Einfach abschalten wäre wohl das Beste

Kein Witz, der Moderator in „1Live“, der Jugendwelle des Westdeutschen Rundfunks (WDR), führt gerade ein Gespräch mit einer Paartherapeutin aus Köln über die Frage, wie Merkel und Trump ihre Beziehung kitten können. Einerseits eine kreative Idee, andererseits ein weiterer Beleg für die fortschreitende Banalisierung der Programme in unseren öffentlich-rechtlichen Grundversorgungsanstalten.

Die konnte man auch gestern schön beobachten, nachdem die Wähler in den Niederlanden dem Islam-Kritiker Geert Wilders zwar einen Stimmenzuwachs bescherten, aber die Bäume auch nicht in den Himmel wachsen ließen. Antifaschistischer Widerstandskampf in jedem Radiostudio, auch bei den privaten Lokalradios. Junge Moderatoren und Moderatorinnen, die sonst einen Überblick über die Lage der Welt in 1:30 Minuten runterspulen, Verkehrshinweise vorlesen und „Geldregen“-Gewinnspiele für Grenzdebile im 15-Minuten-Takt mit heiterer Tonlage präsentieren, verkündeten die Rettung Europas vor einer „anderen blonde Fönwelle hahaha…“

Es ist an manchen Tagen wirklich nicht mehr zu ertragen, mit was man im Autoradio beschallt wird. Einfach ein wenig Nachrichten, Information und Service – das wäre wunderbar. Doch jetzt werden Sie sagen: Kelle, Du musst das ja nicht hören. Und das stimmt. Einfach abschalten, das wäre wohl das Beste.




Wilders deutlich hinter Rutte: So einfach ist eine Revolution auch nicht

Bei den Parlamentswahlen in den Niederlanden hat der Islam-Kritiker Geert Wilders 13 Prozent der Stimmen bekommen und blieb damit weit, sehr weit, hinter den Rechtsliberalen des alten und wohl auch neuen Regierungschefs Mark Rutte zurück, dessen Partei acht Prozent vor Wilders landete.

Heute Morgen werden wohl manche auch hierzulande enttäuscht sein, die schon in Österreich gehofft hatten, dass die FPÖ erstmals den Bundespräsidenten stellen, Wilders die Niederlande vom Islam befreien und demnächst Le Pen Frankreich aus der EU führen wird. Auch das wird übrigens nicht passieren. Dazu muss man nicht einmal etwas von Politik verstehen, sondern von reiner Mathematik.

Viele verweisen dann auf Donald Trump, der es in den Vereinigten Staaten ja auch „geschafft“ habe, als kantiger Außenseiter Präsident zu werden. Doch Trump und die GOP lagen im Wahlkampf in den Umfragen stets über 40 Prozent. Da kann man auch mal gewinnen. Mit 13 Prozent, 8,5 Prozent oder in Frankreich aktuell 25 Prozent für den FN gibt es keine Chance auf Beteiligung an der Macht für Konservative, Rechte oder wie immer man das nennen mag. Wobei ich auch an dieser Stelle erwähnen möchte, dass Wilders, Petry, Le Pen und ihre Parteien außer der Abneigung gegen den Islam und Massenzuwanderung wenig gemeinsam haben.

Ist also der Sturm auf das Establishment, auf Kanzleramt und EU nun vorbei? Mitnichten! Die „rechtspopulistischen Parteien“ – der FN ist eher eine sozialistische, die holländische PVV eine durchaus linksliberale Partei (Homo-„Ehe“, Mindestlohn) – aber nennen wir sie so, werden in unseren Gesellschaften auf Sicht einen Platz besetzen und den Finger in die Wunde legen, dort, wo die etablierte Politik ihrer Funktion nicht mehr nachkommt. Das ist Demokratie. Und das ist auch gut so. Die Revolution, der Sturz „des Systems“, die Abschaffung der EU – all das ist erst einmal abgeblasen.




