Was werden die Bürgerlichen nun mit der neuen Stärke anfangen?

Hatten Sie den Namen Elke Twesten vor dem gestrigen Tag schon mal gehört? Also ich nicht… Die grüne Hinterbänklerin im niedersächsischen Landtag, die in ihrer Partei wohl keine Zukunft mehr hatte, erklärte, dass sie zur CDU wechseln werde. Damit ist die rot-grüne Landesregierung erledigt, und das ist grundsätzlich erst einmal gut.

Mit ein wenig Disziplin bei der Abstimmung könnte in Kürze eine schwarz-gelbe Ein-Stimmen-Mehrheit die Amtgeschäfte in Hannover übernehmen. Dann gibt es Neuwahlen, die Bürgerlichen gewinnen, die AfD zieht auch in den Landtag ein (sofern sie es dieses Mal hinbekommen, die Kandidatenaufstellung fehlerfrei zu organisieren)… und so weiter. Mit der AfD wird keiner koalieren, aber im Landtag wird es eine Verhinderungsmehrheit geben, die manchem linken Stumpfsinn ein Ende setzen kann. Wenn man denn will, denn genau das ist überall das Problem.

Die CDU kann wieder Wahlen gewinnen. Erst eine überzeugende Wiederwahl im Saarland, dann zwei SPD-Länder mit Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen geknackt. Wer hätte das vor einem halben Jahr für möglich gehalten? Doch was werden sie jetzt mit ihrer neuen Macht tun? Die Fördermittel für Gender streichen? Die kommunalen Gleichstellungs-Beauftragten abschaffen? Ein Landes-Betreuungsgeld für die Familien schaffen? ie Innere Sicherheit deutlich verstärken?

Mein Vertrauen in die positive Gestaltungskraft der bürgerlichen Parteien in Deutschland hat in den vergangenen Jahren gelitten. Ich würde mich freuen, wenn sie mich mal wieder positiv überraschen.




Überlassen wir unser Land nicht aus Frust den Anderen!

Das Wochenende haben wir bei einem befreundeten Paar und ihrer Familie verbracht, die zu unseren besten Freunden überhaupt zählen. Vor 40 Jahren standen wir in Fußgängerzonen überall in Nordrhein-Westfalen, verteilten Flugblätter gegen die Fristenlösung bei der Abtreibung, wir sammelten Unterschriften für einen Boykott der Olympischen Spiele in Moskau, nachdem die Sowjetunion in Afghanistan einmarschiert war. Und wir wählten – klare Sache – ohne zu zögern die CDU mit Helmut Kohl an der Spitze.

Die Welt war klar aufgeteilt für uns, Schwarz und Weiß. CDU gut, SPD schlecht. Amerika gut, Russland böse. Bundesrepublik frei, DDR unfrei. Heute ist die Bewertung der Wirklichkeit nicht mehr so einfach wie damals. Jeder, die sich mal mit der anstehenden Bundestagswahl beschäftigt und überlegt hat, wen oder was er wählen soll, weiß, was ich meine.

Unser eigentlich als kurz geplantes Frühstück vor der Heimfahrt gestern zog sich über drei Stunden hin. Und erst jetzt fällt mir auf, dass wir keine Sekunde über die sogenannte „Ehe für Alle“ gesprochen haben. Es ging um die Flüchtlinge, um die Fehlentwicklungen bei der Integration, um Kriminalität und Abtreibung. Ja, um Abtreibung! Darum, wie menschliches Leben in unseren Wohlstandsgesellschaften gering geachtet wird. Darum, dass man ein ungeborenes Kind, das möglicherweise das Down Syndrom haben KÖNNTE, in der Regel einfach so wegselektiert. Man kann ja noch weitere Kinder bekommen, wieso ein Risiko eingehen?

