Muttis Zeit läuft ab, die Ära der jungen Männer hat auch in der Union begonnen

Eine echte Revolution gab es nicht, Rücktrittsforderungen an Angela Merkel nur vereinzelt und wenn, dann begleitet von kräftigen Buh-Rufen. Aber der Wille zu programmatischer Klarheit und einem personellen Neuanfang der Union war beim Deutschlandtag der Jungen Union in Dresden mit Händen zu greifen. Die Junge Union? Ist das nicht ein Haufen Karrieristen, die immer mal zum großen Wurf ansetzen und sich dann aber nicht trauen? Nein, genau das ist sie nicht, die Parteijugend von CDU und CSU. 110.000 Mitglieder stark, ist sie ein wichtiger Faktor bei jedem Wahlkampf ihrer Partei. Es sind die JUler, die an den Infoständen in Fußgängerzonen stehen, die den Grill beim Sommerfest der Ortsunion und die Bierbänke aufbauen. Es sind Jungunionisten, die Flyer in die Briefkästen der Haushalte verteilen, die Kandidaten bei Hausbesuchen begleiten und orangefarbene „Team“-T-Shirts tragen. Ohne die JU würde Vieles nicht mehr laufen in der träge und langweilig gewordenen Volkspartei der Mitte. Jens Spahn, den inzwishen viele in der Union als Gegenmodell zu Merkel sehen, bringt es auf den Punkt: „Glaubt denn irgendjemand ernsthaft im Saal, wir hätten in Baden-Württemberg zwölf Prozent an die AfD verloren – wegen der Pflegepolitik?“ Der Saal jubelt. Spahn wird nach seinem 40-minütigen Grußwort vom Nachwuchs der Partei gefeiert wie ein Popstar. Und manch einer wird einen kurzen Gedanken an Sebastian Kurz von der österreichischen Schwesterpartei ÖVP zugelassen haben. Neue Gesichter, junge Anführer sind gefragt bei den Bürgerlichen. Kurz macht es vor, Lindner hat es bei der FDP gezeigt und Spahn könnte der Mann der Zukunft bei der CDU sein. Mutti? Die ehrt man, aber der vertraut man nicht die Zukunft an.

Sie haben sich alle nochmal in bequeme Ämter gerettet, die Wahlverlierer. Merkel wird wieder Kanzlerin und moderiert eine Koalition mit Grünen und CSU – viel Spaß dabei! Seehofer wird in seiner CSU unverholen als Auslaufmodell betrachtet – von den eigenen Parteifreunden. Peter Gauweiler hat es knackig zusammengefasst: „Horst, es ist Zeit!“. Als Peter Tauber, der überforderte Generalsekretär in der Tradition eines Ruprecht Polenz, beim Deutschlandtag einzog, erntete er Pfiffe aus dem Auditorium. CDU/CSU-Fraktionschef Kauder fuhr bei seiner Wiederwahl ein grottenschlechtes Ergebnis der Abgeordneten ein. Und über Peter Altmeiers unsägliches Zitat aus der vergangenen Woche will ich hier gar nicht anfangen…

Sie sind die Leute von gestern, die sich hier nochmal die Pfründe und Dienstwagen gesichert haben. Ein Skandal, dass niemand, wirklich niemand von denen die Verantwortung für den katastrophalen Wahlkampf und die historische Niederlage übernimmt, die zudem – bisher ein No-Go – mit der AfD eine starke Partei rechts der Union in den Bundestag spülte. Merkels Zeit ist vorbei, sie weiß es nur noch nicht. Die Zeit der Spahns, Linnemanns und Ziemiaks (JU-Chef) hat längst begonnen.

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Dieser Artikel wurde 13 mal kommentiert

  1. Ruth Antworten

    Sehr geehrter Herr Kelle,

    Die Zeit von Frau Merkel mag theoretisch vorbei sein, Fakt ist aber, sie bleibt uns trotz dieses Wahl“sieges“ leider erhalten.

    Auch ich habe auf den Nachwuchs der CDU gehofft. Doch wer von diesen glaubt, mit dem Verteilen irgendwelcher Flyer Wählerstimmen zu gewinnen, ist leider selbst fern jeder Realität.
    Wer von uns wählt eine Partei, weil man einen Flyer dieser Partei in den Briefkasten gesteckt bekam?

    Nein, dazu bedarf es wirklich etwas mehr. Und vor allem nicht nur ein paar „Buh-Rufe“ bei angebrachter Kritik – nein – es hätte tosenden Applaus geben müssen. Dann hätten die Wähler gemerkt – hallo – da sind Leute bei der Jungen Union, die scheinen etwas auf dem Kasten zu haben, die schauen wir uns mal genauer an. Können wir diesen jungen „Rebellen“ trauen, oder sind es letztendlich doch wieder Merkel-hörige Dauerklatscher.

    — und wenn Sie noch etwas zum Schmuzeln brauchen, betrachten Sie das Titelbild der morgigen Ausgabe vom Spiegel, ja vom Spiegel! Ist es nicht lustig?

