Mehr Juso als Staatsoberhaupt

Wir sprechen ja viel über die Qualität unseres politischen Spitzenpersonals in Deutschland. Und Sie wissen, dass ich nicht zu Pauschalurteilen neige. Es gibt durchaus eine Menge Volksvertreter im politischen Betrieb Berlins, die ihr Mandat ernst nehmen und das Volk so gut wie möglich zu vertreten versuchen. Und dabei, das wird einige überraschen, verläuft die Trennlinie keineswegs zwischen allen Linken und allen Nicht-Linken im Hohen Haus.
Ich habe in meinem Berufsleben beeindruckende idealistische und sympathische Grüne kennengelernt. die aber leider komplett auf der falschen Seite stehen. Die SED/Linke ist etwas anderes. Da mag es auch gute Leute geben, aber wer sich in der Nachfolge der SED-Diktatur, der Stasi und der Todesschützen an der Mauer wohlfühlt, der ist für mich raus. Da denke ich nicht einmal drüber nach, mit diesen Leuten will ich nichts zu tun haben.

Und, erlauben Sie mir den kurzen Zwischenruf, es war ein schwerer Fehler, dass die SED/PDS/Linke 1990 nicht komplett verboten worden und ihr Milliardenvermögen eingezoegn worden ist. Und die führenden Köpfe und Handlanger nicht konsequent vor Gericht gestellt und verurteilt worden sind, wenn sie für Unrecht persönlich verantwortlich waren.

Bei der SPD kenne ich sogar besonders viele sympathische und engagierte Leute

Mein erster Schwiegervater war SPD-Mitglied und Gewerkschafter. Leider ist er vor zwei Jahren verstorben. 30 Jahre war ich nicht mehr in dem kleinen Ort in meiner lippischen Heimat, aber als ich von seiner Beerdigung erfuhr, setze ich mich vier Stunden ins Auto und fuhr hin, um Abschied zu nehmen.

In diesem Dorf war damals fast jede Woche irgendein Stammtisch. Im Alten Krug. Immer die gleichen Leute, an einem Tag stand der Wimpel der SPD auf dem Tisch, dann waren die Kaninchenzüchter dran, der Sportverein…die SPD und die Dorfgemeinschaft waren eins. Und es war schön. Bei jeder Wahl gaben mindestens 60 Prozent der Wähler ihre Stimme für die Genossen ab. Eine CDU gab es auch, die ein Schattendasein führte und knapp über 20 Prozent lag. Vorsitzender und jedes Mal Kandidat für irgendwas war ein Bauer. Den mochte man, aber man wählte ihn nicht , weil er „ein Schwarzer“ war. Manchmal spendierte ihm einer von „den Roten“ ein Bier im Gasthof, wenn er allein am Tresen hockte.

Wenn ich heute daran zurückdenke: Es hatte ein bisschen was von „Don Camillo und Peppone“ da in dem kleinen 1400-Seelen-Dorf am Fuße des Teutoburger Waldes.

Und ich weiß noch, was es für einen Aufruhr im Dorf gab, als ich – der neue Freund der schönen Tochter – im Wahlkampf mit einem CDU-VW-Bulli unterwegs war – der sogar noch einen Lautsprecher auf dem Dach hatte und großflächig mit „Freiheit statt Sozialismus“ beklebt war. Der stand nachts direkt vor dem Haus der Familie. Mehr als einmal wurde mein damals noch angehender Schwiegervater von Nachbarn angesprochen, dass er seine Tochter und ihren Freund „wohl nicht im Griff“ habe. Ach herrlich, ich muss heute noch lachen, wenn ich an diese Jahre zurückdenke.

Und damit kommen wir zurück in die raue Wirklichkeit

Und zu diesem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Ich sage bewusst „dieser“ und nicht „unserer“. Ja, rechtlich gesehen ist er das natürlich, aber ich fühle mich von diesem Mann in keinster Weise repräsentiert. Er ist die schlimmste Fehlbesetzung für Deutschlands höchstes Staatsamt seit 1945. Und, auch er stammt aus Lippe, meiner Heimat. Geboren in der Kreisstadt Detmold. Auch Gerhard Schröder stammt aus Lippe, genau aus Blomberg, wirklich erstaunlich, was für prägende Persönlichkeiten von dort kommen, oder?

Jeder hat eine Chance verdient, und jetzt ist er nun mal da, würde Frau Merkel wohl sagen. Aber an dem Tag, an dem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Besuch eines Konzertes der links-primitiven Band „Feine Sahne Fischfilet“ öffentlich aufrief, war der Mann für mich durch. Heute wissen wir, dass er eine zentrale Rolle im Umfeld Schröders dabei spielte, Deutschland in eine bedrohliche Abhängigkeit von Russland bei der Energieversorgung zu führen. Und nun seine unsägliche Rede zum 9. November vorgestern.

