Kundus ist gefallen

Vor zwei Jahren wehten noch schwarz-rot-goldene Fahnen in Kundus, heute haben die Taliban ihre schwarzen Unheilsfetzen gehisst. Kundus ist gefallen, ein Menetekel für die Zukunft Afghanistans. Frau Käßmann hatte nicht recht, als sie vor Jahren sagte „Nichts ist gut in Afghanistan“. Tatsächlich gab es viele Jahre eine bescheidene positiven Entwicklung, oftmals nicht im Blickpunkt der deutschen Öffentlichkeit, die mehrheitlich gegen den Bundeswehr-Einsatz am Hindukusch war. In dem Stadion in Kubal, in dem einst gehenkt und gesteinigt wurde, fanden wieder Fußballspiele statt, bei denen Sängerinnen in der Halbzeit das Publikum unterhielten. Für uns eine Lapalie, für das geschundene Land ein Riesenschritt. Ebenso wie die Fortschritte bei der medizinischen Versorgung und Infrastruktur, der Neubau von Schulen, in denen Mädchen selbstverständlich mit unterrichtet wurden. 13.000 Frauen in Afghanistan absolvieren derzeit eine Berufsausbildung. Ja, die Machthaber waren und sind korrupt, und ja, es gab immer wieder Anschläge. Afghanistan wird nie in freiheitlicher Rechtsstaat nach westlichem Vorbild sein. Und dennoch sagten gerade Soldaten, die dort waren – oft mehrfach, dass sich ihr Einsatz gelohnt hat. Das ist nun alles gefährdet. Der Westen hat sich militärisch weitgehend zurückgezogen, jetzt sind die Afghanen selbst dran, ihr Land und die paar neu gewonnenen Freiheiten zu verteidigen. Heute haben die Taliban Kundus eingenommen – eine 300.000-Einwohner-Stadt. Die afghanischen Sicherheitskräfte bereiten sich darauf vor, die Stadt zurückzuerobern. Gelingt das, wäre es ein Zeichen an die ganze Welt, dass nicht alles umsonst war. Gelingt es nicht, gibt es für Afghanistan keine Hoffnung.