    In diesem Sinne
    einen schönen Sonntag noch

  2. Klaus Beck Antworten

    Lieber Herr Kelle,

    der Weg in den Totalitarismus wird nicht von ein paar – verzeihen Sie bitte – Milchgesichtern aufgehalten, die, abgesehen von allen anderen Aspekten, noch nicht einmal irgendeinen beruflichen Reifungsprozess aufzuweisen haben.

    Der von Ihnen erwähnte, derzeit (noch) hoch gehypte Sebastian Kurz hat keine Berufsausbildung und ist seit seinem 17. Lebensjahr ausschließlich Parteifunktionär.

    Herr Lindner hat Politikwissenschaften studiert, ist seit dem 18. Lebensjahr Parteifunktionär und kann nach wenigen Jahren des Unternehmers immerhin schon mit einer Insolvenz aufwarten.

    Herr Ziemiak ist seit dem 14. (!) Lebensjahr Parteifunktionär und war ausweislich Wikipedia noch nie beruflich tätig, schrieb sich aber verdienstvollerweise bereits in mehrere Studiengänge ein.

    Dagegen ist Herr Spahn mit seiner Funktionärstätigkeit ab dem 19. Lebenjahr, einer abgeschlossenen Ausbildung zum Bankkaufmann und einem Jahr als Angestellter einer Immobilienbank schon ein echtes politisches Schwergewicht.

    Ist es unrealistisch, dass Menschen mit solchen Lebensläufen in jeder Hinsicht finanziell, sozial und persönlich von einem wo auch immer befindlichen Establishment maximal abhängig sind und mit den „Menschen da draußen“ nicht irgendeinen Berührungspunkt haben?

    Schon eine verrückte Zeit, in der wir auf Personen und Karrieren wie diese unsere ganzen „Hoffnungen“ setzen …

    • S v B Antworten

      Zu Ihren Ausführungen, lieber Herr Beck, passt ein sehr desillusionierender Artikel, den ich Ihnen empfehlen möchte.

      Es handelt sich um eine Analyse von Fritz Goergen in Tichys Einblick. In dieser wird deutlich, dass dem schon längst streng in Wuchsrichtung gebürsteten Altparteien-Nachwuchs der Sinn inzwischen kaum noch nach Erneuerung oder Veränderung, sondern vielmehr nach schnödem Opportunismus steht. Das dabei angepeilte Ziel ist eine so erfolgreiche wie finanziell einträgliche Karriere als Berufspolitiker. Um das Erreichen dieses Ziels bloß nicht zu gefährden, sollte man sich tunlichst jedweder Kritik an der Parteiführung enthalten; selbst dann, wenn einem der Kragen fast zu platzen droht.

      So kam es, dass selbst ein „junger Parteitag“, in den mancher gewiss größere Hoffnungen gesetzt hatte, einmal mehr zu einer Versammlung von Klatschhasen verkam. Einen Achtungserfolg konnte für mich einzig der junge Diego (…?) verbuchen, der es doch tatsächlich wagte, sich gefährlich weit aus dem Fenster zu lehnen und Merkel mit mutigen Worten zu kritisieren. Er griff die Große Vorsitzende regelrecht an und forderte – gerade eben noch indirekt – deren Rücktritt. Der couragierte Auftritt des Jung-CDUlers wurde, wie fast nicht anders zu erwarten, allseits mit Buh-Rufen quittiert (Soll der doch ruhig seine Zukunft ruinieren…!). Die Kanzlerin selbst reagierte auf die scharfe Kritik des jungen Mannes in gewohnter Manier, irgendwie gelangweilt und ziemlich desinteressiert; eigentlich genau so, wie zu erwarten stand. Kommt Hochmut vielleicht doch nicht immer vor dem Fall?

      Es läuft so gar nicht gut für die Demokratie im Lande!

      • S v B Antworten

        Sorry, Herr Beck, habe Ihnen den Titel des Artikels vorenthalten. Er lautet: Merkel wie Junge Union : Parteienstaat zur Karrierebeförderung.
        Lb Gr

        • HaJo Heinrichs Antworten

          Darf ich dem einen Kommentar hinzufügen, den ich heute morgen auf Focus Online veröffentlicht habe?

          Wer erwartet hat das die „voll muttivierten“ Jung- Unionisten endlich mal aufdrehen und Mutti die Zähne zeigen, den muss man fragen wovon er sonst noch träumt. Vor der Veranstaltung haben Sie den Bayrischen Löwen imitiert und mit Beginn der Veranstaltung sind sie wie erwartet zum devoten kleinen Schmusekätzchen mutiert. Letzten Endes ist das im KanzlerInnen-wahlverein CDU spätestens seit Helmut Kohl gute Tradition. Außerdem will der frisch in den Bundestag gewählte Jungunionist Ziemiak doch Karriere machen. Dafür muss man dann schon mal brav sein.
          Alles für die Karriere und nichts für das deutsche Volk. Wahltag ist vorbei jetzt ist Zahltag für die Diäten!
          Merke: Grundvoraussetzung für politische Karrieren in der Union ist fehlendes Rückgrat!!!