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Da sprach nicht ein Bundespräsident, ein Staatsoberhaupt. Das sprach ein Juso-Funktionär im Anzug eines Bundespräsidenten und arbeitete sich an der AfD ab.

Ob dem Mann klar ist, dass er und Schröder, Frau Schwesig, Platzeck und Stegner Deutschland mit ihrer Putin-Besoffenheit mehr Schaden zugefügt hat, als es die AfD mit ihren Reisegruppen auf die Krim und ihren „nützlichen Idioten“ Moskaus (frei nach Lenin) je getan hat? Wer hinterfragt das eigentlich mal? Wo ist der Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zu Schröders und Steinmeiers Lobbyarbeit für den Kreml?

Ohne die AfD explizit zu nennen in seiner Rede verstand jeder Zuhörer, wen Steinmeier meinte, als er „Wir müssen handeln“ proklamierte. Das Instrument eines Parteienverbots sei ebenso wenig undemokratisch wie der Ausschluss von Verfassungsfeinden von einer Wahl zur Landrätin oder zum Bürgermeister. Das sehe ich m. E. anders.

Gilt das eigentlich auch für Frau Reichinnek von der SED, die so gern nochmal ein kleines Experiment mit dem Sozialismus wagen will?

Es gäbe viel zu sagen für ein deutsches Staatsoberhaupt am 9. November. Und es wäre Aufgabe des Bundespräsidenten zu versöhnen statt weiter zu spalten., Aber Steinmeier kann es nicht, er ist und bleibt dieser Buchhaltertyp mit dem Juso-Gen, der weder intellektuell noch durch seine Persönlichkeit an seine Amtsvorgänger heranreicht – ok, Heinrich Lübke war ein spezieller Sonderfall.




Einig Vaterland? Noch lange nicht….

Es ist schon wieder 36 Jahre her, aber immer noch empfinde ich den 9. November 1989 als einen der glücklichsten Tages meines Lebens. Klar, nicht vergleichbar mit der Eheschließung vor dem Altar oder der Geburt der eigenen Kindes, aber ein unvergesslicher Tag.

„Die Mauer ist offen, die Leute kommen rüber“, sagte mir mein damaliger Boss beim Privatradio Hundert,6 abends zu mir. Wir waren beim 50. Geburtstag des Gründers, Ulrich Schamoni, in einem Gasthaus in Neukölln. Die Schöneberger Sängerknaben traten auf, Eberhard Diepgen gratulierte, Karl Dall hielt eine Rede, es gab Schampus und Hummer satt, so wie man es im alten West-Berlin damals halt krachen ließ. „Trommeln Sie die Mannschaft zusammen und dann alle raus“, ordnete Chefredakteur Georg Gafron an.

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Auch für ihn ist dieser Tag ein besonderes Ereignis. In Weimar einst geboren bemerkte er schnell, dass er in der DDR kein freies und glückliches Leben werde leben können, schnell kam er in Kontakt mit Gleichgesinnten und damit auch mit der Staatsmacht. Nach einem gescheiterten Fluchtversuch sperrte ihn das SED-Regime ein. 1977 wagte er einen zweiten Versuch. Dieses Mal gelang es ihm, und 1977 flüchtete er im Kofferraum eines Renault 4 über Marienborn in die Freiheit.

Ich war vor diesem historischen Tag nie in der DDR

Ich hatte keine Verwandten „drüben“, schickte keine Pakete mit Kaffee, Jeans und Damenstrümpfen. Aber die Existenz der DDR, die Teilung, das allumfassende Spitzelsystem, die Todesschüsse an der Mauer – all das kam mir schon als 16-Jähriger surreal vor. Wir sind doch ein Land, alles Deutsche, eine gemeinsame Geschichte, dieselbe Sprache – ok, mit Einschränkungen in Sachsen und Baden-Württemberg. Meine einzigen Berührungen mit dem sozialistischen Staat auf deutschem Boden waren gelegentliche Fahrten auf der Transitstrecke zwischen Westdeutschland und Westberlin.

Aber nach diesem 9. November 1989, dieser einzigartigen historischen Nacht, den vielen Begegnungen mit Landsleuten aus Ostdeutschland, wurde auch für mich alles anders. Jeden Tag war ich danach unterwegs in der DDR: um als Reporter zu sehen, zu lernen und zu berichten. So viele phantastische Menschen, Freundschaften, die damals entstanden und bis heute stabil halten. Ich könnte – vielleicht mache ich es irgendwann – ein ganzes Buch schreiben, wie ich für mich persönlich Ostdeutschland entdeckte, wo ich heute lebe. Gern lebe.

