AfD Niedersachsen: Gemäßigte siegen auf der ganzen Linie

Deses Mal waren die gemäßigten AfD-Mitglieder in Niedersachsen besser vorbereitet als noch im September. Bei der Aufstellung der Kandidaten für die Bundestagswahl in Braunschweig fügten sie dem angeblich aufgelösten rechtsextremen „Flügel“ der Partei eine schwere Niederlage zu. Der frühere Bundeswehr-General und OB-Kandidat in Hannover, Joachim Wundrak (65), wird die niedersächsische AfD in den Wahlkampf 2021 führen. Er setzte sich in einer Stichwahl mit 283 gegen 229 Stimmen gegen den umstrittenen Armin Paul Hampel, jetzt noch Mitglied des Bundestages, durch. Auch der erst im September zum Landesvorsitzenden gewählte Bundestagsabgeordnete Jens Kestner wird sich nach einem neuen Job umsehen müssen. Alle von den 500 stimmberechtigten Mitgliedern auf die ersten zehn Plätze der Landesliste gewählten Kandidaten gelten als gemäßigte Politiker. Erst im September hatte Kestner an gleicher Stelle in Braunschweig die bisherige gemäßigte Landesvorsitzende Dana Guth gestürzt. Sie hat inzwischen die Partei verlassen.

Der gestrige Erfolg der moderaten Kräfte in der AfD könnte Auswirkungen auf die anstehende Entscheidung des Bundesamtes für Verfassungsschutz haben, ob die Partei insgesamt als Beobachtungsfall eingestuft wird.




Dritte Fraktion im Norden geplatzt: Die AfD kämpft um ihr Überleben

Nach Bremen und Niedersachsen ist heute auch die AfD-Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein geplatzt. Der Abgeordnete Dr. Frank Brodehl (Foto) trat aus der Partei und der Fraktion aus. Die besteht nun dort nur noch aus drei Abgeordneten – notwendig wären vier. Jetzt werden die parlamentarischen Möglichkeiten eingeschränkt, es gibt deutlich weniger Geld, Arbeitsplätze sind gefährdet, ja, die AfD insgesamt droht am laufenden Machtkampf zu zerbrechen.

Brodehl (49) ließ keinen Zweifel über die Motive seines Schrittes: „Die völkisch-nationalistischen Kräfte haben eher noch zugenommen, während die bürgerlich-wertkonservativen Mitglieder die Partei verlassen.“ Tatsächlich hatte erst am vorherigen Wochenende ein (Mitglieder-) Parteitag in Braunschweig, die als gemäßigt geltende nidersächsische Landesvorsitzende Dana Guth gestürzt. Neuer Chef ist jetzt der Bundestagsabgeordnete Jens Kestner, ein Höcke-Freund und “Flügel”-Sympathisant, der unmittelbar nach seiner Wahl daran ging, Strukturen zu verändern, um auch den Resteinfluss gemäßigter Parteifreunde im Norden zu kappen.

Anfang der Wochen waren die abgewählte Vorsitzende Dana Guth und die beiden Abgeordneten Jens Ahrends und Stefan Wirtz aus der neunköpfigen Landtagsfraktion in Hannover ausgetreten, weil die beiden “Flügel”-nahen Abgeordneten nicht bereit waren, die Fraktion freiwillig zu verlassen. Auch jetzt stehe die Tür, sofort wieder eine gemeinsame AfD-Fraktion zu bilden und die Arbeitsplätze der Mitarbeiter zu erhalten, weit offen, hört man aus dem Umfeld von Guth. Aber nicht mehr mit den “Flügellanten”.

Nach vielen Fortschritten im Kampf  gegen den Rechtsaußenflügel – wie zuletzt der Ausschluss von Exponenten wie Andreas Kalbitz, Doris von Sayn-Wittgenstein, Räpple und Gedeon im Südwesten, zeigen die aktuellen Vorgänge vor allen Dingen eins: Der rechtsextreme “Flügel” der Partei ist alles andere als aufgelöst und seine Macht wurde in Braunschweig eindrucksvoll demonstriert. Nun geht es wohlmöglich um die Existenz der gesamten Partei.

 




Flügelschlag über Niedersachsen

Von Björn Höcke hört man wenig in den vergangenen Monaten – außer natürlich im unmittelbaren Zusammenhang mit der Landtagswahl in Thüringen, seiner Heimatbasis. Da hat er mit der AfD einen starken Wahlerfolg eingefahren. Und danach der saft- und kraftlosen CDU ein vergiftetes Stück Kuchen angeboten. Er sei bereit, selbst aus der ersten Reihe zurückzutreten und die AfD werde einen Ministerpräsidenten Mike Mohring von der CDU unterstützen, um den Freistaat vom rot-rot-grünen Regierungselend zu befreien.

Kluger Schachzug, sich als den Retter des Abendlandes zu inszenieren, wohl wissend, dass Mohring und die CDU ein solches Angebot nie und nimmer annehmen kann und wird. Nach der Dresdner „Schuldkult“-Rede ist der Name Höcke Synonym für eine AfD, mit der niemand koalieren, je nicht einmal zusammenarbeiten will.

