GASTSPIEL Stefan Simmnacher fragt: Kann denn Steuer Sünde sein?

„Die Stadt Monheim im Bundesland Nordrhein-Westfalen hat jahrelang einen zu niedrigen Gewerbesteuersatz von den ansässigen Unternehmen verlangt“, stellte heute die EU-Wettbewerbskommissarin Verstager fest. Sie verlangt von der Gemeinde Monheim, die zu wenig gezahlten Steuern von einem Gewebesteuer zahlenden Unternehmen aus Irland samt Zinsen einzuziehen. Und zwar nur von diesem Unternehmen, weil das irgendwie böse ist, nur vier Millionen Euro Steuern bezahlt hat und sowieso zu viel Gewinne erwirtschafte.

Die Kommunen Harsewinkel und Langenfeld werden nach Ansicht von Beobachtern mit unter 400 Punkten Hebesatz bei den Gewerbesteuern die Nächsten sein. Man sei noch auf der Suche nach einem passenden Unternehmen in diesen Städten.

Experten erwarten nun auch ein Vorgehen der EU gegen die Umsatzsteuer in Deutschland, die im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern nur bei 19% statt 25% liegt. Diese Steuersubvention würde dann von den Bürgern unter Vorlage der Quittungsbons nachgezahlt werden müssen.

Bevor Mancher nun in den großen Hype gegen das böse Apple-Imperium einstimmt, sollte er dieses fiktive Szenario einmal durchspielen. Denn es unterscheidet sich in Nichts von dem aktuellen Vorgehen der EU-Kommission gegen dieses eine Unternehmen. Es ist simple Willkür, mit der die Kommission hier gegen ein bestimmtes Unternehmen vorgeht. Bislang haben wir nichts gehört von einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Irland wegen seiner niedrigen Steuersätze und Lokalsteuern. Überhaupt muss man sich mal das Schlagwort „Steuersubvention“ auf der Zunge zergehen lassen. Was ist denn eine „Steuersubvention“? Eine Subvention wäre zum Beispiel eine Bevorteilung eines konkreten Unternehmens mit niedrigen Steuern oder dem Verzicht auf Steuern im Gegensatz zu anderen Wettbewerbsteilnehmern im gleichen Land. Aber niedrige Steuersätze sind doch keine Steuersubvention. Wenn wir in Deutschland beschließen, keine Steuer auf Katzen zu erheben, obwohl die Franzosen das tun… Ist das dann eine Steuersubvention?

Natürlich siedeln sich Unternehmen dort an, wo die Steuersätze niedrig, die Bürokratie gering, die Standortbedingungen und die Infrastruktur gut sind. Es ist Aufgabe der Staaten, die Balance zu finden, wie niedrig sie die Kosten gestalten können, um gleichzeitig gute Straßen, Breitband oder Kultur und soziale Stabilität sicherzustellen. Das nennt man Wettbewerb und es ist der Wettbewerb, der Staaten daran hindert, in die eine oder andere Richtung zu überziehen. Tut er es doch, wird die Rechnung später kommen.

Aber viel Schlimmer ist es, wenn andere Staaten sich einmischen wollen. Wenn sie Ihre eigene Steuerpolitik als alleinig seelig machend ansehen und gleichzeitig eigene Pseudo-Steuersubventionen tunlichst nicht diskutieren wollen. Stichworte könnten bezüglich Deutschland sein: Kinderfreibetrag, Steuerfreigrenze, Abschreibungsregelungen, Abwrackprämien, Konjunkturpakete, Vorsorgebeiträge, Riester-Rente und vieles mehr. Es ist nicht Aufgabe der EU, sich in die nationale Steuerpolitik einzumischen. Das war und ist explizit in den europäischen Verträgen festgelegt. Nach den Grenzüberschreitungen bei der Haftung für Staatsschulden und der Niedrigzinspolitik ist hier der nächste Dammbruch zu befürchten. Ich jedenfalls finde es gefährlich für unseren Mittelstand, was sich da zusammenbraut. Denn auch hier bei uns könnten wir viele angebliche Subventionen mit Brüssel zu debattieren haben, wenn die europäische Kommission ihr neues Spielzeug so spannend findet. Dann geht es aber nicht mehr um das angeblich so böse Apple-Imperium. Dann trifft es den Handwerksmeister in Harsewinkel – übrigens laut Gewerbesteuerliste 2015 des IT.NRW: „die Mähdrescherstadt“

Stefan Simmnacher ist Politikwissenschaftler, hat an der London Guildhall University und an der Universität Trier jeweils mit einem Master als political scientist abgeschlossen. Er ist beruflich Geschäftsführer eines politischen Wirtschaftsverbandes in Nordrhein-Westfalen und war ehrenamtlich lange Zeit kommunalpolitisch engagiert.




Die CDU im Sinkflug: Wenigstens reicht es für Schwarz-Grün nicht mehr

Wer wissen möchte, wie die Zukunft der CDU aussehen wird, der sollte nach Österreich gehen. Das empfahl mir ein österreichischer Journalisten-Kollege, als ich vor einigen Wochen nach einer Podiumsdiskussion in Wien mit ihm am Buffett stand. Eigentlich müsste man die ÖVP unterstützen, philosophierte er, da sie in der Alpenrepublik die einzige Partei sei, in der noch rudimentär christliche Überzeugungen zu finden sei. So wie in der CDU, wenn man mal ins Programm schaut. Aber wer tut das schon? Die ÖVP ist in einem trostlosen Zustand, bei der chaotischen Bundespräsidentenwahl zuletzt, die ja wiederholt werden muss, standen sich die Kandidaten der Grünen und der FPÖ in der Stichwahl gegenüber. Die Traditionsparteien SPÖ und ÖVP saßen beim Wahlvolk in den hinteren Reihen. Wer die Zeichen der Zeit nicht erkennt, wer mit Arroganz auf insbesondere die eigenen, treuesten Wähler herabschaut, wer auf Shicki-Micki-Berater hört, die abends beim Rotwein ihren Klienten aus der Politik ihre Selbstverwirklichungsträume vom bunten Gender-Deutschland nahebringen, den bestraft das Leben. Definitiv!

