Im Hamster-Rad nichts Neues

Niemand kann ernsthaft behaupten, Deutschland wäre ein ausländerfeindliches Land. Mehr als 20 Prozent der Bundesbürger haben ihre Wurzeln außerhalb von Deutschlands Grenzen. Wir haben mehr Flüchtlinge aus aller Welt aufgenommen, als jedes andere EU-Land. Doch nun ist allerorten Unbehagen zu spüren. Zum einen und aktuell über die wachsenden Spannungen zwischen Kurden, Jesiden und Islamisten, die zunehmend mit Gewalt aufeinander losgehen. Zum anderen über diejenigen, die zu uns kommen und unsere Hilfsbereitschaft schamlos ausnutzen. Ein Kommunalpolitiker aus NRW erzählte mir jüngst von Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien.

Jedes Jahr, wenn es kalt wird und offenbar Heizmaterial knapp ist, kommen Menschen aus Serbien und Bosnien nach Deutschland und beantragen Asyl, obwohl die Voraussetzungen dafür objektiv nicht bestehen. Das wissen sie auch. Aber wenn sie hier ankommen, werden sie erst einmal aufgenommen, um den Asylantrag behördlich zu prüfen. In dieser Zeit wohnen und leben sie hier auf Kosten der Allgemeinheit. Für die betroffenen Kommunen in Nordrhein-Westfalen sind diese Zuweisungen ein erheblicher Kostenfaktor, zumal das Land pro Platz nur etwa 20 Prozent der Aufwändungen erstattet – anders als in Bayern, wo das Land 100% zurückzahlt.

Nach einiger Zeit werden die Asylanträge dann erwartungsgemäß abgelehnt und die Abschiebung angeordnet. Die Profis unter den „Flüchtlingen“ melden sich dann erst einmal krank, was ihre Abschiebung zunächst verhindert. Manche sind auch wirklich krank und werden dann hier auf Kosten der Allgemeinheit behandelt. Aber es ist ein offenes Geheimnis, dass es Vereine und leider auch bisweilen Kirchengemeinden gibt, die bei der Beratung die Nummer mit der Krankheit offen empfehlen, um den Aufenthalt für ihre Klienten zu strecken. Irgendwann wird es wieder wärmer, und die Asylsuchenden vom Balkan kehren zurück in ihre Heimat. Die Flugkosten dafür müssen die Kommunen tragen. Wird es dann wieder kälter, kommen dieselben Leute erneut nach Deutschland und stellen einen Asylantrag.

Dies alles ist in der Politik bekannt, aber niemand unternimmt ernsthafte Anstrengungen, um diesen Missbrauch unseres Asylrechts zu verhindern. Man will schließlich nicht als Ausländerfeind oder – schlimmer – „Rechtspopulist“ beschimpft werden. Und niemand fragt zum Beispiel auch, warum ein Platz im Flüchtlingsheim in NRW fast doppelt so teuer ist, wie einer in Sachsen. Alles läuft so weiter. Wie in einem Hamster-Rad.




Erobern wir Bürger uns diesen Feiertag

Alles wird so sein wie immer. Der Tag beginnt mit einem ökumenischen Gottesdienst, dann folgt ein Festakt mit Politikern und Honoratioren. Dunkle Anzüge sicher erwünscht. Hannover bietet dann den Rahmen für das diesjährige Bürgerfest, bei dem auch „Bürger-Delegationen“ erwartet werden. Und Berlin, unsere Hauptstadt, setzt noch einen drauf. „Livemusik, Schlagerparaden, Karaokedarbietungen, Vorträge, Biergärten, Veranstaltungen für die ganze Familie und viele weitere Unterhaltungsaktionen“ bewirbt die Metropole auf ihrer Internetpräsenz, bedauert allerdings, dass – leider, leider – in diesem Jahr keine große Bühne aufgebaut werde, aber immerhin drei kleine.