Deutschland hat keinen Grund gegenüber der Türkei zu kuschen

Das Verhältnis zwischen der Türkei und Deutschland ist so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Präsident Erdogan pfeift auf EU, Deutschland, Niederlande sowieso und Nato-Partner. Sein Interesse ist einzig, seine persönliche Machtfülle am Bosporus mit einem Referendum deutlich auszubauen. Was dabei diplomatisch an Scherben zerbrochen wird, interessiert den Mann nicht.

„Nazi-Praktiken“ und die Unterstützung von Terroristen wirft Erdogan der deutschen Bundeskanzlerin vor. Die Niederlande seien verantwortlich für das Massacker von Srebrenica, behauptet er. Und der Journalist Deniz Yücel („Welt“) sitzt immer noch in einem Kerker in Istanbul.

Alle gehen davon aus, dass Erdogan unkontrollierbar ist und ohnehin macht, was er will. Zumal Deutschland auch auf ihn angewiesen ist, wenn die Flüchtlingsströme nicht wieder anschwellen sollen. Im Wahljahr zumal…

Doch ignorieren wir nicht die Wirtschaftsdaten! Die Türkei steht schon lange nicht mehr so gut da, wie man bei Beginn der Beitrittsverhandlungen des Landes mit der EU immer behauptet hat. Die Direktinvestitionen brachen zuletzt um ein Drittel ein, das Wachstum ist auf Talfahrt, die Arbeitslosigkeit verharrt bei zwölf Prozent und acht Prozent Inflation sind auch nicht einfach so wegzustecken.

Ein selbstbewusstes Deutschland, das für die Türkei als Handelspartner wichtiger ist als umgekehrt, kann klare Kante zeigen. Die Bundesrepublik ist der größte Abnehmer türkischer Produkte. Waren im Wert von 14 Milliarden Dollar wurden 2016 aus der Türkei bezogen. Zum Vergleich: aus Großbritannien nur 11,7 Mrd. Euro. Deutschland importiert vor allem Textilien und Nahrungsmittel aus der Türkei. Hersteller wie Hugo Boss produzieren dort auch wegen der vergleichsweise niedrigen Löhne. Doch auch da bieten sich für deutsche Unternehmen günstige Alternativen anderswo.




Ich will mein Land zurück!

Fast ist man am Morgen danach erleichtert. Kein islamistischer Hintergrund, keiner hat „Alahu Akbar“ geschrien, keine Toten. Wenden wir uns also den Betrachtern zu, Leuten, die den Axt-Angriff gestern Abend in Düsseldorf, reflexartig für ihr politisches Süppchen nutzen. Es gibt – Stand jetzt – keinen Hinweis darauf, dass der Angriff gestern Abend irgendetwas mit Terror, Flüchtlingen oder dem Islam zu tun hat. Das muss man klar sagen. Und angesichts Schwerverletzter und der dramatischen Ereignisse im Hauptbahnhof verbietet es sich, zeitgleich Wahlaufrufe zu starten.

Diesen Reflexen sollten wir in einer Zivilgesellschaft nicht nachgeben. Die ersten Ermittlungsergebnisse liegen auf dem Tisch, weitere werden heute folgen. Dann allerdings müssen endlich politische Schlüsse gezogen und gehandelt werden. Denn die Frage, wie oft wir solche Ereignisse noch erleben müssen, hätte ich schon mal geklärt. Warum die „psychischen Probleme“ der Welt neuerdings in Deutschland ausgelebt werden können. Warum dieser 36-Jährige aus Jugoslawien überhaupt in Deutschland ist.

Gestern Abend hat sich in Düsseldorf kein Terroranschlag ereignet. Aber drängende Fragen bleiben. Insbesondere die, welche Menschen wir eigentlich in diesen Land hinein lassen, welche wir hier dulden und warum hunderttausende, bei denen der Rechtsstaat festgestellt hat, dass sie kein Recht haben, hier zu leben und manche „psychische Störungen“ ausleben und andere eben doch mal „Allahu Akbar“ rufen, nicht endlich abgeschoben werden.