In Berlin und „Meck-Pom“ wird demnächst gewählt. In aktuellen Umfragen liegt die CDU im Nordosten bei 26 Prozent und in Berlin bei 18. Das gilt heutzutage in der Partei Konrad Adenauers und Helmut Kohls schon als guter Wert. Ist es aber nicht. Hätte die CDU ihren Job gemacht, hätte man neben Modernisierung und Klimawandel auch wenigstens ein Stück weit auf den konservativen Flügel gehört, ich bin überzeugt, dass es die AfD gar nicht gäbe. Aber viele der Treuesten der Treuen aus der CDU haben nach den Merkel-Jahren die Nase gestrichen voll. Und dabei hatte alles so gut angefangen. Eine Parteivorsitzende aus Ostdeutschland, Frau und Ossi, pragmatisch, klug, unideologisch. Ich fand sie gut, schon als die meisten meiner Freunde noch Edmund Stoiber bei der Kanzlerkandidatur den Vorzug gaben. Und ich bewunderte „Angie“ sogar hin und wieder, besonders für ihre Auftritte auf internationaler Bühne. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz bürstete sie den iranischen Außenminister einmal in harschen Worten ab, wie man es auf diplomatischem Parkett in Deutschland wohl nur selten erlebt hat. Ja, die ersten Jahre Merkel waren gute Jahre. Für Deutschland, nicht für die CDU. Denn unter Merkels Führung schlug die Partei, die die Bundesrepublik über Jahrzehnte entscheidend geprägt hat, einen verhängnisvollen Marsch nach links ein.

Ohne Frage: eine Volkspartei muss mit der Zeit gehen, wenn sie Volkspartei bleiben will. Die Welt wächst zusammen, neue Lebensstile entstehen, mehr individuelle Freiheit bringt auch für manche Menschen neue Probleme mit sich. Und wenn mehr Krippenplätze gewünscht werden, muss eine Regierung diese zur Verfügung stellen. Aber muss man bei der „Modernisierung“ einer Partei seine Grundsätze über Bord werfen? Heißt Modernisierung, dass man die Überzeugungen, die man über Jahrzehnte taper verteidigt hat, über Nacht aus dem fenster schmeißt – manchmal ohne Beschluss eines Parteitags oder der Fraktion, einfach par ordre de mufti? Hat man die CDU-Mitglieder gefragt, ob sie die Grenzen für eine Million Menschen aus dem muslimischen Kulturraum öffnen wollen? Hat man sie gefragt, als 11.000 Kilometer entfernt ein Erdbeben war, ob sie die deutschen Atomkraftwerke, diese Technologie, die kurz vorher von der CDU noch als so sauber und sicher gepriesen wurde, abschalten wollen? Hat man sie gefragt, ob sie wirklich Grundschüler in unserem Land mit dem unwissenschaftlichen Gender-Schwwachsinn konfrontieren soll, sexuelle Vielfalt für Achtjährige? Das mag bei den Grünen ein ernsthaftes Thema sein, da gibt es so eine Tradition. Aber in der CDU? Oh ja, und nicht nur dort. Selbst der zuständige CSU-Minister in Bayern fällt dieser Tage mit seinem Herz für GenderGaga an den Schulen auf. Im katholischen BAYERN, wo die Christsozialen mit absoluter Mehrheit regieren. Man fasst sich an den Kopf.

Und das bringt uns zur aktuellen Lage. Wolfgang Bosbach, CDU-Urgestein aus dem rheinischen Bergisch-Gladbach, kandiddiert im kommenden Jahr nicht wieder für den Deutschen Bundestag. „WoBo“, wie ihn seine zahlreichen Fans liebevoll nennen, leidet seit langem an einer schweren Krankheit. Nun will er nicht mehr, und wer könnte ihm das übelnehmen? Aber er will auch politisch nicht mehr mitmachen, nicht mehr eine Politik aktiv unterstützen, an die er selbst nicht mehr glaubt. Bei der Euro-Rettung ging es los, zuletzt beklagte er in Interviews den „Kontrollverlust unseres Staates“ in der Flüchtlingsfrage. Wolfgang Bosbach, eine unüberhörbare Stimme der alten CDU, ich sage der Kohl-CDU, tritt ab. So wie Erika Steinbach, die unbequeme konservative Politikerin und frühere Präsidentin des Bundes der Vertriebenen. Auch ihre Stimme wird der CDU fehlen, jedenfalls vielen Mitgliedern und Wählern, wohl weniger den Funktionären im Adenauer-Haus in Berlin. Man könnte weitere markante CDU-Politiker nennen, die keine Lust mehr haben, etwa Thomas Dörflinger aus dem Schwarzwald. 51 Jahre jung ist er, seit 19 Jahren im Bundestag und eine der beeindruckendsten Stimmen in der jüngsten Stammzellen-Debatte. Nun sucht er eine andere berufliche Herausforderung. Einfach so, losgelassen von der Droge Politik.

Die CDU wird ohne Bosbach, Steinbach, Dörflinger und andere klarkommen. Die „Modernisierer“, ich nenne sie gern die „Verwässerer“, werden es mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen. Sie träumen von schwarz-grünen Koalitionen, vergessen dabei aber, einen Blick auf ihre Taschenrechner zu werfen. Denn der Aderlass an Wählern, die der Merkel-CDU den Rücken kehren und zu AfD, ins Nichtwähler-Lager oder übrigens auch wieder zur FDP abwandern, machen Schwarz-Grün zukünftig bei den meisten Wahlen rechnerisch unmöglich. Und das ist die gute Nachricht dieses ganzen Trauerspiels.




