Mit atomaren Feuer spielt man nicht

Im politisch-publizistischen Meinungskampf gibt es derzeit kaum etwas Zynischeres, Geschichtsvergesseneres, ja bisweilen Widerwärtigeres als die Texte von Jakob Augstein, kleiner Sohn des großen Rudolf Augstein. Heute beschäftigt er sich in seiner spiegel-online-Kolumne mit Israel und Irans Streben nach einer eigenen atomaren Bewaffnung. Und wenn in einem Augstein-Text Israel vorkommt, ist Aufmerksamkeit geboten, hat er es mit seinen Stellungsnahmen zu diesem Thema doch sogar schon einmal auf die Liste des Simon Wiesenthal Centers der „Top Ten Anti-Israel/Anti-Semitic Slurs“, der Top Ten der antiisraelischen oder antisemitischen Verunglimpfungen, geschafft.
Heute erfreut uns der junge Herr Augstein mit der Feststellung: „Die iranische Bombe ist nicht mehr zu verhindern. Aber ist das eine Katastrophe?“ Und er versteigt sich zu der These: „Es ist nicht in erster Linie das iranische Streben nach der Bombe, das der Region die Stabilität raubt – sondern Israels alleinige Verfügung darüber.“ Also in meinen Worten: Nur Israel hat im Nahen Osten Atomwaffen, und das gefährdet den Frieden. Und erst wenn auch arabische Staaten mit der ultimativen Zerstörungswaffe ausgestattet sind, wird es wirklich friedlich. Ist es gutmenschliche Naivität des Autors, oder meint er das wirklich ernst? Ich glaube mit Blick auf Jakob Augsteins Gesamtkunstwerk schreibenden Schaffens, dass es schlimmer ist. Ich glaube, dass er genau weiß, dass nicht Israel seine Nachbarstaaten mit Vernichtung bedroht, sondern einige dieser Nachbarn Israel. Und zwar nicht einfach nur mal so ein bisschen, sondern mit der Drohung totaler Vernichtung, mit der Auslöschung des ganzen Staates. Kaum ein Land hat diese Drohung unverblümter und eindeutiger formuliert, als der Iran. Bis in die jüngste Vergangenheit.
Der einzige Grund, weshalb es Israel überhaupt noch gibt, ist seine militärische Dominanz im Nahen Osten und das Wissen der Feinde um sein nukleares Waffen-Potential. Nur dies und das Bündnis mit den USA sichern bis heute seine Existenz. Benachbarte Staaten, die ebenfalls in den Besitz von Atomwaffen kämen, würden das Risiko eines großen Krieges vervielfachen, besonders wenn instabile Staaten am Drücker sitzen. Instabil ist der Iran nicht, aber er ist unberechenbar, wie wir gerade sehen, wo nur Stunden nach dem staatlicherseits mühsam ausgehandelten Atom-Kompromiss die Mullahs alles wieder in Frage stellen. Wer diesen Leuten Massenvernichtungswaffen in die Hände geben oder auch nur dabei zuschauen will, wie sie sich solche Waffen selbst beschaffen, potenziert die Kriegsgefahr und spielt mit dem atomaren Feuer.