Warum ich Sigmar Gabriel (SPD) als deutschen Außenminister so sehr vermisse

Es gibt sehr selten Momente, in denen ich einem früheren Spitzenpolitiker der SPD nachtrauere. Gut, bei den drei Bundeskanzlern der Genossen, würde ich eine „Wild Card“ ausstellen. Willy Brandt, Helmut Schmidt und auch Gerhard Schröder waren gute Regierungschefs, die wirklich viel für unser Land geleistet haben. Schröder hat leider nach Abtritt einiges kaputt gemacht, weil er es sich an einen fremden, uns inzwischen feindlich gesinnten, Staat verkauft hat. Aber mit seiner Agenda 2010 hat er in einer schweren Krisensituation einfach das Richtige getan, wohl wissend, dass es ihn den Job als Kanzler kosten würde.

Gegenüber dem Magazin „Focus“ hat nun der frühere Vize-Kanzler, Wirtschafts- und Außenminister Sigmar Gabriel ein starkes Interview zum Syrien-Konflikt gegeben. Kein Geschwurbel, klare Aussagen, die uns allen schmerzhaft vor Augen führen, was für einen Totalausfall wir mit Frau Baerbock (Grüne) derzeit im Außen-Amt haben. Hoffentlich ist der Spuk mit ihr im März vorbei!

Die siegreichen islamistischen „Rebellen“ in Damaskus, so Gabriel, seien eine „sehr brisante Mixtur aus Islamisten, Söldnern und gedungenen politischen Vagabunden“. Besser kann man es nicht formulieren. Sie hätten keinerlei Interesse an einem geordneten Syrien demokratischen oder gar westlichen Zuschnitts.

Damit spricht der SPD-Politiker ein Thema an, das man dem Westen zurecht in der Vergangenheit immer wieder vorgeworfen hat.

Wen unterstützen wir da eigentlich?

Besonders die Amerikaner haben diese Fehler in ihrer Geschichte wiederholt gemacht.

Natürlich ist es gut, dass Bashar al-Assad gestürzt wurde. Der Mann ist der Typus Menschenschlächter, in dessen Folterkellern Tausende zu Tode gemartert wurden, einfach, weil sie zu widersprechen wagten.

Die internationale Menschenrechtsorganisation amnesty international hat Assads Gräueltaten über Jahre dokumentiert.

Der ai-Bericht für das Jahr 2017 wurde überschrieben mit der Überschrift „Human Slaughterhouse“ – menschliches Schlachthaus – und listet kaum aussprechbare Verbrechen wir Foltern, Verschwinden lassen und Massenerhängungen im berüchtigtsten Haftzentrum Syriens auf. Im Kampf gegen die vorrückenden – damals – IS-Rebellen ließ Assad bei Artillerieeinsätzen und Luftangriffen ungelenkte Waffen wie Fassbomben, Brandbomben und international geächtete Streumunition einsetzen. Tausende starben einen qualvollen Tod.

Nein, Assad war kein guter Mensch, kein Beschützer zivilisierter Werte und der Christen in Syrien. Er war ein Massenmörder der übelsten Sorte, auch wenn er sich mit einer schönen Frau aus Großbritannien schmückte und sich mit inszenierten Familienfotos als der nette Onkel Bashar darzustellen versuchte. Dass sein letzter Freund auf großer Bühne Russlands Präsident Wladimir Putin war, setzte dem Ganzen die Krone auf. Aber auch der konnte zum Schluss nicht helfen.

Zurück zu den Amis und dem Westen insgesamt

Wie oft hat man den Massenmördern viel zu lange zugeschaut, sie gewähren lassen? Das war übrigens schon im Zweiten Weltkrieg so, als die Westalliierten Kenntnis vom industriell organisierten Massenmord der Nazi-Schergen an Millionen Juden erfuhren und zunächst nichts taten. Einfach gar nichts. Das war beim Balkan-Krieg so, als die EU drei lange Jahre nichts unternahm außer Palavern, während im früheren Jugoslawien ein Genozid stattfand. Und dann der zweite völkerrechtswidrige Krieg der USA gegen den Irak. Und natürlich Afghanistan.

Afghanistan war alternativlos. Nach dem Terrorangriff vom 11. September 2001 und der Ausrufung des NATO-Bündnisfalles war klar, dass es eine harte militärische Reaktion auf die geben muss, die den Terrorchef Osama bin Laden nicht ausliefern wollen, und auf derem Territorium die Attentäter von 9/11 ausgebildet und vorbereitet wurden. Was denn sonst? Frau Baerbock schicken, zusammen mit Wachtmeister Krause und einem Haftbefehl? Feministische Terrorbekämpfung?