Nationalfeiertag nennt man dieses trostlose Angebot in Deutschland, das jeden, der mal einen Nationalfeiertag anderswo miterleben durfte, unwillkürlich zum Lachen bringt. Ein Nationalfeiertag, der große Teile der Nation völlig schnuppe ist. Man hat irgendwie Hemmungen, sich zur eigenen Nation zu bekennen oder gar stolz auf sie zu sein, wenn nicht gerade Fußballturnier ist. Und man zweifelt, ob der 3. Oktober als Datum für den Tag der Deutschen Einheit glücklich gewählt ist. Warum nicht der 9. November, als den Jahrestag, an dem die Mauer fiel? Der sogar das dunkle Pendant mit dem 9. November 1938 und den Pogromen gegen die jüdische Bevölkerung hat und damit einen großen geschichtlichen Bogen schlägt? Von einem Jubeltag zu einem Tag der Schande. Oder warum nicht der 17. Juni in Erinnerung an 1953, als sich in vielen Städten der früheren DDR die Arbeiter erhoben, um zunächst gegen die Erhöhung der Arbeitsnormen durch das SED-Regime, dann aber schnell auch für freie Wahlen und Wiedervereinigung zu demonstrieren? Ein wahrer Aufstand des Volkes für die Freiheit, der dann von russischen Panzern niedergewalzt wurde. (Man muss das hin und wieder mal in Erinnerung rufen angesichts der neuen erstaunlichen Russland-Begeisterung hierzulande)
Der 3. Oktober ist es geworden, die von uns gewählten Repräsentanten haben so entschieden. Lassen Sie uns jetzt daran arbeiten, dass der Tag der Deutschen nicht länger ein Honoratiorenfest bleibt! Ich wünsche mir, dass alle Bürger Anteil daran nehmen, was an diesem Tag gefeiert wird, und dass wir uns endlich trauen, einen gesunden, fröhlichen und freiheitlichen Patriotismus zu zelebrieren. Es geht nicht darum, uns über andere Völker und Staaten zu stellen, sondern uns selbst zu feiern. Wenigstens einmal im Jahr stolz darauf zu sein, was wir Deutschen auf die Beine gestellt haben, in Kultur und Wissenschaft, in Sachen Wohlstand und soziale Sicherheit und auch in puncto Freiheit und Gerechtigkeit. All diese Dinge, um die uns Menschen rund um den Erdball bewundern und beneiden, und die wir selbst so gar nicht mehr zu schätzen wissen. Es gehört für mich zu den erstaunlichsten Erscheinungen unserer Zeit, wie abschätzig und verächtlich Menschen, die sich selbst als Patrioten bezeichnen, über dieses Land, seine Institutionen und seine Vertreter sprechen und schreiben.

Machen wir aus dem Tag ein echtes Bürgerfest, überall! Es kann ganz einfach beginnen in diesem Jahr (denn die Zeit wird ja schon etwas knapp). Hängen Sie eine Deutschlandfahne aus dem Fenster! Oder, falls die schwarz-rot-goldenen Billigproduktionen aus Asien die WM überlebt haben, stecken Sie morgen ein Autofähnchen an ihren Wagen! Vielleicht kennen Sie Leute, die in den bewegenden Monaten dabei waren, zwischen 9. November 1989 und 3. Oktober 1990 – laden Sie die doch zu sich ein! Ein paar Freunde und Nachbarn dazu, den Grill an. Es ist ganz leicht, und es muss auch nicht nur über Politik gesprochen werden. Aber ein wenig über das Geschenk der Einheit, auch über die Probleme und Unterschiede, die es immer noch gibt. Und was für ein Glück wir haben, in Deutschland zu leben. Dazu Bratwurst, Kartoffelsalat und Bier – großartig. Morgen werden nur ein paar Leute dabei mitmachen, aber wie Sie wissen beginnt laut Konfuzius eine Reise von 1000 Meilen mit einem Schritt. Im nächsten Jahr starten wir dann Stufe 2: Bürger- und Sportvereine, Ortsverbände der Parteien, Nachbarschaften und Kleingartenkolonien werden eingeladen, sich anzuschließen und Einheitsfeste zu veranstalten. Nicht von oben verordnet, nicht „vom Staat“ organisiert, sondern von uns, den Bürgern dieses Landes. Mal schauen, wie weit wir kommen. Irgendwann sind Festakt und Karaoke in Berlin dann nur noch Nebensächlichkeiten eines echten Nationalfeiertags der Deutschen.




Warten auf einen Anschlussflug

In Bulgarien sitzen derzeit sechs Soldaten der Bundeswehr fest. Sie sind auf dem Weg in den Nordirak, um kurdische Kämpfer an deutschen Waffen auszubilden, mit deren Hilfe der Massenmord durch islamistische Terrorbrigaden gestoppt werden soll. Während die Kurden auf Panzerfäuste, Gewehre und Munition warten, hofft unser kleiner Trupp auf ein neues Transportflugzeug, nachdem bereits zwei Transall der Luftwaffe wegen technischer Probleme ausgefallen sind. Eile haben sie aber nicht, denn die Waffenlieferung steckt ebenfalls fest – in Leipzig. Weil die Bundeswehr keine eigenen Transportkapazitäten zur Verfügung stellen kann, hat man ein niederländisches Flugzeug gechartert, um die Waffen aus Deutschland zu transportieren. Doch das hat – Sie ahnen es – technische Probleme.