Und noch etwas: Jeder, der heute in meinem Netzwerk auf Facebook oder Twitter schreibt, dass ja auch viele Menschen im Straßenverkehr sterben und wir uns mal nicht so aufregen sollen über Leute, die harmlose Bahnreisende mit einer Axt angreifen, über Spezialkommandos mit Maschinengewehren vor „Pizza Hut“, über kreisende Polizeihubschrauber über Innenstädten, die schmeiße ich kommentarlos raus. Ich will diese Beschwichtigungen nicht mehr hören, dieses Verharmlosen. Deutschland hat ein Problem, und ich will mein Land zurück, wie es vor zwei Jahren noch war.




Die fröhlichen Bahn-Mitarbeiter von der Leitstelle

Vor Jahren las ich ein interessantes Buch eines Autors aus Köln über die Deutschen, denen es so gut geht, die aber zugleich immer schlechte Laune haben, weil sie nur Negatives an jeder Ecke sehen (wollen). Leider weiß ich den Namen des Autors und des Buches nicht mehr, aber eine Anekdote daraus ist mir in lebhafter Erinnerung geblieben.

Er erzählt von einer Fahrt im ICE, mit einem Kaffee bequem im Zug, schwebte mit 230 km/h seinen Ziel entgegen, alles wunderbar. Und dann die Durchsage, dass es voraussichtlich zehn Minuten Verspätung wegen irgendeiner Störung geben werde. In Sekunden schwoll im ganzen Wagen die Lautstärke an, manche lachen, alle haben eine Meinung. Das ist ja wieder typisch Deutsche Bahn. Völlig unfähig, Millionengehälter im Vorstand kassieren, aber zu doof, für pünktliche Züge zu sorgen und so weiter. Ja, so sind wir Deutschen… Dabei ist doch alles gut organisiert in diesem Land, viele Dinge funktionieren reibungslos, werden Sie jetzt denken. Immer diese Meckerer…

Während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich…im ICE … Richtung Süddeutschland. Meine Reise begann an einem kleinen Bahnhof am Niederrhein. Der Regionalzug nach Düsseldorf fährt um 6.37 Uhr. So die Legende. Auf der Anzeigetafel ist zu lesen: Heute fünf Minuten später. Nach 14 Minuten Verspätung kommt die Bahn, und ich habe tatsächlich noch genug Zeit, zum Gleis 16 zu hasten, wo mein ICE nach München starten soll. Auf der Anzeigetafel der Hinweis, dass die Wagen 21 bis 29 heute in einer anderen Reihenfolge zu suchen seien. Ich stehe bei „B“ und freue mich auf Wagen 23, doch der ist jetzt bei „F“. Einmal also den ganzen Bahnsteig lang, Ich schaffe das!

Bei „F“ angekommen, leider nicht mehr überdacht und es regnet, eine neue Nachricht auf der Anzeigetafel: Der Zug, MEIN Zug, fährt heute ausnahmsweise von Gleis 10. Völkerwanderung, Hunderte starten unverzüglich im leichten Trab die Treppen runter, auf zum neuen Gleis. Als wir außer Puste ankommen, fährt gerade der ICE nach München ein…auf Gleis 9. Das sei heute, leider, leider „ausnahmsweise“ mal so.