Drei Kannen Kaffee zogen wir uns rein, und wenn nicht nachfolgende Verpflichtungen gedrängt hätten, säßen wir wohl jetzt noch an dem gleichen Tisch. Ja, es ist schwer geworden, heute für sich selbst festzulegen, was gut oder böse, richtig oder falsch ist. Aber es lohnt sich, weiterzumachen, sich politisch zu engagieren, und unser Land nicht den Anderen zu überlassen.




Für wen und was lohnt es sich angesichts dieser Prinzipienlosigkeit noch zu kämpfen“

Eigentlich wäre es an der Zeit, längst schlafen zu gehen, doch in meinem Postfach gehen auch jetzt mitten in der Nacht immer noch zahlreiche postings und Mails ein. Sie stammen von CDU-Mitgliedern, CSU-Mitgliedern, sogar einige Abgeordnete sind dabei. Und manche finden kaum noch zivilisierte Worte für das, was die Parteivorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel gestern angekündigt hat, nämlich die Abkehr ihrer Partei vom klaren Nein zur Homo-„Ehe“. Zweimal stand das Thema auf der Tagesordnung von Bundesparteitagen. Zweimal lehnten die Delegierten den Vorstoß mit deutlichen Mehrheiten ab. Die Christlich Demokratische Union, die Partei, die überhaupt auf einem christlichen Menschenbild gegründet wurde, sie stand immer klar und eindeutig zur Ehe aus Mann und Frau und zur Familie aus Mann, Frau und Kindern. Das Lebensmodell, das auch heute noch die überwältigende Mehrheit der Menschen in Deutschland lebt. Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa hat Merkel nun die Linie mit CSU-Chef Horst Seehofer abgesprochen, dass es bei dem Thema keinen Fraktionszwang mehr geben soll. Sie wünsche sich eine Diskussion, die „eher in Richtung einer Gewissenentscheidung geht“, verkündete die Kanzlerin und macht damit Machtpolitik, denn nun sind SPD, FDP und Grüne ab September wieder uneingeschränkt koalitionsfähig. Höchst wahrscheinlich, dass dieses gemeinsame Vorgehen der etablierten Parteien, dieser Allparteien-Koalition wie wir sie von Atomausstieg, Flüchtlingschaos und anderen Themen kennen.

Es ist nach Doppelpass und Homo-„Ehe“ eindeutig, dass Frau Merkel sich keinen Deut darum schert, was Ihre Partei denkt. Und noch viel weniger, was ihre Wähler wünschen. „Diese Frau zerstört eine funktionierende Gesellschaft und die sie tragenden Familien“, darf ich ohne Namensnennung aus einer der Zuschriften dieser Nacht zitieren. Und wieder stellt sich die Frage: Wer ist diese Frau? Wie konnte diese Frau an die Spitze der großen Volkspartei der Mitte gelangen?

Nein, ich wähle nicht AfD, um vorab allen zu antworten, die mir das heute in Mails und postings empfehlen werden. Ich habe oft begründet, warum ist das nicht tue. Aber ich verspüre wie so viele meiner Freunde und Leser hier in dieser Stunde eine ehrliche Verzweiflung darüber, was gerade passiert. Und ganz ehrlich: Für wen und was kämpfen Leute wie ich in diesem Land noch, wo doch jetzt alles so bunt geworden ist…




Lehren vom Wahlabend im hohen Norden

Im neuen Kieler Landtag wird es keine Alternativlosigkeit geben. Das ist erst einmal ein gutes Ergebnis. Sechs Parteien sind drin im Landtag, die Möglichkeiten, sich zu Koalitionen zu formieren, vielfältig. Das wurde auch gestern Abend in der Berichterstattung immer wieder erwähnt. Was niemand erwähnte: Rechnerisch möglich ist auch eine Koalition aus CDU, FDP und AfD. Die wird es nicht geben – aus nachvollziehbaren Gründen – aber dass die rechnerische Möglichkeit bestünde, sollte zumindest hier nicht unerwähnt bleiben.

