Der Sound unserer Kultur

In Immenstadt im Oberallgäu läuten die Kirchenglocken – so, wie überall in Deutschland, zumindest an den Sonntagen. In Bayern ist das Christentum noch eine relevante gesellschaftliche Größe, und das ist auch gut so. Nun hat eine evangelische Gemeinde das allmorgendliche Läuten von 8 auf 7 Uhr vorverlegt, und ein Bürger läuft dagegen Sturm. So etwas ist keine Seltenheit, und mein erster Gedanke, wie das „Problem“ zu lösen wäre, lautet: Entweder ziehen alle Immenstädter woanders hin, oder der Unzufriedene sucht sich eine andere Stadt oder ein Plätzchen irgendwo fernab von menschlichen Wohnsiedlungen. Aber das wird nicht passieren, wie wir alle wissen. Es ist schon erstaunlich, wie in Deutschland Partikularinteressen zunehmend zum Problem werden, mit dem die große Mehrheit der Bevölkerung drangsaliert werden. Den einen stören die Kirchenglocken, den anderen der Kinderlärm von der benachbarten Kita, den Dritten der nahe Sportplatz. Ich rede hier nicht der Lärmbelästigung das Wort, aber in Immenstadt läuten die Glocken drei Mal am Tag. Drei Mal, immer für ein bis zwei Minuten. Ist es wirklich zu viel verlangt, das zu ertragen? Oder werden wir ein Volk von Gewohnheitsnörglern? In Schleswig, Neumünster und Rendsburg ist neuerdings erlaubt, dass der Muezzin vom Minarett aus fünf Mal am Tag die Muslime zum Gebet ruft. Ich persönlich bevorzuge, wenn vom Kirchturm unserer Gemeinde die Glocken geläutet werden, denn modern ausgedrückt: das ist der Sound unserer Kultur.




„Die üblichen Rassisten und Fremdenfeinde“

Pegida ist nicht meine Sache. Vieles, was dort verkündet wird, ist mir zu platt, zu undifferenziert. „Volksverräter“, „Lügenpresse“, „Putin hilf!“ – das ist nicht meine Welt, und das wird sie auch nie sein. Eigentlich interessiert mich an diesen Veranstaltungen nur ein Aspekt: dass sie stattfinden dürfen. In einem freien Land soll jeder öffentlich sagen können, was er oder sie denkt. Das unterscheidet uns von den unfreien Gesellschaften, die es rund um den Erdball zuhauf gibt. Und die Dresdener Demos finden ja statt, so wie gestern wieder mit dem Niederländer Geert Wilders, ein beinharter Islam-Kritiker. Nun höre ich eben im öffentlich-rechtlichen Grundversorger WDR 2 einen „Korrespondentenbericht“, der mir die Nackenhaare hochtreibt. Pegida sei praktisch auf dem absteigenden Ast, höre ich da, weil ja „nur noch“ 10.000 Teilnehmer gekommen sind. Hä? Vor ein paar Tagen zogen hier und da eine Handvoll Altlinke durch die Straßen und stellten nochmal die einst machtvollen „Ostermärsche“ pantomimisch dar. Das war überall in den Medien ein wichtiges Thema, in den Nachrichten der Fernsehsender – toll, die Ostermarschierer sind wieder unterwegs. In Bezug zu dem, was da wirklich stattgefunden hat, war Pegida gestern geradezu ein gewaltiger Aufmarsch. Und wer ist da aufmarschiert? Der WDR-„Korrespondent“ wusste es genau, hat wohl quasi mit allen 10.000 Leuten mal kurz geredet. Seine „Analyse“: „Ein Drittel gehörte zum harten rechten Rand“. Und: „Der Rest waren die üblichen Rassisten und Fremdenfeinde.“ Eine steile These, nicht von Linken-Kipping oder antifa, sondern vom „Korrespondenten“ des WDR. Lieber Herr Kollege, könnten nicht auch ein paar Menschen dabei gewesen sein, die sich Sorgen machen, ob Deutschland die Aufnahme eine Rekordzahl an Flüchtlingen bewältigen kann? Oder gab es vielleicht ein paar Leute, die Angst vor dem Islam haben? Waren vielleicht auch Schaulustige dabei, die einfach mal sehen und hören wollten, was der Wilders so für einer ist? Nein, alles „harter rechter Rand“ und „die üblichen Rassisten und Fremdenfeinde“. Ich rege mich schon lange nicht mehr über politische Agitation und Einseitigkeit in öffentlich-rechtlichen Medien auf. Der Mensch gewöhnt sich an fast alles. Aber ich würde mir wünschen, dass wenigstens in der Berichterstattung korrekt und vorurteilsfrei gearbeitet wird. Lasst sie anschließend kommentieren, was sie wollen, aber wenigstens Nachrichten und Berichte sollten sachlich sein. Das wäre schön.




