Warum verdient man mehr, wenn man streikt, als wenn man arbeitet?

Nun wird also geschlichtet. Die GdL hat ihren Streik, den neunten in der aktuellen Auseinandersetzung, beendet. Wieviel Schaden sie für Kassen und Ansehen der Bahn hinterlassen hat, kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Aber festzustellen bleibt: Herr Weselsky und seine Kleingewerkschaft haben ihr Ziel erreicht. Die GdL bekommt eine Extrawurst, sie entscheidet unabhängig, ob sie Tarifvereinbarungen zwischen Bahn und der weitaus größeren Gewerkschaft EVG akzeptiert…oder eben nicht. Darum ging es, alles andere war nur lautstarke Begleit-Tamtam. Und als Freund freier Gewerkschaften stellt sich mir schon die Frage, ob das Streikrecht, das einstmals geschaffen wurde, um den Arbeitnehmerorganisationen eine starke Waffe gegen die Arbeitgeber bei Tarifauseinandersetzungen in die Hand zu geben, für so eine Auseinandersetzung zwischen zwei Gewerkschaften ein akzeptables Mittel sein darf. Was die GdL vorgemacht hat, könnte ja durchaus auch ein Beispiel geben, wie sich zukünftig auch andere kleine Gewerkschaften in Szene setzen könnten. Ist das wirklich im Sinne der Arbeitgeber? Oder würde eine solche Entwicklung den florierenden Wirtschaftsstandort Deutschland irgendwann belasten, ja schädigen? Ich kann mich noch daran erinnern, wie in den 80er Jahren eine Vielzahl von Kleingewerkschaften die Wirtschaft in Großbritannien lähmte. Irgendwer streikte in den großen Firmen immer. Ein unhaltbarer Zustand, den dann Margret Thatcher mit Brachialgewalt beendete, was ihr den Titel „Eiserne Lady“ einbrachte.

Nun wird analysiert und kommentiert, und wir alle werden sehen, wie sich die Dinge weiterentwickeln. Aber ich möchte noch einen eigenen zaghaften Einwurf wagen. Ein Freund, der sich mit Arbeistrecht viel besser auskennt als ich, macht mich gestern darauf aufmerksam, dass Streikgeld nicht versteuert werden muss und auch nicht zu den Sozialabgaben herangezogen wird. Ich konnte das erst gar nicht glauben. Streikgeld – das ist, was die Gewerkschaften ihren Mitgliedern als Ersatz für Gehaltausfälle während eines Streiks zahlen. Bei der GdL waren es zuletzt 100 Euro am Tag. Netto. Das schafft die absurde Situation, dass ein streikender Lokführer mehr Geld auf die Hand bekommt, wenn er mit einem Fähnchen vor dem Bahnhof steht, als wenn er einen Zug bewegt. Ich habe das dann mal nachgeblättert und tatsächlich: Der Bundesfinanzhof hat am 24. Oktober 1990 entschieden, dass „Streikunterstützungen“ keine Lohnersatzleistungen sind und ergo weder der Einkommensteuer noch dem sogenannten Progressionsvorbehalt unterliegen. Und sozialversicherungspflichtig sind sie auch nicht. Verstehen Sie das? Ich nicht. Schon gar nicht in einem Land, in dem Teile der Politik – Beispiel Erbschaftssteuer – sonst auch mit Doppelbelastungen beim Steuerkassieren nicht zimperlich sind.