Wer stabile Verhältnisse wünscht, darf Alternativlosigkeit nicht akzeptieren

Das Wesen der Demokratie ist das Ringen um die besten Lösungen, das Auswählen können zwischen unterschiedlichen Politikkonzepten. Das muss man in Erinnerung rufen, wenn man in diesen Wochen über das starke Anwachsen sogenannter rechtspopulistischer Parteien bei Wahlen überall in Europa klagt. Ich möchte ganz sicher nicht, dass Marine Le Pen nächstes Jahr zur französischen Präsidentin gewählt wird. Doch statt über die dummen, dummen Bürger zu lamentieren, empfehle ich, einfach mal Ursachenforschung zu betreiben. Das kann man in Österreich tun, wo die FPÖ einst unter Jörg Haider ihren Siegeszug begann. Das fing keineswegs mit Ausländerfeindlichkeit an, sondern es geschah in einem Umfeld, in dem sich zwei Parteien – die SPÖ und die ÖVP – ein ganzes Land untereinander aufgeteilt hatten. Ganz egal, wer gerade regierte: Da gab es hochdotierte Versorgungspöstchen in öffentlichen Bereichen immer schön abwechselnd, hier ein Roter, da ein Schwarzer. Haider hat das zu seinem großen Thema gemacht und den Bürgern eine Alternative angeboten, die heute – viele Jahre später – unter HC Strache offenbar stärkste Partei im Nachbarland ist, ganz sicher bei den Jungwählern. Auch die Geschichte der SVP in der Schweiz, der ehemaligen Fortschrittsparteien in den skandinavischen Ländern oder eben des FN in Frankreich ist begleitet vom Bestreben, den Wählern eine auch konzeptionelle Alternative zum Einheitsbrei des etablierten Politikbetriebs anzubieten. Das ist übrigens kein Merkmal nur rechtskonservativer Parteien, denn auch die Grünen und all die Öko-Parteien weltweit haben damit begonnen, eingefahrene Politik und etablierte Unbeweglichkeit radikal in Frage zu stellen, Politik anders und neu zu denken. Wenn einst der CDU-Bundestagsabgeordnete Herbert Gruhl auf Parteitagen davor warnte, mit den natürlichen Ressourcen des Planeten Schindluder zu betreiben, gingen bei vielen Delegierten demonstrativ die FAZ-Freiexemplare in die Höhe, um absolutes Desinteresse zu bekunden. Was hat Gruhl gemacht? Er hat eine neue Partei gegründet, die seine Gedanken ernst nahm. Im Versagen der CDU, das eigentlich konservative Thema Umwelt- und Naturschutz zu erkennen und aufzugreifen, liegt eine Ursache, warum dieses Land heute mit Spitzenpolitikern wie Claudia Roth und Volker Beck gesegnet ist, die uns immer wieder in Parlament und TV-Talkshows erfreuen.

Und das führt uns zur Alternative für Deutschland, kurz AfD. Die befindet sich im Umfragehoch, irgendwo zwischen acht und 10,5 Prozent – je nach Institut und Fragestellung. Hat sie die Lösung für die großen Probleme des Landes? Hat sie mitreißende Köpfe an ihrer Spitze? Muss jeder selbst entscheiden. Ich glaube, ihr derzeitiger Zuspruch speist sich hauptsächlich aus der demonstrativen Ignoranz insbesondere der beiden großen Parteien in Deutschland gegenüber real vorhandenen Sorgen und Ängsten in der Bevölkerung. Ob diese – wie ich glaube – begründet sind oder nicht, lassen wir an dieser Stelle mal dahingestellt. Aber wenn in einem niedersächsischen 600-Seelen-Dorf praktisch über Nacht 2.000 Flüchtlinge aufgenommen werden sollen, ohne dass die Politik vorher mal mit den Einheimischen spricht, finde ich das mehr als volksfern. „Seit wann muss man die Leute fragen, ob sie neue Einwohner akzeptieren?“, fragte mich diese Woche sinngemäß ein Facebook-Freund. Und klar, muss man nicht, jedenfalls gibt es kein Gesetz, das so etwas vorschreibt. Aber in jedem Kaff wird eine Bürgerversammlung abgehalten, wenn ein Radweg angelegt werden soll. Wäre es da nicht einfach geboten, dass die verantwortlichen Politiker in einem solchen Fall das Gespräch mit dem Bürger suchen?

Jüngst beschäftigte sich der Bundestag endlich einmal mit dem Flüchtlings-Thema. Bundestag, muss ich vielleicht für die Jüngeren erklären, ist unser Parlament. Da sitzen die Leute, die unsere Interessen vertreten und den Regierenden auf die Finger schauen sollen. Und der Regierung soll eine starke Opposition gegenüber stehen, die eigene Konzepte entwickelt und sich als Regierung von Morgen profilieren kann. Ungefähr die Hälfte der Deutschen ist nun nach Umfragen skeptisch in Bezug auf die derzeit stattfindende Masseneinwanderung in dieses Land. Und was sehe ich, wenn ich mir die jüngste Bundestagsdebatte anschaue? Alle finden es toll, was Frau Merkel und ihre Regierung tun. Alle. Beifall des Hohen Hauses von der Linken über Grüne und SPD bis zu Union. Nun werden Sie vielleicht sagen, das ist der momentanen Ausnahmesituation geschuldet, schließlich geht es um Menschen in Not. Ja, geht es. Auch. Aber das Phänomen ist nicht neu. Bei der „Griechenland-Rettung“ ging es in erster Linie um Banken und um Geld. Auch da waren mindestens 50 Prozent der Deutschen dagegen, während unser Parlament mit 500 von 600 Stimmen zustimmte. Immer wieder. Alternativlos und so. Aber wie lange macht ein Wahlvolk das mit, bevor es sich entweder vom „System“ durch Wahlenthaltung verabschiedet oder sich ein Ventil, sprich: eine neue Partei, sucht, um ihren Unmut auszudrücken?

Und deshalb verdient der bevorstehende Bundesparteitag der CDU auch alle Beachtung. Und bitte verschonen Sie mich mit „Scheiss-CDU“ und „ohnehin abgemerkelt“ und „linksgewendet“-Mails. Ob allen das gefällt oder nicht – die Union ist derzeit die stärkste politische Kraft im Land, die Partei mit der Bundeskanzlerin. Keine Politikänderung kann im Augenblick ohne die Union stattfinden. Ich denke, dass dieser Parteitag für den weiteren Weg der CDU und damit auch für die weitere Entwicklung anderer Parteien entscheidende Bedeutung haben wird. Werden die Delegierten willens und fähig sein, die Fehlentwicklungen beim Namen zu nennen, ja mit Mehrheit Kurskorrekturen durchzusetzen? Bemerkenswerte Anträge dazu gibt es reichlich, von der Jungen Union bis zur Mittelstandsvereinigung. Oder werden sie sich zum üblichen Ritual wieder mit Stehenden Ovationen um ihre Parteivorsitzende scharen und so lange Beifall klatschen, bis die beobachtende Journaille mit ihren Stoppuhren zufrieden ist? Ich habe mich seit Jahren nicht mehr für diese weitgehend inhaltsleeren Partei-Hochämter voller Selbstbeweihräucherung interessiert. Dieses Mal werde ich aufmerksam zuhören und zuschauen, ob sich da eine traditionsreiche Partei ihrer Verantwortung stellt oder das Feld freiwillig räumt, auf dem andere Parteien wachsen wollen.




Hat eigentlich jemand Deutschland gefragt, ob es sich verändern will?