Ein Händedruck für die Geschichtsbücher

Nach sechs Jahren US-Präsidentschaft von Barack Obama tue ich mich schwer damit, noch zu glauben, seine Amtszeit könnte irgendwelche politischen Spuren in den Geschichtsbüchern hinterlassen. Zu dünn sind die Ergebnisse, die der Mann im Weißen Haus besonders in der Außenpolitik vorweisen kann. Und selbst in der Innenpolitik findet man außer einer halbherzigen Gesundheitsreform, die von weiten Teilen der eigenen Bevölkerung abgelehnt wird, nicht viel Mitreißendes. Umso mehr freue ich mich, dass er nun mit der angelaufenen Aussöhnung zwischen USA und Kuba doch noch eine Initiative gestartet hat, die weltweit für Beifall sorgen wird. Gewiss, ein Händedruck mit Raúl Castro macht noch keinen Sommer. Aber nach jahrzentelanger Eiszeit, nach Blockade und – nicht zuletzt – nach vielen Toten, die bei der Flucht aus dem sozialistischen Sonnenstaat in die Freiheit ertrunken sind, tut sich endlich etwas. Zu Zeiten des Ost-West-Konflikts, als sich die Weltmächte USA und Sowjetunion mit ihren jeweiligen Verbündeten gegenüberstanden, machte die Isolation Kubas durch den Westen durchaus Sinn. Aber heute? Auch die Kubaner wissen, dass es besser ist, die Vereinigten Staaten zum Freund zu haben, mit dem man handeln kann und der für Devisen sorgt. Und auch die USA und ihre starke Latino-Gemeinschaft in Florida haben weder ein strategisches, noch ein wirtschaftliches und schon gar kein militärisches Interesse mehr, die Insel unter der Knute zu halten. Hoffen wir also, dass man sich einigt, dass man Botschaften eröffnet, Handelsbeziehungen zum beiderseitigen Nutzen entwickelt und vor allem Familien zusammenkommen und in Kuba politische Gefangene in die Freiheit entlässt. Es ist schon irre, wie schnell plötzlich alles möglich ist, wenn man wirklich will. Und es bleibt die Frage: Warum eigentlich nicht schon früher?