  3. colorado 07 Antworten

    Dass die Parteijugend spürt, dass es so nicht weiter gehen kann, ist schon ein kleines Zeichen der Hoffnung. Sie spürt , dass sich die CDU in einem Überlebenskampf befindet und weiß, dass die Partei mehr sein muss als ein Akklamationsverein für die Kanzlerin. Sie ahnt auch, dass Angela Merkel und ihre Weiter-So-Strategen den Karren vollends in den Dreck ziehen werden, so dass nach den nächsten Wahlen für diese Partei, die einmal eine Partei der Mitte war, das Licht endgültig ausgehen könnte.
    Aber ob die Qualität zur Revolution von unten ausreicht? Es wäre zu hoffen. Eine Alternative dazu gibt es nicht.

  4. Klaus Beck Antworten

    Bei dem Titel

    „Muttis Zeit läuft ab, die Ära der jungen Männer hat auch in der Union begonnen.“

    muss ich an die Szene von John McLane (Bruce Willis) in „Stirb langsam – Teil 2“ denken, als eine Truppe junger Anti-Terror-Einsatzkräfte am Flughafen eintrifft und McClane den Einsatzleier fragt: „Wird’s jetzt besser oder wird’s noch schlimmer?“

    • S v B Antworten

      Ich kenne den von Ihnen, lieber Herr Beck, zitierten Streifen zwar nicht (ist wohl eher kein Film für weibliche Kinofans?), aber angesichts des geradezu lächerlichen Gummi-Kompromisses, den Frau Merkel und ihr Lakai aus München sich gestern getraut haben, selbst den intelligenteren unter Deutschlands Bürgern als zukunftsfähig zu verkaufen, gebe ich Ihnen gerne eine Antwort auf Ihre Frage: es wird noch schlimmer.

      • Tina Hansen Antworten

        Liebe SvB, als weibliche ZIvilangestellte der Deutschen Bundeswehr kann ich bestätigen, dass männlicher und weiblicher Kinogeschmack weit auseinander geht. Unsere engagierten Versuche, Filme für gemeinsame Kinoabende zu finden, um der abendlichen Kasernen-Oede zu entfliehen, sind in nahezu allen Fällen gescheitert. Aber lustig war’s doch… vor allem beim Bierchen danach. Das schmeckte allen 😉

        • S v B Antworten

          O ja, Männer scheinen tatsächlich eine Kategorie von Streifen zu bevorzugen, welche der geschwätzige Mario Barth einmal recht platt mit „Schießfilme“ titulierte. Die Bezeichnung ist zwar simpel, trifft den Nagel aber wohl auf den Kopf.

          Kommen Sie gut und möglichst entspannt durch einen weiteren interessanten Sonntag!

          • Tina Hansen

            Habe soeben mein Teil bzw Kreuzchen dazu beigetragen, dass dieser traumhafte Oktobertag interessant werden mag. Warum hier in Niedersachsen die SPD plötzlich so stark sein soll, erschließt sich mir bis zur Stunde noch nicht. Wir werden sehen…

  5. Tina Hansen Antworten

    Lieber Herr Kelle, ich bin eindeutig kein Freund des Gender-Irrsinns, aber ich finde Ihre Überschrift dennoch nicht ganz gelungen. Ob es nun junge Männer oder Frauen oder Menschen beider Geschlechter sind, die Angela Dorothea die Erste entmachten, ist mir völlig schnuppe. Hauptsache, es passiert. Ich persönlich glaube es aber erst, wenn ich es sehe.

    • S v B Antworten

      Hatte ich doch Herrn Kelles Gender-Ungerechtigkeit glatt übersehen! Also wirklich, ein Faux-pas vom Allerfeinsten.

      Trotzdem könnte mit Herrn Kelles Wortwahl („junge Männer“) zum Ausdruck kommen, dass es vermutlich eher Männer sein werden, die sich gegen Merkel auflehnen werden. Von den weiblichen Parteimitgliedern erwarte ich in dieser Hinsicht eher nichts. Vielmehr gehe ich davon aus, dass in den Reihen der weiblichen Parteimitglieder kaum die Bereitschaft für einen Sturz Merkels besteht, weil es sich bei Merkel um eine Geschlechtsgenossin handelt. Da man sich von einer solchen gewiss besser verstanden und vertreten fühlt, will man eine Umbesetzung – am Ende zugunsten eines männlichen Kandidaten! – möglichst vermeiden. Die Solidarität gerade unter Frauen darf man nicht unterschätzen.

      Zudem kann von gesunden jungen Männern erwartet werden, dass diese ab einem gewissen Alter ohnehin auf Distanz zu „Mutti“ gehen. Eine Verschiebung familiärer Strukturen, die sogar in der Parteifamilie eine gewisse Entsprechung haben könnte. Was weiß man denn? Insofern erachte ich Herrn Kelles Wortwahl („junge Männer“) als durchaus treffend; Gender hin oder her.

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