Wer nicht mitspielt, wird plattgemacht

„Wer keine Hitze verträgt, hat in der Küche nichts verloren“, hat der 33. Präsident der Vereinigten Staaten, Harry S. Truman, einmal gesagt. Er wollte damit zum Ausdruck bringen, dass Politik ein hartes – manche sagen schmutziges – Geschäft und nichts für Sensibelchen ist. Und das ist wahr. Wer eine politische Haltung vertritt, weiß von vornherein, dass er oder sie dafür geschmäht, beschimpft und beleidigt wird. Und dabei ist vollkommen gleichgültig, welche Position vertreten wird. Auch die etablierten Parteien sind davon nicht ausgenommen – Merkel, Roth oder früher Guido Westerwelle haben Schmähungen ertragen müssen, die weit über jedes akzeptable Maß hinausgehen. Das Mitleid der Bevölkerung hält sich in Grenzen. „Ist im Preis mit drin“, heißt es lapidar, wenn man fragt, warum wir unsere politischen Repräsentanten so behandeln, wie „wir“ es bisweilen tun.

Was mir in jüngster Zeit zunehmend Sorgen macht, ist, dass es mit der Solidarität der Demokraten in unserem Land nicht mehr weit her ist, sobald es um den „Kampf gegen Rechts“ geht. Ich meine damit nicht die Rassisten, die Brandsatz-Werfer oder diese armseligen, ekelhaften Gestalten, die in einer Berliner U-Bahn Migrantenkinder angepinkelt haben. Solchen widerwärtigen Figuren kann kaum genug abgrundtiefe Verachtung ihrer Mitmenschen entgegenschlagen. Ich meine diejenigen, die im politischen Diskurs Positionen vertreten, die vom Mainstream der Mehrheits-Gesellschaft abweichen. Die politisch Unkorrekten, die sogar bei manchen Themen die Mehrheit hinter sich haben. Vor kurzem wurde innerhalb weniger Tage zunächst ein Infostand der AfD von Linksextremisten in Frankfurt kurz und klein geschlagen. Das Auto der AfD-Europaabgeordneten Beatrix von Storch wurde nachts abgefackelt (Foto) und ins Haus des AfD-Vorsitzenden von Sachsen-Anhalt brachen Unbekannte ein und schlugen die Einrichtung kurz und klein. Die Medien meldeten das kurz, mehr als ein Schulterzucken rief es nicht hervor. Selbst schuld, wird mancher gedacht haben. Warum sind sie denn auch in einer konservativen – sprich: rechten – Partei? Den Vogel schoß SPD-Vizechef Ralf Stegner ab, der mittels Internet zwar mitteilte, Gewalt sei nicht akzeptabel, aber diese Rechtspopulisten sollten mal besser aufhören „hier die Opferrolle zu markieren“. So, als würde Frau von Storch nachts durch Kreuzberg schleichen und Autos von Linkspolitikern anzünden. Ich finde diese Relativierung von Gewalt gegen Andersdenkende geht in einer freien und sich weltoffen gebenden Gesellschaft überhaupt nicht. Und ich schreibe dies, Leser meiner Beiträge wissen das, als jemand, der der AfD nicht nahesteht und sie auch nicht wählt. Es geht um das hohe Gut der Meinungsfreiheit, eines der wichtigsten Grundrechte, das wir haben.