Nein, die Taliban mussten weg. Und wie so häufig hat Washington dann keinen Plan, wie es nach dem Sieg weitergeht. Denn militärisch gewinnen die Amerikaner erstmal immer schnell. Vietnam war in dieser Hinsicht die einzige Ausnahme, einfach weil sie letztlich nicht bereit waren, nukleare Waffen einzusetzen. Gut so! So wie Putin auch nicht bereit sein wird, in der Ukraine nukleare Waffen einzusetzen. Das ist die Rote Linie, die niemand überschreitet, weil damit die Büchse der Pandora geöffnet wird, und niemand das mehr einfangen kann. Die beiden Atomwaffenabwürfe 1945 über Hiroshima und Nagasaki waren eine andere Ausgangslage, weil die USA das einzige Land waren, das damals „die Bombe“ hatte, eine Eskalation also ausgeschlossen war. Diese Zeiten kommen nicht wieder.

Sigmar Gabriel kritisiert im aktuellen Interview, der Westen feiere jetzt den Sturz Assads, was er durchaus verstehen könne, wie sicher die meisten von Ihnen auch. Destabilisierung eines Schurkenstaates, Gefangene freilassen, Folterkeller zerstören, am besten die beiden russischen Stützpunkte jetzt dichtmachen. Herrlich!

Aber wie weiter?

Was passiert mit den 1,5 Millionen jungen Männern aus Syrien, die von Angela Merkel 2015 nach Deutschland eingeladen wurden? Gehen die jetzt alle wieder zurück in die Steinzeit? So wie Jens Spahn von der CDU vorgeschlagen hat, per Charterflug und mit 1000 Euro „Starthilfe“?

Gabriel vermutet, dass nun erstmal die syrischen Flüchtlinge aus der Türkei zurückkehren werden. Schau’n wir mal…

Gabriels bitteres Fazit:

„Zunächst zeigt es einmal mehr, dass wir Europäer wieder nur Zuschauer sind, obwohl es sich um unsere unmittelbare Nachbarschaft handelt. Es ist nicht einmal zu erkennen, dass man die Europäer überhaupt zu Rate gezogen hat. Anders kann ich die hilflosen Erklärungen aus Europa nicht deuten. Wir sind in den Augen anderer einfach kein Faktor, auf den man Rücksicht nehmen muss. Wenn es ernst wird, brauchen wir nach wie vor die USA. Aber auch die arabischen Staaten müssen sich erneut fragen lassen, warum sie selbst wieder einmal nicht die Kraft hatten, die Reintegration Syriens in die Staatengemeinschaft – mit oder ohne Assad – bewerkstelligt zu haben.“

Ach, wie sehr vermisse ich diesen Mann als deutschen Außenminister….




Amnesty International setzt heute die falschen Prioritäten

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) hat sich in den Jahrzehnten ihres Bestehens viele Verdienste erworben. 1961 wurde die weltweit aktive NGO (Nichtregierungsorganisation) in London von dem englischen Rechtsanwalt Peter Beneson gegründet. Bewegt durch Medienberichte über die Verfolgung politisch Andersdenkender und Folter im Auftrag von Regierungen, beschloss er, etwas zu unternehmen. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen war dabei sein Leitmotiv.

Fortan führte ai weltweit Kampagnen, als in Chile unter Pinochet und in Syrien unter Assad gefoltert wurde, gegen das Apartheidsregime in Südafrika und gegen die Archipel Gulags in der ehemaligen Sowjetunion. Neben vielen anderen Preisen wurde amnesty 1977 zu recht mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Als heute Morgen die Agenturmeldung vom neu erschienenen Jahresbericht dieser Organisation die Redaktion erreichte, war unser erster Impuls: das nehmen wir mit, das muss auf die Startseite von TheGermanZ. Und dann lasen wir, was nach Meinung von amnesty die wichtigsten Menschenrechtsverletzungen auf dem Planeten sind.