Das Bild, das Deutschland derzeit militärisch abgibt, ist erbärmlich, und es zeigt ein jahrelanges Versagen der Politik – ganz egal, wer gerade das Sagen hat. Frau von der Leyen legt zwar gern beeindruckende Auftritte im Scheinwerferlicht hin und phantasiert von geregelten Arbeitszeiten und besserer Kinderbetreuung bei der Bundeswehr, aber die drängendsten Probleme liegen weiter brach. Von 109 Flugzeugen des Typs Eurofighter sind derzeit nur acht voll einsatzfähig. Acht! Und von 43 Marine-Hubschraubern sind ganze fünf einsatzfähig. Fünf! Es ist atemberaubend, in welchem Zustand sich unsere Armee befindet.

Das Ganze ist kein Zufall. Armee, Soldaten oder gar Schießen – damit wollen sich viele unserer gewählten Repräsentanten nicht die Finger schmutzig machen. Nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs eine verständliche Reaktion. Und nach dem Zusammenbruch des Sowjet-Kommunismus wuchsen in Europa und auch den Vereinigten Staaten erst recht die Hoffnungen auf eine neue friedliche Weltordnung, in der Kriege die absolute Ausnahme und deutsche Beteiligungen daran kaum noch vorstellbar wären. Doch die Wirklichkeit ist anders. Jeder kann es sehen, abends in den TV-Nachrichten. IS-Terror in Syrien und im Irak, islamistische Terroristen auch in Mali und anderen Gegenden Afrikas, Gewalt in der Ostukraine, in Nordkorea ein Irrer, der Atomraketen testen lässt. China, Vietnam und Japan in Daueranspannung um Inseln und Ölvorräte. Und in dieser zunehmend raueren Welt zünden wir hier Räucherkerzchen an. Arabische Staaten – auch welche mit zweifelhaftem Ruf – kämpfen an der Seite der USA, um den IS-Gewaltorgien ein Ende zu bereiten. England bereitet sich auf Luftschläge vor, Belgien und die Niederlande schicken ebenso Kampfflieger wie Australien. Und Deutschland? Immerhin: neben Zelten, Decken und Kopfschmerztabletten werden auch Waffen an die Kurden geliefert, damit die sich verteidigen können. Selbst das war in Deutschland umstritten. Und wir schicken sechs Ausbilder – sofern sie einen Anschlussflug finden. Und beim NATO-Manöver jüngst in der Ukraine war Deutschland auch dabei – mit drei Soldaten. Immerhin, die trafen rechtzeitig ein.

Unsere Armee muss fähig zur Landesverteidigung sein. Und sie muss bereit sein, im Rahmen internationaler Regeln und als Teil des westlichen Bündnisses Aufgaben zu übernehmen. Unsere Soldaten können das, daran habe ich keinen Zweifel. Die Männer und Frauen in Uniform, die unser Land auf den Balkan und nach Afghanistan geschickt hat, haben ihren Job erledigt – professionell und mit großem Engagement. Ohne Rückendeckung von großen Teilen der Bevölkerung, die lieber Frau Käßmanns naiven Vorstellungen vom totalen Frieden Beifall klatschen, statt unseren mutigen Soldaten wenigstens Respekt zu zollen. Und ohne Rückendeckung einer Politik, die ihnen die notwendige Ausrüstung verweigert und sich mit Lappalien aufhält. Soldaten, die sich selbst vom eigenen Geld Schutzwesten anschaffen – oder die Posse im Jahr 2006, als deutsche Soldaten in Afghanistan nicht mit ihren Kameraden aus anderen Ländern auf Patrouille ausrücken durften, weil an den Bw-Fahrzeugen die TÜV-Plaketten abgelaufen waren. Wenigstens das macht uns Deutschen keiner nach.