Wie bei der Bundestagswahl 2013 gäbe es in Deutschland eine Verhinderungs-Mehrheit für Rot-Rot-Grün. Aber niemand wird diese Karte ziehen, denn einerseits muss man mit Blick auf die real streitende AfD einräumen, dass da Vieles und Viele alles andere als regierungsfähig sind. Andererseits gibt es in großen Teilen der AfD – zuletzt Meuthen – eine Sehnsucht nach Fundamentalopposition. Wenn man mit „diesem Personal“ niemals koalieren will, dann sucht sich dieses Personal eben eine andere Mehrheit ohne die AfD. So einfach ist das, und Politik funktioniert eben anders, als manche sich das vorstellen. Überraschend, dass Frauke Petry so schnell recht bekommen würde mit ihren abgelehnten Antrag von Köln…

Was festzuhalten bleibt: CDU und FDP erleben eine kaum zu erwartende Rennaissance. Die weichgespülte „moderne Volkspartei der Mitte“, wie man die Partei Konrad Adenauers in der Parteizentrale gern nennt, kann wieder Wahlen gewinnen, sogar mit Stimmenzuwachs. Und sie zaubert sogar neue Gesichter aus dem Hut. Erstaunlich. Daniel Günther wird aller Voraussicht nach neuer Ministerpräsident werden – mit wem auch immer. Vergangene Woche gab er der „Zeit“ ein großes Interview. Darin sprach er sich für die Homo-„Ehe“ und ein Adoptionsrecht für homosexuelle Paare aus…




Ein widerwärtiges Stück Gesinnungsschnüffelei aus Berlin

Wieder einmal ein Stück aus dem Tollhaus, der in erster Linie nichts über die AfD aber ihre aufgeregten Jäger aussagt. In der Bezirksverordnetenversammlung des Berliner Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf verhinderte jetzt die rot-rot-grüne Mehrheit die Wiederwahl eines langjährigen ehrenamtlichen Helfers. Der Mann – Stefen Michael Witt – engagierte sich seit rund 15 Jahren in einer der mehr als 30 Sozialkommissionen im Citybezirk. Die Mitglieder dieser Kommissionen besuchen und gratulieren Senioren anlässlich runder Geburtstage oder Ehejubiläen wie zum Beispiel eine Goldenen Hochzeit. Doch weil Witt 2014 der AfD beigetreten ist, schlugen die tumben Kämmpfer gegen Rechts zu. Der 71-Jährige darf jetzt keine Hände mehr schütteln.

Witt ist Träger einer Ehrennadel, mit der ihn das Bezirksamt anlässlich seiner zehnjährigen Mitgliedschaft in einer Sozialkommission ausgezeichnet hatte. „So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt richtigerweise Sozialstadtrat Carsten Engelmann (CDU). Das Ehrenamt werde „in Gänze beschädigt“, wenn Kandidaten mit „Gesinnungsschnüffelei“ rechnen müssten. Die Gratulationsdienste seien „völlig unpolitisch“. Witt habe seine Tätigkeit tadellos ausgeübt. Auch sonst sei er unbescholten, wie die Prüfung der polizeilichen Führungszeugnisse aller Kandidaten gezeigt habe.




Was wir aus dem gestrigen Wahlabend lernen können

Die Landtagswahl im Saarland hat uns allen überraschende Erkenntnisse gebracht.

Demoskopen Noch am Freitag flatterte eine Agenturmeldung mit der Überschrift „Kopf-an-Kopf-Rennen im Saarland“ in unsere Redaktion. Bei der ersten Trendmeldung um 18.01 Uhr gestern lag die CDU fast zwölf Prozent vor der SPD. Kopf an Kopf sieht anders aus.