Unter der Überschrift „Die Welt ist finsterer geworden“ werden nicht etwa die Konzentrationslager in Nordkorea oder der Genozid in Teilen von Afrika an erster Stelle angeprangert, sondern „eine zunehmende Aushöhlung der Menschenrechte in den USA und Europa“. Die Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten sei ganz schlimm wegen der „vergifteten Wahlkampfrethorik“. Und der „bösartigste Angriff“ auf die Menschenrechte bestehe darin, dass Politiker „die Anderen“ für soziale Probleme verantwortlich machten. Auch Deutschland kommt nicht gut weg. Die „Verschärfung des Asylrechts und mangelnde Maßnahmen gegen Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte“, das sind anscheinend die großen Probleme dieser Welt, wenn es um die Menschenrechte geht. Nicht diejenigen, die in modrigen Kellern Menschen mit Stromstößen in die Genitalien zu Tode quälen, nicht Staaten, die Krieg gegen Volksgruppen führen, in dem sie massenhaft Frauen vergewaltigen lassen. Nicht die, die politische Gegner einfach morgens mal in den Kopf schießen, um sie mundtot zu machen. Oder doch, ja, die erwähnt man natürlich auch. Irgendwie muss man ja alle erwähnen, wenn man einen globalen Bericht veröffentlicht. Aber zur Glaubwürdigkeit dieser einst so furchtlosen und unverzichtbaren Organisation trägt die politische Manipulation durch derartige Gewichtungen der Probleme dieser Welt ganz sicher nicht bei. Die Agenturmeldung haben wir beiseite gelegt.




GASTSPIEL: Birgit Kelle über die Pervertierung von „Frauenrechten“

„Gut gemeint, schlecht gemacht“, so lautet ein gemeines Sprichwort. Diesen Grundsatz hat sich jetzt auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) auf die Fahnen geschrieben mit der Forderung nach der weltweiten Legalisierung von Prostitution. Gut gemeint, denn die Generalsekretärin von Amnesty, Salil Shetty, merkt zu Recht an, dass Prostituierte in den meisten Fällen „ständig dem Risiko von Diskriminierung, Gewalt und Missbrauch ausgesetzt sind“. Deswegen wolle man eine Politik verfolgen, die den „Schutz der Menschenrechte von Prostituierten fordert“. Da wird man dann doch stutzig. Seit wann muss man kriminelle Handlungen legalisieren, um die Menschenrechte der Opfer zu wahren? Und helfe ich dem Opfer damit, dass ich die Tat legalisiere? Zumindest in Deutschland sieht die Polizei das jedenfalls anders. Seit Prostitution bei uns legal ist, haben die Beamten noch mehr Schwierigkeiten, den Opfern von Schlepperbanden zu helfen. Genaugenommen kommt sie ohne konkreten Verdacht gar nicht mehr an diese Frauen ran, weil unser wunderbares Gesetz beispielsweise Frauen, die in Privatwohnungen zwecks Zwangsprostitution festgehalten werden, nicht mehr schützt.

Gleichzeitig wird hier noch das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, denn wer die Prostitution legalisiert, tut dies im gleichen Atemzug auch mit der Zuhälterei. Das wird sicher ein Freudenfest für Schlepper und Menschenhändler, wenn Zwangsprostitution weltweit gar nicht mehr existiert, weil qua Gesetz abgeschafft. Toll! So wird aus der Prostituierten nicht nur eine ganz normale Berufstätige mit Krankenversicherung und gewerkschaftlicher Vertretung wie etwa in Deutschland bei verdi mit dem eigenen Arbeitskreis „Besondere Dienstleistungen“. Der Zuhälter erhält also den Status eines Jobvermittlers mit Provisionszahlung. Und besonders sind diese Dienstleistungen allemal, glaubt man zumindest den Werbeanzeigen mancher Flatrate-Bordelle, die seit der Legalisierung in Deutschland aus dem Boden sprießen und analog zum all-you-can-eat an sommerlichen Standbuffets das „all-you-can-fuck“ zum Pauschalpreis anbieten.

Die Wochenzeitung „Die Zeit“ sieht das ganz anders als ich und stellt die Frage „Ist es wirklich ein so großer Unterschied, ob jemand seinen Körper in der Altenpflege oder auf dem Bau kaputtarbeitet oder denselben Körper für sexuelle Handlungen zur Verfügung stellt? In welchem Jahrhundert leben wir, dass wir Sexualität noch immer mit anderen Maßstäben messen?“ Nun liebe „Zeit“ wir leben im 21. Jahrhundert, und ja, „nuttig“ ist auf deutschen Schulhöfen immer noch ein Schimpfwort unter Jugendlichen, gerne gebraucht gerade auch von Mädchen gegenüber anderen Mädchen. Vermutlich steht das Wort „nuttig“ und auch „Schlampe“ längst auf dem Sexismus-Index. Denn obwohl weltweit feministische Gruppe zu sogenannten „Slutwalks“ (Schlampenläufen) aufrufen, bei denen Sie dann halbnackt durch die Straßen laufen und für das Recht kämpfen, wie Schlampen herumzulaufen zu dürfen, ist immer noch der Teufel los, wenn man eine derselben Damen dann auch entsprechend als solche bezeichnet. Merke: Wenn eine Frau sich das Wort „Schlampe“ auf die nackten Brüste malt, ist das ein emanzipatorischer Akt. Bezeichnet man sie als solche, ist es Sexismus. Anscheinend haben die jugendlichen Mädchen aber auch heute immer noch ein recht gutes Gespür dafür, wie offenherzig und schlampig zu unterscheiden sei. Und als Mutter zweier Töchter bin ich ganz froh darüber.