Werfen wir einen Blick auf den „Fall Pirincci“. Seine politischen Texte haben mir nie gefallen, das Vokabular noch weniger. Und seine Rede letztens in Dresden bei „Pegida“ war selten dämlich, in Teilen unsäglich, und rief auch lautstarken Protest bei den Demonstranten selbst hervor. Darf man in einem freien Land dämliche Reden halten? Nun verschwinden seine Bücher aus den Regalen der führenden Buchhändler in Deutschland, auch bei amazon ist Pirincci ein Ausgestoßener. Es soll sogar einzelne Buchhändler gegeben haben, die ankündigten, Pirinccis Bücher öffentlich zu schreddern. Verbrennen hätte wohl nicht so gut geklungen. Nun können in einem freien Land Verlage und Buchhändler natürlich selbst entscheiden, wessen Bücher sie verlegen oder zum Verkauf feilbieten wollen. Und wenn ein liberales Haus wie Bertelsmann zu dem Schluss kommt, dass Titel wie „Die große Verschwulung“ oder Texte, in denen neben „der, die, das“ dem Wort „ficken“ eine zentrale Bedeutung zukommt, nicht zum Image passt, dann ist das deren Entscheidung, die zu respektieren ist. Aber Katzenkrimis? Mit den Katern Francis und Blaubart und ihren Abenteuern? Diese höchst erfolgreichen Frühwerke von Pirincci sind inzwischen auch verbannt. Und wohl kaum wegen politischer Unbotmäßigkeit. Ganz offenbar geht es hier darum, jemanden wirtschaftlich zu vernichten, weil er das Falsche denkt, schreibt und sagt. Ganz bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ein Aufsatz des bekannten Homo-Aktivisten David Berger, der sich mit dem Thema beschäftigt: „Warum es unklug ist, wenn sich Schwule an der Zerstörung der Meinungsfreiheit beteiligen“. Berger weist gekonnt auf Paralleln zwischen Pirincci und seinen Kritikern hin, wenn es im Forum eines Schwulenmagazins über Pirincci heiße: „Der Autor leide an einem ’schweren Dachschaden‘, sei ein „braunes Arschloch‘, ein ‚Kanacken-Nazi‘, dem man ’nicht nur mit Worten … immer wieder auf die Fresse schlagen müsse‘.“ Dann fragt Berger zu recht: „Was wird sein, wenn Schwule irgendwann zu Sündenböcken werden?“ Wenn sich der Wind einmal dreht, wird dann der „Fall Pirincci“ die Büchse der Pandorra geöffnet haben, mit der unliebsame Meinungen aus den Regalen verbannt werden dürfen? Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden, hat Rosa Luxemburg gesagt. Die hatte es begriffen – ebenso wie David Berger.

Man muss in diesen Tagen nicht suchen, um Beispiele zu finden, die belegen, wie unbotmäßige Personen hierzulande zerstört und unter Druck gesetzt werden sollen. An der Schaubühne Berlin wird gerade eine Aufführung gezeigt, die den Titel „Fear“ trägt. Falk Richter hätte seinem neuen Stück im chronischen klammen Theater besser den Titel „Hate“ gegeben, denn in einem wüsten Mix aus Beate Tschäpe vom „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) über besorgte Bürger und Pegida bis hin zur Gender-Kritikerin Birgit Kelle wird dort alles in einen Topf geworfen, was Herrn Richter nicht gefällt. Hätte er auch noch Werder Bremen oder die bemannte Weltraumfahrt mit hineingenommen, wäre es genauso sinnfrei gewesen, wie das aktuelle Stück. Pegida in einen Topf mit der NSU? Eine des Terrorismus und der Beihilfe zum Mord angeklagte Frau Tschäpe und Birgit Kelle? Dümmlicher geht es nicht, und selten hat jemand aus dem Kulturbetrieb seine Denk- und Differenzierunfähigkeit dermaßen eindeutig dokumentiert, wie dieser Herr Richter. Im Fall von Birgit ist das hilflose Agieren sogar nachvollziehbar, denn inzwischen hat sich in der Bevölkerung herumgesprochen, was für eine menschenverachtende, ja groteske Ideologie dieses Gender Mainstreaming ist. Eigentlich könnte man nur lachen über diese Gender-Tanten, wenn sie nicht gleichzeitig versuchen würden, sich Zugriff auf das Denken unserer Kinder zu veschaffen. Ein kritisches Theater würde das aufspießen, würde mit den Mitteln der Kunst bloßstellen, dass Genderisten eine Art Sekte sind, deren Wissenschaftlichkeit sich auf einer Höhe mit dem Kreationismus befindet. Aber unser deutscher Kulturbetrieb ist enteiert, er bringt inzwischen nur noch selten Überraschendes oder Kreatives auf die Bühne. Glattgebügelt und sakrosankt. Mit Subventionen der Steuerzahler gut versorgt.