Die Fußkranken der Weltrevolution und die Kameras

Zu dem Lächerlichsten, das es in Sachen politischer Aktionismus in Deutschland gibt, gehören die sogenannten Ostermärsche der sogenannten Friedensbewegung. Als Massendemonstrationen gegen das atomare Wettrüsten mobilisierten die Ostermarschierer in den 80er Jahren Hunderttausende unter dem Banner „Nie wieder Krieg“. Heute sind diese alljährlichen Veranstaltungen eher private Treffen ergrauter 68er-Veteranen, ergänzt durch jeweils eine Handvoll Jungaktivisten aus Linke oder den versprengten Resten von DKP, SDAJ und MLPD, oder wie Helmut Kohl es sagen würde, den „Fußkranken der Weltrevolution“. In Mainz (200.000 Einwohner) kamen dieses Jahr hochgerechnent 200 Demonstranten zusammen, in Mannheim (320.000 Einwohner) waren es sage und schreibe 35 (in Worten: fünfunddreißig) und in Duisburg (480.000 Einwohner) waren es 250. Nun könnte man sagen: Lasst ihnen doch ihren Spaß mit Bratwurst grillen für den Frieden und Radtouren mit bunten Fähnen und Papp-Drohnen! Und das lasse ich ihnen auch, zumal ich Idealisten erstmal immer gut finde in einer weitgehend entpolitisierten und zunehmend hedonistischen Gesellschaft, wenngleich ich befremdlich finde, dass das Thema stets ausschließlich die „Kriegspolitik“ von Bundeswehr, NATO, USA und EU ist, während islamistische Horden halbe Länder im Nahen Osten gewaltsam unter Kontrolle bringen, islamistische Mörderbanden ungehindert mordend und vergewaltigend durch Afrika ziehen und Kreml-Vladi den kleinen „grünen Männchen“ zu ganz neuer Bedeutung verholfen hat. Aber sei’s drum: dies ist eine freie Gesellschaft und Parallelwelten sind nicht verboten.
Was allerdings wirklich ärgerlich ist: die mediale Aufmerksamkeit, die diesen irrelevanten Ostertreffen Jahr für Jahr zugestanden wird. Wenn in Düsseldorf kürzlich 15.000 Jäger gegen ein seltsames Jagdgesetz des grünen Umweltministers demonstrieren, dann ist das selbst dem öffentlich-rechtlichen Lokalsender WDR nur einen Kurzbeitrag im Fernsehen wert. Wenn in Berlin 6.000 Menschen gegen Abtreibung und Sterbehilfe demonstrieren, findet das bundesweit in den Medien nicht statt. Wenn in Stuttgart 2.416 Menschen gegen den rot-grünen Frühsexualisierungsplan demonstrieren, reicht das für 1 Minute in den SWR-Lokalnachrichten, die weitgehend auf die 200 krakeelenden Gegendemonstranten eingehen. Aber wenn irgendwo 35 Leute die USA geißeln, sind die Kamerateams da. Journalisten sollen die Wirklichkeit abbilden, habe ich in meiner Ausbildung zum Redakteur mal gelernt. Irgendwie scheint das nicht mehr modern zu sein.




Wer tanzen kann, der kann auch arbeiten

Der Jurist und Autor Heinrich Schmitz muss wohl gestern immer noch sauer gewesen sein, dass er am (Kar-)Freitagabend auch in diesem Jahr nicht öffentlich tanzen durfte. Und so hat er im Debattenmagazin „The European“ in einem Beitrag mal so richtig gegen das staatliche Tanzverbot abgeledert. Juristisch wie gewohnt bestens begründet und aus meiner Sicht insgesamt zustimmungsfähig. Allerdings fehlen ein paar Gedanken und vor allem eine klare Konsequenz aus dem Geschriebenen. Und weil Heinrich – den ich wirklich immer gern lese – diese paar Kleinigkeiten nicht erwähnt hat, erlaube ich mir auf diesem Weg eine Ergänzung.

Ja, es ist wahr: Genau genommen könnte der Staat das „Tanzverbot“ an stillen Feiertagen abschaffen. Was hindert Christen denn daran, so fragt der Autor, „wenn in den geschlossenen Räumen einer Kneipe Andersgläubige ein Fest feiern? Oder wenn andere in den schalldichten Räumen einer Diskothek abtanzen wollen?“ Die Antwort lautet: Nichts hindert uns. Insofern ist seine Schlussfolgerung auch konsequent. Warum sollen die, die nicht glauben können oder wollen, still sein, wenn (viele) andere Menschen trauern? Allerdings stellen sich aus meiner Sicht auch andere Fragen: Ist es wirklich zu viel verlangt, an ein bis drei Tagen im Jahr mal aufs „öffentliche Tanzen“ zu verzichten? Ich meine, so ein Jahr hat ja 365 Tage, da würde man doch bei ein wenig guten Willen vielleicht noch andere öffentliche Tanzmöglichkeiten finden können als ausgerechnet am Karfreitag? Ist das nicht im Grunde wieder so ein Popanz, den man aufbaut, um der Kirche eins auszuwischen? Sehr schön beschreibt Schmitz die fehlenden Grundkenntnisse beträchtlicher Teile unseres Kulturvolkes, die meinen, Ostern habe ursprünglich irgendwas mit Hasen und Eiern zu tun. Das führt mich dann direkt zum Kern.