Doch zurück zu der Frage der „Zeit“, ist es denn so ein Unterschied, ob man sich mit seiner Arbeitskraft bei schlechter Bezahlung auf dem Bau „prostituiert“ oder seinen Körper zum Sexualakt zur Verfügung stellt? Seit die Frage der Ausgestaltung eines Bordells für manche Streiter einer „sexuellen Vielfalt“ auch zum allgemeinen Unterrichtsstoff für Jugendliche gehören sollte, eine nicht unberechtigte Frage. Von manchen habe ich zudem in meiner politischen Arbeit bereits das Argument gehört, Hausfrauen seien schließlich auch nichts anderes als Prostituierte, sie lassen sich für Dienstleistungen und Liebenswürdigkeiten von einem Mann bezahlen. Na siehste! Der Unterschied ist nur, dass Hausfrauen nicht an der Straße stehen, sondern gemeinhin vermutet, hinterm Herd. In Sachen Hausfrau plädiere ich immer auf freie Entscheidung der Frau, weil ich mir nicht von anderen Frauen oder sonst jemandem erklären lassen will, was gut oder schlecht für mich ist. Es stellt sich also die nicht unberechtigte Frage, mit welchem Recht wir Frauen verbieten wollen, ihre Sexualität zu verkaufen. Tatsächlich gibt es doch auch diejenigen, die vorgeben, es freiwillig und gerne zu tun. Analog kann man übrigens auch die Kopftuch-Debatte in Bezug auf muslimische Frauen führen.

Nun bin ich ja selten mit Alice Schwarzer einig, aber in Sache Prostitution stehen wir auf derselben Seite. Ich kann und will mich nicht daran gewöhnen, dass es ein normaler Job ist, auch wenn Begriffe wie „Blow-Job“ so manchen möglicherweise dazu verleiten. Ich glaube nicht an die glückliche Prostituierte, dafür tun es weltweit zu viele Frauen unter Zwang und Androhung von Gewalt gegen sich selbst oder gar gegen ihre Familien. Ich kann der Rotlicht-Romantik des angeblich ältesten „Gewerbes“ der Welt nichts abgewinnen, seit ich als 20-Jährige nachts in Amsterdam die rot beleuchteten Schaukästen bestückt mit lebender Ware gesehen habe, an denen das Publikum gaffend vorbeizieht. Gerne würde ich mit den Kollegen von der „Zeit“ einmal die Frage diskutieren, ob es für sie auch in Ordnung wäre, wenn diese Dienstleistung, dieser „Job“, der doch so normal sein soll wie Krankenpflegerin und Arbeit auf dem Bau, künftig über die Agentur für Arbeit vermittelt wird. Dagegen dürfte dann doch wohl nichts sprechen und selbst ungelernte Kräfte bekommen da sicher viele Stellenangebote inklusive Mindestlohn. Darf man als arbeitslose Frau dann noch ablehnen, oder gilt diese „Arbeit“ dann als genauso „zumutbar“ wie Laubfegen im Park?

Von der Ausbeutung der Sexualität einer Frau ist es übrigens nur ein kleiner Schritt zur Ausbeutung der Fruchtbarkeit einer Frau. Wenn ich meine Vagina zur Verfügung stellen darf, warum nicht meine Gebärmutter? Auch hier wird gerne darauf verwiesen, dass diese Frauen es doch freiwillig tun und damit sogar gutes Geld verdienten. Bislang floriert der Markt vor allem in Asien und Indien, die Debatte wird aber genauso Deutschland erreichen. Nicht wenige Frauen in Indien verkaufen ihren Körper als Brutstätte, verkaufen ihre Kinder, um die restliche Kinderschar zu Hause durchzubringen. Freiwillig? Oder aus der Not heraus, weil sie vor lauter Armut keinen anderen Weg sehen. Und da sind wir dann wieder bei der „Zeit“, die im gleichen Artikel noch anmerkt, „in vielen Ländern bleibt Prostitution insbesondere für „Transpersonen und offen schwule Männer“ die einzig mögliche Einkommensquelle, weil sie auf dem legalen Arbeitsmarkt diskriminiert werden.“ Man könnte nicht deutlicher ausdrücken, dass es eben nicht freiwillig ist, sondern aus der Not heraus. Wäre es nicht angebracht, dass wir weltweit dafür sorgen, dass sich niemand mehr genötigt fühlt, seinen Körper zu verkaufen, weil er sonst kein Einkommen hat, anstatt diese Tätigkeit zu einem „normalen Job“ zu erklären?