Und dennoch betrübt mich der Riss, der sich durch unser Land zieht

Dabei denke ich gar nicht an die Übersichtskarte nach Bundestagswahlen, wo der Westen schwarz und der Osten blau eingefärbt ist. Wenn man 30 Jahre unterschiedlich sozialisiert wurde, dann ist das vermutlich ganz normal. Was mich betrübt, das ist das Unversöhnliche, der Hass, der inzwischen viele Menschen voneinander trennt. Die Ostdeutschen, die sich bis heute nicht fair behandelt fühlen von den Besserwessis. Und die Westdeutschen, die angesichts der Putin-Besoffenheit in Ostdeutschland von einem schweren Ausbruch des Stockholm-Syndroms ausgehen müssen. Normal ist das nicht…

Man kann das Rad nicht zurückdrehen, und ich jedenfalls will das auch gar nicht. Mauer wieder hochziehen und so. Aber ich würde mir wünschen, wir alle könnten gemeinsam daran arbeiten, Deutschland wieder flottzukriegen und eine vernünftige Zukunft für unsere Kinder zu bauen Aber das scheint noch ein sehr weiter Weg zu sein.




Heute vor 35 Jahren Weltgeschichte live – heute Abend gibt’s Rotkäppchen-Sekt

Heute vor 35 Jahren um diese Uhrzeit wussten wir alle noch nicht, dass wir in ein paar Stunden Weltgeschichte auf deutschen Boden erleben werden.

Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie der Schuppen in Neukölln hieß, in den Firmengründer Uli Schamoni an seinem 50. Geburtstag viele Freunde und leitende Mitarbeiter des ersten Berliner Privatradios Hundert,6 eingeladen hatte. Ich weiß aber noch, dass Eberhard Diepgen da war, Karl Dall natürlich und dass die Schöneberger Sängerknaben auftraten. Es gab – altes mondänes West-Berlin – Schampus und Hummer, die mit Servierwagen zu den Tischen gefahren wurden. In der Rückschau schon ein wenig dekadent alles.

Irgendwann am Abend kam mein Chefredakteur zu mir an den Tisch und sagte: „Herr Kelle, trommeln Sie die Mannschaft zusammen! Die DDR hat die Grenze aufgemacht…“

Ich muss zugeben, ich verstand erst gar nicht, was er meinte. Die DDR macht keine Grenze auf. Die DDR schießt Menschen in den Rücken, die ihr Land verlassen wollen. Und Genosse Honecker prophezeite seinem Mauerstaat einen langen Fortbestand, als man sich ein paar Wochen vorher im Palast der Republik zum 40-Jährigen bei Rotkäppchen-Sekt ein Stelldichein mit Kreml-Gorbi gab, während draußen das immer unzufriedenere deutsche Volk mit Wasserwerfern und von Stasi-Knüppelschwingern durch die Straßen getrieben wurde.

Ja, die Situation war angespannt, es lag was in der Luft…

Aber die Öffnung der unüberwindbar scheinenden Berliner Mauer? Das hatte niemand von uns erwartet an diesem Morgen des 9. November 1989. Ich nicht, Sie nicht, und die Bundesregierung auch nicht.

Die ganze Nacht bis weit nach Sonnenaufgang stand ich an der Bernauer Straße, am Checkpoint Charlie, dann an der Gedächtniskirche mit meinem Smoking vom Fest noch, der Lederjacke eines unserer Techniker drüber, Kopfhörer auf, Mikro in der Hand und berichtete alle paar Minuten live über die Weltgeschichte vor unseren Augen. Ein unvergessliches Erlebnis.

Jeden Tag war ich danach in Ost-Berlin und dann zunehmend in Ostdeutschland unterwegs, um diesen mir so fremden Teil meines Landes kennenzulernen. So viel habe ich seitdem erlebt, so viele phantastische Menschen kennengelernt, Freunde, Kollegen, politische Mitstreiter, viele bis heute.

Der aus Sachsen stammende Schriftsteller Marko Martin hat mir das gestern wieder noch einmal ins Bewusstsein gerückt, der Mann, der unserem Staatsoberhaupt die Leviten lies, ihn zur Weißglut reizte und auch seinen ostdeutschen Mitbürgern (und den Wessis) Klartext ins Stammbuch schrieb. Sie sollten sich bewusst sein, was sie geleistet und erreicht hätten mit der friedlichen Revolution 1989. Aber sich auch bewusst sein, wer sie sind, was wir sind und auch nicht wegschauen, wenn andere den Kampf für ihre Freiheit und die Zukunft ihrer Kinder kämpfen.

Ich bin bis heute überaus dankbar, dass wir Deutschen wieder in einem Land leben. Ist das einfach? Nein, es ist total schwierig gerade. Aber es ist lösbar alles, mit ein wenig Anstrengung und einem patriotischen Grundgefühl.

Heute Abend trinke ich ein Gläschen Rotkäppchen-Sekt auf Sie alle!