Volksparteien Die Binsenweisheit, dass Wahlen immer in der Mitte gewonnen werden, bewahrheitete sich gestern Abend besonders deutlich. Hatten wir uns in den vergangenen zwei Jahren daran gewöhnt, dass vorrangig die AfD Nichtwähler in großer Zahl zu mobilisieren versteht, so war es gestern die CDU, die abgewanderte Wähler in Scharen zurückholte. Auf Platz zwei: die SPD. Das Ende der „Systemparteien“, von manchen Aktivisten an den Rändern herbeigesehnt, ist mal wieder abgesagt.

RechtsLinks Die starke Mobilisierung der Unions-Wähler im Saarland wird darauf zurückgeführt, dass selbst bürgerliche Wähler, die mit ihrer Partei aus anderen Gründen hadern, keine „DDR light“ im kleinsten Flächenland wollten, also eine Beteiligung der SED-Nachfolgepartei an der Regierung. Diese reale Gefahr, dass es eine Mehrheit aus SPD und Linke geben könnte, brachte viele Menschen zurück ins Wahllokal. Und das mäßige Abschneiden der AfD an der Saar ist ohne Zweifel dem langen innerparteilischen Streit dort und den „Kontakten“ mit dubiosen Rechtsaußen geschuldet. Das Wahlvolk will keinen Streit und keine Radikalen. Gruß an dieser Stelle an Herrn Höcke!

Grüne Die Öko-Partei ist im Saarland aus dem zweiten Landtag geflogen, und das ist auch gut so. Zu weit weg von der Lebenswirklichkeit der Bürger, zu besserwisserisch, zu abgehoben. Das braucht kein Mensch.

Annegret Die Wahlsiegerin in Saarbrücken heißt Annegret Kramp-Karrenbauer, eine Landesmutter, die so gar nicht mütterlich daherkommt, aber offensichtlich die Herzen vieler Menschen an der Sahr erwärmt hat. Klug, eloquent, schlagfertig schaffte sie, was kaum einer für möglich gehalten hat: einen beeindruckenden Wahlsieg, den man so nicht einmal im Adenaer-Haus in Berlin erträumt hatte. Und im Superwahljahr 2017 hat sie die angeschlagene Kanzlerin und Parteivorsitzende Angela Merkel zurück ins Spiel gebracht. Und sich selbst natürlich, denn Kramp-Karrenbauer gehört seit gestern Abend zur A-Liga ambitionierter Unions-Politiker. Eine, die frisch daherkommt, eine für die Zukunft.




Bei der CDU steigt der Druck im Kessel deutlich

Im September sind die deutschen Wähler aufgerufen, einen neuen Bundestag zu wählen, und nach Lage der Dinge, könnte das Ergebnis für das Adenauer-Haus ernüchternd werden.

Persönlich interessiere ich mich erst einmal für das anstehende Wochenende. Am Sonntag ist Landtagswahl im kleinen Saarland, wo mit Annegret Kramp-Karrenbauer einer der letzten Landeschefs der CDU ins Rennen geht und – mangels Koalitionspartner – vermutlich verlieren wird. Ein weiterer Dominostein in einer langen Reihe verheerender Niederlagen bei Landtagswahlen. Zwei Mal bliebt der CDU im vergangenen Jahr dabei sogar unter 20 Prozent.

Am Tag vor der Wahl im Saarland wird es im baden-württembergischen Schwetzingen das erste bundesweite Treffen der zahlreichen „Konservativen Aufbrüche“ geben, die sich seit Monaten überall in Deutschland gegründet haben. Ihr Ziel: die programmatische und personelle Neuaufstellung der CDU ohne Angela Merkel.

So eine Bewegung innerhalb der gern als „Kanzler(innen)wahlverein“ geschmähten Partei hat es in der CDU Deutschland noch nie gegeben. Auch CSUler aus Bayern werden am Samstag in Schwetzingen dabei sein. Und das in einem Wahljahr… Die Demoskopen prophezeien der CDU für Nordrhein-Westfalen im Mai ebenfalls unterirdische Zahlen.