Gegenüber der Türkei sind Deutschland, EU und NATO nur noch Papiertiger

„Als Resultat der islamisierten Innen- und Außenpolitik Ankaras hat sich die Türkei zur zentralen Aktionsplattform für islamistische Gruppierungen entwickelt.“

Unsere Bundesregierung, die sich außenpolitisch im Allgemeinen und in Sachen Türkei im Speziellen samtpfötig gibt, redet endlich mal Klartext. In einer als „vertraulich“ klassifizierten Antwort der Bundesregierung nämlich auf eine entsprechende Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen (Linke). Das Erdogan-Regime unterhalte enge Beziehungen zur Muslimbruderschaft in Ägypten, den Terrororganisationen in Syrien und der Hamas, die Israel gerne früher heute als morgen auslöschen würde. Im Handelsblatt lese ich dazu: „Würde es sich nicht um Erdogan, sondern um Putin handeln, hätte der Westen längst harte Wirtschaftssanktionen verhängt. Erdogan dagegen bekommt für seine Flüchtlingsbremse einen Drei-Milliarden-Scheck der EU. Vielleicht sollte man das Geld aus Brüssel künftig direkt an die Terrorgruppen weiterleiten. Das spart zumindest die Überweisungsgebühr.“ Zynisch, aber da ist was dran.

Tatsächlich sind Europa und die NATO, aber insbesondere Deutschland in einer explosiven Lage. Die Regierung von Frau Merkel hat Deutschland in eine Abhängigkeit von der Türkei gebracht, die uns bei einem Anführer wie Präsident Erdogan erpressbar macht. Ich selbst habe ein unverkrampftes Verhältnis zur Türkei an sich. Zwischen Deutschland und der Türkei gibt es historische Bande, drei Millionen Türken leben hierzulande, die meisten gern und absolut integriert. Über 70.000 Unternehmen „mit Migrationshintergrund“ sind in Deutschland registriert, klar, da sind auch viele Döner-Stände dabei. Aber im Großen und Ganzen habe ich mit Kollegen und Bekannten, die aus der Türkei stammen und hier leben, immer gute Erfahrungen gemacht. Die Türkei sorgt dafür, dass der Strom an Flüchtlingen nach Deutschland nicht wieder anschwillt. Die Türkei stellt dem westlichen Verteidigungsbündnis wichtige Stützpunkte zur Verfügung, damit dieses im Syrien-Krieg handlungsfähig ist.

Heute las ich, dass die türkische Regierung Tausende Kleinkriminelle aus den Haftanstalten entlässt, um „Putschisten“ in Massen in Zellen sperren zu können. Von „Säuberungen“ redet Erdogan, von Einführung der Todesstrafe. Und seine neue Sympathie zu Russland sollte jeden im Westen beunruhigen, der noch klar bei Verstand ist. Was müsste ein handlungsfähiger Staat eigentlich tun? Die Beitrittsverhandlungen der Türkei zur EU endgültig beenden. Und der Türkei klar sagen: man kann nicht mit Russland und der Hamas an einem Tisch sitzen, wenn man weiter zur NATO gehören will. Doch was wird unser Land, was werden EU und NATO tatsächlich tun? Nichts! Das ist eines der vielen Dramen unserer Zeit.




Deutschland im Jahr 2016: Im Hotel Kempinski war Israel „versehentlich“ gestrichen

VORAB: Das Hotel Kempinski in Berlin hat sich gestern entschuldigt und erklärt, dass Gäste aus Israel in dem Haus ausdrücklich gern willkommen sind.

Das Hotel Kempinski ist eine der ersten Adressen der deutschen Hauptstadt. Wer etwas auf sich hält und bei wem es aufs Geld nicht ankommt, der bucht das vornehme Haus am einst mondänen Kurfürstendamm im Westen Berlins. Claude Lanzmann ist ein französischer Regisseur und Filmproduzent. Er ist auch, wie ich bei Wikipedia erfahre, Herausgeber des von Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir gegründeten Magazins „Les Temps modernes“. International bekannt wurde er durch seinen neunstündigen Holocaust-Dokumentarfilm „Shoa“ aus dem Jahr 1985. Der ganze Film lässt Zeitzeugen zu Wort kommen, ohne historisches Material oder Archivbilder. Und zwar: Sowohl die Opfer als auch die Täter.

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung äußert sich Lanzmann heute über eine verstörende Erfahrung im Berliner Luxushotel. Er sei aus Anlass der Beerdigung seiner früheren Ehefrau, der halbjüdischen deutschen Schriftstellerin Angelika Schrobsdorff, in Berlin gewesen und habe im Kempinski gebucht, das er seit 1986 kennt und schätzt.

Vor 48 Stunden habe er auf seinem Hotelzimmer eine Übersicht der angebotenen Dienstleistungen des Hotels durchgeblättert und festgestellt, dass bei der Liste der Länder-Vorwahlnummern Israel fehlte. Nochmal: Israel fehlt auf der Liste der Länder, die man aus dem Zimmer aus direkt anrufen kann. In arabischen Schurkenstaaten ist es durchaus üblich, dass der Staat Israel auf Landkarten nicht verzeichnet ist und der Staat behandelt wird, als existiere er gar nicht. Aber in Deutschland? Im Jahr 2016? Lanzmann wandte sich an einen verantwortlichen Mitarbeiter des Hotels, der ihm sagte, die Kempinski-Direktion habe verfügt, dass Israel in der Vorwahl-Liste nicht verzeichnet werde, weil – so wörtlich – „Die Mehrheit unserer Kundschaft sind Araber, und sie haben verlangt, dass Israel gestrichen werde.“

So weit, so skandalös. Aber denken wir einen Moment weiter. Das Hotel Kempinski in Berlin (und anderswo) ist nichts, wo man Schülergruppen auf Klassenfahrt einbucht. Und ich bin sicher, viele Leser hier werden bei Reisen nach Berlin preiswertere Etablissements vorziehen. Ich übrigens auch. Zu den Kunden eines Berliner Luxushotels gehören zweifellos viele schwerstreiche Leute aus arabischen Ländern, die oft mit großem Gefolge anreisen und auch mal ganze Etagen buchen, wenn sie auf Einkaufstour oder beim plastischen Chirurgen ihres Vertrauens hereinschauen. Berlin ist da nicht anders als München oder Düsseldorf. Was wird also nun passieren? Wenn so etwas in der FAZ steht, kann man sicher sein, dass es große Aufregung geben wird. Im Internet kursieren seit Stunden Boykott-Aufrufe gegen das Hotel Kempinski, in der Regel von Leuten, die dort niemals buchen würden oder die Hotelrechnung bezahlen könnten. Die arabische Kundschaft – ist es „rassistisch“, das zu schreiben? (Gruß an Frau Kahane übrigens!) – kann und wird da gerne wohnen. Und das Hotel Kempinski ist nicht der Caritas-Verband, sondern muss seinen Eigentümern ordentliche Gewinne erwirtschaften. Sie kennen das mit dem Fressen und der Moral? Ich bin sehr gespannt, wie diese Geschichte weitergeht. Der ARD-Tatort ist zwar schon lange nicht mehr der Maßstab, aber der Skandal um das Berliner Kempinski verspricht deutlich spannender zu werden…




