Jedem seine eigene Phobie

Die Wogen der Erregung schlugen gestern hoch. Der Auftritt eines – vorsichtig ausgedrückt – seltsamen Imams in der Gesprächsrunde bei Günther Jauch am Vortag führte allerorten zu hitzigen Diskussionen. Was mir vom Abend in Erinnerung bleiben wird, ist die ungewohnte Hilflosigkeit des Moderators und seiner Gäste gegen einen zackig auftretenden jungen Muslim, der von seinen Gesinnungsgenossen sicher viel Beifall für den Auftritt bekommen haben wird. Einzig der wackere CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach vermochte dem angriffslustigen Islamisten Paroli zu bieten. Einen ungewollt heiteren Moment erlebte die Talk-Runde, als Herr Abdul Adhim Kamouss seine Besorgnis über wachsende „Islamphobie“ in Deutschland zum Ausdruck brachte. Der Wirtschaftsjournalist und Blogger Roland Tichy spießte das mit den Worten „Islamophobie wirft der Schreimam den anderen vor, während er selbst eine Deutschenphobie im TV zu bester Sendezeit pflegt“ sehr schön auf. Und tatsächlich sollten wir Menschen, die sich wegen unbotmäßigem Selbstdenkens immer wieder als homophob, islamophob und ähnliches beleidigen lassen müssen, dazu übergehen, dem Ähnliches entgegenzusetzen. Deutschenphobie, Katholophobie oder Bildungsphobie wären meine ersten Vorschläge.




Auf dem Land gedeiht das Brauchtum

Auch am Niederrhein wurde heute Erntedank gefeiert. Bei strahlendem Sonnenschein waren Kelles komplett zur Dankmesse auf einem Bauernhof erschienen. Es fiel dabei auf, dass viel mehr junge Leute und Kinder dabei waren, als man normalerweise sonntags in der Kirche antrifft. Derartiges Brauchtum schlägt auch abseits besonderer Religiosität auf dem Land nach wie vor tiefe Wurzeln. Familien kommen, damit ihren Kindern bewusst wird, dass ein Brot nicht wie durch Zauberhand aus einer Maschine beim Bäcker fällt. Dass gesät, geerntet und gemahlen werden muss, bevor gebacken werden kann. Und dass alles irgendwo einen Ursprung gehabt haben muss, damit der Kreislauf der Natur so funktioniert, wie er funktioniert. An die 600 Menschen waren heute Morgen allein in unserer Gemeinde dabei, die ganz offensichtlich genossen, Teil einer großen Familie zu sein, die sich um einen Ährenkranz und ein Kreuz versammeln, ganz ohne VIP-Tickets, Gästeliste und Chill-Out-Area. Auf dem Land chillt man halt anders.




St. Martin ohne Blaulicht

Ob SPD-Innenminister Jäger plant, die Polizei in NRW abzuwickeln? Manchmal scheint es so. Nachdem die Polizei ihre Präsenz bei Fußballspielen bereits deutlich reduziert hat – was noch Sinn macht, wenn Hoffenheim zum Auswärtsspiel mit 150 Fans anreist – trifft es jetzt Brauchtumsveranstaltungen aller Art. Betroffen sind Karnevalsumzüge ebenso wie die alljährlichen St. Martins-Umzüge der Schulen und Kindergärten überall im Land. Die veranstaltenden Einrichtungen müssen zukünftig selbst für Sicherheit sorgen, und wer mal abends mit 300 Kindern singend durch einen Innenstadt gezogen ist, weiß, dass das nicht so einfach ist. Wo früher der Streifenwagen vorneweg fuhr, sind jetzt freiwillige Helfer oder bezahlte Kräfte gefragt. Organisationsaufwand und Kosten werden für die Veranstalter deutlich steigen. Gut möglich, dass manche zukünftig auf diese Art der Brauchtumspflege verzichten. Und gut möglich, dass auch das manchem unserer Politiker durchaus recht ist. Zumindest, wenn es sich um populäre kirchliche Veranstaltungen handelt. Die Polizei und der Staatssäckel werden jedenfalls entlastet. Nur so ein Gedanke: Kleinkriminalität wird ohnehin kaum noch verfolgt, warum verzichten wir da nicht auch zukünftig auf Polizei? Kleindealer einsammeln, die nach einer halben Stunde wieder auf der Straße sind, Taschen- oder Fahrraddiebe…. Nehmen wir die doch aus der polizeilichen Aufgabenliste auch heraus. Denn klar ist: Am meisten könnte der Innenminister sparen, wenn die Polizei auch bei der Kriminalitätsbekämpfung nur noch in Ausnahmefällen eingeschaltet wird.




