Schwere Anschuldigungen gegen Sebastian Kurz – war’s das?

Diese Vorwürfe haben das Potential, die Kanzlerschaft von Sebastian Kurz abrupt zu beendet. Fahnder haben heute das Kanzleramt, die ÖVP-Zentrale, das österreichische Finanzministerium und ein Medienhaus durchsucht. Bei den Ermittlungen geht es um Bestechung und Untreue. Angeblich gibt es Hinweise, denen zufolge mit Steuergeldern positive Berichterstattung dieses Medienunternehmens und manipulierte Umfragen eines Meinungsforschungsinstitutes bezahlt wurden.

Jeder Beschuldigte ist erst einmal unschuldig, bis man ihm oder ihr eine Schuld nachgewiesen hat. Das gilt natürlich auch für Sebastian Kurz, den Bundeskanzler der Alpenrepublik. Aber die Vorwürfe haben enorme Sprengkraft, und die Verteidigungsreden von Kurz und seiner  stellvertretenden ÖVP-Generalsekretärin Gabriela Schwarz klingen matt. Das alles sei eine gezielte Kampagne, um Kurz zu stürzen, die Koalition mit den Grünen zu sprengen und überhaupt…

Wer das politische Geschäft ein wenig kennt, der weiß, dass so etwas Gang und Gäbe ist – auch hierzulande. Etwa bestellte Umfragen – da könnte ich ganz konkrete Beispiele nennen, geht aber nicht, weil ich dann meine Quellen in große Schwierigkeiten bringen würde. Also lasse ich es halt.

Aber so wie jetzt bei Kurz fängt es immer an, dann gibt es Entlastungsangriffe, dann werden wieder Medienberichte lanciert – von Gegnern ebenso wie von Unterstützern des smarten ÖVP-Politikers. Den finde ich wirklich gut, und er und die Entwicklung seiner ÖVP waren für mich immer eine Hoffnung, dass es mit der CDU auch alles wieder gut werden könnte. Diese Hoffnung ist weg. Und ich würde kein Geld darauf setzen, dass Kurz Ende Oktober noch Bundeskanzler in Österreich ist.




Frau Kanzlerin ist verschnupft, das lästige Fußvolk will selbst denken

Hat sie das wirklich gesagt? Ja klar, hat sie das gesagt. Angela Merkel hat einige Ministerpräsidenten scharf kritisiert, dass sie über Lockerungen der Corona-Einschränkungen nachdenken. In diesem Zusammenhang sprach sie von – wörtlich – „Öffnungsdiskussionsorgien„, die stattfänden. Was für eine Wortschöpfung, oder? Wie schon mehrfach in jüngster Zeit vergreift sich die Kanzlerin im Ton, wird unwirsch gegenüber allen, die  eine andere Auffassung haben als sie selbst.

Wer sich im Berliner Politibetrieb auskennt, weiß, dass das nicht neu ist. Die Frau aus der Uckermark ist herrisch, unfreundlich, wenig daran interessiert, was andere denken oder ob sie sich sogar eine eigene Meinung erlauben. Und demokratische Prozesse sind ihr lästig. Wenn sie unser Hochtechnologieland aus der Atomkraft drängen will, dann fragt sie nicht das Parlament oder wenigstens mal ein Parteigremium. Sie ordnet an, und alle machen mit. Wenn sie die deutschen Grenzen öffnet und sich über internationale Vereinbarungen hinwegsetzt, entscheidet sie das – und alle vollstrecken. Das ist so ganz nach ihrem Geschmack.

Der Lockdown, das Herunterfahren des gesellschaftlichen Lebens  und der Wirtschaft in Deutschland, ist ein ernster Eingriff in unsere persönliche Freiheit und eine Beschneidung demokratischer Rechte. Wenn das Virus so gefährlich ist, wie unsere Regierenden denken, dann haben sie das Recht, solche Maßnahmen auf Zeit zu beschließen. Ich war und bin auch für diese augenblicklichen Einschränkungen, denn sicher ist sicher und Gesundheit geht vor.

Aber eine Regierungschefin, die selbst das Nachdenken über Lockerungen und den richtigen Zeitpunkt dafür als lästig empfindet, ja als Majestätsbeleidigung, hat nichts verstanden. Sie ist in diesem Amt untragbar. Und genau genommen hätte sie niemals dorthin kommen dürfen…




Das Personalkarussel in der CDU dreht sich immer schneller

Lustig geht es auch bei der CDU in diesen Tagen zu, wobei das Problem ist, dass man als Journalist nicht alles schreiben kann, was man so hört und vor allem nicht, von wem man was alles so hört. Weil man sonst nämlich gar nichts mehr hört.