Führende Politiker und weite Teile der Medien sind sich einig: Durch den hunderttausendfachen Zustrom von Menschen aus dem islamischen Kulturkreis wird sich Deutschland verändern. Manche sagen sogar: Deutschland muss sich verändern, und eine Berufs-Grüne in Hamburg macht jüngst keinen Hehl aus ihrer Freude, dass in 20, 30 Jahren Deutsche in ihrem eigenen Land ethnisch in einer Minderheitenposition sein werden. Ich habe ein wenig darüber nachgedacht und frage mich: Müsste man nicht an irgendeiner Stelle auch mal Deutschland, also DIE DEUTSCHEN, fragen, ob sie wollen, dass und wie sich ihr Land, unser Land, verändert?

Über das Thema Flüchtlinge pro und contra ist beinahe alles gesagt, nicht aber über das vielleicht ebenso große Problem des Versagens der in einer demokratischen Gesellschaft vorgesehenen Mechanismen für Willensbildung und Entscheidungen. Klar, die Bundeskanzlerin hat Richtlinienkompetenz, sie muss und darf entscheiden, wenn eine eilige Entscheidung zu treffen ist. Als am 4. September in Ungarn der Druck auf dem Kessel zu groß zu werden drohte, hat Angela Merkel nach kurzer Rücksprache mit den Regierungen von Österreich und Ungarn beschlossen, auf einen Schlag und unter Bruch internationaler Abkommen mehr als 20.000 Syrer aus Ungarn in Deutschland aufzunehmen. Ich kenne Politiker, die damals in diese Entscheidung mit eingebunden waren, und die bis heute sagen: es war richtig, das in der dramatischen Situation zu tun. Aber viele haben damals in Berlin angenommen, dass sei ein – nennen wir es – alternativloser Einzelfall und nun werde man zu einem geordneten Verfahren zurückkehren. Was für ein fataler Irrtum.

Wir erleben seit Monaten einen von der gewählten Führung unseres Landes gewollten, zumindest geduldeten Rechtsbruch. Nochmal zur Erinnerung, das steht im Artikel 16 a unseres Grundgesetzes:

„(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist.“

Mit meinen Worten: Das sind nahezu alle.

Mehr als eine Million Menschen aus Syrien, dem Irak, Nordafrika und Afghanistan werden in diesem Jahr demnach illegal in dieses Land einreisen, und wir alle, besonders die Kommunen müssen es schaffen, diese Menschen menschenwürdig unterzubringen und zu versorgen. Und damit ich nicht missverstanden werden: Ich mache den Leuten, die zu uns kommen und auf ein besseres Leben, auf Sicherheit und Wohlstand hoffen, keinen Vorwurf. Würden wir es nicht ebenfalls versuchen, wenn wir zwei Jahre in einem Zelt in der Türkei gehockt hätten und nicht wüssten, wie und wann es weitergeht?

Nein, es ist der politische Betrieb, der wie gelähmt erscheint. Warum erklärt sich der Bundestag nicht zum Thema Obergrenze? Das ist doch unser Parlament, da sitzen unsere Repräsentanten, da sollte entschieden werden. Da sitzen die Frauen und Männer, die unsere Regierenden kontrollieren sollen. Warum schauen sie dem permanenten Rechtsbruch zu, ohne wenigstens darüber zu beraten? Warum wird in Deutschland wie selbstverständlich nur noch über den richtigen Weg zur Integration gesprochen? Wieso Integration? Hat das wer beschlossen? Warum sagt man nicht: Wir erkennen Syrer, Iraker und Afghanen als Bürgerkriegsflüchtlinge an und gewähren ihnen Aufenthaltsrecht – aber wenn eines Tages der Bürgerkrieg in ihrer Heimat beendet ist, kehren sie dorthin zurück. Ist es wirklich „rechts“ und „Rassismus“ diese Ansicht zu vertreten? Ja, wir Deutschen müssen uns vielleicht ändern – aber doch nur, wenn wir oder wenigstens unsere gewählten Vertreter vorher gefragt worden sind und mehrheitlich entschieden haben, dass sich unser Land verändern soll.

Der demokratische Prozess und der unbedingte Vorrang des Rechts scheinen seit Monaten wie abgeschaltet. Ich hätte das in einem hochentwickelten Land wie der Bundesrepublik nicht für möglich gehalten. Und wenn mal jemand aufbegehrt, gibt’s Druck. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Andreas Mattfeld hat das gerade erlebt. Während der Haushaltsdebatte im Hohen Haus sagte er bezogen auf die Flüchtlingskrise: „Wir haben die Kontrolle verloren.“ Und: „Wir dürfen das Land nicht überfordern“. Fraktionschef Volker Kauder rief dem eigenen Kollegen im Plenum zu: „Du solltest Dich was schämen.“ Und der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Michael Grosse-Brömer, schimpfte: „Weißt Du eigentlich, in welcher Fraktion Du bist?“ So als sei es mindestens Majestätsbeleidigung, die aktuelle Situation auch nur zu beschreiben. Schon seit einiger Zeit erzählen Bundestagsabgeordnete der CDU/CSU im persönlichen Gespräch, dass jede Wortmeldung zur Flüchtlingslage in der Union nur unter dem Gesichtspunkt „für Merkel“ oder „gegen Merkel“ betrachtet werde. Die üblichen Machtspiele halt, aber in der Situation, in der sich Deutschland befindet, mehr als unangebracht.




Warum eigentlich nicht mal etwas früher planen?

Also gut, denken wir es einmal durch. Der neue polnische Außenminister Witold Waszczykowski hat gesagt, es müsse verhindert werden, dass „wir unsere Soldaten in den Kampf nach Syrien schicken, während hunderttausende Syrer (auf dem Berliner Boulevard) Unter den Linden ihren Kaffee trinken“. Kernige Ansage, seinen Wählern wird es zweifellos gefallen. Inzwischen machen diese Gedanke und seine logischen Folgen die Runde – im Internet sowieso, aber auch zunehmend in den etablierten Medien. Warum eigentlich nicht all den jungen Syrern, die inzwischen zu Hunderttausenden auch nach Deutschland geströmt sind, eine Ausbildung und Waffen besorgen, und sie dann zurückschicken, damit sie ihre Heimat befreien können – von wem auch immer?

Es ist schon eine, sagen wir, wenig logische Situation, dass die Staaten des Westens und vielleicht sogar Russland, darüber nachdenken, Bodentruppen gegen den IS einzusetzen und das Leben junger Männer und Frauen aus unseren Ländern für die Befriedung Syriens zu riskieren, und die geflohenen Syrer schauen dabei in Sicherheit am TV-Bildschirm zu. Auch das wäre etwas, das großen Teilen der Bevölkerung in Deutschland und anderswo wohl nicht zu vermitteln wäre. Und mit der Grundsatzentscheidung der Bundesregierung, dass die Bundesluftwaffe den französischen NATO-Partner mit Aufklärungsflügen und einem Kriegsschiff beim Anti-IS-Einsatz unterstützen wird, dürfte diese Diskussion schon in den nächsten Tagen unüberhörbar anschwellen.

Ja, wir haben ein eigenes Interesse daran, dass in Syrien so schnell wie möglich Verhältnisse geschaffen werden, die eine sichere Rückkehr für die große Mehrheit der hier angekommenen Syrer ermöglichen. Denn – so haben wir gelernt – 70 Prozent von ihnen wollen ja wieder zurück in ihre Heimat. Aber der Irak und auch Afghanistan lehren uns, dass nicht nur der militärische Erfolg wichtig ist, sondern eine Antwort auf die Frage „Und dann?“. Wenn die NATO und Russland das wirklich wollen, wäre militärisch mit dem IS-Spuk zweifellos in einem übersichtlichen Zeitraum Schluss zu machen. Aber was dann? Assad ist aus guten Gründen den meisten Ländern nicht als Lösung vermittelbar. Doch wer soll es machen?