Christliche Feiertage wurden einstmals nicht als Urlaubsverlängerung oder zum Grillen erdacht und geschaffen, sondern um den Gläubigen die Möglichkeit zu eröffnen, an den besonderen Hochfesten ausreichend freie Zeit zu haben, diese mit Würde und entsprechend den Traditionen ihres Glaubens zu feiern. Diese staatliche Garantie für Gläubige lässt sich als Privilegierung aus dem Grundgesetz-Artikel 4 begründen. Von mir aus kann man die Regeln für religiös Unmusikalische ändern. Wenn ich bete oder trauere, können andere meinetwegen in der Disco tanzen. Oder „Germany’s next Topmodel“ suchen. Oder sich in einer Kneipe vollaufen lassen. Oder was auch immer. Dies ist ein freies Land, der Staat sollte sich weitgehend raushalten aus dem Leben der Menschen. Das tut er zwar sonst auch nicht, aber wir könnten ja jetzt damit anfangen. Nur eins ist klar: Wenn wir das neu regeln, dann gilt auch der Grundsatz: Wer tanzen geht, der kann auch arbeiten. Warum sollen diejenigen, die christliche Feiertage nicht für Christliches nutzen wollen, an diesen Hochfesten frei haben? Wer Freitagsabends ins Saturday Night Fever startet, der soll Freitagmorgens ins Büro oder die Werkstatt gehen. Die Vorteile mitnehmen, aber nicht einmal bereit sein, an einem bis drei Tagen im Jahr wenigstens Rücksicht auf die Religionen zu nehmen, denen sie die zusätzliche freie Zeit verdanken, das ist dann wirklich nicht mehr logisch.

Man könnte sogar noch weitergehen. Das Weihnachtsgeld wird natürlich nicht von den Kirchen gezahlt, sondern von den (meisten) Arbeitgebern. Es wurde einst erfunden, um Arbeitnehmern mit einer zusätzlichen Gratifikation zu ermöglichen, am Fest der Geburt Jesu Christi mehr Geld in der Tasche zu haben, um diesen besonderen Tag auf ordentlichem Standard feiern zu können – mit Geschenken, mit Weihnachtsbraten oder was auch immer. Der Bezug ist klar, denn genau deshalb heißt es ja „Weihnachtsgeld“ und nicht „Skiurlaubsgeld“. Ich empfehle deshalb allen tapferen Kämpfern gegen christliche Dominanz und staatliche Bevormundung, zukünftig das Weihnachtsgeld zurückzuweisen. Schließlich wollt Ihr euch doch nicht etwa schnöde kaufen lassen, oder? Wenn das Christliche rein privat ist und Nichtgläubige sich nicht vom Staat zwingen lassen wollen, bei all diesen Anlässen mitzumachen – bitte sehr! Geht zu Eurem Arbeitgeber und zeigt, wie konsequent Ihr bei der Ablehnung all dessen seid.

Zwei Bemerkungen noch zum Text von Heinrich Schmitz. Er geht auch auf die anderen Religionsgemeinschaften in Deutschland ein und fragt, ob die nicht auch Anrecht auf eigene Feiertage haben? Gute Frage. Noch besser aber ist die daraus resultierende weitere Frage: Wenn Muslime und Juden in Deutschland gesetzliche Feiertage zusätzlich erhielten – wären die dann auch für alle Nichtgläubigen und für alle Christen in Deutschland wieder Freizeit? Und der zweite Punkt: Der Autor schreibt: „Wäre doch cool, wenn Juden, Christen und Muslime einen gemeinsamen Feiertag feiern könnten.“ Nein, lieber Heinrich, daran wäre nichts „cool“, finde ich. Oder, wie man bei den modernen Menschen so sagt: „Lasst bunte Blumen blühen!“ Da würde ich hinzufügen: Und fahrt nicht mit dem Rasenmäher drüber.




