Die Stunde der Komödianten ist vorbei

Alexis Tsipras hat’s verbockt. Der griechische Ministerpräsident hat sich überschätzt, er hat gedacht, mit Taschenspielertricks und jugendlichem Elan könnte er Euro-Länder, IWF und EZB auf öffentlicher Bühne vorführen. Aber er hat sich getäuscht und sein Land an den vorläufigen Abgrund geführt. Vorläufig deshalb, weil auch eine eintretende Zahlungsfähigkeit in der kommenden Woche nicht zwingend bedeutet, dass Griechenland aus dem Euro ausscheiden muss. Aber es bedeutet, dass die Gläubiger nicht mehr bereit sind, Herrn Hokuspokus Tsipras weiter gutes Geld nachzuwerfen. Spät hat man die Notbremse gezogen, manche sagen zu spät. Kann sein, aber die unmittelbaren Folgen für Deutschland sind überschaubar, echte Milliardenverluste wären laut Finanzplanung des zuständigen Bundesministeriums erst ab 2020 zu verbuchen. Bis dahin weht noch viel Staub über die Akropolis. Die EU-Länder, die NATO sowieso und wohl auch eine Mehrheit in der Euro-Gruppe wollen Griechenland weiter als gleichberechtigen Teil der europäischen Staatenfamilie behalten. Aber mit den Dilettanten der momentanen Regierung wird das nichts. Was jetzt passieren muss? Bei der Volksabstimmung sollte das griechische Volk klar bekennen, dass es weiter zu EU und Euro gehören möchte. Spricht sich die Mehrheit gegen die „Nein“-Empfehlung von Tsipras aus, muss es nach normalem demokratischen Verständnis Neuwahlen geben. Dabei hätten die Griechen die Chance, sich wieder eine seriöse Regierung zu wählen, die ein Partner für neue Verhandlungen über Geld und notwendige Reformen sein könnte.




Es wird Zeit, der Naivität abzuschwören

Und nun also auch Frankreich. Der amerikanische Geheimdienst NSA hat nicht nur deutsche Spitzenpolitiker, sondern auch die unsere französischen Nachbarn abgehört. Das ist empörend unter Verbündeten, die ja angeblich sogar so etwas wie „Freunde“ sein wollten. Nun, Freunde spioniert man nicht aus. Aber ich habe an das „Freunde“ auch nie geglaubt. Staaten unterhalten keine Freundschaften, sondern Beziehungen. Und Regierungen kümmern sich , wenn es gut läuft – um die Interessen ihres eigenen Landes. Insofern ist auch Spionage keine wirkliche Überraschung. Deutschland, Frankreich und andere Verbündete der Großmacht USA sollten sich darauf einstellen. Abschied nehmen von Illusionen und Naivität und auf Basis einer realistischen Weltsicht die eigenen Fähigkeiten zur Informationsbeschaffung ausbauen, vor allem aber technisch aufzurüsten und zu verhindern, dass andere Staaten höchste Regierungsstellen unseres Landes so leicht ausspionieren können. Denn das ist nach wie vor der größte Skandal: unsere Unfähgkeit, das eigene Land effektiv vor Angriffen aller Art zu schützen.




Wenn sich nichts ändert, ändert sich was

Niemand hat das vorausgesehen. Bei den dänischen Parlamentswahlen gestern ist die Dänische Volkspartei die zweitstärkste Kraft im Folketinget, dem Parlament im Nachbarland geworden. In Deutschland würde man sie zweifellos als „rechtspopulistisch“ einstufen, gerade so, als wäre es für Politiker etwas Unanständiges, darauf zu hören, was das populus – Volk denkt und wünscht. Thema Nummer 1 der Volkspartei ist die Forderung nach strengeren Asylgesetzen. Dieses Thema findet Widerhall, in Dänemark ebenso wie in Schweden, in Frankreich ebenso wie in Österreich, in Großbritannien ebenso wie in Deutschland. In den Kommentaren unserer Medien finden sich heute dazu die sattsam bekannten Relativierungen. So schlimm sei es doch gar nicht in Dänemark, die Leute hätten gar nicht gewusst, auf was sie sich einlassen und so weiter. Niemand in der etablierten Politik beschäftigt sich mit der Frage nach dem Warum. Und so lange sich daran nichts ändert, wird sich diese Entwicklung fortsetzen. Wenn Fehlentwicklungen ignoriert werden, suchen sich die Menschen halt andere Repräsentanten. Und ja, liebe Gedankenpolizisten, ich bin für die weitere Aufnahme von Flüchtlingen und auch für Zuwanderung. Aber ich bin für Regeln, die dabei eingehalten werden sollten.




