„Ich werde der Präsident aller Amerikaner sein.“
Die Fiserv Arena in Milwaukee fasst etwa 20.000 Besucher. In ihr geht das Top NBA Team der Milwaukee Bucks auf Punktejagd. Am Abend des 18. Juli tritt der 45. Präsident der Vereinigten Staaten auf. Er schließt den Wahlparteitag der Republikaner 2024 ab.
Neben mir quietscht eine Endvierzigerin begeistert bei jeder Erwähnung seines Namens. Mir klingen die Ohren. Dass ich nicht klatsche, animiert sie zu der Frage, ob ich für Jesus klatschen würde. Ich kontere mit der Frage, ob sie katholisch ist. Das beendet die Unterhaltung. Gott sei Dank.
Donald Trump bringt dem Volk Demokratie zurück
Um 18 beginnt die Veranstaltung. Eine Reihe bekannter Persönlichkeiten tritt auf. Darunter Hulk Hogan, Mike Pompeo und der beredte TV-Moderator Tucker Carlson. Die Menge erhebt sich wie ein Mann und jubelt. Der republikanische Fernsehsender FOX hatte sich im Streit vor einem Jahr von ihm getrennt. Carlson hat 8 Minuten und ist der Einzige, der komplett auf den Teleprompter verzichtet. Seine Botschaft: Trump steht für Demokratie. Und: er ist der witzigste Politiker, den ich kenne.
Donald Trump ist zweifellos eine Figur, an dem sich die Geister scheiden.
Und in der Sache gibt es berechtigte Zweifel an dem Regierungsprogramm
Auch in der eigenen Partei gibt es keine uneingeschränkte Zustimmung. Doch: die von Trump übel geschmähten Gegner Ron DeSantis und Nikki Haley sind da und versichern ihre Unterstützung. Einer kommt nicht: der Gentleman, der sich grundsätzlich persönlicher Angriffe enthält. Der, den Trumps Vertrauter Steve Bannon Judas nennt. Mike Pence, Trumps ehemaliger Vizepräsident. Über die Motive kann nur spekuliert werden. Vielleicht wurde er auch einfach nicht gefragt.
Dann gibt es noch eine Menge Klamauk. Rapper Kid Rock trägt eine Komposition zu Ehren des Kandidaten vor. Vor mir rockt ein weißhaariger Daddy mit roter Krawatte ekstatisch ab. Vor 25 Jahren hätte George Bush den Rapper beim Parteitag der Grand Old Party vermutlich noch persönlich aus der Halle geworfen. Heute geht die Menge begeistert mit. Catcher Hulk Hogan steigt auf die Bühne, reißt sich das Jackett vom Leib und lässt im Trumpshirt die Muskeln spielen. Da bleibt kein Auge trocken. Und manch einer fragt, wo sich denn das konservative Amerika versteckt.
Wir werden Eure Erwartungen übertreffen
Dann wird es spannend. Der 81jährige Lee Greenwood betritt die Bühne und singt selbst seinen xmal gecoverten Hit aus dem Jahr 1984: „I am proud to be an American“. Fehlt heute bei keiner Unabhängigkeitstagsparty. Dabei bietet er trotzig die nicht gegenderte Originalversion dar.
Zu dieser mittlerweile heimlichen Nationalhymne schreitet Donald Trump mit verbundenem rechtem Ohr zum Mikrofon. Seine Rede wurde natürlich mit Spannung erwartet. Er wirkt geläutert, staatsmännischer als sonst. Beschwört immer wieder die Einheit. Der New Yorker zeichnet eine rosige Zukunft in einem Amerika unter seiner Präsidentschaft: eine Ära des Friedens, der Sicherheit und des Wohlstands.
Er verspricht, die Demokratie zu retten, und bittet von Dämonisierungen in der politischen Debatte Abstand zu nehmen. Nein, es ist kein Feuerwerk, keine Aneinanderreihung schwerer Attacken gegen seinen Kontrahenten Joe Biden. Überhaupt fällt dessen Name nur ein einziges Mal in der ganzen Rede. Mehr als „Inkompetenz“ wird er der Regierung dann auch nicht vorwerfen. Es ist, als ob er Kreide gefressen hätte. Er spricht behutsam, stellenweise so leise, dass es in der gefüllten Halle schwer zu vernehmen ist.
Der Geschäftsmann verspricht, die Erwartungen zu übertreffen.
Siegessicherheit und Appell an Patriotismus
Vom Teleprompter nimmt Donald Trump häufig Abstand und wird dann geistreich: „Wir haben ein 16-seitiges Papier vorgelegt. Die Demokraten schreiben immer hunderte von Seiten, die sie dann selbst nicht mehr lesen. Zum Glück!“
Dann richtet er das Wort an den evangelikalen Prediger Franklin Graham. „Er hat mich vor der Rede gebeten ‚Sir, heute bitte keine Gossensprache“. Ich glaube, ich habe mich daran gehalten.“
Und: „Wir gewinnen sowieso. Und zwar gemeinsam. Nicht, indem wir uns gegenseitig bekämpfen“.
Die Rede ist gut
Sie schließt mit den Worten: „Unser Land benötigt Hingabe, Liebe und Opfer. Dafür bitte ich sie demütig um Ihre Stimme“. Von den Stühlen gerissen hat sie die an seinen Lippen hängenden Trumpisten in der Arena nicht. Aber die Rede war ein kluges Signal an unentschlossene Republikaner, vielleicht doch zu wählen und unentschlossene Demokraten, vielleicht nicht unbedingt wählen zu müssen.
Kein Stimmrecht für Deutsche
In der deutschen Öffentlichkeit dominiert eine fanatische Abneigung gegen den deutschstämmigen Geschäftsmann. Medien lassen in diesen Wochen nichts unversucht, um den New Yorker in ein schlechtes Licht zu rücken.
Dahinter steckt viel. Vor allem ein tiefes Unverständnis der amerikanischen Gesellschaft. Schlimmer noch: der Unwille, überhaupt begreifen zu wollen.
Auf dem Flur treffe ich einen alten Freund. Spricht deutsch. Studierte vor vielen Jahren in Bremen. Er bringt es auf den Punkt: „Ihr Deutsche müsst Euch mit dem Gedanken vertraut machen, dass Ihr am 5. November keine Stimme habt.“