Ausweis vorzeigen? Dann ist unsere Freiheit ganz sicher in Gefahr

Nach dem mutwillig herbeigeführten Absturz der Gemanwings-Maschine in den französischen Alpen haben Ermittler und Terrorfahnder festgestellt, dass es heutzutage gar nicht mehr so einfach ist, herauszufinden, wer tatsächlich an Bord eines Flugzeugs gesessen hat. Die Freizügigkeit zwischen den EU-Ländern, zusammengefasst unter dem Begriff „Schengen“, macht’s möglich. Also als Beispiel: Wenn ich einen Flug nach Rom buche und zu Hause am PC bereits einchecke, dann mein Flugticket aber – sagen wir – Matthias Matussek schenke, der auch gern in Rom ist, dann kann der am Flughafen direkt bis in den Flieger durchgehen, sofern er nur Handgepäck hat. Auf der Passagierliste steht dann „Kelle“, aber im Flugzeug sitzt in Wirklichkeit „Matussek“. Nun sind sowohl Herr Matussek als auch ich keine „Gefährder“ im eigentlichen Sinne, aber Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat erkannt, dass die Situation prinzipiell unhaltbar ist, wenn man ernsthaft mehr Sicherheit schaffen will. Er regt nun an, darüber nachzudenken, die Ausweispflicht wieder einzuführen. Konkret: Jemand, der ein Passagierflugzeug besteigt, soll beim Einsteigen wie früher Boarding-Pass zusammen mit dem Ausweis vorzeigen.
Ich werde mir jetzt Popcorn besorgen, mich in einen bequemen Sessel setzen und darauf warten, wie die politischen Reaktionen auf diesen absolut sinnvollen Vorschlag des Ministers ausfallen. Ich erwarte, ehrlich gesagt, einen ordentlichen Shitstorm der Datenschützer und der Snowden-Fan-Millieus. Den Ausweis vorzeigen? Das ist schließlich ein schwerer Eingriff in das „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“, da wird ja selbst der friedfertigste Bundesbürger unter „Generalverdacht“ gestellt, er könnte Terrorist sein. Und wen das alles nicht überzeugt, werden sie ein gehässiges „Ich will das aber nicht“ entgegenrufen, die tapferen Verteidiger meines überaus wichtigen Grundrechts, einen Ausweis, den ich besitzen muss, nicht vorzeigen zu dürfen.




Der Tabubruch von Dinslaken

Die nordrhein-westfälische Stadt Dinslaken (knapp 70.000 Einwohner) hat einen Stadtrat, dem 46 gewählte Mitglieder angehören. Neben ihrer Tätigkeit als Ratsmitglieder teilen sie sich weitere 81 Aufsichtsratsmandate bei städtischen Unternehmen. Das ist ein schönes Zubrot für den ein oder anderen, denn die Ratsmitglieder bestimmen ihre Vergütung selbst und die ist nicht schlecht. Sogar die Parteien freuen sich, denn Rats- und Aufsichtsratsmitglieder zahlen nicht nur Mitgliedsbeiträge, sondern führen aus ihren Vergütungen und Sitzungsgeldern auch noch zusätzlich „Mandatsträgerbeiträge“ ab. Die Hälfte davon bekommen sie einkommensunabhängig vom Finanzamt wieder erstattet. Ein schönes in sich geschlossenes System. Doch als vor einiger Zeit bekannt wurde, dass diese Bezüge in Dinslaken – zumal in einer Zeit höchster finanzieller Not – in kurzer Folge schon wieder erhöht werden sollten, geschah Unerhörtes. Einer aus dem Stadtrat spielte nicht mit. Obwohl selbst Anspruchsberechtigter eines solchen Gremiums, verhinderte er das Vorhaben mittels aktiver Unterstützung eines erfolgreichen Bürgerbegehrens und stellte dann gleich auch noch das ganze System in Frage. Was eigentlich befähigt unterschiedslos Ratsmitglieder, sofern sie nicht gerade Wirtschaftsprüfer, Analysten oder Bankbetriebswirte sind, dazu, Unternehmen zu kontrollieren? Sind sie wirklich zur Kontrolle da, oder wird nur ein Belohnungs-System für parteikonformes Verhalten und für verdiente Parteiarbeit geschaffen? Geht es vielleicht nur um das oben beschriebene Zubrot? Geht es um eine immer sprudelnde Geldquelle für Parteien, die ihre Stadt als ihre Beute betrachten? Warum braucht man diese Kontrollgremien überhaupt? Reichen nicht wie bei jeder anderen vergleichbaren Gesellschaft unseres Wirtschaftssystems verantwortliche Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und die Gesellschafterversammlung aus? Das beschriebene System gibt es nicht nur in Dinslaken, sondern überall in Deutschland. Tausende profitieren davon und verursachen imaginäre “Demokratiekosten”. Und kaum einen von ihnen wird es freuen, wenn das nun mal hinterfragt wird. Der streitbare Mann aus Dinslaken erzählt, dass ihm inzwischen langjährige Ratskollegen erklärt hätten, er werde von ihnen nicht mehr gegrüßt, weil er an einem Tabu gerüttelt hat. Rütteln wir also mit und stellen die Dinge auf den Prüfstand!




