So, und jetzt: Anpfiff!

Endlich hat mal wieder ein Interview in einer deutschen Qualitätszeitung für Furore gesorgt. Die beiden Redakteure Eckart Lohse und Markus Wehner führten es vergangenen Mittwoch in Potsdam mit dem stellvertretenden Vorsitzenden der Alternative für Deutschland (kurz: AfD), wobei wir hier – anders als in anderen Medien – den Zusatz „rechtspopulistischen“ heute mal weglassen, weil wir ja bei Frau Wagenknecht von der Linken auch nicht penetrant „linkspopulistischen“ hinzufügen.

Die beiden genannten Journalisten stehen in Lohn und Brot beim Verlag Frankfurter Allgemeine Zeitung, der damit wirbt, dass hinter seiner Tageszeitung immer ein kluger Kopf stehe oder sitze. Wie man außerdem im Umfeld von Herrn Gauland hörte, soll es sich bei dem Gespräch in Potsdam eigentlich um ein „Hintergrundgespräch“ gehandelt haben, das so genannt wird, weil man sich zwar offen die Meinung sagt, aber nicht anschließend darüber berichtet. Nun, sei’s drum. Was als „Gauland beleidigt Boateng“ durch Veröffentlichungen landauf, landab durch die Gazetten waberte, wurde aus einem einzigen Satz destilliert, den Gauland gesagt haben soll: „Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“ Peng! Das saß. Aber hatte der Politiker das wirklich gesagt? Nach eigener Stellungnahme nicht, denn – so Gauland – er habe gar keine Ahnung von Fußball. Auch die FAZ-Redakteure räumten später ein, dass sie selbst es wohl gewesen sind, die den Namen Boateng ins Spiel brachten. Und „Aufzeichnungen“ habe es auch gegeben, versicherte die FAZ, was den Eindruck hinterließ, es habe sich um Aufzeichnungen mit einem Bandgerät gehandelt. Erst später stellte sich heraus, dass die Aufzeichnungen mit einem Kugelschreiber angefertigt wurden. Der ganze Vorgang dokumentiert eindrucksvoll, warum so viele Menschen in Deutschland den Medien nicht mehr vertrauen, warum „Lügenpresse“-Sprechchöre bei Demonstrationen „besorgter Bürger“ in Deutschlands Straßen inzwischen zum Alltag gehören.

In gut einer Woche beginnt übrigens die Fußball-Europameisterschaft mit dem Spiel zwischen Frankreich und Rumänien in Paris. Die Sicherheitslage dort wäre wahrlich ein Thema, das mehr Beachtung finden sollte, als die Posse um Gauland und den Nationalspieler Jerome Boateng. Der ist als Ziel rassistischer Attacken nämlich wirklich völlig ungeeignet. Deutscher Staatsbürger mit deutscher Mutter, in Deutschland aufgewachsen, keine Integration nötig, und Christ ist er auch noch. Warum also um alles in der Welt sollte man nicht neben ihm wohnen wollen? Und warum sollte ein Politiker so dämlich sein, kurz vor dem großen Turnier einen unserer deutschen Spieler zu beleidigen? Gestern traf ich unsere Nachbarin. Sie hatte einen Cowboy-Hut in Schwarz-Rot-Gold auf dem Kopf und diverse Fußball-Devotionalien in der Einkaufs-Tüte. Millionen Deutsche freuen sich, dass der Ball endlich wieder rollt. Wer will da diesen Schwachsinn hören?

Der frühere deutsche Nationalspieler Gerald Asamoah setzte am Wochenende den überaus launigen Schlusspunkt in der Debatte um Gauland und Boateng. Der dunkelhäutige Fußballer (darf man das eigentlich sagen?) zwitscherte im Internet: „War gestern irgendwas mit Jerome Boateng & Gauland? Hab nix mitbekommen, war den ganzen Tag bei meinem Nachbarn.“ So, und jetzt: Anpfiff!

Zuerst erschienen als „Tagespost-ing“ in der Tagespost vom 2. Juni 2016 (www.die-tagespost.de)