Flucht und Vertreibung damals und heute – die Unterschiede sind unübersehbar

Auch im Urlaub in Österreich lässt einen die Nachrichtenlage dieser Tage nicht los. Ich muss gestehen, man schämt sich fast ein wenig, wenn man in Kitzbühel in einer Bar sitzt, Chardonnay trinkt und Tiroler Bergkäse dazu isst, und sich dann intensiv über Flucht und Vertreibung damals und heute unterhält. So wie meine Frau und ich gestern Abend. Menschen in Not muss man helfen. Und Menschen, die nach Deutschland kommen, um uns auszunutzen, muss man rausschmeißen. So einfach könnte man einen Konsens der Mehrheitsgesellschaft in Deutschland herstellen. Aber so einfach ist es eben nicht.

Ich habe mal ein bisschen nachgelesen, wie es damals war, nach dem Zweiten Weltkrieg, als Millionen Flüchtlinge ins Rest-Deutschland strömten: Schlesier, Sudetendeutsche und so weiter. Zu meinem Erstaunen las ich, dass die bei vielen Deutschen hier keineswegs willkommen waren. Man hatte selbst kaum etwas, um zu überleben, und nun kamen die da aus den verlorenen Ostgebieten oft mit nichts mehr als einem Koffer mit ein paar Habseligkeiten oder einem Bollerwagen, wie wir das in meiner lippischen Heimat nennen. Ja, das waren ja Deutsche, wird mir dann vorgehalten. Das sei etwas ganz anderes. Nicht sehr christlich, diese Einstellung, denn vor Gott sind alle Menschen gleich, habe ich mal gelernt. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, am 10. Dezember 1948 von den Vereinten Nationen beschlossen, stellt gleich in Artikel 1 klar: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Gutes Dokument übrigens, zum nachlesen finden Sie es hier . Wenn man sieht, was aus den heeren Worten in der Realität geworden ist, möchte man weinen.

Aber zurück zu unserem eigentlichen Thema. Wir hatten Verwandte, die während und nach dem Weltkrieg unvorstellbares Grauen erlebt haben. Soldaten, denen an der Front rechts und links Kameraden „weggeschossen“ wurden. Frauen, die mehrfach von russischen Soldaten vergewaltigt wurden und dann 1000 Kilometer zu Fuß in die Heimat gelaufen sind. Und als sie dann angekommen waren, auf durchgelaufenen Sohlen, mit schäbigen Fetzen am Leib, untergebracht in einem kleinen Zimmer mit mehreren Personen, versorgt mit kargen Rationen Brot auf Lebensmittelkarten, da haben sie ihr eigenes Leben in die Hand genommen. Sie schuffteten körperlich hart für im wahrsten Sinne des Wortes Hungerlohn, sie bekamen Kinder, sie strickten Socken und Mützen für die Enkel. Und, auch wenn es pathetisch klingt (ist ja derzeit noch erlaubt): sie bauten dieses Land wieder auf und schufen ein wohlhabendes, friedliches und letztlich weltoffenes Gemeinwesen, um das uns viele Menschen auf der Welt beneiden. Es heißt Deutschland.

Und nun also wieder Massenflucht. „Wir schaffen das“ hat die Kanzlerin vor einem Jahr gesagt und vor ein paar Tagen wieder. Ich kann es nicht mehr hören, obwohl sie im Grunde sogar recht hat. Über eine Million Flüchtlinge haben wir hier bei uns aufgenommen. Wir sind gut organisiert, Geld ist im erstaunlichen Umfang für Integrationsmaßnahmen vorhanden. Und es gibt jeden Tag diese Nachrichten, von Schlägereien in Flüchtlingsunterkünften, von gewalttätigen Übergriffen jüngst auf der Kirmes in Düsseldorf, von Belästigungen junger Frauen im Freibad durch Männer aus Nordafrika, und in Einzelfällen (Würzburg, Ansbach) auch von Terroranschlägen. Ja, ich bin sicher, dass „wir“ das schaffen. Aber ich bin wütend, dass uns niemand gefragt hat, ob wir den Preis dafür, dass „wir“ es schaffen, auch zahlen wollen. Und damit meine ich nicht Geld, sondern Sicherheit. Und wenn ich diese jungen Männer am Bahnhof mit ihren Smartphones herumlungern sehe, dann frage ich mich, warum die eigentlich nicht wie damals unsere Großmütter anfassen, um die Zukunft aufzubauen. Nicht unbedingt unsere – aber wenigstens ihre eigene.




Wie ich meinen Frieden mit Papst Franziskus gemacht habe

Als ich Anfang der Neunziger zum katholischen Glauben konvertierte, war Johannes Paul II Papst. Ein Mann, der den Lauf der Weltgeschichte entscheidend beeinflusst hat, der rund um den Erdball vielen Millionen Menschen persönlich begegnet ist und sie für den Glauben begeistert hat. Johannes Paul II war und ist „mein Papst“, und er hat auch die alle zwei, drei Jahre stattfindenden Welttreffen junger Katholiken, sogenannte Weltjugendtage, erfunden. Im folgte der Deutsche auf dem Stuhle Petri, Benedikt XVI, der Theologe, der Intellektuelle, der nach den Weltrreisenden seines Vorgängers Innendienst im Vatikan tun sollte. Ein Papst geschliffener Worte, Autor wunderbarer Bücher von seltener Glaubenstiefe. Fast tragisch, dass das Pontifikat Benedikts überschattet wurde von den weltweit bekannt gewordenen Missbrauchsfällen. Er hatte sich seine Amtszeit als Oberhaupt der katholischen Weltkirche zweifellos ganz anders vorgestellt. Und dann ging er in den Ruhestand. Ein Papst, der selbst bestimmt, wann es genug sein sollte.