Die kranke Seite unserer Freiheit

Wer bezweifelt, zu welch kranken Erscheinungen der um sich greifende Hedonismus unserer Zeit führen kann, hatte in den vergangenen Tagen Erstaunliches zu lesen. In Dänemark, so habe ich durch verschiedene Zeitungsberichte erfahren, gibt es Tiersex-Bordelle. Dort bezahlen Menschen dafür, sich sexuell an Tieren – vornehmlich Hunden und Pferden – vergehen zu dürfen. Man hält das erst gar nicht für real und sucht nach der „versteckten Kamera“, aber tatsächlich gibt es in unserem nördlichen Nachbarland eine politische Debatte darüber, ob man das als Freiheit tolerieren oder verbieten sollte. Für ein Verbot gibt es bisher im Parlament noch keine Mehrheit, wenngleich nach Umfragen etwa drei Viertel der Dänen für ein solches wären. Immerhin. Was Politiker und Parteien in Dänemark bewegt, sich einem Verbot zu verschließen, scheint mir eher eine Frage an die Psychotherapie zu sein. In Deutschland ist „Zoopholie“ seit 2013 (!) gesetzlich untersagt – als Ordnungswidrigkeit im Tierschutzgesetz.




Ein Abend unter Freunden

Um Political Correctness ging es heute Abend in der Ratinger Stadthalle. Die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung hatte zur Diskussion mit mir eingeladen, und gut 180 Zuhörer und Mit-Diskutierende wollten dabei sein. Thematisch waren wir uns weitgehend einig, ein politisch interessiertes Bürgertum. Zwei Damen waren nicht zufrieden und gingen vorzeitig, weil ich zu wenig Verständnis für die palästinensische Hamas hatte. Darüber hinaus war es ein Abend unter Freunden. Wenn man so will, die Zivilgesellschaft, die große bürgerliche Familie. Wie ich später telefonisch erfuhr, hatte meine Frau Birgit zeitgleich ein ganz ähnliches Publikum – in Österreich bei einer ebenfalls bis auf den letzten Platz gefüllten Veranstaltung, wo es um die menschenverachtende Gender-Ideologie und die Folgen für unseren Alltag und unsere Kinder geht. Die schweigende Mehrheit existiert, wir sind so viele, und wir bewirken in der Gesellschaft derzeit so wenig. Dieser Gedanke beschäftige mich auf der Heimfahrt. Und wieder das Grundmotiv meiner kommentierenden Arbeit: die ganz normalen Leute mit einem ganz normalen Leben. Mit einem Beruf, vielleicht mit Kindern, mit einem gemütlichen Zuhause und dem ganz alltäglichen Glück. Warum lässt man sie, warum lässt man uns nicht in Ruhe unser frei gewähltes Leben leben? Warum will man uns zwangsbeglücken? Warum mischt sich der Staat immer tiefer in unser Leben ein? Warum versuchen politische Ideologen, Zugriff auf unsere Kinder zu bekommen? Ich fürchte, es wird nicht enden, wenn wir alle uns nicht zur Wehr setzen und etwas tun. Und wenn wir uns hin und wieder treffen und selbstvergewissern, dass unsere Sicht der Dinge plausibel ist, dann tut das jedem gut. Den Zuhörern ebenso wie dem Referenten.