Wenn Ihr richtig hinschaut, findet ihr genug Geld

Die Stadt Münster wurde früher gern mit dem Zusatz „erzkatholisch“ bedacht. Doch diese Zeiten sind vorbei. Gestern Abend entschied der Stadtrat nach hitziger Debatte, dass es keinen finanziellen Barzuschuss zum 2018 in der westfälischen Stadt stattfindenden Katholikentag geben wird. Zwar freue man sich auf die zehntausenden Katholiken, die mehrere Tage nach Münster kommen werden, um zu diskutieren und zu beten und zweifellos auch viel Geld in Gastronomie und Andenkenläden zu lassen, aber – leider, leider – könne Münster wegen der angespannten Haushaltslage nichts beisteuern. Leider gehöre ich dem Stadtrat von Münster nicht an, denn sonst hätte ich schon heute Morgen eine Anfrage an die Verwaltung formuliert, wie viel Geld aus dem Steuersäckel der Münsteraner alljährlich für die Pseudowissenschaft namens „Gender Mainstreaming“ zum Fenster hinausgeschmissen wird. Was für ein Budget hat die Gleichstellungsbeauftragte? Was kostet es, amtliche Formulare in „gendergerechter Sprache“ neu drucken zu lassen? Wann fängt endlich mal jemand an, den Fachbereich „Gedöns“ auszumisten? Oh ja, es wäre Geld da für ein Großereignis mit nationaler Bedeutung wie einen Kirchentag. Aber man muss das Geld zunächst dort einsammeln, wo es für himmelschreienden Unfug vergeudet wird.




Kein Gift, keine Stromstöße und auch keine Kugeln mehr!