Macht den Wilden Westen endlich dicht!

Es ist also wieder passiert. Ein offenbar durchgeknallter Ami geht in eine Kirche in Charleston und erschießt neun Menschen. Auch wenn ich die amerikanische Tradition und den Wunsch von Bürgern, sich selbst verteidigen zu können, gut verstehen kann, ist hier eine rote Linie längst überschritten. Präsident Obama fand heute die richtigen Worte, als er seine Trauer öffentlich ausdrückte und sagte: „Diese Art von Gewalt passiert in anderen Ländern nicht. Nicht in dieser Häufigkeit. Ich musste solche Statements viel zu häufig abgeben.“ Offenbar gibt es eben doch einen Zusammenhang zwischen den hundert Millionen Feuerwaffen, die in amerikanischen Privathaushalten zirkulieren, und den immer wieder stattfindenden Amokläufen. National Rifle Association hin oder her, die amerikanischen Medien und die Bevölkerung müssen in dieser Frage umdenken. Tausende ihrer Mitbürger sterben jedes Jahr durch Schussverletzungen. Die Waffengesetze müssen deutlich restriktiver werden, die Kontrollen sowieso. Das wird nicht einfach in einem Land wie den Vereinigten Staaten. Aber es ist alternativlos.




Übrigens, heute ist der 17. Juni…

Als Journalist ist man naturgemäß viel in Sozialen Netzwerken unterwegs. Ich verbringe (zu) viel Zeit auf Facebook, aber es macht mir großen Spaß, andere Meinungen den eigenen Positionen gegenüberzustellen und mich in Diskussionen mit anderen klugen und schlagfertigen Leuten zu messen. Was mir auch gefällt, ist, dass man auf Facebook keine wichtigen Ereignisse verpasst – persönliche, wie zum Beispiel den Geburtstag von Freunden. Und auch historische. Maueröffnung, Mondlandung, Papst-Wahl – es gibt immer Menschen, die Fotos, Links und persönliche Gedanken zu wichtigen Jahrestagen posten und zur Diskussion stellen. Und wissen Sie, was mir eben auffiel? Heute ist der 17. Juni, der 62. Jahrestag des Volksaufstandes in der ehemaligen DDR. Und niemand, kein einziger unter meinen fast 2.000 Facebook-Verpartnerten – Ehe ist das ja bisher noch nicht – hat den 17. Juni 1953 auch nur erwähnt. Irre, oder? Einst ein nationaler Gedenktag mit Festveranstaltungen, Kranzniederlegungen und Politiker-Besuchen auf den Aussichtsplatzformen an der Bernauer Straße in Berlin, heute nicht einmal mehr eine knappe Erwähnung wert. Die Linken verdrängen es, weil es uns an das Totalversagen des real existierenden Sozialismus erinnert. Und die Rechten verdrängen es, weil Fotos russischer Panzer, die gegen Deutsche rollen, so gar nicht zum harmonisierenden Ölgemälde unseres neuen hippen Kreml-Kumpels Vladi passen. Faszinierend, wie Geschichte Stück für Stück ausradiert wird. Aber auch beängstigend….