Ich sitze jetzt seit eineinhalb Stunden im ICE, Kaffee gab’s noch nicht. „Wir hatten früher auch keinen Kaffee im Zug“, würde jetzt sicher ein Pegida-Anhänger sagen und damit recht haben. Früher war ja sowieso alles besser. Aber wissen Sie, welcher Gedanke mir eben durch den Kopf schoss? Vielleicht ist das gar nicht unorganisiert, dieses Land und diese Deutsche Bahn. Vielleicht sitzen da morgens ein paar fröhliche Bahn-Bedienstete und haben einen Heidenspaß, uns alle auf die Schippe zu nehmen. Wer schafft es heute, wie viele Fahrgäste kreuz und quer durch den Hauptbahnhof zu jagen? Wer organisiert einen Schnellzug innerhalb von sechs Minuten von Gleis 16 auf Gleis 10 um…und dann kurz vor Einfahrt nochmal auf Gleis 9? Ja, ich glaube, die Jungs und Mädels in der Leitzentrale hatten mächtig Spaß heute Morgen.




Woher kommen bloß die vielen Asozialen?

Der ICE nach München bleibt auf freier Strecke plötzlich stehen. Fünf Minuten vergegen, dann zehn, dann endlich eine Ansage. Im vorderen Teil des Zuges wurde in einer Toilette Alarm ausgelöst. Ein Fahrgast hatte dort offenbar eine Zigarette geraucht. Die Zeit von ein paar hundert Menschen wird verplempert. Von einer Person, der sich nicht an die Regeln halten will.

Unser jüngster Sohn (11) kam gestern verstört von der Schule nach Haus. Seine Mutter hatte ihm morgens einen frankierten A4-Umschlag mitgegeben, den er einfach nur in den Briefkasten einwerfen sollte. Kurz vor seiner Bushaltestelle kommt ein etwa 40 Jahre alter Mann auf den kleinen Kerl zu, reißt ihm ohne Kommentar den Umschlag aus der Hand und geht einfach weiter. Kein Elfjähriger, der von einem Erwachsenen beklaut wird, wehrt sich micht, wenn er allein ist. Und sonst war weit und breit niemand in der Nähe. Der Umschlag und sein Inhalt hatten keinen Wert. Einfach ein paar Fotokopien, die wir schnell nochmal ausgedruckt und dann abgeschickt haben. Aber was macht so eine Erfahrung mit einem elfjährigen Kind? Was lernt er über unsere Gesellschaft? Und überhaupt: woher kommen bloß die viele Asozialen in unserer Gesellschaft?




Flüchtlingswelle: In den dramatischen Stunden wollte in Berlin keiner Verantwortung übernehmen

Es waren Stunden voller Dramatik in diesem September 2015, in dem sich Zehntausende Flüchtlinge von Osten her auf Deutschland zubewegten. Gemeinsam mit ihrem österreichischen Amtskollegen hatt Kanzlerin Merkel entschieden, 20.000 Menschen aus Ungarn aufzunehmen, um den Druck aus dem Kessel zu nehmen. Doch am Tag darauf schlossen sie die Grenzen nicht wieder.

Der „Welt“-Journalist Robin Alexander schildert in seinem neuen Buch „Die Getriebenen – Merkels Flüchtlingspolitik. Report aus dem Inneren der Macht“ (Siedler Verlag), was sich hinter den Kulissen der Macht abspielte, als der Schutz der Grenzen Deutschlands aufgegeben wurde.

Demnach habe es am Samstag, 12. September, um 17.30 Uhr eine Telefonkonferenz der Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Kanzleramtschef Peter Altmaier, Innenminister Thomas de Maizière (beide CDU), dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer und dem damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und SPD-Chef Sigmar Gabriel gegeben. In dieser Stunde entschieden die wichtigsten Politiker Deutschlands, am nächsten Tag um 18 Uhr die Grenzkontrollen wieder einzuführen und Flüchtlinge an der Grenze rigoros abzuweisen.

Beamte des Innenministeriums hätten rechtliche Einwände gehabt, so dass Innenminister Thomas de Maizière erneut die Kanzlerin anrief, was nun geschehen solle. Merkel spielte den Ball zurück und forderte Garantien, dass eine Grenzschließung juristisch Bestand haben und man nicht mit „öffentlich schwer vermittelbaren Bildern“ von einem Einsatz der Bundeswehr gegen Flüchtlinge rechnen müsse.