Nach der Wahlkatastrophe der Union in Brandenburg ist der Landesvorsitzende Ingo Senftleben zurückgetreten. Gut so! Eigentlich wollte er ja noch gern über eine Regierungsbeteiligung mit SPD und Grünen und ein Ministeramt für sich selbst verhandeln, aber die beiden wackeren konservativen Abgeordneten Frank Bommert und Saskia Ludwig schoben diesem Vorhaben unmissverständlich einen Riegel vor. Bommert hat angekündigt, er werde sich für den Fraktionsvorsitz bewerben, wenn Senftlebens enger Vertrauter Jan Redmann antrete. Bleibt also spannend.

Richtig lustig ist das dem Publikum demonstrativ vorgeführte Treffen von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und Putin-Freund Gerhard Schröder (SPD), der in Deutschland auch mal Bundeskanzler war – und wirklich kein schlechter. Hätte ich 2005 geahnt, was noch alles auf unser Land zukommt mit der Nachfolgerin, hätte ich ihn sicher gewählt.

Nun lässt Schröder uns an seiner Erwartung teilhaben, dass Laschet der kommende Mann fürs Bundeskanzleramt sein könne: „Ich würde ein gutes Abendessen in diesem schönen Restaurant darauf verwetten, dass die CDU am Ende auf ihn zukommen wird.“ Das impliziert natürlich, dass für den 75-jährigen Sozialdemokraten, die aktuelle CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer als Regierungschefin wohl nicht die erste Wahl für den Platz an der Sonne ist.

Diese Einschätzung teilt anscheinend eine wachsende Schar von CDU- und CSU-Bundestagsabgeordneten, jedenfalls haben mir mehrere aus unterschiedlichen Bundesländern das so gesagt. Nett, ja. Im Saarland guten Job als Ministerpräsidentin gemacht, ja. Aber Bundeskanzlerin? Nach all den Fettnäpfchen an der CDU-Spitze in nur wenigen Wochen? Ich würde keine AKK-Aktien kaufen jetzt.

Aber es geht ja auch eigentlich gar nicht darum, wer es könnte oder wer besser wäre – schon gar nicht für unser Land. Es geht ums Netzwerken, es geht um Deals. Wer kann mit wem, wer wird was, wenn der oder die was wird und man dabei ist? Die Politik in Deutschland ist so mitreißend im Augenblick, das können sich viele Bürger gar nicht vorstellen. Das hat was von „Dallas“ und „J. R. Ewing“, wie sich die Älteren von Ihnen vielleicht noch erinnern können.

Vier aus der CDU würden gern Kanzler werden, zwei davon haben eine realistische Chance – und jetzt können Sie selbst nachdenken… Viel Spaß dabei!

 

 




Heute jährt sich der Tag, an dem ich vor dem Fernseher weinte

Heute vor 35 Jahren wurde Helmut Kohl vom Volk zum Bundeskanzler gewählt. Schon am 1. Oktober 1982 war er durch den dringend notwendigen Koalitionswechsel von der SPD und Schmidt zur Union ins Amt gekommen. Die Bürger bestätigten die schwarz-gelbe Vernunftehe eindrucksvoll. Und die Sozialdemokraten verabschiedeten ihren großen Kanzler Helmut Schmidt mit einem schäbigen und gegenüber der Sowjetunion unterwürfigen Beschluss gegen den NATO-Doppelbeschluss, der später maßgeblich zum Zusammenbruch des kommunistischen Imperiums Moskauer Prägung führte.

Ich war junger Wahlhelfer in einem Wahllokal der Hauptschule Holzhausen in meiner Heimatstadt Bad Salzuflen. Noch nie zuvor war die CDU dort auch nur in die Nähe der 40 Prozent gekommen. Als wir an diesem Abend ausgezählt hatten und der Wahlleiter hinter der CDU als erste Zahl eine 4 mit Kreide an die Tafel schrieb, begriff ich, das heute etwas Historisches in meinem Land geschehen würde. Freiheit statt Sozialismus hatte Kohl im Wahlkampf versprochen und eine geistig-moralische Wende. Ich hatte wochenlang jeden Tag Wahlkampf betrieben in unserer Ortsunion, die von einem Bauern geleitet wurde. Im strömenden Regen fuhren wir mit einem CDU-beschrifteten VW Bulli nachts durch die Stadtteile und klebten Kohl-Konterfeis auf Plakatständer. Samstags standen wir in der Fußgängerzone der Innenstadt, verteilten Broschüren und Luftballons und Aufkleber. Ab und an kamen Aktivisten der örtlichen DKP-Ortsgruppe vorbei und pöbelten uns an. „Fußkranke der Weltrevolution“, so hatte Kohl solche Leute bei einer Kundgebung vor dem Detmolder Rathaus genannt.

Die geistig-moralische Wende kam nicht, was mich irgendwann sehr enttäuschte. Dafür wurde das Privatfernsehen eingeführt, was ich gut fand und finde. Nicht wegen Dschungelcamp und Casting-Shows, sondern wegen Pluralität und echter Konkurrenz zum Staatsfunk. Das wurde letztlich auch enttäuschend für mich.

