Termin beim Arzt

In meinem Alter tut immer mal etwas weh, das ist normal. Und wenn etwas weh tut, na klar, dann geht man zum Arzt. Dazu sollte ich erwähnen, dass ich zu den guten, alten Kassenpatienten gehöre.

Für meinen alljährlich Herzcheck habe ich eben mal beim Kardiologen meines Vertrauens nach einem Termin gefragt. Erste Möglichkeit: im November. Der andere Termin kann immerhin schon im Oktober stattfinden.

Hoffentlich sterbe ich bis dahin nicht…




„Wissen Sie was, Herr Kelle, ich glaube, es passiert gar nix….“

Als ich ein kleiner Junge war, musste ich alle zwei Wochen mit meinem Vater zum Friseur. Ich habe das gehasst, nicht, weil ich etwas gegen Friseure hätte, aber weil mein Vater daraus bestand, dass sein Sohn kurze Haare trug – anders als die „Haschbrüder“ und „Kriegsdienstverweigerer“. Denn Ernst, so hieß er, war Soldat im Krieg gewesen und hatte etwas Preussisches an sich – Ordnung, Pünktlichkeit, Disziplin, all das, was ein späterer SPD-Kanzlerkandidat mal als „Sekundärtugenden“ bezeichnet hat, mit „denen man auch ein KZ betreiben kann“. Eine bodenlose Frechheit.

Doch der kleine Friseursalon im Dörfchen Waddenhausen war für mich dennoch faszinierend, weil sich da „die Großen“ trafen, um während des Wartens auf den Haarschnitt über die Themen der Weltpolitik zu plaudern. Da wurde Klartext geredet wie am Stammtisch, niemand nahm ein Blatt vor den Mund, und der kleine Klaus lauschte mit großen Ohren, natürlich ohne sich einzumischen.

An diese Jugend-Erlebnisse musste ich heute früh denken, als ich einen  Arzttermin hatte, weil es mal wieder in der Schulter ziepte und das Steißbein wehtat. Was man so hat mit 63, wenn man entweder im Auto hinter dem Steuer stundenlang auf der Autobahn oder stundenlang jeden Tag am Schreibtisch seiner Arbeit nachgeht.

Mein Termin beim Arzt dauerte insgesamt 30 Minuten, was heutzutage viel ist. 25 Minuten redete der Mann in weiß unablässig auf mich ein, weil er weiß, was ich so mache und schreibe. Die Unverschämtheit der hohen Energiepreise, dem Iran, dem man nicht trauen könne, seine Photovoltaikanlage und dass er im Winter, wenn es kalt werde in Deutschland, noch einen Rückzugspunkt irgendwo in Spanien habe, wo es nie kalt sei.

Aber dennoch ist ihm nicht egal, was in seinem Land passiert, und – da ist er sicher – schuld an allem sind die Grünen. Und, ganz ehrlich, so Unrecht hat der Mann damit nicht, oder? Jedenfalls in den großen Linie der deutschen Politik. Wir wollen allerdings diejenigen nicht aus den Augen lassen, die über all die Jahre auf jede Sau aufgesprungen sind, die von den Ökos durchs Dorf getrieben wurde. Rote, Schwarze, Gelbe – alle munter dabei, wenn es galt die Abrissbirne zu schwingen gegen ein Land, in dem wir alle einmal gut und gerne lebten.

„Und wissen Sie was, Herr Kelle“, sagte er, bevor er mit zwei Spritzen in meine Rückseite jagte (was er auch schon 28 Minuten vorher hätte tun können), „es wird gar nix  passieren“. Der Putin sei ein schlauer Kerl, und unser Geld könne er auch gebrauchen. Wenn die Turbine aus Kanada in der Nord Stream 1-Pipeline eingebaut ist, dann würden die Russen die Gaslieferung einfach wieder hochfahren und all die Habecks, Scholzes und wie sie heißen dumm aussehen lassen. Nach dem Motto: Ich bin doch immer ein Freund der Deutschen gewesen…

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Ein Staatsbürger bei schwerem Regelverstoß erwischt

Meine Mutter (93) muss alle paar Wochen zum Arzt nach Willich, einer verschlafenen Kleinstadt am Niederrhein. Sie ist noch klar im Kopf, aber ziemlich wackelig auf den Beinen. Direkt vor der Praxis befindet sich ein Parkplatz, auf dem praktisch immer Stellplätze frei sind, so auch vorgestern. Und so parkte ich wie jedesmal, nahm meine Mutter an den Arm und ganz langsam gingen wir zur Praxis, vielleicht 70 Meter weit. 30 Minuten sitzen im Wartezimmer, 10 Minuten Behandlung, neuer Termin, raus. Dann 70 Meter zurück, ganz langsam.

Hinter dem Scheibenwischer unseres Autos – Sie ahnen es – steckte ein Strafzettel. Was hatte ich verbrochen? Eine Frau sexuell belästigt? Jemanden auf offener Straße niedergestochen, was man so häufig liest in letzter Zeit? Wenigstens jemanden so zugeparkt, dass er nicht rausfahren konnte? Nein, nichts von alledem. Ich hatte vergessen, die Parscheibe gut sichtbar zu platzieren. 10 Euro Bußgeld, das Knöllchen ausgestellt von einer „Verkehrsüberwachungskraft OG“.

Natürlich habe ich den Betrag als guter Staatsbürger heute Morgen überwiesen. Sonst werden noch 40 Euro im Zuge des Mahnverfahrens daraus. Aber ich habe immer noch erhöhten Blutdruck. Mit was beschäftigt sich unser Staat – in diesem Fall unsere Kommune – eigentlich? Diese Leute, die auch von mir ihr Gehalt beziehen? Warum kann ich nicht meine Mutter zum Arzt fahren, parken und wieder nach Hause fahren, ohne abkassiert zu werden? Was für trostlose Existenzen werden eigentlich „Verkehrsüberwachungskräfte“?

Ich schreibe häufig über solche Kleinigkeiten, die natürlich nicht so relevant sind, wie viele andere Themen jeden Tag. Aber sie sind ein Symptom einer – aus meiner Sicht – kranken Wohlstandsgesellschaft, die sich mit Hingabe den Lappalien zuwendet, gleichzeitig aber versagt, auch die großen Probleme wenigstens versuchsweise – aber ernsthaft – in Angriff zu nehmen.