Falls es Ihnen nicht bekannt ist: Es gibt eine syrische Exilregierung, den sogenannten Syrischen Nationalrat. Der sitzt in Istanbul und wird von den anderen syrischen Oppositionsgruppen nicht anerkannt, weil er vermeintlich von der Türkei mit ihren ganz eigenen Interessen gesteuert wird. Nicht umsonst werden Sie noch nie vom Syrischen Nationalrat gehört haben, denn seine Bedeutung in der momentanen Krise ist Null. Daraus folgt, dass die Staaten, die an einer echten Lösung für Syrien interessiert sind, nicht nur über Bombenziele nachdenken müssen, sondern aktive Schritte unternehmen, für die Zeit nach IS und Assad Strukturen zu entwickeln, die übernehmen können. Vermutlich wird es am besten sein, wenn sich NATO-Länder und Russland von Anfang an gemeinsam darum kümmern, sonst heißt es irgendwann wieder, dass alles von Wallstreet und CIA initiiert wurde, wegen Öl oder McDonalds-Imperialismus oder was weiß ich für ein Schmarrn – wir kennen das noch vom Maidan.

Nein, Russland und der Westen müssen Syrer finden, die in der Lage wären, eine Zivilregierung und Verwaltungsstrukturen in ihrer Heimat aufzubauen, wenn die Militärs ihre Arbeit getan haben. Und sie müssen Sicherheitskräfte aufstellen. Dazu kann man in einer demokratischen Gesellschaft keinen jungen Syrer zwangsverpflichten, aber ich denke, es wird auch unter ihnen patriotisch gesinnte junge Männer geben, die für eine anständige Bezahlung und für ein großes Ziel, nämlich die Befreiung und Befriedung ihrer Heimat, zu kämpfen bereit wären. Aber ob unsere Politiker bereit sind, über den Tellerrand hinauszuschauen und erste Schritte in diese Richtung zu unternehmen? Ich gebe zu, meine Skepsis überwiegt.




Tanzen und Küssen wird gegen den Terror zu wenig sein

Die Bundesligastadien waren gestern in Deutschland gut mit Fans gefüllt. Bei zwei Bundesligaspielen gab es Krawalle, die Polizei nahm 200 Schläger fest. Alles wieder normal, Deutschland hat mutig dem Terror getrotzt. Denn wir haben gelernt: Am wirkungsvollsten soll es sein, einfach weiterzumachen, als wäre nichts passiert. Feiern wir Partys, besuchen wir Konzerte und eben auch Fußballspiele. Dann werden die Terroristen schon sehen, was sie davon haben. Letztens hörte ich in meinem hiesigen Lieblings-Grundversorger-Radio einen Hörer, der sagte, Gewalt sei nicht die Lösung im Kampf gegen fanatische Massenmörder (er formulierte das freundlicher), sondern man solle mehr Küssen. Ein anderer schlug vor, die beste Möglichkeit, Solidarität mit Frankreich zu zeigen, sei, wenn die Nationalspieler in Hannover mit Flüchtlingskindern an der Hand aufliefen. Nun, das konnte nicht verwirklicht werden, weil während de Spiels angeblich fünf Bomben inmitten der Zuschauer gezündet werden sollten, und die zuständigen Innenminister eineinhalb Stunden vor Anpfiff das Spiel absagten. Gut so, hätte die Kinder nur geängstigt, wenn da plötzlich überall was explodiert. Andere empfahlen, endlich damit aufzuhören, für die Opfer von Paris zu beten, weil beten sei ja auch Religion und damit irgendwie pfui – egal, welche Religion.

Währenddessen befinden sich Frankreich und Brüssel weiter im Ausnahmezustand. Sicherheitsdienste aller Art suchen europaweit mit aller Macht nach dem entkommenen Ober-Mörder von Paris. Der habe, so wird berichtet, gegenüber Dritten gesagt, er wolle sich irgendwo öffentlichkeitswirksam selbst in die Luft sprengen. Das dazu notwendige Sprengstoffjäckchen hat er auch dabei.

Ja, wir tun gut daran, unser Leben und unsere freiheitlichen Gesellschaften nicht von Fanatikern bestimmen zu lassen. Und wer tanzen gehen will, soll tanzen. Aber allein mit tapferer Lebensfreude und mit Mahnwachen und Kerzen werden wir der Herausforderung sicher nicht gerecht. Ich habe den Eindruck, dass ein beachtlicher Teil der Bevölkerung einfach ausblenden möchte, was derzeit los ist, und wo die Gründe liegen. Das beginnt bei der unsäglichen ZDF-Kinderverblödung namens „Logo“ nach dem Motto: Die Terroristen töten, weil sie früher von Frankreich in den Kolonien schlecht behandelt wurden. So als ob es in Deutschland auch ständig Anschläge von Tätern aus dem ehemaligen Deutsch-Südwestafrika gäbe. Oder Anschläge von Vietnamesen in Frankreich.

Die Wahrheit ist, dass dieser Terrorismus die Folge eines radikalisierten Islam ist. Wohlgemerkt, eines Teiles des Islam. Und das sind nicht nur ein paar Dutzend Verblendete, sondern es sind weltweit Millionen Menschen, die uns hassen, weil wir frei leben, weil wir gern Bier trinken, weil bei uns Frauen werden und sein können, was immer sie wollen. In der „New York Times“ erschien dieser Tage ein lesenswerter Beitrag über die Integrationsbemühungen in Berlin. Erzählt wird darin u. a. die Episode eines 15-jährigen Flüchtlingsjungen, der in seiner Berliner Unterkunft an einem Tisch saß und das Essen nicht anrührte. Darauf angesprochen sagte er, er werde nicht essen, so lange auch eine Frau am Tisch säße. Auf die Frage, was er denn dagegen habe, sagte er, beim Essen dürften auch keine Hunde am Tisch sitzen. Viel Spaß beim Integrieren, möchte man da den Helfern wünschen. Und, bevor das Geschrei losgeht, nein, ich halte die 800.000 Flüchtlinge, die nach Deutschland geströmt sind (und weiter strömen) nicht für Terroristen. Aber viele von Ihnen werden hier nicht klarkommen und damit viele neue Probleme schaffen. Davon bin ich überzeugt.

Wer ernsthaft meint, mit ein wenig mehr Tanzen, Küssen und mutig Bundesligaspiele besuchen, werde sich das Problem mit dem islamistischen Terror irgendwann lösen lassen, ist naiv. Ein wenig mehr Realitätssinn und Bewusstsein für die Gefahr würde ich mir wünschen. Vielleicht mal ein paar Medienberichte über die stillen Beerdigungen der unschuldigen Opfer von Paris oder Artikel über das Leid ihrer Angehörigen und Freunde.




Wenn wir Deutschland erhalten wollen, müssen wir auch seine Traditionen pflegen

Die real existierenden St. Martin-Umzüge am Niederrhein waren wieder farbenfroh, überschwänglich und lehrreich. Tagelang hatten die Kinder auf das Ereignis hingefiebert und in mühevoller Kleinarbeit phantasievolle Laternen entworfen. Dann ging es, begleitet von Feuerwehrkapellen durch die Innenstadt, wo praktisch die komplette Einwohnerschaft versammelt war. Das Fest des Heiligen Martin von Tours, der in einer eisigen Winternacht einen armen und unbekleideten Mann traf, dem er die Hälfte seines Mantels gab, hat in dieser Region eindeutig Volksfestcharakter. Auch wenn in der Metropole Düsseldorf einige Kitas und Grundschulen hip sein möchten, und die wunderbaren Martins-Umzüge zu schnöden „Lichterfesten“ umbenannt haben, zeigte sich auch in diesem Jahr, dass die große Mehrheit in der Bevölkerung die Tradition bewahren will. Das Bemerkenswerte dabei ist, dass es die gern zitierten Menschen aus anderen Kulturkreisen überhaupt nicht zu stören scheint, ja, dass es ihnen sogar sehr gefällt. Auch beim heutigen Umzug, an dem unsere Jüngste als Schülerin einer katholischen Grundschule teilnahm, waren selbstverständlich auch die muslimischen Schüler mit ihren Laternen dabei – so wie ihre Mütter, einige mit Kopftuch. Sie leben in diesem Land, und sie nehmen am Leben und am Feiern der Traditionen teil. Ein reicher und mächtiger Mann teilt seine Kleidung mit einem Armen – was für eine schöne Geschichte, nicht nur für Kinder.