Herr Tsipras nervt nur noch

Regelmäßige Leser meiner Beiträge wissen, dass ich im Kern die Griechenland-Rettung immer verteidigt habe. Ja, die Griechen haben viele Jahre lang über ihre Verhältnisse gelebt, und ich habe auch keine Lust, das zu bezahlen. Ja, das Land hätte überhaupt nicht in die Euro-Zone aufgenommen werden dürfen. Es war eine rein politisch gewollte Entscheidung. Ja, EU und Euro-Zone haben bei der Einführung des Euro Fehler gemacht. Aber inzwischen ist viel Zeit vergangen. Mit Einführung des ESM wurden viele Fehler korrigiert. Es gibt nun bessere Möglichkeiten, zu kontrollieren und vor allem zu sanktionieren, wenn ein Land die Spielregeln nicht einhält. Das ist wichtig. Und das Rettungssystem hat ja auch bisher funktioniert. Wie viele Leute haben mir vor drei, vier Jahren erzählt, wer alles unrettbar verloren ist. Spanien zum Beispiel, Portugal oder Irland. Alle sind längst wieder im ruhigen Fahrwasser und zahlen ihre Verbindlichkeiten pünktlich und mit Zinsen zurück. Auch Griechenland hat erhebliche Anstrengungen unter der vorherigen Regierung unternommen. Massiver Stellenabbau im öffentlichen Sektor, Gehaltkürzungen um bis zu 30 Prozent für öffentlich Bedienstete, Verbesserungen im System der Eintreibung von Steuern, Verkauf von wenigstens ein bisschen Tafelsilber. Aber jeder sieht, dass es bei weitem noch nicht reicht. Und jeder weiß, dass es Jahrzehnte dauern wird, bis Griechenland seine Schulden abzahlen kann – wenn überhaupt. Die Hoffnung ist nicht groß. Grund genug also für eine griechische Regierung, zu kooperieen, ja dankbar für die großzügige Unterstützung vieler Länder zu sein, deren Regierungen dafür daheim mächtig Prügel einstecken mussten und müssen.
Doch nun regiert der fabelhafte Herr Tsipras die Hellenen, ein Mann mit mächtiger Chuzpe, wenigen Ideen und überhaupt keinem Benehmen. Die Art und Weise, wie der Mann sich gegenüber den anderen Regierungen und der EU aufführt, ist nicht tolerabel. Ein arroganter Trickser, der seinem eigenen Volk offenbar nicht die Wahrheit sagt. Der zu Verhandlungen im Stile eines Hoppla-jetzt-komme-ich erscheint und offenbar nicht die geringste Lust verspürt, ernsthaft an der Sanierung seines Landes mitzuarbeiten. Er will frisches Geld und einen Schuldenschnitt für Griechenland, alles andere interessiert ihn scheinbar nicht. Das darf er, denn sein Volk hat ihn ja gewählt. Aber das bedeutet nicht, dass EU und Euro-Länder und schon gar nicht Hauptrisikoträger Deutschland diese Schmierenkomödie mitmachen müssen. Am 28. Juni um 24 Uhr ist Feierabend, hat Bundesfinanzminister Schäuble gerade erst gesagt. Ich denke, diese Aussage sollte jetzt unverrückbar stehen. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. 70 Prozent der Griechen haben in einer aktuellen Umfrage gesagt, sie möchten den Euro behalten. Na, schön, aber dann tut auch etwas dafür. Und am Besten, ihr jagt als erstes euren Vorturner aus dem Amt. Oder wie ein bekannter Fußballtrainer es formulieren würde: Tsirpas habe fertig.




Die Wahlbeteiligung kann man leicht wieder erhöhen

CDU/CSU, SPD, Grüne, FDP und Linke haben beschlossen, etwas gegen die zunehmende Wahlverweigerung im Land zu unternehmen. Sie wollen jetzt erstmal untersuchen, warum immer weniger Menschen an Wahlen teilnehmen. Ich kann einen Beitrag zur Aufklärung leisten: Wenn man keine echte Wahl zwischen unterschiedlichen Politikansätzen und Konzepten hat, braucht man nicht mehr wählen. Ob es um die alternativlose Euro-Rettung geht, den Atomausstieg und die damit verbundene Energiewende, um die Verstaatlichung der Kindererziehung oder die Homo-„Ehe“ – egal, wen man von den genannten Parteien wählt (Linke und Euro nicht), man erhält im Grundsatz die gleiche Politik. Gestern hat die NRW-CDU die völlige Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften mit der Ehe beschlossen (immerhin ohne Adoptionsrecht, bin gespannt, ob sie das durchhalten). Mein Rat für eine bessere Wahlbeteiligung wäre also: Nicht voneinander abschreiben, sondern eigene Konzepte entwickeln und dann gegeneinander um die besten Lösungen kämpfen. Dann klappt’s auch mit der Wahlbeteiligung wieder.




Warum soll man sich denn anstrengen?

Gespräch mit dem Leiter eines der nach PISA-Erfordernissen besten Gymnasien Nordrhein-Westfalens. Er erzählt mir, dass seit Bekanntwerden der hohen Leistungsstandards seiner Schule die Zahl der jährlichen Neuanmeldungen stagniert. Viele Eltern würden nämlich sagen: Da werden unsere Kinder zu sehr gefordert, auf der Schule ist es zu anstrengend – und melden ihre Kinder dann auf Schulen an, wo es vermeintlich leichter ist, einen Abschluss zu erhalten. Eine kleine Geschichte, die ich Ihnen erzähle, weil sie symptomatisch für den Zustand unseres Landes ist. Ja, es geht uns gut, besser als den allermeisten Menschen auf diesem Planeten. Deutschland brummt, die Wirtschaft schreib Rekordumsätze und Gewinne. Aber offenbar ist einem großen Teil der Bevölkerung gar nicht klar, was die Grundlagen unseres Wohlstands sind: Wissen und Fleiß. Wenn das nicht mehr gepflegt wird, ist es irgendwann vorbei mit diesem Lebensstandard. Und dann wird das Gejammer groß sein, größer noch als heutzutage im bereits jetzt schlechtgelauntesten Volk der Erde.