Und nun also Franziskus, mit bürgerlichem Namen Jorge Mario Bergoglio, seit dem 13. März 2013 der 266. Bischof von Rom und Anführer von rund 1,2 Milliarden Katholiken rund um den Erdball. Bis heute fremdeln viele Katholiken in Europa und Deutschland mit dem Argentinier, der so ganz anders ist, als man sich hierzulande einen Papst vorstellt. Zugegeben: Als die ersten Fotos nach seiner Wahl bekannt wurden, musste ich schmunzeln. Ein Heiliger Vater, der in der Straßenbahn fährt, der an der Hotel-Rezeption auf seine Rechnung wartet, die er dann auch selbst bezahlen will, und der seinen Zeitungsboten in Buenos Aires persönlich anruft, um das Abonnement abzubestellen, da er ja jetzt eine Weile in Rom wohnen würde – das hatte was. Das war unkonventionell, das war ein Papst zum Anfassen und nicht zum Niederknien. Für die Kirche ist der Mann aus Argentinien ein Geschenk, denn bei allem Repekt vor dem brillanten Intellektuellen Ratzinger, erreicht Papst Franziskus deutlich mehr Menschen mit seiner unkonventionellen Art des Auftretens, mit seinem Abweichen von Redemanuskripten, die in der Kurie mehr als einmal zu spontanen Schweißausbrüchen seiner Mitarbeiter führte. Katholiken müssten sich auch nicht vermehren „wie Karnickel“ sagte er einmal. Und ich muss sagen, das war auch mir deutlich zu viel für den Nachfolger des Heiligen Petrus. So redet ein Papst nicht, dachte ich damals und so denken bis heute viele Gläubige.

Gestern Abend habe ich vor dem Fernseher gesessen und die Vigil, das Nachtgebet, des Papstes mit einer Million Jugendlichen beim Weltjugendtag im polnischen Krakau angeschaut. Mit mitreißenden Worten warb der Pontifex für eine engagierte Kirche. „Liebe junge Freunde, wir sind nicht auf die Welt gekommen, um zu vegetieren, um es uns bequem zu machen, um aus dem Leben ein Sofa zu machen, das uns einschläfert.“ Was für ein eindringlicher Appell für ein Oberhaupt der katholischen Christen. Und es ging weiter: „Ein Sofa – wie jene modernen mit einlullenden Massagen – die uns Stunden der Ruhe garantieren, um uns in die Welt der Videospiele zu begeben und Stunden vor dem Computer zu verbringen“. Es sei für viele leichter, „dusselige und benommene Jugendliche zu haben“. Die Welt brauche keine „Sofa-Jugendlichen“, sondern welche mit Schuhen an den Füßen, oder „noch besser mit Stiefeln“, damit sie Spuren hinterlassen können.

Boah! Welch‘ starke Worte, welche ansteckende Begeisterung, die in diesem Moment von dem fast Achtzigjährigen ausging. Und der Jubel der jungen Menschen, zusammengeströmt aus 180 Ländern auf dieser Welt, um zusammen den Glauben, das Vermächtnis von Jesus Christus zu feiern und zu leben. Ich habe auch heute früh die Abschluss-Messe am Bildschirm verfolgt, wieder waren deutlich mehr als eine Million Menschen auf dem gigantischen Feld vor dem Altar mit dem überdimensionalen Jesus-Bild dabei. Und wieder habe ich gedacht: Was für eine Begeisterung strahlt dieser Mann aus, die so deutlich im Gegensatz zur bräsigen Alltags-Geschäftigkeit mancher deutscher Bischöfe steht – nicht aller, wohlgemerkt. Und als ich das so dachte, bei den Klängen der WJT-Hymne „Jesus Christ, you are my life…“, da, genau in dem Moment, habe ich meinen persönlichen Frieden mit Papst Franziskus und seiner Art gemacht.




GASTSPIEL Peter Winnemöller über das große Treffen der Jugend mit Papst Franziskus

Vor zehn Tagen ging es los. Jugendliche aus der ganzen Welt hatten sich auf den Weg gemacht, um sich in Polen zu treffen. Die ersten Tage waren die Jugendlichen auf alle Diözesen Polens verteilt. Diese Tage der Begegnung gehen dem eigentlichen Jugendtreffen voraus und dienen dazu, das Gastgeberland besser kennen zu lernen. Es ist ein Warm up für das große Treffen, zu dem dann auch der Papst hinzu kommt.

Am Montag dieser Woche haben sich die Jugendlichen auf den Weg nach Krakau gemacht, dem Ort des 31. Weltjugendtages. An diesem Ort war der Gründer der Weltjugendtage, Papst Johannes Paul II. lange Jahre als Priester. Weihbischof und Erzbischof tätig. Als junger Mann hatte Karol Woytila hier in einen Steinbruch gearbeitet. Auf diesem Gelände steht heute das Sanktuarium Johannes Paul II. Diese große Kirche steht in unmittelbarer Nachbarschaft zum Sanktuarium der Göttlichen Barmherzigkeit. Dort hatte Sr. Faustyna gelebt, die in Visionen Jesus geschaut hatte und sich um die Verbreitung der Botschaft von der Göttlichen Barmherzigkeit verdient gemacht. Papst Johannes Paul II. hatte eine sehr enge Verbindung zu Sr. Faustyna. Er hatte sie selig und heilig gesprochen und den Sonntag der Barmherzigkeit eingeführt. Die räumliche Nähe der beiden Kirchen macht die innerliche Nähe geradezu greifbar.
Unter dem Motto „Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden“ sind nun Jugendliche aus 178 Ländern in Krakau versammelt. Papst Johannes Paul II. und Sr. Faustyna sind auf diesem Jugendtreffen allgegenwärtig. Ausgehend von Krakau soll nach dem Wunsch des Papstes die Jugend die Botschaft der Barmherzigkeit in die Welt tragen. Es ist ein großes buntes Jugendfest, das jeden, der die Kirche schon als erledigt ansieht, eines besseren belehren müßte.