In diesen Tagen habe ich immer mal wieder an die Weimarer Republik denken müssen. Die ist aus einer ganzen Reihe von Gründen gescheitert, aber eben auch daran, weil das Bürgertum zugelassen hat, dass Extremisten mit Gewalt und dem Verächtlichmachen von Überbringern ungewünschterr Ansichten und Institutionen die junge Demokratie von innen heraus zerstörten. Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht Weimar, nicht einmal in der Nähe. Aber was man in dieser Zeit großer Herausforderungen für unser Land und sicher auch deutlicher Fehlentwicklungen im politischen Betrieb ohne Zweifel festhalten kann, ist: Hass und Hetze finden wieder in einem beunruhigenden Maße statt. Wer nicht mit dem Strom schwimmt, läuft Gefahr, verleumdet, beleidigt, bedroht und seiner wirtschaftlichen Existenz beraubt zu werden. Die etablierte Politik und die Mehrheitsgesellschaft schauen mit wenigen Ausnahmen ungerührt zu oder wenden sich desinteressiert ab. Und die Gralshüter der Political Correctness, die Gedankenpolizei und ihrer Helfershelfer in politischen Stiftungen und einigen Medien bereiten mit bisweilen unfassbar dümmlichen „Analysen“ den Weg für die Hetzer und Hasser.

Wer nicht mitspielt, wird plattgemacht. Und diese Haltung konzentriert sich längst nicht mehr auf die sogenannten Rechtspopulisten. Dieser Tage erlebt das Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer. Der hatte öffentlich festgestellt, dass es so etwas wie ein Diskursverbot in Deutschland gibt. Er treffe zur Zeit viele Menschen, die fürchten, sie würden „in eine rechte Ecke gestellt“, wenn sie ihre Ängste und Sorgen angesichts der Flüchtlingskrise öffentlich äußern. Inzwischen werden aus seiner Partei heraus Stimmen laut, Palmer bei den Grünen auszuschließen. Das bunte Deutschland im Jahr 2015.




Verstoßen vom Fortschritt

Der Bruno Gmünder Verlag in Berlin hat den Chefredakteur seines Schwulenmagazins „Männer“, David Berger, entlassen. Der Theologe war lange Jahre tief im katholischen Millieu verwurzelt, war Schriftleiter des Monatsmagazins „Theologisches“ und Lektor der Päpstlichen Kongregation für die Glaubenslehre, bevor er sich im April 2010 in einem Beitrag für die Frankfurter Rundschau öffentlich zu seiner Homosexualität bekannte. Nach Erscheinen seines Buches „Der heilige Schein“ Ende 2010 entzog ihm das Erzbistum Köln die Lehrerlaubnis für katholische Religion. Berger wurde zu einem der bekanntesten Aktivisten der Homosexuellenszene in Deutschland. Einem breiten Publikum wurde er 2012 bekannt, als er eine „Kopfprämie“ von 15.000 Euro aussetzte, um die Hintermänner der fundamentalistischen Internetseite kreuz.net aufzudecken. Berger trat aus der katholischen Kirche aus und kritisierte fortan wortgewaltig die Kirche und besonders den inzwischen emeritierten Papst Benedikt XVI. für deren Haltung zur Homosexualität. Vor gut einem Jahr verstieg sich Berger zu der Forderung, gläubige Katholiken nicht mehr in Fernsehdiskussionen einzuladen, da diese „homophobe“ Ansichten verträten. Und nun ist er arbeitslos. Im November hatte zuvor die Deutsche Aidshilfe ihre Anzeigen für „Männer“ storniert. Das Magazin, so die Begründung der mit Steuermitteln finanzierten Stiftung, fördere eine Vorstellung von Männlichkeit, die nicht zeitgemäß sei. Berger wird von der sogenannten „queer“-Lobby der Gender-Jünger ein „Rechtsruck“ vorgeworfen, weil er es gewagt hatte, die Verfolgung von Homosexuellen durch den Islam öffentlich zu kritisieren. Es darf eben in Deutschland doch nicht alles einfach so gesagt werden, auch wenn man auf der vermeintlich unverdächtigen „richtigen Seite“ steht. Das hat David Berger nun selbst erfahren.