Günther Jauch hört auf – schade

Die sonntäglichen Fernsehdiskussionen mit Günther Jauch enden zum Jahresende 2015. Das wurde soeben bekannt. Nach vier Jahren wird dann wahrscheinlich jemand anders diesen angestammten Sendeplatz nach dem „Tatort“ als Talkmaster(in) der Nation übernehmen. Auch wenn es noch zu früh für einen Nachruf ist und auch, wenn viele Menschen diese Form des Meinungsaustausches nicht mehr sehen können und wollen: Ich finde es schade. Günther Jauch hat es meistens gut gemacht, unaufgeregt. Er hat seine Gäste zu Wort kommen lassen, er hat nur sehr selten den moralischen Zeigefinger erhoben. Meistens hatte man den Eindruck, es interessierte ihn wirklich, was sein Gegenüber zu sagen hatte. Klar, es gab Tiefpunkte – für mich war das eine Sendung mit dem katholischen Publizisten Martin Lohmann. Aber es gab auch sehr gute Sendungen, etwa eine zum Thema Auschwitz, die mir noch in guter Erinnerung ist. Und ob es Herr Ponader von den „Piraten“ war oder Frau Oertel von der Gilde der Verschwörungstheoretiker(innen) – sie konnten sagen, was sie wollten, ohne ständig unterbrochen zu werden. Jauchs Sendung wurde von der Profi-Kritik regelmäßig verrissen, vom linken Mainstream sowieso. Was ist dieser Kerl so normal? Warum lässt er seine Gäste einfach ausreden? Doch seine Einschaltquoten waren top. Wenn die politischen Debatten der Republik schon vom Parlament ins Fernsehen verschoben worden sind, dann ist es gut, wenn sie wenigstens zivilisiert ausgetragen werden. Und das kann man von den anderen Sendungen dieses Genres beileibe nicht immer sagen.




Annegret und die Schmuddelkinder

Ich kann nicht sagen, was mich in dieser Woche mehr überrascht hat: der Rücktritt vom ewigen FIFA-Boss Sepp Blatter vier Tage nach seiner erneuten Wahl in dieses Amt, oder die Aussage der saarländischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer zur Forderung nach der Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften zur Ehe. Die CDU-Politikerin lehnte in einer Eindeutigkeit die sogenannte Homo-„Ehe“ und ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare ab, dass es mir kurz den Atem verschlug. Zum einen, weil nach der Aufforderung von Präsidiumsmitglied Jens Spahn am Vortag, doch die Lesben und Schwulen nicht weiter zu verärgern, alles darauf hindeutete, dass die CDU das nächste Umfallen strategisch vorbereitete. Zum anderen, weil Frau Kramp-Karrenbauer – kurz AKK – stets zum liberalen Flügel einer spürbar sozialdemokratisierten Union gezählt wird. Damit ist es nun wohl vorbei. Liebe Frau Ministerpräsidentin: Willkommen im Kreis der Schmuddelkinder, willkommen bei den homophoben Rechtspopulisten! Bereits unmittelbar nach Bekanntwerden ihres Interviews in der Saarbrücker Zeitung ergoss sich der inzwischen unvermeidliche „Shitstorm“ über ihr aus, auf ihrem Facebook-Profil ebenso wie beim Shitstorm-Medium Nummer 1, auch Twitter genannt. Die Freunde der Toleranz zogen alle Register, beschimpften und beleidigten die Politikerin, übelster Sexismus inklusive. Ja, wenn es um Toleranz geht, kennen sie keine Gnade, da wird auf jeden, der auch Toleranz einfordern könnte, draufgehauen, dass die Schwarte kracht. Jeder, der – und sei es noch so feinfühlig und sachlich begründet – gegen die Gleichstellung argumentiert, kennt das und hat es schon erlebt. Dieses Mal hat es allerdings eine andere Qualität, denn AKK ist gewählte Ministerpräsidentin eines Bundeslandes. Sie kann man nicht ohne weiteres zur Aussätzigen und zum Paria erklären, wie das ja sonst bei Konservativen und Christen immer so wunderbar klappt. Rechtspopulist, Fundamentalist, Homphob – Klappe zu, Affe tot. Mit Annegret Kramp-Karrenbauer hat die Diskussion um die Homo-„Ehe“ noch einmal an Fahrt aufgenommen und eine – wie ich meine – im Grundsatz richtige (über Formulierungen oder Vergleiche kann man immer streiten) Haltung auf die etablierte Agenda gefunden. Dafür bin ich ihr dankbar, egal, in welcher Partei sie ist und für welche Politik sie sonst steht.