Viele Menschen in den Vereinigten Staaten lieben es, wenn ihr Land als „God’s own Country“ bezeichnet wird, also als das Land Gottes. Ich bin selbst Christ und ich bezweifle stark, dass Gott irgendeinen Gefallen an der derzeitigen Diskussion in den USA über die effektivste Hinrichtungsmethode findet. Eine klare Mehrheit der Amerikaner, das belegen alle Umfragen, ist für die Todesstrafe als härteste Sanktion für Gewaltverbrecher. Nun gehen den Justizvollziehern aber offenbar die Chemikalien aus, um Giftspritzen damit befüllen zu können, was ja die „humanste Art“ des Tötens sein soll. Elektrischer Stuhl gilt als störanfällig und besonders unmenschlich, so denkt man jetzt im Bundesstaat Utah darüber nach, ob man wieder Erschießungskommandos einführen soll. Als zivilisierter Mitteleuropäer verfolge ich diese Diskussion fassungslos.
Natürlich habe ich mich auch schon bei wenig verständnisvollen Gedanken ertappt, wenn irgendwo ein schlimmes Verbrechen bekannt wird. Es ist unfassbar, zu was Menschen offenbar fähig sind, was sie anderen Menschen mitleidslos antun können, selbst Kindern, kleinen Kindern. Und in solchen Fällen gibt es auch bei mir Gedankenreflexe, die nicht zitierfähig sind. Welches Recht zu leben hat ein Charles Manson noch? Oder der Schreiner aus Witten, der 1994 drei Kinder mit insgesamt 119 Messerstichen zu Tode metzelte, und der zur Zeit darum kämpft, vorzeitig aus der Haft entlassen zu werden? Warum Mitleid haben mit Terroristen, Kindermördern und Vergewaltigern, die unbeschreibliches Leid über andere Menschen gebracht und viele Leben zerstört haben?
Doch diese Reflexe verschwinden bei mir immer sofort wieder, wenn ich an die andere Seite denke – uns selbst. Woher nehmen wir das Recht, zu töten? Aus dem Gesetz? Woher nehmen die Gesetzemacher dieses Recht? Ist das Lebensrecht nicht uneingeschränkt? Ist das nicht der Rechtsgrundsatz, auf dem Verfassungen basieren? Trennt nicht gerade das uns von Unrechtsregimen und Barbaren, dass wir unsere eigenen Grundsätze auch in extremen Ausnahmesituationen ernst nehmen?
Vielleicht denkt jetzt der ein oder andere: Was ist denn mit dem Kelle los? Und damit ich nicht missverstanden werde: Ich bin für die volle Härte des Gesetzes gegen Gewalttäter alles Art. Und ich bin dafür, dass „Lebenslang“ auch lebenslang sein sollte. Aber ich bin aus tiefer Überzeugung Gegner der Todesstrafe. In der europäischen Staatengemeinschaft ist sie abgeschafft. In den USA nicht, dem Land, das für freiheitliches Denken steht, wie kein zweites auf der Welt. Wer aber Anführer der demokratischen, rechtsstaatlichen und freien Welt sein will, sollte sich von der Todesstrafe verabschieden. Ebenso wie von dem Gefangenenlager Guantanamo. Legitimation und Respekt bekommt man nicht durch bloße Stärke, sondern durch überzeugendes Handeln.




Warum gibt es solche Tage wie heute?

Geht Ihnen das ähnlich? Seit ich heute gegen Mittag vom Absturz der Germanwings-Maschine in Südfrankreich gehört habe, ist meine Motivation, irgend etwas zu tun, nahe Null. So eine Tragödie lähmt uns, lässt fast alles andere als nebensächlich erscheinen. Es beschäftigt uns den ganzen Tag über. Was mag da hoch über den Wolken passiert sein? Und welches Grauen haben die 150 Menschen im Flieger in den letzten Augenblicken ihres Lebens verspürt? Wir können es uns nicht einmal ansatzweise vorstellen. Die Benutzung eines Verkehrsflugzeuges ist für viele von uns heutzutage kaum noch etwas Aufregendes. Wir fliegen geschäftlich in der Gegend herum, wir lassen uns zu Sonnenstränden und historischen Tempeln in aller Welt fliegen. Und plötzlich ist es vorbei. Einfach so. Je älter ich werde, desto mehr nimmt mich eine Katastrophe wie diese mit. Alles ist immer durchgeplant, alles ist hektisch und auf Effektivität getrimmt. Die Wirtschaft muss funktionieren, die Politik muss funktionieren und jeder Mensch in unserem System muss natürlich auch funktionieren. Und plötzlich ist alles dunkel, und die Gedanken sammeln sich. Warum passiert so etwas? Oder auch die berühmte Frage: Warum lässt Gott das zu? Und warum gerade diese Maschine und diese Menschen, unter ihnen einen Gruppe Schüler aus Nordrhein-Westfalen auf Heimreise vom Austauschprogramm? Es ist zum Verzweifeln.