Was Schottland deutlich sichtbar macht

Auf Schottland blickt derzeit die ganze Welt, und weil das selten ist, können wir die Volksabstimmung nutzen, um einmal über Heimat und Stolz nachzudenken. Und das, bevor wir wissen, wie die Abstimmung ausgegangen ist. Die Welt rückt zusammen. Wenn es um Wirtschaft und Finanzen geht, ist die Erde bereits heute ein globales Dorf. Wir alle haben das spätestens feststellen müssen, als die amerikanische Mega-Bank Lehman Brothers 2007 zusammenbrach und ganze Volkswirtschaften auch in Europa an den Rand einer Katastrophe brachte. Die großen Kraftzentren USA, die neuen Riesen China und Indien oder auch Brasilien schreien geradezu nach großen Einheiten, um allen Herausforderungen der Zukunft begegnen zu können. Die EU ist die größte und gemessen an ihrer Wirtschaftskraft zweifellos stärkste dieser Einheiten.
Doch eine zunehmende Zahl von Menschen fühlt sich unwohl dabei. Man fürchtet den großen Moloch, der alles regelt und gegen den Niemand mehr mit Aussicht auf Erfolg aufstehen kann. Bedauerlicherweise unternimmt Brüssel alles, um diesen Ängsten Nahrung zu geben, etwa wenn man sich mit dem Gender-Quatsch aktiv einmischt, wie Familien zu leben und Menschen zu denken haben. Jeder will Heimat haben, das kleine alltägliche Glück suchen und in einem Umfeld gedeihen, das vertraut ist und auf das man stolz ist. Kaum ein Volksstamm in Europa steht so dafür wie die Schotten. Dudelsack, Kilt und der zweifellos beste Whisky auf dem Planeten sind sichtbarer Ausdruck eines Selbstbewusstseins, das man ähnlich in unserem Land wohl nur noch in Bayern findet.

Wer darauf keine Rücksicht nimmt, wer den Bravehearts einen Lebensstil aufdrängen will, der darf Widerstand erwarten. Von London regiert zu werden, das erscheint vielen Schotten nicht mehr zumutbar, und das, obwohl die Zentralregierung immer wieder Zugeständnisse in puncto Selbstverwaltung gemacht hat.
Interessant in Deutschland ist, dass gerade viele Konservative einen Erfolg der Yes-Fraktion geradezu herbeisehnen. Wenn die Schotten das schaffen, dann werden es auch die Katalanen schaffen, und dann bröselt die EU zusammen, ist ihr Kalkül. Das allerdings dürfte nicht aufgehen, denn viele Schotten haben in Umfragen angegeben, sie würden auch für die Unabhängigkeit stimmen, weil sie nicht mitgezogen werden wollen, wenn die britischen Tories das Vereinigte Königreich aus der EU rausdrängt. Ja, die Mehrheit der Schotten fühlt sich in der EU offenbar ganz wohl, und wenn ihnen das britische Pfund demnächst verweigert werden sollte, dann nehmen sie halt gern den Euro.
Was kann man – unabhängig vom Ergebnis – aus dem ganzen Vorgang lernen? Menschen wollen eine Heimat haben, in der sie ihr Leben in einer vertrauten Umgebung und mit vertrauten Traditionen möglichst frei leben dürfen. Sie sind bereit, sich mit anderen zu Bündnissen zusammenzuschließen, auch um des eigenen Vorteils willen. Aber sie wollen nicht fremdbestimmt werden. Oder übertragen: Die EU macht Sinn und wird funktionieren, wenn sie ein Bündnis von souveränen Staaten bleibt, das eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik, eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik organisiert. Als eine Zentralregierung, die den Menschen vorschreibt, was sie glauben, essen und akzeptieren müssen, wird sie nie zur Ruhe kommen. Und vielleicht sogar letztlich scheitern.




Die Lehren aus dem gestrigen Wahlabend

Der gestrige Wahlabend hat die Alternative für Deutschland (AfD) mit zweistelligen Ergebnissen in die Landtage von Brandenburg und Thüringen gespült. Da lohnt es sich, etwas genauer hinzuschauen. Fakt ist: die neue politische Kraft muss vorerst als etabliert angesehen werden. Die nächsten Monate und Jahren werden zeigen, wie fähig die AfD zur Realpolitik ist. Erst vor wenigen Wochen hatte es in der Partei mächtig gekracht, weil vier EU-Parlamentarier – darunter Parteichef Lucke –möglichen Sanktionen gegen Russland zugestimmt hatten, obwohl dies auf einem Parteitag zuvor deutlich abgelehnt worden war. Kein dramatischer Vorgang, aber ein erster Blick der jungen Partei darauf, dass Entscheidungen in einem Parlament etwas anderes sind als Parteiveranstaltungen. Lucke und seine drei Mitstreiter haben in Brüssel höchst verantwortlich und nach eigenem Gewissen entschieden, und das war in diesem Fall auch gut und richtig so.