Die Einheit hat nicht Helmut Kohl erfunden, aber er hatte den richtigen Riecher. Als der „Mantel der Geschichte“ wehte, griff er beherzt zu. Mit seinem Zehn-Punkte-Plan zur Wiederherstellung der staatlichen Einheit unseres Vaterlandes (Aufpassen Gender-StaSi!), mit seiner unnachahmlichen Umarmungsstrategie gegenüber skeptischen Staatschefs. Die Amerikaner unter George Bush senior waren sofort an Deutschlands Seite. Margret Thatcher wollte überhaupt nicht, aber Kohl nötigte sie so lange zum Saumagen-Essen, bis sie aufgab. Und mit Gorbatschow saß er am Rhein und philosophierte um Truppenabzug und Einheit, später mit Jelzin soff und schwitzte mein Kanzler in einer russischen Sauna. Ja, ich stehe heute noch dazu, dass ich Kohl immer wieder gewählt habe, obwohl er kein Konservativer war. Aber er war ein Patriot, für den das Wort Pflichterfüllung keine leere Hülse war. Der Platz ließ für die Flügel, der den Herz-Hesu-Marxisten Blüm ins Kabinett holte und den schwarzen Sheriff Dregger für die Konservativen. Welcher Minister stand eigentlich im Kabinett Merkel zuletzt für…irgendwas? Außer Frau von der Leyen für das Runterwirtschaften der Bundeswehr.

In wenigen Tagen wird Frau Merkel erneut zur Bundeskanzlerin gewählt. Wahrscheinlich werde ich wieder weinen. Aber aus anderen Gründen als damals.




Danke, Helmut Schmidt!

Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) ist heute Nachmittag im Alter von 96 Jahren gestorben. Bis in die jüngste Zeit hatte sich der „Zeit“-Herausgeber in politische Debatten mit klaren Standpunkten eingeschaltet. Man darf im Zusammenhang mit dem Hamburger den Begriff vom Beispiel an Pflichterfüllung durchaus benutzen. Sein kantiges Auftreten verschaffte Schmidt während der Jahre seiner Kanzlerschaft von 1974 bis 1982 Respekt bis weit in bürgerliche Wählerkreise hinein. „Ein guter Mann, nur leider in der falschen Partei“, so lautete seinerzeit ein weit verbreitetes Bonmot.

Unvergessen bleibt sein beherztes Eingreifen als Hamburger Polizeisenator am 17. Februar 1962, als die Hansestadt von einer gewaltigen Sturmflut heimgesucht wurde. Weil der Krisenstab komplett überfordert ist, reisst Schmidt das Ruder an sich und übernimmt – ohne dass es dafür irgendeine Rechtsvorschrift gegeben hätte – das Kommando über die Hilfsmaßnahmen. Die „Hamburger Morgenpost“ erinnert:

„Schmidt, Offizier im Zweiten Weltkrieg, lässt seine Beziehungen spielen. Er ruft Lauris Norstad an, Nato-Oberbefehlshaber in Europa, und Admiral Bernhard Rogge, Befehlshaber im Wehrbereichskommando I. Die beiden kennen Schmidt gut. Sie wissen: Wenn er sagt, er braucht Hilfe, dann braucht er sie. Schmidt will Hubschrauber, will Boote. Sofort. Er bittet nicht, er befiehlt. Und er bekommt, was er will.“

Unvergessen auch sein Agieren im „Deutschen Herbst“, als die freiheitliche Demokratie durch linksextremistische Terroristen herausgefordert wurde. Kanzler Schmidt entschied den riskanten und letztlich erfolgreichen GSG 9-Einlatz im entführten Lufthansa-Jet in der Gluthitze Mogadischus, wohl ahnend, dass er damit den entführten Arbeitsgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer dem sicheren Tod preisgeben würde.

Auch nach seiner Kanzlerschaft schaltete sich Helmut Schmidt in öffentliche Debatten ein, nicht immer bequem in seinen Anschauungen, aber bis zuletzt in der Bevölkerung hoch geachtet. Und dass er sich bis in hohe Alter nicht verbieten ließ, wann und wo auch immer seine Mentholzigaretten zu rauchen, ist zwar nur eine Randgeschichte, hat mir aber stets imponiert.

Mit Helmut Schmidt verliert Deutschland einen seiner großen Politiker, auf den der Begriff Elder Statesman mehr zutraf als auf jeden anderen. An Gott und den Himmel hat er nach eigenem Bekunden nicht geglaubt, wenngleich er die sozialen Leistungen der Kirche durchaus schätzte. Ich hoffe und wünsche ihm dennoch, dass er nun an einem Ort ist, wo er seinen ewigen Frieden findet, egal, wie er das dann nennt.