden sie sich mal zu wirtschaftspolitischen Fragen festlegen müssen, und dann wird man sehen, ob sich ehemalige Linke-Wähler und ehemalige FDP-Wähler da zusammen wiederfinden.

Ungeachtet dessen wäre die Union allerdings gut beraten, über ihren Anbiederungskurs der vergangenen Jahre nachzudenken. Man kann auch moderner werden, ohne all das zu übernehmen, was man selbst jahrzehntelang bekämpft hat. Eine Rückkehr zu familienpolitischen Überzeugungen, die sich an der Mehrheit orientieren, wäre ein schöner Anfang.




Es ist noch nicht vorbei

Liebe Leserinnen und Leser,

mit dem Ende meiner Zeit als wöchentlicher politisch-unkorrekter Kolumnist der Rheinischen Post endet meine publizistische Tätigkeit natürlich nicht. Ich habe viele Mails und auch einige Briefe – das beschriebene Papier ist noch nicht tot – mit der Frage erhalten, wo ich denn zukünftig meine Kolumnen schreiben werde. Die Antwort darauf schauen Sie sich gerade an. Ich werde auf meine alten Tagen zum Blogger, das heißt, ich veröffentliche nun selbst Texte im Internet, mit denen ich meine bekannte Linie weiterführen möchte. „Denken erwünscht“, so habe ich den Blog genannt, der sich vornehmlich an die sogenannte Zivilgesellschaft richtet. Diejenigen, die ich in meiner letzten Kolumne für die RP wie folgt beschrieben habe:

„Menschen, die morgens zur Arbeit gehen und – wie man so sagt – einen guten Job machen. Menschen, die Kinder bekommen und sie liebevoll erziehen. Menschen, die sich engagieren, für andere da sind und helfen, wenn Not an Mann oder Frau ist. All diese(n) Leuten, die in Vereinen, bei der Freiwilligen Feuerwehr, bei den Maltesern, beim Roten Kreuz oder bei den Sternsingern mitmachen, damit Deutschland ein lebenswertes Land bleibt…“

Meine Beiträge sind keine Werbung für eine politische Bewegung oder Partei. Ich möchte vielmehr dem aus der Mode gekommenen gesunden Menschenverstand eine Stimme geben. Manchem wird das zu konservativ sein, wenn ich beschreibe, dass ich unter einer „Ehe“ die Verbindung von einem Mann und einer Frau verstehe. Anderen wird das zu liberal sein, wenn ich fordere, unseren Staat und seine Eingriffe in unser alltägliches Leben radikal zurückzustutzen. Wieder andere werden mich für einen linken Romantiker halten, wenn ich darlege, warum ich trotz aller Probleme ein Europa, das mit einer Stimme spricht, für eine grundsätzlich gute Idee halte. Aber so denke ich eben, und ich glaube, es gibt gute Gründe dafür.

Die mediale Berichterstattung unserer Zeit lässt sich treiben von Tagesaktualität und dem medialen Streben nach ökonomischem Erfolg. Grundsätzliche Einordnungen, das Infragestellen sogenannter Modernität und die Gedanken normaler Menschen, die nicht zum politischen oder medialen Betrieb gehören – all das findet kaum statt, und wenn, dann oft mit deutlicher politischer Schlagseite. Alle wollen modern sein, niemand will einen Trend verpassen, und dabei ist fast egal, was richtig oder falsch ist.

Dieser Blog soll ein Bürger-Forum werden. Manches wird Ihnen gefallen, anderes werden Sie empört zurückweisen. Und das ist auch gut so! Denken erwünscht – der Name dieses Blogs ist mit Bedacht gewählt. Nehmen Sie Gedanken und Ideen abseits der bekannten Linien auf. Was Sie dann damit machen, ist ihre Sache.

Ich lade Sie ein, einfach ein wenig bei mir zu lesen und ein Stück des Weges mit mir gemeinsam zu gehen.

Herzliche Grüße,
Ihr Klaus Kelle




Wir brauchen die Menschen, die einfach nur ihren Job machen

Vorgestern war Elternabend der C-Jugend-Fußballer, bei denen einer unserer Söhne spielt: Vereinsheim, 20 Männer und fünf Frauen, Bier, Pommes Majo. Die Themen: Trainingszeiten, Trikotwäsche, Mannschaftskasse und Weihnachtsfeier. Herrlich! Manche Dinge ändern sich niemals.

Das normale Leben, das kleine alltägliche Glück. Die Themen, die uns oft aufregen, die Skandale und vermeintlichen Fortschritte, die uns täglich in den Medien serviert werden – das Meiste verblasst vor unserem Alltag.

Zum letzten Mal schreibe ich heute an dieser Stelle eine politisch inkorrekte Kolumne, und ich widme sie der Normalität. Ein Staat wie unserer funktioniert nur deshalb, weil es Millionen normaler Leute gibt: Menschen, die morgens zur Arbeit gehen und – wie man so sagt – einen guten Job machen. Menschen, die Kinder bekommen und sie liebevoll erziehen. Menschen, die sich engagieren, für andere da sind und helfen, wenn Not an Mann oder Frau ist. All diesen Leuten, die in Vereinen, bei der Freiwilligen Feuerwehr, bei den Maltesern, beim Roten Kreuz oder bei den Sternsingern mitmachen, damit Deutschland ein lebenswertes Land bleibt, möchte ich für ihren Einsatz danken.

In unserer schnell gewordenen Medien-Welt kommt jeder von ihnen zu kurz. Was für die Berichterstattung zählt, ist das Ungewöhnliche, das Ausgeflippte, das Bedrohliche. Salafisten-Demo, Zugunglück, RTL-„Dschungelcamp“ – da sind Fernsehkameras dabei. Die Ordensschwester, die einsame alte Leute besucht, der Handwerker, der trotz schlechter Auftragslage Lehrlinge einstellt – sie finden nur am Rand statt, wenn überhaupt. Wahrscheinlich ist es ihnen sogar recht, denn bescheiden sind sie oftmals auch.

Diese Kolumne hat sich in gut eineinhalb Jahren vor allem an diese Menschen gerichtet, die ein normales Leben führen und nicht viel mehr wollen als ein ordentliches Auskommen, ein wenig Freiheit ohne ständige staatliche Bevormundung und eine Politik, die sich am gesunden Menschenverstand und nicht an ideologischen Wirrköpfen ausrichtet. Ich danke der Rheinischen Post, dass sie auch Platz für bisweilen politisch inkorrekte Meinungen lässt. Und ich danke Ihnen, den Lesern, die sich über meine Meinungen gefreut oder auch geärgert haben.

Der britische Verleger Cecil King sagte mal: „Ein Journalist hat nicht die Pflicht, geliebt zu werden. Aber er hat die Pflicht, gelesen zu werden.“ Gemessen an der Zahl Ihrer E-Mails und Zuschriften, hat das wohl geklappt.