Das wirklich Erstaunliche am gestrigen Wahltag war aber eine andere Erkenntnis. Die AfD speist sich – anders als erwartet – keineswegs nur aus dem Lager der linksgewendeten CDU oder der siechen FDP. Vielmehr gab es massive Wählerströme auch von der SPD und der Linken zu den angeblichen „Rechtspopulisten“. Entweder ist die neue Partei also gar nicht so rechts, wie bisweilen behauptet wird. Oder man muss sich fragen, was das eigentlich für Leute sind, die bisher SPD und Linke gewählt haben. Dass die AfD aus dem Stand, eineinhalb Jahre nach Gründung, über 10 bzw. über zwölf Prozent Zustimmung erreicht hat und die CDU dennoch zulegte, ist ganz erstaunlich. Wird vielleicht sogar der Modernisierungskurs der Union noch zu einem Erfolgsmodell? Das wäre möglich, wenn CDU und CSU ihre Ablehnung jeglicher Zusammenarbeit irgendwann aufgäben. Doch damit ist auf Sicht nicht zu rechnen.

Aus Sicht der Union übrigens derzeit eine richtige Strategie. In den 80er Jahren hatten sie mit diesem Kurs der Ausgrenzung Erfolg, nachdem die Republikaner in EU-Parlament und Landtag von Baden-Württemberg mit ähnlichen Wahlergebnissen einzogen. Die Republikaner sind inzwischen wieder verschwunden, während die SPD nach jahrzehntelangem Schmusen mit Grünen und Linken zunehmend marginalisiert wird. Wie sich die Dinge weiterentwickeln, hängt nun davon ab, was die AfD in den Parlamenten auf die Beine stellt. Ich denke, man sollte sie jetzt einmal in Ruhe arbeiten lassen, anstatt sie durch Dämonisierung für Verdrossene immer attraktiver zu machen. Irgendwann werden sie sich mal zu wirtschaftspolitischen Fragen festlegen müssen, und dann wird man sehen, ob sich ehemalige Linke-Wähler und ehemalige FDP-Wähler da zusammen wiederfinden.

Ungeachtet dessen wäre die Union allerdings gut beraten, über ihren Anbiederungskurs der vergangenen Jahre nachzudenken. Man kann auch moderner werden, ohne all das zu übernehmen, was man selbst jahrzehntelang bekämpft hat. Eine Rückkehr zu familienpolitischen Überzeugungen, die sich an der Mehrheit orientieren, wäre ein schöner Anfang.




Es ist noch nicht vorbei

Liebe Leserinnen und Leser,

mit dem Ende meiner Zeit als wöchentlicher politisch-unkorrekter Kolumnist der Rheinischen Post endet meine publizistische Tätigkeit natürlich nicht. Ich habe viele Mails und auch einige Briefe – das beschriebene Papier ist noch nicht tot – mit der Frage erhalten, wo ich denn zukünftig meine Kolumnen schreiben werde. Die Antwort darauf schauen Sie sich gerade an. Ich werde auf meine alten Tagen zum Blogger, das heißt, ich veröffentliche nun selbst Texte im Internet, mit denen ich meine bekannte Linie weiterführen möchte. „Denken erwünscht“, so habe ich den Blog genannt, der sich vornehmlich an die sogenannte Zivilgesellschaft richtet. Diejenigen, die ich in meiner letzten Kolumne für die RP wie folgt beschrieben habe:

„Menschen, die morgens zur Arbeit gehen und – wie man so sagt – einen guten Job machen. Menschen, die Kinder bekommen und sie liebevoll erziehen. Menschen, die sich engagieren, für andere da sind und helfen, wenn Not an Mann oder Frau ist. All diese(n) Leuten, die in Vereinen, bei der Freiwilligen Feuerwehr, bei den Maltesern, beim Roten Kreuz oder bei den Sternsingern mitmachen, damit Deutschland ein lebenswertes Land bleibt…“

Meine Beiträge sind keine Werbung für eine politische Bewegung oder Partei. Ich möchte vielmehr dem aus der Mode gekommenen gesunden Menschenverstand eine Stimme geben. Manchem wird das zu konservativ sein, wenn ich beschreibe, dass ich unter einer „Ehe“ die Verbindung von einem Mann und einer Frau verstehe. Anderen wird das zu liberal sein, wenn ich fordere, unseren Staat und seine Eingriffe in unser alltägliches Leben radikal zurückzustutzen. Wieder andere werden mich für einen linken Romantiker halten, wenn ich darlege, warum ich trotz aller Probleme ein Europa, das mit einer Stimme spricht, für eine grundsätzlich gute Idee halte. Aber so denke ich eben, und ich glaube, es gibt gute Gründe dafür.