Zu dieser Zeit waren bereits Polizeieinheiten aus ganz Deutschland auf dem Weg, um die Landesgrenzen wieder zu sichern. Der Einsatzbefehl war ausgestellt und unterschrieben. Alles war besprochen. Nur als es zum Schwur kam und irgendjemand in Berlin die Verantwortung dafür übernehmen musste, war Niemand dazu bereit. Traurig, oder?




Im Shitstorm! Briefe und Mails aus einer Parallelwelt

„Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache – auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazu gehört.“ Hanns Joachim Friedrichs, unvergessener Journalist und Tagesthemen-Moderator, der leider 1995 viel zu früh verstorben ist, hat diesen Satz gesagt, der über jedem Schreibtisch eines Redakteurs hängen sollte.

Heute Morgen, am ersten Fastensonntag, habe ich mal wieder jede Menge Breitseiten auf Facebook und in Mails an die Redaktion einstecken dürfen. Björn Höcke sei „ein Glücksfall“ und die AfD ein Segen für Deutschland, erfahre ich, unser Text über den Streit beim Parteitag der AfD in Baden-Württemberg sei nichtssagend. Ich selbst habe ja bekanntermaßen ein (CDU-)Parteibuch und dürfe eigentlich über die AfD gar nicht berichten. Wenigstens hat (noch) keiner geschrieben, dass ich von Goldman Sachs bezahlt werde. Immerhin. Aber der Tag ist noch lang.

Einer schrieb mir eben im Chat, er sei – wohl im Gegensatz zu mir – wenigstens „kein linksgrüner Bionade-Trinker!!“ Und ich solle mal auf TheGermanZ öffentlich schreiben, dass ich die Gleichstellung „bei Schwulen mit der klassischen Ehe“ unterstütze. Das schreibe ich nicht, weil jeder, der meine Texte liest, natürlich weiß, dass ich gegen die Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften mit der traditionellen Ehe aus Mann und Frau bin. Nicht weil ich Homosexuelle diskriminieren will, sondern weil ich die einzige Lebenspartnerschaft, aus der Kinder entstehen, weiter privilegieren will – so, wie es in unserem Grundgesetz Artikel 6 festgeschrieben steht.

Ich werde auch beschimpft von Leuten aus meiner eigenen Partei, wenn sie mal kurz ihre Klatschorgien für die Kanzlerin unterbrechen. Weil ich überhaupt über die AfD berichte, weil ich sie („so eine braune Partei“) sachlich behandle. Und überhaupt, weil ich gar nicht zu schätzen weiß, dass wir Hunderttausende Ingenieure und Atomwissenschaftler in Deutschland aufgenommen haben. Alles schön, ich habe mich an solche Zuschriften längst gewöhnt. So, wie auch meine Kollegen, die für das gleiche Publikum in der bürgerlichen Mitte schreiben. Sind übrigens inzwischen eine ganze Menge solcher Autoren in Deutschland.

Mein und unser Job ist es, die Dinge zu betrachten und darüber zu berichten. Und in Einzelfällen auch – klar erkennbar – zu kommentieren. Mich als „Bionade-trinkenden Linksgrünen“ zu bezeichnen, setzt schon ein erstaunliches Maß an Ignoranz und Verdrängung der Wirklichkeit voraus. Aber – und das ist das Entscheidende: Man darf in diesem Land Bionade trinken, man darf AfD wählen und übrigens CDU auch. Oder Martin Schulz und Frau Wagenknecht. Man darf sogar schwul sein, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Deutschland ist ein freies Land. Und ich hoffe sehr, dass es noch lange ein freies Land bleiben wird…




