Kein Promi-Bonus, aber auch keine Hetzjagd bitte!

Fluchtgefahr sieht die Richterin nicht bei dem gestrauchelten Helden, dessen Gesicht jeder Medienkonsument auf der Welt kennt. Und so durfte der Leimener nach dem Schuldspruch das Gerichtsgebäude verlassen.Am 29. April wird Richterin Taylor das Strafmaß verkünden.

Becker wurde vorgeworfen, dem Insolvenzverwalter Teile seines Vermögens – Geld, Immobilien, wertvolle Trophäen – vorenthalten oder deren Existenz verschleiert zu haben. Becker bestritt die Vorwürfe und wies die Schuld seinen Beratern zu, die sich um alles Finanzielle für ihn gekümmert hätten. In den meisten Anklagepunkten folgten die Geschworenen dieser Verteidigungsstrategie, in vieren nicht.  Und deshalb wird es jetzt ganz ernst, denn im schlimmsten Fall sieht das Strafrecht für einen solchen Fall eine Haftstrafe von bis zu sieben Jahren vor.

Niemand von uns, und natürlich auch ich, kann voraussehen, wie das ausgeht. Und meine Leser wissen, dass ich ohne Wenn und Aber immer ein Verfechter von Law and Order, von Recht und Gesetz gewesen bin und jetzt auch bin. Natürlich.

Aber…ich mag diesen Kerl aus dem badischen Provinzkaff Leimen, der die Tenniswelt revolutionierte, dem die Herzen und die Millionen nur so zuflogen mit seinem spektakulären Spiel und seiner unbekümmerten Art.

Mich hat Tennis nie interessiert, und auch als dann Steffi Graf ebenso glamourös in den Tennishimmel aufstieg, war es anders als bei Boris. Vor Becker hielt ich ein Ass für eine Spielkarte, ich habe Stunden vor dem Fernsehapparat im Wohnzimmer meiner Eltern verbracht, um die sonore Stimme des Schiedsrichters zu hören, der „Out“ oder „Fault“ entscheidet. Boris Becker im Finale, das war für mich und Millionen Menschen wie das Finale einer Fußball-Weltmeisterschaft. „Bumm-Bumm-Boris“, selbst unmoralische Besenkammerbesuche sahen ihm fast alle nach.  Doch jetzt dreht sich der Wind.

Die üblen Nörgler in den Sozialen Netzwerken haben ein neues Opfer. Es ist verstörend zu sehen, wie viele Leute aus welcher Motivation auch immer, auf den Helden von einst verbal einschlagen, gnadenlos. „Hoffentlich wird er lange eingesperrt“ – was sind das für Gestalten, die solche Sätze raushauen? Wie gestört und unzufrieden müssen sie mit ihrem eigenen Leben sein, um so etwas zu schreiben? Hängt ihn auf! Richtet ihn hin! Keine Gnade!

Warum eigentlich?

Es ist doch ganz klar, dass auch im Fall von Prominenten nach Recht und Gesetz gerichtet werden muss. Wer wollte das bestreiten? Ich ganz sicher nicht.

Einen Promi-Bonus darf es vor Gericht nicht geben, aber auch keine Hetzjagd, weder vom Justizsystem, noch von den Medien und auch nicht von den Geiferern im Internet. Gab es ein öffentliches Anrecht, die Steuererklärungen von Uli Honeß in Medien zu veröffentlichen? Wie hat man Jörg Kachelmann den Fotografen vorgeführt wie ein Tier im Zoo damals? Und als beim einstigen Post-Chef Zumwinkel Staatsanwaltschaft und Polizei zur Hausdurchsuchung anrückten, waren die Fernsehteams von WDR und RTL bereits vor Ort und hatten Beleuchtung und Kameras aufgebaut. Ist das alles gerecht? Werden Prominente fair behandelt vom Justizsystem, von Medien und vom Publikum? Ich glaube nicht.

Die Geschworenen vom haben Recht gesprochen, Frau Taylor wird das Strafmaß verkünden. Ich hoffe für Boris, dass er mit einer Bewährungsstrafe davon kommt. Einfach, weil ich ihn mag und nicht vergessen habe, wie viele schöne Stunden er uns allen beschert hat und was für ein großartiger Sport-Repräsentant er für unser Land gewesen ist.

Vielleicht war er wirklich naiv, vielleicht war er aber auch raffgierig, konnte den Hals nicht voll bekommen und muss jetzt dafür büßen. Alles ist möglich.

Aber als ich jetzt die Fotos von ihm gesehen habe, wo er nach dem Schuldspruch mit ernstem Gesicht, deutlich gealtert, begleitet von seiner Lebensgefährtin Lilian und seinem Sohn Noah, da tat mir der Junge aus Leimen wirklich einen Moment von gazem Herzem leid.

Eine eigene feste Meinung leisten, das ist nicht nur umsonst zu machen. Bitte  unterstützen Sie meine journalistische Arbeit auf diesem Blog mit PAYPAL hier oder durch eine Spende auf unser Konto bei der Berliner Sparkasse DE18 1005 0000 6015 8528 18 !