Ich habe heute, am Straßenrand in der Menge auf die Kinder wartend, viel darüber nachgedacht, warum es in diesem Land Menschen gibt, die bereit sind, alle Traditionen bedenkenlos über Bord zu werfen. Integration kann man von Zuwanderern doch nur erwarten, wenn es irgend etwas gibt, in das die sich integrieren können. Genau das ist doch der Grund, warum Integration anderswo gut funktioniert und in Deutschland eher schleppend, wenngleich es auch hier nüchtern betrachtet bisher besser funktioniert hat, als wir oft annehmen. Noch mal zur Erinnerung: In Deutschland lebten nach vorsichtigen Schätzungen bis zum Beginn der Flüchtlingswelle mindestens vier, wahrscheinlich eher sechs bis sieben Millionen Muslime, größtenteils aus der Türkei. Die überwältigende Mehrheit friedlich im Mit- und Nebeneinander zur Mehrheit der Gesellschaft.

Aber dieses Brauchtum, das ist doch etwas, das uns Deutsche ganz besonders ausmacht, neben dem Hang zur Pünktlichkeit, zur Ordnung und zum Fleiß, die man uns bisweilen nachsagt. Warum unsere Traditionen opfern, obwohl es niemand von uns verlangt? Es ist erbärmlich, was einige Kitas und Grundschulen da tun. Klar, dies ist ein freies Land, und sie dürfen das so entscheiden. Aber es muss uns nicht gefallen. Mir gefällt es so, wie es ist, mit einem Martin hoch zu Ross, mit fröhlichen Kindern, mit Weckmännern und Spielmannszügen. Eigentlich müsste man sich noch viel mehr dafür engagieren, dass dieses Land bleibt, wie es ist. Und dass unsere Traditionen und Sitten nicht unter die Räder kommen in modernen Zeiten wie diesen. Viele Vereine, besonders die, die vom Aussterben bedroht sind, brauchen Unterstützung. Wer geht heute noch und singt in einem Chor mit? Wer engagiert sich bei der Freiwilligen Feuerwehr oder in einem Bürgerverein? Wie viele Menschen vertrödeln einfach ihre Zeit vor der Glotze, anstatt sich einmal in der Woche irgendwo hinzubewegen, um etwas Sinnvolles für die Allgemeinheit zu tun? Das Deutschland, das den meisten von uns so gut gefällt – das sollten wir hegen und pflegen. Weniger im politischen Alltagsstreit und mit flacher Unterhaltung als vielmehr, indem wir mitmachen.




Danke, Helmut Schmidt!

Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) ist heute Nachmittag im Alter von 96 Jahren gestorben. Bis in die jüngste Zeit hatte sich der „Zeit“-Herausgeber in politische Debatten mit klaren Standpunkten eingeschaltet. Man darf im Zusammenhang mit dem Hamburger den Begriff vom Beispiel an Pflichterfüllung durchaus benutzen. Sein kantiges Auftreten verschaffte Schmidt während der Jahre seiner Kanzlerschaft von 1974 bis 1982 Respekt bis weit in bürgerliche Wählerkreise hinein. „Ein guter Mann, nur leider in der falschen Partei“, so lautete seinerzeit ein weit verbreitetes Bonmot.

Unvergessen bleibt sein beherztes Eingreifen als Hamburger Polizeisenator am 17. Februar 1962, als die Hansestadt von einer gewaltigen Sturmflut heimgesucht wurde. Weil der Krisenstab komplett überfordert ist, reisst Schmidt das Ruder an sich und übernimmt – ohne dass es dafür irgendeine Rechtsvorschrift gegeben hätte – das Kommando über die Hilfsmaßnahmen. Die „Hamburger Morgenpost“ erinnert:

„Schmidt, Offizier im Zweiten Weltkrieg, lässt seine Beziehungen spielen. Er ruft Lauris Norstad an, Nato-Oberbefehlshaber in Europa, und Admiral Bernhard Rogge, Befehlshaber im Wehrbereichskommando I. Die beiden kennen Schmidt gut. Sie wissen: Wenn er sagt, er braucht Hilfe, dann braucht er sie. Schmidt will Hubschrauber, will Boote. Sofort. Er bittet nicht, er befiehlt. Und er bekommt, was er will.“

Unvergessen auch sein Agieren im „Deutschen Herbst“, als die freiheitliche Demokratie durch linksextremistische Terroristen herausgefordert wurde. Kanzler Schmidt entschied den riskanten und letztlich erfolgreichen GSG 9-Einlatz im entführten Lufthansa-Jet in der Gluthitze Mogadischus, wohl ahnend, dass er damit den entführten Arbeitsgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer dem sicheren Tod preisgeben würde.

Auch nach seiner Kanzlerschaft schaltete sich Helmut Schmidt in öffentliche Debatten ein, nicht immer bequem in seinen Anschauungen, aber bis zuletzt in der Bevölkerung hoch geachtet. Und dass er sich bis in hohe Alter nicht verbieten ließ, wann und wo auch immer seine Mentholzigaretten zu rauchen, ist zwar nur eine Randgeschichte, hat mir aber stets imponiert.

Mit Helmut Schmidt verliert Deutschland einen seiner großen Politiker, auf den der Begriff Elder Statesman mehr zutraf als auf jeden anderen. An Gott und den Himmel hat er nach eigenem Bekunden nicht geglaubt, wenngleich er die sozialen Leistungen der Kirche durchaus schätzte. Ich hoffe und wünsche ihm dennoch, dass er nun an einem Ort ist, wo er seinen ewigen Frieden findet, egal, wie er das dann nennt.




GASTSPIEL: Alexander Wallasch über die leider fehlende Opposition

Wenn immer mehr Stimmen wispern, sie würden sich nicht mehr trauen, ihre Meinung zu schreiben oder zu sagen, weil sie gleich in die Nazi-Ecke gestellt werden würden und sich ihre Ankläger im Gegenzug darauf berufen, dass man die Pflicht hätte, zu benennen, was zu benennen ist – also in der Tradition des „Nie wieder!“ – dann wird es schwer, eine problemlösungsorientierte Politik zu gestalten.

Der aktuelle Fall rund um die Vorschläge des Innministers ist alarmierender Höhepunkt einer Konsensverweigerung und eines fortschreitenden Realitätsverlustes weiter Kreise der politischen und, wie sich gleich noch herausstellen wird, auch der gesellschaftlichen Entscheiderebene. Ein Knoten, der immer schwerer zu lösen sein wird. Wenn Spiegel Online den neuesten Vorschlagskatalog des Innenministeriums zur Bewältigung der Einwanderungskrise zum Anlass nimmt, von unmittelbarer und persönlicher Schuld bei Thomas de Maizière zu sprechen, dann verweigert man nicht nur den Dialog, dann verlässt man die Debatte und läd die eigene Auffassung auf eine Weise ideologisch auf, die keine anderen Standpunkte mehr zulässt.