Sie können es nicht länger ignorieren

„In Berlin haben heute mehrere Tausend Menschen gegen Abtreibung und Sterbehilfe demonstriert…“ Fast wäre ich gestern gegen die Leitplanken gefahren, als ich im Autoradio die SWR3-Nachrichten hörte. Sie haben tatsächlich gemeldet, dass in Berlin der „Marsch für das Leben“ stattgefunden hat. Seit Jahren versammelt sich dort jedes Mal im September die deutsche Pro-Life-Szene. Berichtet wurde von den etablierten Medien bisher allenfalls kurz über die Gegendemonstranten gegen einen Aufmarsch „fundamentalistisch-christlicher Sektierer“. Aber nun, so scheint es, kommt man nicht mehr an dieser Veranstaltung vorbei, zu der gestern fast 6.000 Teilnehmer erschienen. Das Thema Abtreibung und Lebensrecht überhaupt gehört zu Bereichen, die medial gern ausgeklammert – manche sagen: totgeschwiegen – werden. Umso erfreulicher, dass sich die Beharrlichkeit der Lebensrechtler nun auszahlt. Übrigens: Im Oktober findet in Stuttgart die fünfte Eltern-Demo gegen die Frühsexualisierung von Kleinkindern in Baden-Württemberg statt. Das träge Bürgertum, so scheint es, ist zunehmend bereit, sich gegen den menschenverachtenden Gender-Wahn und seine Auswirkungen zur Wehr zu setzen. Es sind keine Fundamentalisten, die da auf die Straßen gehen, sondern es ist die Mitte unserer Gesellschaft. Gut so!




Eine Werbung für die Demokratie

Die Schotten haben entschieden, und zwar eindeutig. 55 zu 45 Prozent für einen Verbleib im Vereinigten Königreich. Und es war vielleicht keine Entscheidung mit heißem Herzen, aber wahrscheinlich eine mit Vernunft. Beeindruckend finde ich, wie zivilisiert alles abgelaufen ist. Ein engagierter, faktenreicher Wahlkampf, knallharter Austausch von Argumenten, TV-Debatten – und dann eine Entscheidung. So lösen demokratische und zivilisierte Länder derartige Probleme. Hoffentlich hat Herr Putin heute Zeit, ein wenig BBC zu gucken. 86% Beteiligung bei der Volksabstimmung zeigen auch, dass Menschen bereit sind, sich in großer Zahl an demokratischen Prozessen zu beteiligen, wenn wirklich etwas zu entscheiden ist. Wenn immer alles beim Alten bleibt, egal, was die Leute ankreuzen, werden Wahlgänge irgendwann eine lästige Pflicht – wie das auch in Deutschland anscheinend immer mehr Menschen empfinden. Klare politische Alternativen, dann klappt‘s auch mit dem Wähler wieder. Und wenn entschieden ist, akzeptiert man, gratuliert man auch der Gegenseite und hält wieder zusammen. Auch das ist heute Morgen wunderbar anzuschauen. Die Volksabstimmung in Schottland war eine echte Werbung für die Demokratie.




„Cui bono?“ gilt für alle Seiten

Die „Süddeutsche“ berichtet heute darüber, dass Russlands Präsident Putin bei einem Gespräch mit dem Präsidenten der Ukraine, Poroschenko, massive Drohungen gegenüber anderen osteuropäischen Staaten geäußert habe. Angeblich sagte Putin: „Wenn ich wollte, könnten russische Truppen in zwei Tagen nicht nur in Kiew, sondern auch in Riga, Vilnius, Tallinn, Warschau oder Bukarest sein.“ Die Zeitung bezieht sich auf eine Gesprächszusammenfassung des Auswärtigen Dienstes der EU, die der Redaktion vorliegt. Einzige Quelle ist also Poroschenko, der ein massives Interesse daran hat, dass EU und NATO ihre Unterstützung für sein Land ausweiten. Wenn er dazu im Westen öffentlich Angst verbreitet, wer wollte es ihm verdenken? Nur: Das bedeutet längst nicht, dass wir es auch einfach so glauben müssen. Nicht, dass ich Putin solche Sprüche nicht zutrauen würde. Aber ich habe als kleiner Volontär bei einer regionalen Tageszeitung mal gelernt, dass ein Journalist bei einem wichtigen Thema stets warten soll, bis er eine zweite Quelle hat. Scheint nicht überall so gelehrt zu werden.