„In meinen Jahren als Bischof lernte ich eines: Nichts ist schöner, als die Begeisterung, das Engagement, den Fleiß und die Energie zu sehen, mit der so viele junge Menschen ihr Leben leben.“, sagte der Papst in seiner Ansprache an die Jugend bei der Begrüßung im Blona Park. Der Papst traut der Jugend der Kirche offensichtlich zu, etwas in der Welt zu bewegen.
Das Programm mit dem Heiligen Vater geht weiter mit dem Kreuzweg am Freitag, einer Gebetsnacht am Samstag und der Abschlußmesse, die der Papst am Sonntag auf dem Campus misericordiae mit den Pilgern feiert. Das große Jugendfest strebt seinem Höhepunkt zu. In allen Straßen und auf allen Plätzen drängen sich die jungen Pilger. Auch die Journalisten kommen nicht umhin, sich ab und an mit High five abklatschen zu lassen. Auf den Wegen wird der Rosenkranz gebetet, es werden geistliche Lieder gesungen. In den Kirchen werden zahlreiche Messen gefeiert und Jesus im Allerheiligsten angebetet. Diese Orte der Stille werden von den jungen Pilgern viel genutzt. Es ist eine frohe und zugleich fromme Stimmung, die jungen Leute zeigen der Welt, welche Freude der Glauben bereitet.

Ein besonderes Merkmal der Weltjugendtage ist auch hier in Krakau wieder zu sehen: Die große Friedfertigkeit der Teilnehmer. Die Sicherheitskräfte sind inzwischen auch schon fröhlich gestimmt, denn die jungen Pilger lachen sie an. Es gibt keine Randale, keine Straftaten und es kommt an Verletzungen allenfalls mal zu verstauchten Knöcheln, Blasen an den Füßen oder aufgeschürften Knien. Einzig die Terrorgefahr liegt wie ein Schatten über dem Jugendfestival. Die polnischen Sicherheitskräfte haben ihr möglichstes getan, um ein sicheres und friedliches Fest zu gewährleisten. Krakau ist seit Mittwoch früh außer für Einwohner und WJT- Pilger geschlossen. Möge es so friedlich bleiben, wie es bislang ist. Es werden immerhin bis zu zwei Millionen Pilger bis zur Abschlußmesse am Sonntag erwartet. Aus Deutschland sind 15.500 Pilger angereist. Weitere werden am Sonntag zur Messe noch erwartet. Schon jetzt kann man sagen, daß die polnischen Gastgeber einen ganz wunderbaren Weltjugendtag ausrichten.

Es scheint, als würde die Kirche in Westeuropa zunehmend an Bedeutung verlieren. Hier in Krakau zeigt sich, wie stark sie wirklich ist. In der Tat werden die jungen Katholiken aus Deutschland, die jetzt hier sind, in Zukunft eine Minderheit in ihrem Land sein. Schon jetzt sind sie es oft in ihrer Altersgruppe. Doch sie erfahren hier, daß die Weltkirche stark ist. Hier wird der Glaube offen gefeiert, den man zu Hause nur zu leicht schamhaft versteckt. Das „Non abbiate paura“ (Habt keine Angst), welches Johannes Paul II. den Menschen 1978 zurief, schwebt über diesem Jugendfest der Weltkirche. Der Heilige Papst Johannes Paul II. macht auch der Jugend unserer Tage Mut. Papst Franziskus fordert im gleichen Geist die jungen Menschen auf, von ihrem Glauben zu reden und aus dem Glauben die Welt zu gestalten. Das ist stark. Das macht stark. Für Barmherzigkeit braucht es Stärke, denn es heißt gegen den Strom zu schwimmen. Das ist nichts für kraft- und mutlose Menschen. Die fast 16000 jungen Katholiken aus Deutschland werden gestärkt und ermutigt in ein Land zurück kehren, in dem die Volkskirche stirbt. Diese jungen Leute aber sind die Zukunft einer neuen Gestalt der Kirche. Keiner kann wissen, wie sie aussehen wird, doch hier in Krakau kann man sehen, wieviel (Glaubens-)Kraft sie haben wird.




Nicht mehr die richtige Frau am richtigen Platz

Manchmal, wenn etwas passiert, setze ich mich an den PC und schreibe einfach runter, was ich denke. Heute war es schwieriger, denn den Auftritt der Bundeskanzlerin vor der Bundespressekonferenz in Berlin musste ich erst einmal sacken lassen. Ihr Agieren war höchst professionell, sie sagte das, was man als Regierungschfin in einer solchen Pressekonferenz sagen muss. Und zwischendurch ertappte ich mich auch kurz bei dem Gedanken, diese Frau ist schon tough. Dabei hatte ich mir vor der Pressekonferenz vorgenommen, hinterher einfach abzurechnen mit diesem von einem großen Teil der Deutschen abgelehnten Land der offenen Türen. Offene Türen für diejenigen, die vor bitterer Not und Krieg Zuflucht und Schutz suchen, aber eben auch offene Türen für diejenigen, die Straftaten begehen, Frauen begrapschen und vergewaltigen und, ja, das hat Frau Merkel endlich eingeräumt, auch diejenigen, die im Auftrag des IS in Deutschland einsickern, um den Terror zu uns zu tragen, um es zurückhaltend zu formulieren.

Die schrecklichen Anschläge der vergangenen Tage, verübt von Flüchtlingen in Deutschland und bei unseren französischen Nachbarn, haben schon jetzt unser Land verändert. Die Unbeschwertheit einer freien Wohlstandsgesellschaft, in den Sommerferien sind, ist weg. Mehrfach haben in den vergangenen Tagen Freunde und Nachbarn meine Frau und mich angesprochen, wie wir das jetzt mit unseren Kindern so halten. Lassen wir sie allein ins Freibad fahren? Dürfen sie abends zu einem Konzert, etwa spät noch mit der Straßenbahn durchs Ruhrgebiet zurückfahren? Täuschen wir uns nicht: es sind nicht einige Überängstliche, die sich solche Fragen stellen. Es sind die Tischgespräche der Familien in diesen Tagen in Deutschland.