Die mediale Berichterstattung unserer Zeit lässt sich treiben von Tagesaktualität und dem medialen Streben nach ökonomischem Erfolg. Grundsätzliche Einordnungen, das Infragestellen sogenannter Modernität und die Gedanken normaler Menschen, die nicht zum politischen oder medialen Betrieb gehören – all das findet kaum statt, und wenn, dann oft mit deutlicher politischer Schlagseite. Alle wollen modern sein, niemand will einen Trend verpassen, und dabei ist fast egal, was richtig oder falsch ist.

Dieser Blog soll ein Bürger-Forum werden. Manches wird Ihnen gefallen, anderes werden Sie empört zurückweisen. Und das ist auch gut so! Denken erwünscht – der Name dieses Blogs ist mit Bedacht gewählt. Nehmen Sie Gedanken und Ideen abseits der bekannten Linien auf. Was Sie dann damit machen, ist ihre Sache.

Ich lade Sie ein, einfach ein wenig bei mir zu lesen und ein Stück des Weges mit mir gemeinsam zu gehen.

Herzliche Grüße,
Ihr Klaus Kelle




Wir brauchen die Menschen, die einfach nur ihren Job machen

Vorgestern war Elternabend der C-Jugend-Fußballer, bei denen einer unserer Söhne spielt: Vereinsheim, 20 Männer und fünf Frauen, Bier, Pommes Majo. Die Themen: Trainingszeiten, Trikotwäsche, Mannschaftskasse und Weihnachtsfeier. Herrlich! Manche Dinge ändern sich niemals.

Das normale Leben, das kleine alltägliche Glück. Die Themen, die uns oft aufregen, die Skandale und vermeintlichen Fortschritte, die uns täglich in den Medien serviert werden – das Meiste verblasst vor unserem Alltag.

Zum letzten Mal schreibe ich heute an dieser Stelle eine politisch inkorrekte Kolumne, und ich widme sie der Normalität. Ein Staat wie unserer funktioniert nur deshalb, weil es Millionen normaler Leute gibt: Menschen, die morgens zur Arbeit gehen und – wie man so sagt – einen guten Job machen. Menschen, die Kinder bekommen und sie liebevoll erziehen. Menschen, die sich engagieren, für andere da sind und helfen, wenn Not an Mann oder Frau ist. All diesen Leuten, die in Vereinen, bei der Freiwilligen Feuerwehr, bei den Maltesern, beim Roten Kreuz oder bei den Sternsingern mitmachen, damit Deutschland ein lebenswertes Land bleibt, möchte ich für ihren Einsatz danken.

In unserer schnell gewordenen Medien-Welt kommt jeder von ihnen zu kurz. Was für die Berichterstattung zählt, ist das Ungewöhnliche, das Ausgeflippte, das Bedrohliche. Salafisten-Demo, Zugunglück, RTL-„Dschungelcamp“ – da sind Fernsehkameras dabei. Die Ordensschwester, die einsame alte Leute besucht, der Handwerker, der trotz schlechter Auftragslage Lehrlinge einstellt – sie finden nur am Rand statt, wenn überhaupt. Wahrscheinlich ist es ihnen sogar recht, denn bescheiden sind sie oftmals auch.

Diese Kolumne hat sich in gut eineinhalb Jahren vor allem an diese Menschen gerichtet, die ein normales Leben führen und nicht viel mehr wollen als ein ordentliches Auskommen, ein wenig Freiheit ohne ständige staatliche Bevormundung und eine Politik, die sich am gesunden Menschenverstand und nicht an ideologischen Wirrköpfen ausrichtet. Ich danke der Rheinischen Post, dass sie auch Platz für bisweilen politisch inkorrekte Meinungen lässt. Und ich danke Ihnen, den Lesern, die sich über meine Meinungen gefreut oder auch geärgert haben.

Der britische Verleger Cecil King sagte mal: „Ein Journalist hat nicht die Pflicht, geliebt zu werden. Aber er hat die Pflicht, gelesen zu werden.“ Gemessen an der Zahl Ihrer E-Mails und Zuschriften, hat das wohl geklappt.