Wenn man erklärt, dass die Vorschläge des Ministers „einen Bruch dar(stellen) mit allem, was verantwortungsvolle Politik sein sollte“, wenn man schreibt, de Maizière sei ein Kandidat für den sofortigen Rücktritt wegen „persönlicher und moralischer Überforderung“, dann ist das ein Wedeln mit der Moralkeule in einer hysterischen Bedingungslosigkeit, die die Lösung der aktuellen Probleme im Land verweigert. Denn klar sollte auch sein, dass die Vorschläge des Ministers – ein zunächst subsidiärer Schutz für syrische Einwanderer, die Rückkehr zur Einhaltung deutscher Gesetze: also die Beendigung eines nicht erklärten Notstandes – allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein wären, hin zu einer baldigen Lösung des Gesamtproblems.

Wer aber die vorgeschlagenen Maßnahmen so aussehen lässt, als wären sie eine Kriegserklärung gegen eine Million Einwanderer, der hat sich aus dem Diskurs verabschiedet. Vergessen wir nicht, es war die Kanzlerin, die sich über Gesetze und europäische Abmachungen hinweggesetzt hat und die damit wie nebenbei und im Vorübergehen den europäischen Gedanken frontal torpediert hat. Die unsere Grenzen vakant gestellt hat, und die unsere Gesetze bricht, wie Stefan Aust und andere in lobenswerter Offenheit (ganz entgegen dieser Kai Diekmannsschen Marschrichtung für Springer) in der WamS festgestellt haben: „…unsere Grenzen sind nicht mehr viel wert. Manche Gesetze auch nicht. Das Asylrecht sagt klipp und klar: Wer als Flüchtling aus einem sicheren Land kommt, hat kein Recht auf Einlass. Doch daran hält sich niemand mehr, allen voran die Kanzlerin. Sie beruft sich auf das grenzenlose Schengen-Europa. Flüchtlingsnot kennt kein Gebot: ‚Wir können die Grenzen nicht schließen. Wenn man einen Zaun baut, werden sich die Menschen andere Wege suchen'“

Damit lässt Merkel den deutschen Schlagbaum einfach oben. Dafür wird nun aber ein neuer Schlagbaum dorthin herunter gelassen, wo es ein immer lauter werdendes Aufbegehren gibt gegen eine nicht mehr nachvollziehbare Politik. Gegen ein Staatsversagen, das in der Nachkriegsgeschichte seines Gleichen sucht. Substanzielle politische Debatten wurden aus dem Reichstag verbannt. Politiker diskutieren jetzt in Talkshows, auf Facebook und Twitter. Dort werden die neuen Leitlinien proklamiert, gelikt und wieder zur Verabschiedung ans Parlament zurückgeschickt. Es gibt faktisch keine Opposition mehr. Weil es kein oppositionelles Denken mehr gibt. Die Einheitspartei ist da. Und irgendwelche Debatten werden nur noch innerhalb dieses geschlossenen Systems geführt. Der Innenminister wird vorübergehend von den eigenen Leuten kaltgestellt, und die vermeintliche Opposition souffliert der Kanzlerin. Die grüne Katrin Göring-Eckart steht Frau Merkel heute vielfach näher, als der Unionspartner und weite Kreise der eigenen Partei.

Aber auch, wer jetzt in seiner Verzweiflung über so viel EInigkeit auf den letzten verbliebenen Kandidaten, auf die Linken als lautstarke Opposition hofft, wird enttäuscht: Lafontaine und Wagenknecht haben zwar noch Verstand genug, Washington und das State Department als eigentlichen Verursacher der Krise zu benennen, aber sie lassen keine Handlungsforderungen in Richtung Zukunft mehr folgen. Eine ergebnisverweigernde, anachronistische Politik. Der nationale Weg ist den Sozialisten aus naheliegenden Gründen verschlossen. Aber wenn ich keine autonome Entscheidung mehr zu treffen bereit bin, dann habe ich mich von der politischen Bühne verabschiedet. Dann hat sich die Opposition aus sich heraus abgeschafft.

Wenn es nun aber keine Opposition gibt, dann muss das Volk seine Rechte außerparlamentarisch einfordern. Es wäre nicht das erste Mal, dass so etwas in Deutschland möglich ist. Nur wer sollte da vorangehen? Die Kirchen sind auf Regierungskurs gegangen. Die Gewerkschaften bedrohen ihre Mitglieder in den Betrieben mit dem schwammigen Maulkorb: „Wer hetzt der fliegt“ – nur was ist ab wann Hetze? Wäre der Innenminister mit seinen Vorschlägen schon von der Gewerkschaft vor die Tür gesetzt worden?

Wenn es der Innenminister schon nicht richtig weiß, wie soll es der Werkzeugmacher oder Maschinenbauer richtig machen? Der gute Mann schweigt dann einfach. Sogar immer öfter bei sich zu Hause. Denn auch das ist wahr: Die Gräben verlaufen jetzt mitten durch die Familien. Nur eine Frage der Zeit, wann die erste pubertär-wütende Tochter oder nur irgendein beleidigter Sohn eine vermeintliche Hetze des Vaters bzw. Vorgesetzten den Gewerkschaftsvertretern in dessen Betrieb meldet, damit der Beschuldigte ein paar Extra-Flugstunden bekommt.

Wie aber artikuliert sich nun diese sogenannte schweigende Mehrheit? Wie findet man zusammen jenseits dieser kontaminierten Pegida-Bewegung? Jenseits der AfD-Parteibücher? Wie organisiert man Demonstrationen vor dem Reichstag, wie bekommt man einige hunderttausende Menschen dieser Millionen höchstunzufriedener Bürger auf die Straße? Bürger, die sich von ihrem Parlament, der Regierung, der Kirche, den Kulturschaffenden, weiten Teilen der Presse und den Gewerkschaften nicht mehr vertreten fühlen? Wer organsiert diesen Aufschrei der Millionen, wenn das sonst die Parteien und Gewerkschaften übernommen haben? Tatsächlich muss man es selbst in die Hand nehmen, indem man sich zunächst die richtigen Protagonisten aussucht: Entscheider, von denen man sich vertreten fühlt. Diese Entscheider müssen nun ultimativ zum Handeln aufgefordert werden, indem man sie bestärkt und ihnen Unterstützung zusagt. Immer wieder und wieder. Ideen entwickeln, Treffen vereinbaren, Gesprächsrunden mit Gleichgesinnten organisieren, solange noch Zeit ist.

Das ist der Weg. Und nicht, indem man eine zweite Pegida-Front aufmacht, nicht, indem man ins Risiko geht, rechten Scharfmachern das Feld zu überlassen, sondern indem man jene prominente Köpfe versammelt, die sich nicht vereinnahmen oder anderweitig gegen eine innere Haltung beeindrucken lassen, indem man diese Menschen an die Spitze des Protestes bittet, drängt und stellt. Und warum sollte nicht auch ein Thomas de Maizière den außerparlamentarischen Weg mitgehen? Noch bieten einige prominente streitbare Geister dem aktuellen politischen Blindflug die Stirn – oder ist es schon ein Amoklauf?

So dürfte es also schwerfallen, beispielsweise einen Wolfgang Bosbach reflexartig in die rechte Ecke zu drängen, ebenso wie einen Minister Wolfgang Schäuble oder den bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer. Natürlich wird man die totale Diskreditierung versuchen, wenn der Lärm vor dem Reichstag immer lauter wird und zuletzt bis in den Plenarsaal schallt. Wenn „Wir schaffen das!“ etwas völlig anderes meint, nämlich die Sicherung unserer Grenzen, das Ende einer uferlosen Hysterie, die Rückkehr zu so etwas wie Normalität und die bleierne Erkenntnis, dass wir helfen, wo wir helfen können, dass wir aber immer noch selber bestimmen wollen, wann und auf welche Weise das der Fall sein wird, und wann wir es aus humanitären Gründen eventuell kurzfristig mal etwas großzügiger auslegen, als es unsere schützenswerten Gesetze zulassen.