In Sachen Leihmutterschaft, die zusammengefasst nichts weiter ist als ein moderner Menschenhandel – ich bestelle und bezahle ein Kind und hole es dann ab – teilt sich das feministische Lager übrigens. Diejenigen, die bei Prostitution noch laut Ausbeutung schreien, sind seltsam still bei der Leihmutterschaft. Schließlich ist man im Dilemma: Man kann nicht auf der einen Seite für sexuelle Vielfalt kämpfen und dann empört sein, wenn sich zahlreiche homosexuelle Paare in Indien ein Kind kaufen – wie es nachweislich geschieht. Es ist kein neuer Kurs bei Amnesty International, dass die Rechte von Frauen ganz eigen definiert werden, diesmal regt sich weltweit nur mehr Widerstand. Als Amnesty International vor einigen Jahren begann, „Abtreibung“ als Frauenrecht zu propagieren, waren die prominenten Schauspielerinnen wie Meryl Streep, Emma Thompson oder Kate Winslet, die jetzt gegen die Legalisierung der Prostitution richtigerweise protestieren, nicht mit von der Partie. Liest man sich die Argumentation von Amnesty International damals durch, ist es aber ähnlich schizophren wie im aktuellen Beschluss.

So hatte man einst in der Abteilung „Menschenrechtsverletzungen an Frauen“ (MAF) die Kampagne „Mutter werden, ohne zu sterben“ ins Leben gerufen. Klingt wunderbar, denn in der Tat ist die Müttersterblichkeit gerade in den Ländern der Dritten Welt extrem hoch. Hauptgrund hierfür ist die mangelhafte medizinische Versorgung der Schwangeren und Gebärenden. Die Forderung von Amnesty beschränkt sich zu diesem Problem aber eben nicht nur darauf, dann bitteschön dafür zu sorgen, dass die medizinische Versorgung von Müttern und werdenden Müttern endlich weltweit gewährleistet werden muss, sondern auch in der Forderung nach Zugang zu legaler Abtreibung weltweit. Das Recht, sein eigenes, ungeborenes Kind zu töten, als Frauenrecht. Das aus dem Mund einer Menschenrechtsorganisation. Wann genau hat man bei Amnesty eigentlich aufgehört, Kinder als Menschen zu betrachten? Abtreibung also als Lösung gegen das Problem „Müttersterblichkeit“. Anstatt als Mutter zu sterben, wird man besser gar nicht mehr Mutter, das macht sich super in den Müttersterblichkeits-Statistiken, denn logisch: Wer die Schwangerschaft abbricht, kann nicht während der Geburt sterben. Lieber tötet man vorher das Kind, das taucht in keiner Statistik auf. Konsequent ist man aber bei Amnesty, man fordert auch medizinisch einwandfreie Abtreibungen, nicht dass die Mütter dann statt in der Geburt bei der Abtreibung zu Tode kommen. Wieviel Zynismus braucht man eigentlich, um so zu argumentieren?

Bleibt am Ende das Fazit, wir Frauen bekommen immer mehr Rechte dazu und alle meinen es unglaublich gut mit uns. Wir dürfen uns heute Schlampen nennen und uns dabei emanzipiert fühlen, wir dürfen uns am Arbeitsmarkt abschuften zu unserer Emanzipation, wir dürfen unsere Kinder abgeben, damit sie bei der Selbstverwirklichung nicht stören. Ja wir dürfen gar unsere Kinder töten, als Frauenrecht, wir dürfen unsere Sexualität verkaufen, als Frauenrecht, wir dürfen unsere Kinder verkaufen, als Frauenrecht. Nur eines dürfen wir nicht: All diese „Errungenschaften“ ablehnen, dann sind wir nämlich Antifeministinnen. Das bin ich dann allerdings gerne.