Jetzt wäre die richtige Zeit, Armut in Deutschland endgültig auszurotten

Morgens mit der ersten Maschine nach Berlin zu fliegen, ist kein Vergnügen. Zum einen ist sechs Uhr Boarding eine Zumutung, zum anderen besonders, wenn man am Abend davor noch politischen Aschermittwoch mitgestalten durfte. Kurzum: Ich bin wirklich müde heute Morgen. Und dann kommt man in der deutschen Hauptstadt an, und alles ist schön und bunt. Ein Cappuccino bei Leysiffer und schnell ins Internet schauen, Taxi, gleich geschäftliches Treffen mit Frühstück, Mittagessen mit einem befreundeten Chefredakteur, abends noch Treffen mit möglichen Sponsoren für TheGermanZ beim Nobelitaliener.

Ja, es kann schön sein in Deutschland. Schöner als in den allermeisten Staaten auf diesem Planeten. Aber es gibt auch noch die andere Seite. Heute wird der Armutsbericht der Bundesregierung vorgestellt. Einige Zahlen sind schon vorab bekannt geworden. Pro Jahr werden in Deutschland in deutlich über 300.000 Haushalten die Energieversorgung abgestellt. Kein Strom, kein Wasser. Können Sie sich vorstellen, was das bedeutet? Kein Licht, keine Fernseher, kein warmes Mittagessen für die Kinder, ein Wassereimer neben dem Klo? Hunderttausende erleben das in Deutschland jedes Jahr. 15,7 Prozent der Einwohner in unserem Land sind von Armut bedroht. Mal durchgerechnet: 82 Millionen Menschen leben hier, 15,7% sind 12,8 Millionen Menschen, Von Armut bedroht! In Deutschland! Gut, bedroht bedeutet nicht automatisch, dass jeder dieser Menschen tatsächlich in die Armut abrutscht. Der Staat unternimmt viel, um wenigstens eine Grundsicherung herzustellen. Es gibt die Tafeln, die in nahezu allen Städten Arme versorgen – und das sind keineswegs nur Obdachlose. Die Wohlfahrtsverbände, die Kirchen leisten ihren Beitrag. Und dann sind auch noch Familienangehörige da, Nachbarm, Freunde, die helfen. Irgendwie kommen die Meisten durch.

Aber haben wir nicht alle neulich gelesen, dass wir im Bundeshaushalt aktuell 24 Milliarden Überschuss erwirtschaftet haben? Mit so viel Geld könnte das Armutproblem in Deutschland vermutlich gelöst werden. Wenn es Politiker gäbe, die sich des Themas annehmen und beherzt ein Konzept aufschreiben und umsetzen, wie diese 24.000.000.000 Euro sinnvoll eingesetzt werden könnten, damit es keine Armut in Deutschland mehr geben muss.




Wen interessiert schon die Landespolitik?

Landespolitik ist wichtig, aber in der Regel eher langweilig. Journalisten wissen, dass mit Themen und Personen aus Düsseldorfer Ministerien und dem Landtag weder Auflage noch Quote zu machen sind. Nur einmal alle fünf Jahre geraten die politischen Akteure an Rhein und Ruhr in den Fokus des öffentlichen Interesses: kurz vor den Landtagswahlen.

Jetzt hat die „Rheinische Post“ herausgefunden, dass es aktuell im rheinischen Karneval keine landespolitischen Motivwagen gab, obwohl 2017 ein Wahljahr ist. Die Tageszeitung über das landespolitische Spitzenpersonal: „Zu langweilig, zu blass, zu farblos, nicht bekannt genug.“ Starker Tobak, oder? Dabei ist Landespolitik durchaus eine wichtige Angelegenheit. Die Schulen und damit die Bildung, Polizei und Sicherheit, die Kinderbetreuung sind Themen, die weitgehend in Düsseldorf und nicht in Berlin entschieden werden. Und ob der rot-grüne Vorstoß für ein „Wahlrecht für Alle“ im kommunalen Bereich kommt (und dann hoffentlich vom Verfassungsgericht kassiert wird), entscheidet sich zunächst erst einmal in NRW.