Ja, es wird Zeit, diese Mauer aus Vorwürfen, Unterstellungen und Stigmatisierungen zu durchbrechen und klare Kante zu zeigen. Ein Ende zu erzwingen dieser über die gesamte Gesellschaft verhängten Blockade. Das Ende dieser fortschreitenden Lähmung muss möglich sein. Der kritische Punkt ist doch längst überschritten. Höchste Zeit, dass die richtigen Leute zusammenfinden, einen gemeinsamen politischen Willen artikulieren und ihn zu Hunderttausenden auf die Straße tragen. Organisiert Euch! Nicht jeden Montag, gerne an einem Sonntag, der in Erinnerung bleiben, der nachhaltig Eindruck hinterlassen wird. In einer Präsenz und Eindringlichkeit, welche anzeigt, dass wir bereit sind, die inneren Verhältnisse wieder geradezurücken. In einer Präsenz, die den Entscheidern dieses Landes eine unmissverständliche Handlungsaufforderung senden: Mit uns. Oder ohne Euch.

Nachtrag:

Auch das ZDF scheut vor keiner Schmierenkomödie mehr zurück:
gerade auf heute+
Der Moderator erklärte wörtlich (Zitat aus dem Gedächnis) mit aller ihm möglichen investigativen Süffisanz: „Der Theaterplatz in Dresden auf dem sich Pegida jeden Montag versammelt, hieß früher Adolf-Hitler-Platz. Mehr will ich dazu nicht sagen.“ Und dann Themawechsel.




Es wäre wünschenswert, dass Russland ein echter Partner wird

War der Absturz eines russischen Passagierflugzeugs, der alle 224 Insassen das Leben kostete, also doch ein Terroranschlag? Russische und ägyptische Offizielle bestätigen das bisher nicht, aber britische und amerikanische Geheimdienste halten es für die plausibelste Erklärung, warum ein Passagierflugzeug ohne Vorwarnung einfach so in der Luft auseinanderbricht. Warten wir also ab, was die weiteren Untersuchungen ergeben. Wenn Allahs Killertrup vom ISIS dahinter steckt, so würde das nur erneut belegen, dass Russland und der Westen ein gemeinsames Problem haben, das sie gemeinsam angehen und lösen könnten. Wenn sie Partner wären.

Russland ist ein großes und militärisch starkes Land. Jeder Nachbar, nicht nur die unmittelbaren, ist gut beraten, sich um ordentliche, ja gute Beziehungen zum Kreml zu bemühen. Und NATO und Russland gemeinsam, jeder mit seiner Militärmacht und seinen Einflusszonen im Nahen Osten, könnten dem Islamischen Staat ein schnelles Ende bereiten. Das wäre auch die Voraussetzung dafür, eine ernsthafte Lösung für das europäische und insbesondere deutsche Problem mit Flüchtlingen und illegalen Zuwanderern zu finden. Aber ich fürchte, es wird nicht passieren, denn Russland wird von einem Mann angeführt, der sich nicht an internationale Gepflogenheiten und Spielregeln zu halten gedenkt.

Nun ist gutes Personal bei der Führung von Supermächten nicht leicht zu finden. Wir sehen das in Washington ebenso wie in Moskau. Staaten sind sowieso keine Freunde, sie haben lediglich Interessen. Diese zusammenzuführen, dazu kann es gut sein, wenn die Chemie zwischen den führenden Personen stimmt. Helmut Kohl war als Kanzler ein Meister darin, persönliche Beziehungen zu flechten. Barbecue mit Bush in Camp David, am Rhein mit Gorbatschov sitzen und über die „Gechichte“ plaudern, und Maggie Thatcher in Rheinland Pfalz zum Saumagen-Essen nötigen. Und plötzlich öffnen sich Wege, von denen man nur Monate vorher nicht zu träumen gewagt hätte.

Eine gute Chemie zwischen Putin und Obama scheint es nicht zu geben. Spätestens seit dem Wort von „der Regionalmacht Russland“ ist man echt sauer im Kreml angesichts dieser offenen Demütigung. Verständlich. Nur, wenn man ein gemeinsames Problem lösen muss und sich nicht leiden kann, gibt es nur einen Weg: Vertrauen in die Verlässlichkeit der jeweils anderen Seite und das strikte Einhalten allgemein gültiger Regeln. Ob die Sowjetunion Gulags betrieben hat oder die Amis einst die Indianer nahezu ausrotteten, spielt nüchtern betrachtet keine Rolle, wenn man den IS bekämpfen will. Aber die Spielregeln müssen eingehalten werden. Sie heißen Transparenz und Rechtssicherheit. Wer im Europa 2015 mit militärischer Gewalt Grenzen verschiebt, wer Tag für Tag mit militärischen Provokationen kleinere NATO-Staaten piesackt, wer durch PR-Profis das Internet mit Unmengen selten dümmlicher Hetzpropaganda gegen den Westen fluten lässt, der kann einfach kein Partner sein. Der kann seinen Fans im Westen ein wenig Spaß bereiten, es den USA endlich mal richtig zeigen. Aber er trägt sicher nicht zu einer Lösung der aktuellen Konflikte bei. Und Respekt gewinnt er höchstens so, wie ein Wirtshausschläger. Dem gehen alle aus dem Weg und jeder grüßt freundlich aus der Ferne, aber in Wirklichkeit kann ihn kaum einer leiden.




Wer nicht mitspielt, wird plattgemacht

„Wer keine Hitze verträgt, hat in der Küche nichts verloren“, hat der 33. Präsident der Vereinigten Staaten, Harry S. Truman, einmal gesagt. Er wollte damit zum Ausdruck bringen, dass Politik ein hartes – manche sagen schmutziges – Geschäft und nichts für Sensibelchen ist. Und das ist wahr. Wer eine politische Haltung vertritt, weiß von vornherein, dass er oder sie dafür geschmäht, beschimpft und beleidigt wird. Und dabei ist vollkommen gleichgültig, welche Position vertreten wird. Auch die etablierten Parteien sind davon nicht ausgenommen – Merkel, Roth oder früher Guido Westerwelle haben Schmähungen ertragen müssen, die weit über jedes akzeptable Maß hinausgehen. Das Mitleid der Bevölkerung hält sich in Grenzen. „Ist im Preis mit drin“, heißt es lapidar, wenn man fragt, warum wir unsere politischen Repräsentanten so behandeln, wie „wir“ es bisweilen tun.

Was mir in jüngster Zeit zunehmend Sorgen macht, ist, dass es mit der Solidarität der Demokraten in unserem Land nicht mehr weit her ist, sobald es um den „Kampf gegen Rechts“ geht. Ich meine damit nicht die Rassisten, die Brandsatz-Werfer oder diese armseligen, ekelhaften Gestalten, die in einer Berliner U-Bahn Migrantenkinder angepinkelt haben. Solchen widerwärtigen Figuren kann kaum genug abgrundtiefe Verachtung ihrer Mitmenschen entgegenschlagen. Ich meine diejenigen, die im politischen Diskurs Positionen vertreten, die vom Mainstream der Mehrheits-Gesellschaft abweichen. Die politisch Unkorrekten, die sogar bei manchen Themen die Mehrheit hinter sich haben. Vor kurzem wurde innerhalb weniger Tage zunächst ein Infostand der AfD von Linksextremisten in Frankfurt kurz und klein geschlagen. Das Auto der AfD-Europaabgeordneten Beatrix von Storch wurde nachts abgefackelt (Foto) und ins Haus des AfD-Vorsitzenden von Sachsen-Anhalt brachen Unbekannte ein und schlugen die Einrichtung kurz und klein. Die Medien meldeten das kurz, mehr als ein Schulterzucken rief es nicht hervor. Selbst schuld, wird mancher gedacht haben. Warum sind sie denn auch in einer konservativen – sprich: rechten – Partei? Den Vogel schoß SPD-Vizechef Ralf Stegner ab, der mittels Internet zwar mitteilte, Gewalt sei nicht akzeptabel, aber diese Rechtspopulisten sollten mal besser aufhören „hier die Opferrolle zu markieren“. So, als würde Frau von Storch nachts durch Kreuzberg schleichen und Autos von Linkspolitikern anzünden. Ich finde diese Relativierung von Gewalt gegen Andersdenkende geht in einer freien und sich weltoffen gebenden Gesellschaft überhaupt nicht. Und ich schreibe dies, Leser meiner Beiträge wissen das, als jemand, der der AfD nicht nahesteht und sie auch nicht wählt. Es geht um das hohe Gut der Meinungsfreiheit, eines der wichtigsten Grundrechte, das wir haben.