Viele bürgerliche Wähler wollen keinen Kanzler Schulz, wollen keine rot-rot-grüne Regierung. Aber sie wollen dieser Vorsitzenden und Bundeskanzlerin auf ihrem Kurs auch nicht mehr folgen. Ein Problem, das nur die Partei selbst und voran ihre Führungsgremien lösen können.




Im Shitstorm! Briefe und Mails aus einer Parallelwelt

„Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache – auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazu gehört.“ Hanns Joachim Friedrichs, unvergessener Journalist und Tagesthemen-Moderator, der leider 1995 viel zu früh verstorben ist, hat diesen Satz gesagt, der über jedem Schreibtisch eines Redakteurs hängen sollte.

Heute Morgen, am ersten Fastensonntag, habe ich mal wieder jede Menge Breitseiten auf Facebook und in Mails an die Redaktion einstecken dürfen. Björn Höcke sei „ein Glücksfall“ und die AfD ein Segen für Deutschland, erfahre ich, unser Text über den Streit beim Parteitag der AfD in Baden-Württemberg sei nichtssagend. Ich selbst habe ja bekanntermaßen ein (CDU-)Parteibuch und dürfe eigentlich über die AfD gar nicht berichten. Wenigstens hat (noch) keiner geschrieben, dass ich von Goldman Sachs bezahlt werde. Immerhin. Aber der Tag ist noch lang.

Einer schrieb mir eben im Chat, er sei – wohl im Gegensatz zu mir – wenigstens „kein linksgrüner Bionade-Trinker!!“ Und ich solle mal auf TheGermanZ öffentlich schreiben, dass ich die Gleichstellung „bei Schwulen mit der klassischen Ehe“ unterstütze. Das schreibe ich nicht, weil jeder, der meine Texte liest, natürlich weiß, dass ich gegen die Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften mit der traditionellen Ehe aus Mann und Frau bin. Nicht weil ich Homosexuelle diskriminieren will, sondern weil ich die einzige Lebenspartnerschaft, aus der Kinder entstehen, weiter privilegieren will – so, wie es in unserem Grundgesetz Artikel 6 festgeschrieben steht.

Ich werde auch beschimpft von Leuten aus meiner eigenen Partei, wenn sie mal kurz ihre Klatschorgien für die Kanzlerin unterbrechen. Weil ich überhaupt über die AfD berichte, weil ich sie („so eine braune Partei“) sachlich behandle. Und überhaupt, weil ich gar nicht zu schätzen weiß, dass wir Hunderttausende Ingenieure und Atomwissenschaftler in Deutschland aufgenommen haben. Alles schön, ich habe mich an solche Zuschriften längst gewöhnt. So, wie auch meine Kollegen, die für das gleiche Publikum in der bürgerlichen Mitte schreiben. Sind übrigens inzwischen eine ganze Menge solcher Autoren in Deutschland.

Mein und unser Job ist es, die Dinge zu betrachten und darüber zu berichten. Und in Einzelfällen auch – klar erkennbar – zu kommentieren. Mich als „Bionade-trinkenden Linksgrünen“ zu bezeichnen, setzt schon ein erstaunliches Maß an Ignoranz und Verdrängung der Wirklichkeit voraus. Aber – und das ist das Entscheidende: Man darf in diesem Land Bionade trinken, man darf AfD wählen und übrigens CDU auch. Oder Martin Schulz und Frau Wagenknecht. Man darf sogar schwul sein, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Deutschland ist ein freies Land. Und ich hoffe sehr, dass es noch lange ein freies Land bleiben wird…




Zurück in die Zukunft: Von meinem Besuch gestern bei der CDU in Augustdorf

Seit Jahren gehe ich privat kaum noch zu Parteiveranstaltungen. Als junger Mann habe ich dauernd in Sälen und Hallen rumgehangen, um politische Helden zu bejubeln und politische Gegner wenigstens verstehen zu wollen. Aber heute tue ich mir das nicht mehr an. Der Informationswert ist gleich null, der Unterhaltungswert meistens überaus begrenzt, und wenn ich einmal im Jahr Björn Höcke auf youtube erleben muss, reicht mir das an politischen Veranstaltungen für ein ganzes Jahr.

