Alles so unglaublich zäh zur Zeit
Liebe Leserinnen und Leser,
es ist wirklich erstaunlich, wie viele Menschen schon in den frühen Morgenstunden einen Blog wie diesen lesen. Das Interesse an Politik und gesellschaftlichen Veränderungen ist unglaublich groß. Aber es geht halt nicht mehr, wie früher, um Fragen wie, wer die nächste Wahl gewinnt. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ob die CDU oder die SPD so oder so viele Prozente bei einer Wahl bekommen, ist mir inzwischen vollkommen wurscht – denn niemand in der einstigen Mitte der Gesellschaft scheint die Kraft zu haben, grundsätzliche Fragen zu beantworten oder wenigstens aufzugreifen.
Jeden Tag, wirklich jeden, schreiben mir Menschen, die politisch am Rande der Verzweiflung stehen, über das, was in Deutschland derzeit passiert. Und natürlich schreiben Sie nicht nur mir, sondern auch den anderen Publizisten-Kollegen und den Politikern, denen man noch zutraut, dass sie sich mit essentiellen Fragen wie Meinungsfreiheit, Bürgerrechten oder Rechtsstaat beschäftigen. Aber es passiert nichts. Gar nichts!
Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist dabei die Corona-Lage, von vielen in unseren Milieus kaum noch ernst genommen. Zu flach die Infektionskurve, zu wenige Tote für Hysterie. Aber dennoch machen nahezu alle mit, auch wenn die Maßnahmen der Bundesländer in der Krise immer grotesker scheinen. Zwei Reisen nach Berlin und München musste ich in den vergangenen Tagen kurzfristig absagen, weil nahezu alle geplanten Termine ausfallen. Wer nicht unbedingt muss, geht lieber auf Nummer sicher. Die Lage ändert sich von Tag zu Tag. Im November sollen meine ersten Bürgerlich-Konservativen Stammtische in diesem Jahr stattfinden – in Bonn, Frankfurt und Leipzig. Die Räume sind gebucht, viele Anmeldungen liegen schon jetzt vor. Aber wer weiß, was morgen ist?
Am Treffen der Schwarmintelligenz vergangenen September wollten 700 Bürgerliche teilnehmen – behördlich erlaubt wurden letztlich 304. Aber es hat funktioniert. Hygienekonzept vereinbart, Teilnehmer, die (viele murrend) diszipliniert waren, kein Einziger hat sich nach meinem Kenntnisstand infiziert. So what?
Aber was wird nächste Woche sein? Verganagene Woche habe ich zum ersten Mal in 61 Jahren bei einer Verlosung gewonnen. Immer Glück in der Liebe gehabt, aber nie beim Spiel. Nach elf Jahren findet das erste Mal wieder ein Pflichtspiel meines kleinen Provinzvereins gegen den großen FC Bayern statt. 5.460 Zuschauer sind bisher erlaubt, mein Sohn und Paul und ich haben Eintrittskarten und – natürlich – Verhaltensregeln. Und wir freuen uns wie Bolle drauf, auch wenn das Ergebnis erwartbar ist. Heute haben wir Mittwoch, ob wir am Samstag ins Stadion dürfen, wissen wir aber nicht. Kann sein, kann auch nicht sein. Und das will ich Ihnen sagen: Covid-19 ist für Risikogruppen wie Alte und Vorerkrankte sicher ein Problem, für viele Wirtschaftsunternehmen, besonders kleine und mittlere, ist es definitiv ein großes Problem, oft ein existenzielles. Aber auch für meinen publizistisch-politischen Betrieb sind es unglaublich komplizierte Zeiten. Man müsste so viel verändern, so viel auf die Beine stellen, so viele neue Initiativen begründen. Aber es ist alles unglaublich zäh…
Kommen Sie gut durch die Woche!
Ihr Klaus Kelle