Werfen wir einen Blick auf den „Fall Pirincci“. Seine politischen Texte haben mir nie gefallen, das Vokabular noch weniger. Und seine Rede letztens in Dresden bei „Pegida“ war selten dämlich, in Teilen unsäglich, und rief auch lautstarken Protest bei den Demonstranten selbst hervor. Darf man in einem freien Land dämliche Reden halten? Nun verschwinden seine Bücher aus den Regalen der führenden Buchhändler in Deutschland, auch bei amazon ist Pirincci ein Ausgestoßener. Es soll sogar einzelne Buchhändler gegeben haben, die ankündigten, Pirinccis Bücher öffentlich zu schreddern. Verbrennen hätte wohl nicht so gut geklungen. Nun können in einem freien Land Verlage und Buchhändler natürlich selbst entscheiden, wessen Bücher sie verlegen oder zum Verkauf feilbieten wollen. Und wenn ein liberales Haus wie Bertelsmann zu dem Schluss kommt, dass Titel wie „Die große Verschwulung“ oder Texte, in denen neben „der, die, das“ dem Wort „ficken“ eine zentrale Bedeutung zukommt, nicht zum Image passt, dann ist das deren Entscheidung, die zu respektieren ist. Aber Katzenkrimis? Mit den Katern Francis und Blaubart und ihren Abenteuern? Diese höchst erfolgreichen Frühwerke von Pirincci sind inzwischen auch verbannt. Und wohl kaum wegen politischer Unbotmäßigkeit. Ganz offenbar geht es hier darum, jemanden wirtschaftlich zu vernichten, weil er das Falsche denkt, schreibt und sagt. Ganz bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ein Aufsatz des bekannten Homo-Aktivisten David Berger, der sich mit dem Thema beschäftigt: „Warum es unklug ist, wenn sich Schwule an der Zerstörung der Meinungsfreiheit beteiligen“. Berger weist gekonnt auf Paralleln zwischen Pirincci und seinen Kritikern hin, wenn es im Forum eines Schwulenmagazins über Pirincci heiße: „Der Autor leide an einem ’schweren Dachschaden‘, sei ein „braunes Arschloch‘, ein ‚Kanacken-Nazi‘, dem man ’nicht nur mit Worten … immer wieder auf die Fresse schlagen müsse‘.“ Dann fragt Berger zu recht: „Was wird sein, wenn Schwule irgendwann zu Sündenböcken werden?“ Wenn sich der Wind einmal dreht, wird dann der „Fall Pirincci“ die Büchse der Pandorra geöffnet haben, mit der unliebsame Meinungen aus den Regalen verbannt werden dürfen? Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden, hat Rosa Luxemburg gesagt. Die hatte es begriffen – ebenso wie David Berger.

Man muss in diesen Tagen nicht suchen, um Beispiele zu finden, die belegen, wie unbotmäßige Personen hierzulande zerstört und unter Druck gesetzt werden sollen. An der Schaubühne Berlin wird gerade eine Aufführung gezeigt, die den Titel „Fear“ trägt. Falk Richter hätte seinem neuen Stück im chronischen klammen Theater besser den Titel „Hate“ gegeben, denn in einem wüsten Mix aus Beate Tschäpe vom „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) über besorgte Bürger und Pegida bis hin zur Gender-Kritikerin Birgit Kelle wird dort alles in einen Topf geworfen, was Herrn Richter nicht gefällt. Hätte er auch noch Werder Bremen oder die bemannte Weltraumfahrt mit hineingenommen, wäre es genauso sinnfrei gewesen, wie das aktuelle Stück. Pegida in einen Topf mit der NSU? Eine des Terrorismus und der Beihilfe zum Mord angeklagte Frau Tschäpe und Birgit Kelle? Dümmlicher geht es nicht, und selten hat jemand aus dem Kulturbetrieb seine Denk- und Differenzierunfähigkeit dermaßen eindeutig dokumentiert, wie dieser Herr Richter. Im Fall von Birgit ist das hilflose Agieren sogar nachvollziehbar, denn inzwischen hat sich in der Bevölkerung herumgesprochen, was für eine menschenverachtende, ja groteske Ideologie dieses Gender Mainstreaming ist. Eigentlich könnte man nur lachen über diese Gender-Tanten, wenn sie nicht gleichzeitig versuchen würden, sich Zugriff auf das Denken unserer Kinder zu veschaffen. Ein kritisches Theater würde das aufspießen, würde mit den Mitteln der Kunst bloßstellen, dass Genderisten eine Art Sekte sind, deren Wissenschaftlichkeit sich auf einer Höhe mit dem Kreationismus befindet. Aber unser deutscher Kulturbetrieb ist enteiert, er bringt inzwischen nur noch selten Überraschendes oder Kreatives auf die Bühne. Glattgebügelt und sakrosankt. Mit Subventionen der Steuerzahler gut versorgt.

In diesen Tagen habe ich immer mal wieder an die Weimarer Republik denken müssen. Die ist aus einer ganzen Reihe von Gründen gescheitert, aber eben auch daran, weil das Bürgertum zugelassen hat, dass Extremisten mit Gewalt und dem Verächtlichmachen von Überbringern ungewünschterr Ansichten und Institutionen die junge Demokratie von innen heraus zerstörten. Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht Weimar, nicht einmal in der Nähe. Aber was man in dieser Zeit großer Herausforderungen für unser Land und sicher auch deutlicher Fehlentwicklungen im politischen Betrieb ohne Zweifel festhalten kann, ist: Hass und Hetze finden wieder in einem beunruhigenden Maße statt. Wer nicht mit dem Strom schwimmt, läuft Gefahr, verleumdet, beleidigt, bedroht und seiner wirtschaftlichen Existenz beraubt zu werden. Die etablierte Politik und die Mehrheitsgesellschaft schauen mit wenigen Ausnahmen ungerührt zu oder wenden sich desinteressiert ab. Und die Gralshüter der Political Correctness, die Gedankenpolizei und ihrer Helfershelfer in politischen Stiftungen und einigen Medien bereiten mit bisweilen unfassbar dümmlichen „Analysen“ den Weg für die Hetzer und Hasser.

Wer nicht mitspielt, wird plattgemacht. Und diese Haltung konzentriert sich längst nicht mehr auf die sogenannten Rechtspopulisten. Dieser Tage erlebt das Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer. Der hatte öffentlich festgestellt, dass es so etwas wie ein Diskursverbot in Deutschland gibt. Er treffe zur Zeit viele Menschen, die fürchten, sie würden „in eine rechte Ecke gestellt“, wenn sie ihre Ängste und Sorgen angesichts der Flüchtlingskrise öffentlich äußern. Inzwischen werden aus seiner Partei heraus Stimmen laut, Palmer bei den Grünen auszuschließen. Das bunte Deutschland im Jahr 2015.