Gestern war ich mal wieder bei einer Veranstaltung, und ich erzähle Ihnen das, weil nicht wenige Leser meines Blogs und Freunde mir sagen: Klaus, mit der CDU, das wird nichts mehr. Wenn Frau Merkel mit dieser traditionsreichen Partei Adenauers und Kohls, die Deutschland geprägt hat wie keine andere, fertig ist, dann ist sie auf dem Niveau der italienischen Democratia Christiana.

Tatsächlich sind nicht wenige Leute aus meinem Freundeskreis in den vergangenen zwei Jahren von der Fahne gegangen. Leute, die ich teilweise seit Jahrzehnten kenne, mit denen ich vor 40 Jahren im strömendem Regen vor unserem Gymnasium Flugblätter der Schüler Union verteilt habe. Und die mir sagen: Klaus, sei nicht böse, aber ich habe die Nase voll von dieser Frau und ihrer Partei. Ich wähle gar nicht mehr, einige wenige vielleicht FDP und einige viele die AfD.

Gestern also bin ich zwei Stunden im Auto mit meiner Frau ins lippische Augustdorf gefahren, zum Neujahrsempfang des CDU-Stadtverbandes. Erstens stamme ich aus Lippe und bin immer gern mal in der Heimat. Und zweitens war meine beste Frau von allen die Hauptrednerin. Und drittens habe ich den größten Teil meines Wehrdienstes in der Generalfeldmarschall-Rommel-Kaserne dort geleistet, beim Panzerartilleriebataillon 215. Darf man das noch sagen? Egal…

120 Leute waren gekommen, kein Platz blieb leer. Eine Deutschland-Fahne stand im Raum. Der Bürgermeister begrüßte die Gäste mit einer beeindruckenden Bilanz. Augustdorf ist eine wachsende Stadt, einer der jüngsten in Nordrhein-Westfalen. Viele junge Familien mit vielen Kindern leben hier, bei nicht einmal 10.000 Einwohnern gibt es zehn christliche Kirchengemeinden, die prägendste Gruppe sind die Freikirchler, es gibt auch eine freikirchlich orientierte Schule. Der Vorsitzende der örtlichen CDU heißt Frank, und es stellte sich heraus, dass wir uns seit 27 Jahren kennen – aus der Jungen Union, was ich nicht wirklich in Erinnerung hatte. Aber wenn sich zwei lippische JUler treffen, dann gibt es sofort viel zu erzählen. Was macht eigentlich der Jürgen und so? Frank war Soldat, natürlich. Und er heftete mir gleich zur Begrüßung eine gelbe Schleife ans Revers, das Symbol der Verbundenheit mit den Soldaten der Bundeswehr, die irgendwo auf der Welt im Ausland ihren gefährlichen Dienst für unser Land versehen.

Birgit Kelle hielt wieder eine fulminante Rede. Vorher hatte noch ein Evangelikaler zehn Minuten lang ein kluges geistliches Geleitwort gehalten. Es ging um Jesus Christus, heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr bei geistlichen Geleitworten. Schon gar nicht bei der CDU. Es gab noch ein paar Ehrennadeln für verdiente Parteifreunde, die 40 und 45 Jahre durchgehalten haben…trotz allem. Es gab Beifall und wunderbaren Grünkohl mit Kartoffeln und Mettwürsten. Und Krombacher dunkel. Und dann standen alle auf uns sangen zum Abschluss gemeinsam das Lied der Deutschen. Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland… und da war plötzlich wieder so ein Moment, erstmals seit zwei, drei Jahren wieder, wo kurz das Gefühl in mir aufblitzte, dass das noch immer meine politische Heimat ist irgendwie. Nicht die CDU von Merkel und Tauber, aber die in Augustdorf im schönen Lippe.