In so einem Land will ich nicht auf Dauer leben. Und so, ja wirklich, fieberte ich der Bundeskanzlerin und ihrem Auftritt heute Mittag geradezu entgegen. Würde sie endlich einen Befreiungsschlag führen und ihrem Volk, uns, eine Stimme geben? Die Angst vieler Menschen in Worte fassen? Endlich ehrliche Empathie zeigen? Noch heute bin ich wütend, dass sie nicht direkt an die Orte des Terrors fuhr, wo am Vortag Menschen starben oder schwere Verletzungen erlitten. Warum kann Frankreichs Präsident Hollande das, aber nicht meine Regierungschefin? Warum spricht US-Präsident Barack Obama nach Würzburg den Deutschen eher sein Beileid aus und bietet Hilfe an als Frau Merkel? Und wenn jemand jetzt damit ankommt, die Kanzlerin habe doch erstmal einen Überblick über die Lage gewinnen müssen, dann ist das hanebüchener Unsinn. Ich will keine Kanzlerin, die Ermittlungssergebnisse vorträgt. Ich will eine politische Führung, eine Kapitänin auf der Kommandobrücke unseres Landes, eine, die mitfühlt, die in einer schlimmen Krise fähig ist, Mitgefühl zum Ausdruck zu bringen.

Aber sie kann es nicht. Vielleicht will sie es auch nicht, weil es nicht zu ihr passen würde. Ich weiß es nicht. Ich habe Angela Merkel 1989 in Ost-Berlin kurz kennengelernt. Sie war stellvertretende Pressesprecherin des Demokratischen Aufbruchs und ich Reporter eines privaten Radiosenders. Drei oder vier Sätze wechselten wir damals, und hätte mir jemand auf die Schulter getippt und gesagt: „Du, Klaus, das wird mal eine der mächtigsten Frauen der Welt!“, ich hätte gelacht. Ich habe mich geirrt. Angela Merkel hat einen beeindruckenden Lebensweg hingelegt. Auf internationaler Bühne hat sie teilweise brillant agiert. Die Kerndaten unseres Landes sind mehr als gut, es herrscht Wohlstand und ein hohes Maß an sozialer Sicherheit.

Doch dies lakonische „Wir schaffen das“, was Frau Merkel heute wiederholt hat, klingt für mich wie ein Hohn, wie ein Schlag ins Gesicht all der Toten und Verletzten von Würzburg, Reutlingen und Ansbach. Wie ein Schlag ins Gesicht der Frauen aus der Silvesternacht vom Kölner Hauptbahnhof, wie ein Schlag ins Gesicht der minderjährigen Kinder, die in Freibädern landauf, landab in diessen Wochen begrapscht werden. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir denen helfen müssen, die unseren Schutz und unsere Hilfe suchen. Und diese Hilfe müssen wir auch Menschen gewähren, die einen anderen Glauben haben, als die Mehrheitsgesellschaft hierzulande. Die meisten politisch Verantwortlichen in Deutschland bemühen sich um Lösungen, die Lage in den Griff zu bekommen. Auch davon bin ich überzeugt. Aber die jetzige Situation ist unhaltbar, und sie führt direkt zu Bundeskanzlerin Merkel und ihrer Politik der unkontrollierten Masseneinwanderung. Ich habe sie zwei Mal gewählt. Doch seit ein paar Tagen ist meine Überzeugung gewachsen, dass sie jetzt nicht mehr die richtige Frau an der richtigen Stelle ist. Selbst wenn ich auch keine Idee habe, wer den Job jetzt übernehmen sollte….




Tage des Terrors in Deutschland

Nun also Ansbach. 40.000 Einwohner, beschauliche mittelfränkische Provinz. Kaum ein Tag vergeht derzeit, an dem in Deutschland Menschen, die wir in ihrer Not aufgenommen haben, Gewaltverbrechen begehen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht? Jedesmal, wenn ich die Bilder im Fernsehen sehe von Blut auf einem Straßenpflaster, von einem Mörder, der vor einem Schnellrestaurant die Waffe zieht, von zugedeckten Leichen, denn steigt in mir Wut auf, und das ist sehr zurückhaltend formuliert. Und dann bricht sich das Zivilisatorische im Kolumnisten Bahn. Auch heute Morgen gehen tausende Asylbewerber zu ihren Deutschkursen. Seit 2015 haben 30.000 Flüchtlinge in unserem Land eine Arbeitsstelle gefunden, meldete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Natürlich sind hier nicht alle Flüchtlinge potentielle Terroristen.

Und dennoch bleiben die Fakten: die Axt-Attacke eines afghanischen Islamisten im Regionalzug bei Würzburg, der Syrer, der in Reutlingen mit einer Machete eine Frau in den Kopf stach und fünf weitere verletzte, der „Deutsch-Iraner“, der 10 Menschen in München erschoss, und nun der abgelehnte syrische Asylbewerber, der sich am Rande eines Musikfestivals in die Luft sprengte und „nur“ – man fasst das schon als Erfolgsmeldung auf – Verletzte hinterlassen hat.

Und wieder in Bayern, gerade dieses Land, dass besonders herzlich und mit großem Einsatz Flüchtlinge aufgenommen hat. Ich muss sagen, ich kann derzeit keine Politiker-Statements mehr sehen. Egal wer, egal von welcher Partei. Ich kann diese Worthülsen nicht mehr hören, diese gestanzten Stellungnahmen. Und wenn mal einer etwas Konkretes sagt, wie zum Beispiel Innenminister de Maiziere, dann ist es „Bullshit“, wie man das in Amerika nennt. Sogenannte Killerspiele auf dem heimischen PC sollen schuld sein. Und wer bei Facebook und Twitter Falschmeldungen verbreitet soll jetzt bestraft werden. Und klar, Jäger und Sportschützen, sind auch ganz böse. Der einzige Politiker, dem ich derzeit zuhöre, und der in diesen Tagen einen exzellenten Job macht, ist Bayerns Innenminister Joachim Herrmann von der CSU. Den sehe ich jeden Tag im Fernsehen, abends spät im TV-Talk bei Plasberg, morgens früh auf N 24 bei der Pressekonferenz in Ansberg, mal schauen, was heute sonst noch so passiert. Ich denke, Joachim Herrmann schläft in diesen Tagen gar nicht. Und er nennt sachlich Fakten, spricht die Dinge an, zeigt seine ehrliche Betroffenheit. All das kann man wahrlich nicht von allen wichtigen Verantwortungsträgern in unserem Land sagen. Wennigstens halten Stegner, Maas und Göring-Eckard mal für ein paar Stunden das Maul. Auch was wert…