Wenn Politik die Bürger mitnimmt, laufen sie nicht woanders herum

Der Blogger und Autor Sascha Lobo ist neben Jan Fleischhauer ein Lichtblick bei Spiegel Online (SPON). Auch wenn ich oft nicht seiner Meinung bin, sind seine Beiträge immer fundiert und zeugen stets von Sachkenntnis, was ich nicht erst so empfinde, seit Frau Stokowski das Niveau der SPON-Kommentare insgesamt spürbar gesenkt hat. In dieser Woche hat sich Lobo mit der Wechselwirkung Pegida – Hass im Netz – rechte Gewalt beschäftigt. Er beschreibt zu recht die Maßlosigkeit und den Hass, der sich derzeit in den sozialen Netzwerken angesichts des nicht enden wollenden Stroms von Flüchtlingen nach Deutschland Bahn bricht. Ja, es ist wahr, was dort alles behauptet, gelogen und beleidigt wird, überschreitet oft jedes Maß des noch Vertretbaren. Gestern las ich auf Facebook in einem der widerwärtigen Verschwörungspamphlete, die da neuerdings das Netz fluten, inzwischen seien „80.000 IS-Kämpfer“ illegal nach Deutschland eingereist. Und ich bin sicher, es wird Tausende Leser geben, die diesen offensichtlichen Schwachsinn für bare Münze nehmen und mit dem Zusatz „Seht Ihr, ich habe es schon immer gesagt…“ weiterverbreiten. IS-Terror in Deutschland? Nun, im Moment geht Terror von einer anderen Seite aus. Von einem rechtsextremen Terroristen, der in Köln aus Fremdenhass einer Bürgermeisterkandidatin mit einem Rambo-Messer in den Hals stach. Oder dem Rassisten, der gestern in einer schwedischen Schule Lehrer und Schüler mit Migrationshintergrund mit einem Schwert angegriffen hat. Er tötete eine Lehrer und einen elfjährigen Jungen, dieser selbsternannte Beschützer des christlichen Abendlandes und der westlichen Zivilisation. Dieses Arschloch.

Der ungezügelte Hass, die Unversöhnlichkeit, mit der sich in Deutschland zwei Lager gegenüber stehen, ist ebenso besorgniserregend wie die Angst vieler Menschen vor den Riesenproblemen, die eine immer noch nicht geregelte und in Teilen unkontrollierte Massenzuwanderung in unser Land mit sich bringen wird. Ja, es kommen viele Menschen in größter Not nach Deutschland und erbitten unsere Hilfe. Und ja, es kommen auch Leute mit einer Anspruchshaltung und falschen Erwartungen zu uns. Menschen, die unsere Gesetze nicht anerkennen, die sich weigern, Essen von Frauen entgegenzunehmen oder ihnen auch nur die Hand zu schütteln. Junge Männer, die Christen bedrohen und die Frauen sexuell belästigen. Das passiert in vielen Erstaufnahmeeinrichtungen, und es sind keine Einzelfälle, wie gern abgewiegelt wird. Die Opfer sind nicht „blonde deutsche Frauen“, über die der AfD-Politiker Björn Höcke bei einer Demo in Erfurt schwadronierte. Die Opfer sind Frauen aus Syrien, Afrika und Afghanistan – und ihre Rechte und ihr Leben verdienen den gleichen Schutz. Schlimm genug, dass man auf so etwas hinweisen muss. Und die Täter? „Sie kommen aus Kulturen wie dem Islam, in dem Frauen als minderwertig gelten. Sie sind überwiegend Araber, bei denen es, unabhängig vom Glauben, schlecht bestellt ist um Frauenrechte.“ Das schrieb jetzt die dem Rechtsextremismus nun wirklich unverdächtige Alice Schwarzer in der „Emma“. Der gleiche Satz, gesagt von Herrn Höcke, hätte lautstarke Empörung in Jauchs Fernsehstudio hervorgerufen. Der Araber als potentieller Frauenschänder – den Shitstorm möchte ich mir nicht einmal vorstellen.

Und damit komme ich auch schon zu dem Punkt, an dem Sascha Lobo in seinem Kommentar nicht konsequent ist. Er kritisiert Pegida, das darf er, und das habe ich selbst schon gemacht. Aber er fragt nicht: Warum es Pegida überhaupt gibt. Darf Kritik an dem, was derzeit in Deutschland passiert, nur von Links geäußert werden? Müssen alle anderen schweigen oder im Fall der Zuwiderhandlung hinnehmen, als rechtsradikal stigmatisiert zu werden? 57 Prozent der Deutschen sind nach einer aktuellen Umfrage der Meinung, dass sich Deutschland übernimmt. Mehr als 200 Bürgermeister und Landräte haben gerade an die Bundeskanzlerin geschrieben und mitgeteilt, dass nichts mehr geht mit der weiteren Aufnahme von Flüchtlingen in ihren Kommunen. Es gibt viele Ängste in diesen Tagen – berechtigte und unberechtigte. Aber eine Situation, in der Menschen mit solchen Ängsten an den Rand gedrängt und stigmatisiert werden, statt dass die Politik sie ernst nimmt, führt eben dazu, dass sie sich anderswo mit Gleichgesinnten organisieren, auf den Straßen, im Internet und auch in Parteien. Nebenbei bemerkt, ohne gesellschaftlich an den Rand gedrängt zu sein, verbreitet die linksradikale antifa auch Hass gegen andere Menschen, Politiker und „das System“ im Internet. Seit vielen Jahren. Da hätte ich mir auch mal einen Justizminister gewünscht, der entschieden dagegen vorgeht. Denn Hass ist immer schlecht. Aber wir sollen ja keinen „Whataboutism“ mehr betreiben, empfehlen die Gralshüter der Political Correctness, und deshalb zurück zum Thema.

Die deutliche Spaltung unserer Gesellschaft ist ein Beleg für das Versagen der etablierten Politik, den Menschen, die sie vertreten, zu erklären, was und warum sie etwas tun. 20.000 oder mehr Leute demonstrieren Montag für Montag in Dresden vornehmlich gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Und in der Menge sind deutlich erkennbar viele Rechtsradikale und Hooligans dabei. Denen geht es nicht nur um die Flüchtlinge, sondern sie wollen „das System“ möglichst effektiv bekämpfen, unser System, unseren gemeinsamen Staat. Vielen „besorgten Bürgern“, die mitlaufen, geht es aber ausschließlich um das Flüchtlingsproblem, so wie jener jungen Frau aus Dresden, die ich am Dienstag in einer Nachrichtensendung sah, und die sagte: „Ich habe Angst um die Zukunft meiner Kinder.“ Deshalb laufe sie bei Pegida mit. Ist das eine Rechtsradikale? Oder ist das eine Frau, deren Ängste ernstgenommen zu werden verdienen? Würde sie bei Pegida mitlaufen, wenn sie das Gefühl hätte, Frau Merkel und Herr Gabriel nehmen ihre Sorgen ernst? Ich weiß es nicht, aber „besorgte Bürger“ soll man ja auch nicht mehr sagen. Das ist jetzt ein Pfui-Synonym und voll Nazi.

Liebe Politiker, nehmt die Leute ernst! Ihr hört doch in Euren Bürgersprechstunden, wie die Stimmung ist. Ihr lest es in Briefen und Mails an Eure Abgeordnetenbüros. Die Aufgabe, Hunderttausende Flüchtlinge aufzunehmen und über Jahre zu integrieren, erfordert eine Gemeinschaftsleistung dieser Gesellschaft. Das geht nicht mit Fakten schaffen und dann mal schauen, wie es wohl laufen wird. Wenn der Begriff „die Bürger mitnehmen“ jemals passte, dann jetzt. Sprecht mit den Leuten, erklärt euren Plan, so ihr einen habt. Und wenn nicht, macht einen. Und den Hass und den Rassismus im Netz und auf den Straßen bekämpfen wir dann gemeinsam. Der Sascha und ich. Und viele andere.