Meine Deutschlandreise durch die Union

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben. Als Journalist sowieso. Aber wenn die Reise auch noch durch die Unionsparteien führt, dann ist es in diesen Tagen besonders spannend. Unionsparteien – Sie erinnern sich! Volksparteien, die unsere Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg entscheident geprägt haben. Kanzler wie Adenauer und Kohl, die die Weichen richtig stellten, als die politische Konkurrenz noch – vielleicht in diesem Zusammenhang unpassend formuliert – im Schützengraben saß. Die Union traf die richtigen Entscheidungen für ein demokratisches und rechtsstaatliches System, für eine (damals) freie und (heute noch) soziale Marktwirtschaft. Für die Westbindung, für Europa, für die Einheit… Die Bilanz kann sich sehen lassen, auch wenn es natürlich Fehler gab, wie etwa Frau von der Leyen zur Bundesfamilienministerin zu machen. Schwamm drüber, jetzt sorgt sie für Schminktische in Kasernen, und als Familienministerin war sie bei den Deutschen überaus populär. Man darf mit Fug und Recht annehmen, dass sie bei roten und grünen Wählern eine Menge Zustimmung mit ihrem Krippenausbau gefunden hat. Weniger im eigenen Lager. Und damit kommen wir zu Angela Merkel.

Ich war die ganze Woche unterwegs, in Berlin, München, Düsseldorf und anderswo. Und meine Hauptbeschäftigung war, mich mit Abgeordneten von CDU und CSU zu treffen, um zu erfahren, wie die Stimmung hinter den Kulissen eine gute Woche vor dem nächsten Bundesparteitag wohl sein wird. Es liegt in der Natur der Sache, dass ich niemanden mit Namen zitieren darf. Wer sich also nicht für die Union interessiert oder nicht glaubt, dass Politiker mit einem wie mir sprechen, dem empfehle ich, an dieser Stelle auszusteigen und etwas anderes zu lesen.

Den verbleibenden Leserinnen und Lesern (bei Bedarf auch den anderen 60 Geschlechtern) möchte ich erzählen von einem Abgeordneten und Kreisvorsitzenden, der am Montag, also einen Tag nach der Ankündigung Angela Merkels, sie werde erneut als Bundeskanzlerin kandidieren, 17 Parteiaustritte in seinem Briefkasten vorfand. Begründung unisono: jetzt reicht’s uns endgültig! Ich möchte Ihnen erzählen von Abgeordneten, die dem Defätismus frönen, also der Mutlosigkeit. Die seit #wirschaffendas am Telefon und an Straßenständen beschimpft werden. Deutschland kann seine Grenzen nicht mehr schützen? Kann doch wohl nicht angehen.

Ich möchte Ihnen von Unions-Abgeordneten erzählen, die mir sagten, dass ihnen der sogenannte „Modernisierung-Kurs“ besonders der CDU nicht behagt, die sinnfreie Aufgabe von als unerschütterlich angesehenen Überzeugungen. Aber die auch klar sagen: Jetzt ist Wahlkampf, jetzt müssen wir erstmal gewinnen. Und dann sehen wir weiter. Und überhaupt: wer soll es denn machen, wenn nicht die Angela? Und wenn Rot-Rot-Grün gewinnt, wird es doch alles noch schlimmer.

Doch es gibt auch noch andere, einen Mann zum Beispiel, der eine Menge Einfluss hat in seiner Partei. Er sagte mir: Bis zur Flüchtlingskrise hatte ich ein distanziertes Verhältnis zu Merkel, aber vergangenes Jahr hat sie endlich mal klar einen Standpunkt bezogen. Und Horst Seehofer aus Bayern und Julia Klöckner aus Rheinland-Pfalz, die eine Woche vor der Landtagswahl die Richtung änderte, um dann zu verlieren – bei diesen beiden Parteifreunden steigt sein Blutdruck: „Man muss auch mal Kurs halten, wenn Gegenwind kommt…“