Oh Du schöner Westerwald…
Endlich mal wieder ein echter Skandal… Mitglieder der Jungen Union aus Limburg haben beim Saufen in einer Berliner Kneipe „Oh Du schöner Westerwald“ gesungen…nein, „gegrölt“, wie die Empörungsmedien berichten. Ein bekanntes Volkslied, das ich schon als Kind kannte, weil es auf Schützen- und Sportfesten ebenso gesungen wurde wie auf Junggesellenabschieden oder bei Geburtstagsfeiern. Und – wie ich jetzt las – auch bei der Wehrmacht und der Bundeswehr.
Nun warte ich auf meine öffentliche Hinrichtung – die Geisterjäger stehen bereit. Denn – Achtung! – jeden Augenblick kann rauskommen, dass ich neben „Hoch auf dem gelben Wagen“ während meines Wehrdienstes beim Jägerbataillon 451 beim Marsch durchs Gelände auch unser Kompanielied „Schwarz-braun ist die Haselnuss“ singen musste. Kein Witz! „Schwarz-braun ist die Haselnuss, schwarz-braun bin auch ich, ja bin auch ich…“ Wie konnte ich nur, warum habe ich mich nicht zur Wehr gesetzt und bin wenigstens fahnenflüchtig geworden damals?
Betrachten wir den Text des Liedes mal einen Moment im Lichte der bunten Vielfalt:
In der ersten Strophe heißt es
„O, du schöner Westerwald,
über deine Höhen pfeift der Wind so kalt;
jedoch der kleinste Sonnenschein,
dringt tief ins Herz hinein.“
Pfeift der Wind so kalt? Der kleinste Sonnenschein? Zweifellos eine Warnung vor dem Klimawandel und ein Plädoyer für den Ausstieg aus dem Kohlebergbau. Ich würde sagen: Mildernde Umstände.
Dann kommt es ganz dick in der zweiten Strophe:
„Und die Grete und der Hans
geh’n des Sonntags gern zum Tanz,
weil das Tanzen Freude macht
und das Herz im Leibe lacht.“
Eine Katastrophe! Hier wird die heterosexuelle Zwangsnormativität offen propagiert. Kein Wort über Transgender und Intersexualität, über Schwule und Lesben. Nur Grete und Hans beim Tanz. Wahrscheinlich wollen sie sogar später Kinder haben und sie selbst erziehen, also ihnen schweren Schaden zufügen…
Schließlich die dritte Strophe:
„Ist das Tanzen dann vorbei,
gibt es meistens Schlägerei,
und dem Bursch, den das nicht freut,
sagt man, er hat keinen Schneid.“
Da ist die Textexegese komplizierter. „Bursch“ und „Schlägerei“ – das ergibt erst einmal Sinn. Männer sind halt so, agressiv, stets von Alkoholschwaden umweht und darauf aus, anderen die Fresse zu polieren. Was aber tun, wenn die „Burschen“ aus Afghanistan, Syrien oder Marokko stammen und Messer dabei haben? Sind das dann nicht kulturelle Besonderheiten, die wir respektieren sollten? Ich denke, mit der Warnung vor dem Klimawandel und dem Respekt vor fremden Kulturen, sind alle aus dem Schneider, die das Lied je gesungen haben. Und das mit „Grete und Hans“ – da sollten wir eine neue Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung starten…