Bei „Hart aber fair“ gestern Abend kam auch Barbara Nalepa zu Wort, Mutter eines getöteten Mädchens, die bei einem Amoklauf an einer Schule in Winnenden vor sieben Jahren starb. Ob sie seither auch nur einen einzigen unbeschwerten Tag erlebt habe, fragte der Moderator Frank Plasberg. Sie würde gern den Eltern der Opfer von Würzburg und München etwas Mutmachendes sagen, antwortete Frau Nalepa, aber das könne sie nicht: „Ich kann keine einzige Nacht durchschlafen.“

Und das bringt mich zum Punkt: Ein Amokläufer ist etwas anderes als ein Terrorist. Ein psychisch kranker Mensch ist etwas anderes als ein Mörder aus einem archaisch dominierten Kulturkreis, vornehmlich aus islamischen Ländern. Aber all das ist sophisticated, wie der Brite sagen würde. Eine anspruchsvolle Diskussion unter klugen Menschen. Nur das eigentliche Thema umkreisen alle geräuschlos: Die wichtigste Aufgabe eines Staates ist es, für seine Bürger Sicherheit zu schaffen. Sollten wir nicht endlich mal intensiv darüber sprechen, wie wir das hinbekommen?




Putsch in der Türkei – gab es ein geheimes Drehbuch?

Es ist schon ein erstaunlicher Vorgang, wenn nach einem niedergeschlagenen Putschversuch in der Türkei bereits 24 Stunden später neben 2.500 verhafteten Soldaten (nachvollziehbar) auch 2.400 Richter aus ihren Ämtern geworfen werden. Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der zweifellos die Unterstützung der Mehrheit seines Volkes inne hat, hat den Putschversuch als ein „Geschenk Gottes“ bezeichnet. Nun kann er endlich schalten und walten, wie er will. Nachdem er bereits einen Teil des türkischen Parlaments in diesem Jahr per Mehrheitsbeschluss zu Straftätern erklären lies, räumt er nun auf, „säubert“, wie er das selbst nennt. Machen wir uns nichts vor: die Türkei ist kein Land mehr, dass zu den Staaten der EU auch nur ansatzweise passen könnte. Wenn die EU Rückgrat hat – und das erwarte ich vom aktuellen Brüssel leider nicht – sollten Kommission und EU-Parlament noch in dieser Woche die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei formell für gescheitert erklären. Nach dem Brexit täte es auch gut, mal durchzuzählen, wer noch zum EU-Club dazugehören will. Die Mitgliedschaft ist ja freiwillig. Wer gehen will, soll gehen. Und wer sein Land von einer im Grundsatz demokratischen Gesellschaft zu einem Polizeistaat entwickelt, kann ganz sicher nicht dazu gehören. Und das ist für Europa ein Problem und für die NATO auch. Die Türkei spielt eine überaus wichtige Rolle im westlichen Verteidigungsbündnis, quasi als Frontstaat an den Grenzen zum Wahnsinn. Und sie soll gegen Milliarden aus Brüssel und Berlin das Flüchtlingsproblem Europas, nein, das Flüchtlingsproblem Deutschlands, Österreichs und Schwedens im Griff behalten.

Bleibt die Frage der großen Verschwörung. Hat Erdogan den Putsch selbst inszeniert? Gab es vielleicht ein Drehbuch, nach dem der gescheiterte Putsch bis heute von Erdogan und seinen Leuten entwickelt wird? Auch als Nicht-Verschwörungstheoretiker muss ich leider sagen: Man kann diesen Gedanken nicht ausschließen. Erdogan hat die Skrupellosigkeit, die Mittel und die Macht, um so ein Schmierenstück vor den Augen des globalen Publikums aufzuführen. Und es gab natürlich in der Historie solche Verschwörungen. Nicht der Blödsinn, den uns heute die sogenannten „Truther“ präsentieren, über 9/11 und die angeblich nicht stattgefundene Mondlandung und die Chemtrails, die uns alle kirre machen. Denken Sie an den Überfall auf den Sender Gleiwitz am 31. August 1939. Unter dem Tarnnamen „Unternehmen Tannenberg“ inszenierte die SS diesen Angriff. Der „Völkische Beobachter“, das NS-Propagandablatt schlechthin, schrieb darauf unter der Überschrift „Der unerhörte Bandenüberfall auf den Sender Gleiwitz“, dass sich „die polnische Meute“ dazu habe „hinreißen lassen, die Reichsgrenze zu überschreiten, einen deutschen Sender zu überfallen, und die Kriegsfackel an ein Pulverfaß zu legen, dessen Existenz vor der Geschichte die Polen einmal zu verantworten haben werden.“ Was darauf folgte, ist bekannt: Am 1. September 1939 kündigte Hitler an, nun werde „zurückgeschossen“, und der Zweite Weltkrieg begann. Am Ende waren 50 Millionen Menschen rund um den Erdball tot.

Oder nehmen wir den sogenannten „Tonkin-Zwischenfall“ Anfang August 1964. Vor der Küste Nordvietnams griffen damals nach Angaben der US-Marine nordvietnamesische Schnellboote zwei amerikanische Kriegsschiffe mehrmals ohne Anlass an. US-Präsident Lyndon B. Johnson setzte daraufhin die „Tonkin-Resolution“ durch, was zum direkten Eingreifen der USA in den Vietnam-Krieg führte. Erst 1971 enthüllte die „New York Times“, eine der angesehendsten Zeitungen der Welt – oder wie man heute sagt „Lügenpresse“ – die „Pentagon-Papers“, ein geheimes Dokument aus dem US-Verteidigungsministerium. Aus dem ging hervor, dass der Kriegseintritt der USA lange vorher geplant wurde. Die Angriffe auf US.Kriegsschiffe hatte es gar nicht gegeben.

Ja, es gibt politische Verschwörungen, die den Lauf der Weltgeschichte dramatisch verändert haben. Und es gibt den Putschversuch in der Türkei. Hat Erdogan ihn selbst inszeniert? Ich weiß es nicht. Würde ich es ihm zutrauen? Ja.