Und weil er weiß, das das so ist, wirkt er nicht mehr als Marktschreier auf dem Domplatz in Erfurt oder als „Schuldkult“-Apologet im Bierkeller, sondern als Strippenzieher im Hintergrund.

So auch am vergangenen Samstag, als ein „privates Treffen“ bei einem AfD-nahen Unternehmer in Niedersachsen stattfand. Handverlesene Gäste des Flügels fanden sich da ein zum „Widukind Treffen“. Zwei niedersächsische Landtagsabgeordnete der AfD nahmen ebenso teil wie zwei Bundestagsabgeordnete. Und ein Gast aus Nordrhein-Westfalen, der Warendorfer Landtagsabgeordnete Christian Blex, wie Höcke ein Lehrer, im Nebenjob „Flügel“-Freund. Als die erste Reisegruppe der AfD aufbrach, um die von Russland annektierte Krim zu besuchen, war Blex natürlich dabei.

Nach Informationen meines Blogs war Blex am Samstag derjenige, der die Teilnehmer einzustimmen versuchte, die gemäßigte Landesvorsitzende Dana Guth und ihren Vorstand abzuschießen. Sie sei zu liberal und müsse aus der Spitze der Landes-AfD verschwinden. Im Mai wird im Landesverband ein neuer Vorstand gewählt. Guth, eine fleißige und durch und durch bürgerliche Politikerin, hatte nach harten Kampf eine Mehrheit hinter sich versammelt. Der AfD-Bundesvorstand hatte ihren Vorgänger Armin-Paul Hampel zuvor des Amtes enthoben, weil er „schwerwiegend gegen die Grundsätze beziehungsweise die Ordnung der Partei verstoßen“ habe. Im Zuge eines Ermittlungsverfahrens waren Hampels Haus und das niedersächsische AfD-Büro durchsucht worden. Das Verfahren wurde bald darauf eingestellt, und Hampel sprach von einem „Missbrauch der Justiz“ gegen die AfD.

Im April 2018 wurde Dana Guth mit 280 gegen 205 Stimmen (für Hampel) zur neuen Landesvorsitzenden gewählt. Es scheint, dass die Verlierer von damals jetzt einen neuen Anlauf zum Sturz der Realpolitikerin Guth nehmen wollen.

 




AfD-Bundesparteitag: Kandidatenkarussell ohne entscheidende Machtverschiebungen

Der Bundesparteitag der AfD am Wochenende in Braunschweig hat nicht für die großen Schlagzeilen gesorgt und war dennoch höchst aufschlussreich für Beobachter, die sich für das Innenleben dieser Partei interessieren. Selbst gemäßigte Kandidaten, die bei Wahlen unterlegen sind, wollten nicht von einem „Rechtsruck“ sprechen oder von einem steigenden Einfluß des völkischen-nationalistischen Flügels. Und das, obwohl Exponenten des realpolitischen Teils der Partei wie Georg Pazderski aus Berlin, Uwe Junge aus Rheinland-Pfalz und Dana Guth aus Niedersachsen bei den Delegierten durchfielen.

Beatrix von Storch schaffte es als dritte stellvertretende Bundesvorsitzende nur knapp wieder ins Leitungsgremium, Flügel-Frontmann Andreas Kalbitz ist wieder drin, gewann gegen Kay Gottschalk, der jüngst zu 100 AfD-Politikern gehörte, die einen Appell gegen Rechtsaußen Björn Höcke unterzeichnet hatten. Nach der Niederlage trat  Gottschalk noch einmal zur Wahl an. Und verlor dann erneut  gegen Flügel-Mann Stephan Protschka.

Dennoch ist nicht erkennbar, dass der Flügel die Partei im Griff hat. Die Mehrheitsverhältnisse im Bundesvorstand haben sich nicht entscheidend verschoben. Bundessprecher Jörg Meuthen und Gaulands Kandidat Tino Chrupalla stehen an der Spitze der Partei, beide erscheinen großer Rechtslastigkeit unverdächtig. Pazderski ist raus, aber mit dem Hamburger Alexander Wolf ist nun ein neuer Realpolitiker eingezogen. So what?

Der AfD-Parteitag verlief erstmals strukturiert und sachlich, ohne Chaos wie früher, so wie halt bei anderen etablierten Parteien auch. Das wird Manche beim Flügel beunruhigen, die auf keinen Fall wollen, dass die AfD auch so wird wie die anderen. So eine „Systempartei“ eben…

Laut wurde es nur einmal, als der erklärte Antisemit Wolfgang Gedeon als Kandidat für den ersten Bundessprecher ans Rednerpult trat. Laute Pfiffe und Buhrufe begleiteten den gespenstigen Auftritt, viele Delegierte drehten ihm den Rücken zu oder zeigten Rote Karten. Einer stellte die Frage, die sich geradezu aufdrängte, an Gedeon: „Schämen Sie sich nicht?“ Wahrscheinlich schämt er sich nicht. Immerhin 22 Delegierte stimmten dennoch für Gedeon, über den Tino Chrupalla, der neue Mann in der Doppelspitze, hinterher sagte, er werde dafür sorgen, dass der nie wieder auf einem Bundesparteitag der AfD sprechen könne.