Mutti in die Produktion!

Zum Start in meinen neuen Blog wollte ich Parteipolitik weitgehend außen vor lassen, aber die Dinge sind leider nicht so. Parteistrategen und Medien beschäftigen sich auch am dritten Tag danach noch mit den Lehren aus den jüngsten Landtagswahlen und der Frage: Wie umgehen mit der AfD? Ich hatte heute auf Facebook wieder Diskussionen mit CDU-Parteisoldaten über die Familienpolitik und die angebliche „Wahlfreiheit“, die Eltern in Deutschland dank der Krippenpolitik hätten. Es ist wirklich erschütternd, festzustellen, dass diese Leute offenbar wirklich nicht begreifen, dass eine alleinerziehende 20-Jährige keine Wahlfreiheit hat, wenn der Staat zwar bereit ist, für ihr Kind monatlich 1.200 Euro für einen Krippenplatz auszugeben, aber lediglich 150 Euro Betreuungsgeld zahlt, wenn sie sich in den ersten beiden Jahren um das Wichtigste kümmert: ihr Kind. Was für das Kind das Beste wäre, spielt in diesen Diskussionen sowieso keine Rolle. In Deutschland ist Familienpolitik nichts anderes mehr als Wirtschaftspolitik: Mutti in die Produktion!




Einfach nur zuschauen, ist inakzeptabel

Etwa 700 Flüchtlinge sind in den vergangenen Tagen im Mittelmeer ertrunken, darunter viele Jugendliche und Kinder. Sie waren unterwegs aus Syrien, Ägypten und dem Sudan, und ihr Ziel war Europa. Es ist eine andauernde Tragödie, die sich vor unser aller Augen seit langer Zeit abspielt. Haben diese Menschen, die sich aus Armut und Verfolgung, aus totaler Verzweiflung auf den Weg zu uns in die EU machen, ein Anrecht auf Asyl? Die meisten nach unseren Maßstäben vermutlich nicht. Ist deshalb Nichtstun die Lösung? Sicher nicht! Politiker, die sagen: Wir können hier nicht die Probleme der ganzen Welt lösen, haben recht. Alle aufnehmen, die zu uns kommen wollen, ist unmöglich. Aber die EU und die ihr angehörenden Staaten müssen das Problem endlich entschlossen angehen. Schutz der Grenzen vor illegaler Einwanderung ist alternativlos. Aber Schlepperbanden bekämpfen und helfen, dass die verzweifelten Menschen eine Perspektive in ihren eigenen Ländern oder anderen Staaten, in denen sie sicher sind, finden, ist für das christlich geprägte Abendland eine Pflicht. Papst Franziskus hat bei seinem Besuch auf der Flüchtlingsinsel Lampedusa im Juli 2014 das Dilemma in bewegende Worte gefasst: „Die Kultur des Wohlergehens, die uns an uns selber denken lässt, macht uns unsensibel für die Schreie der anderen, sie lässt uns in Seifenblasen leben die zwar schön sind, aber nichtig, die eine Illusion des Unbedeutenden sind, des Provisorischen, die zur Gleichgültigkeit dem Nächsten gegenüber führt und darüber hinaus zur einer weltweiten Gleichgültigkeit! Von dieser globalisierten Welt sind wir in die globalisierte Gleichgültigkeit gefallen! Wir haben uns an das Leiden des Nächsten gewöhnt, es geht uns nichts an, es interessiert uns nichts, es ist nicht unsere Angelegenheit!

Ganze Rede