Herr Junker möchte Großmacht spielen

Jean-Claude Junker will das Atomabkommen mit dem Iran retten, das US-Präsident Donald Trump gerade aufgekündigt hat. Die EU werde jetzt versuchen, europäischen Firmen zu verbieten, den US-Sanktionen gegen den Mullah-Staat Folge zu leisten. Gar nicht so einfach, wenn man sich klar macht, dass die USA nach wie vor mit Abstand die größte Wirtschaftsmacht auf diesem Planeten sind. Geschäfte mit dem Iran statt Geschäften mit den Vereinigten Staaten? Wer rechnen kann, weiß, wofür er sich entscheiden wird…




Wer Freunde wie Deutschland und die EU hat, braucht keine Feinde mehr

35.000 Palästinenser haben am Wochenende an zwölf Orten am Grenzzaun zu Israel demonstriert. Ihnen gefällt nicht, dass die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt haben, eine Stadt, die im Zentrum von drei Weltreligionen und seit Jahrzehnten im Mittelpunkt von…nennen wir es Spannungen…steht. Organisationen wie die Hamas, die zu recht von vielen Menschen und Regierungen als Terrororganisation angesehen werden, hatten zu diesen Protesten aufgerufen und auch dazu, Israelis zu entführen und zu töten.

Israel – der einzige demokratische Rechtsstaat in dieser Region – warnte, dass jeder Angriff auf seinen Staat und seine Bürger ernste Konsequenzen haben werde, da man gedenke, das eigene Recht auf Selbstverteidigung in Anspruch zu nehmen. Tausende Flugblätter mit diesem Inhalt wurden über den Massen abgeworfen – eine Warnung und der Aufruf, friedlich zu bleiben bei den Demonstrationen. Doch es blieb nicht friedlich. Palästinenser warfen Brandbomben auf israelische Polizisten, sie legten Feuer auf israelischem Staatsgebiet, sie randalierten und gingen mit Gewalt gegen die Staatsmacht vor. Und die wehrte sich. Am Ende blieben 52 Tote und mehr als 2.000 Verletzte zurück auf dem…ja, Schlachtfeld. Der UN-Botschafter Palästinas sprach danach in New York von acht getöteten minderjährigen Kindern.

Wer nimmt Kinder unter 16 Jahren zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit, bei denen man vorher weiß, dass geschossen wird? Warum setzt man diese Kinder bewusst solch einer Gefahr aus?

Die sogenannte Europäische Union (EU) mahnte Israel, nicht unverhältnismäßig auf die gewalttätigen Angriffen zu reagieren. Hä? Was soll Israel noch tun? Runde Tische am Grenzzaun aufstellen, wenn Horden von Angreifern mit Brandbomben auf sie zustürmen? Und warum, verdammt nochmal, verlegt die deutsche Regierung nicht endlich auch unsere Botschaft nach Jerusalem? Wir hätten die ersten sein sollen. Es reicht eben nicht, zwei Mal im Jahr Festreden zu halten und die deutsch-israelische Freundschaft zu beschwören, bevor man ans Buffet geht. Freunde stehen sich bei, wenn Gefahr im Verzug ist. Die EU und leider auch Deutschland versagen wieder einmal, wenn unsere Freunde Beistand brauchen. Wie so oft in den vergangenen Jahren.




Europa hätte die Flüchtlingskrise locker wuppen können

Nüchtern betrachtet hätte die Flüchtlingskrise Ende 2015 gar nicht zu einem solchen Problem werden müssen. Eine Million Menschen, verteilt auf die Länder in der EU, in der zusammen 500 Millionen Menschen leben – das hätten „wir“ geschafft. Aber das Leben ist eben nicht so, denn die meisten Länder in der Gemeinschaft wollten nicht mitmachen. Zurück blieben allen voran Deutschland, dessen famose Kanzlerin die Grenzen unseres Landes für Wochen weit öffnen und jeden herein ließ, der es bis hierhin geschafft hat. Österreich und Schweden trugen die Last mit, Frankreich ein bisschen, wohl mehr aus kosmetischen Gründen.

Das, was ich Frau Merkel persönlich bis heute vorwerfe, ist – neben mehrfachem Rechtsbruch – dass ausgerechnet sie als Antreiberin der europäischen Integration einsame Entscheidungen getroffen hat, ohne vorher zumindest mit den wichtigsten europäischen Partnern zu einer Vereinbarung über die Aufnahme von Flüchtlingen zu kommen. So landeten 890.000 in einem Jahr hier bei uns – mit all den Problemen, von denen wir jeden Tag in der Zeitung lesen können.




Nach der Demo gegen Freihandel gehen sie dann zu McDonalds

Angela Merkel hat recht wenn sie sagt: „Globalisierung ist eine Tatsache – ob wir das wollen oder nicht.“ Und sie hat recht, dass freier internationaler Handel allen Beteiligten zugute kommt. Insofern ist ihr aktueller Vorstoß für eine Wiederbelebung der TTIP-Verhandlungen zwischen EU und den Vereinigten Staaten folgerichtig.

Erst Anfang der Woche wurde ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan vereinbart – keine Demonstrationen auf unseren Straßen. Warum auch? Wenn man ehrlich ist, muss man einräumen, dass es bei den TTIP-Protesten nicht um Chlorhühner und Schiedsgerichte geht – letztere sind durchaus umstritten -, sondern im Kern um puren Antiamerikanismus. Das bunte Bündnis, das wir da auf Berlins Straßen erlebt haben, reichte von SED-Nachfolgern und antifa bis zu NPD-Aktivisten, alle eben, denen die amerikanische Kultur, der Kapitalismus an sich, die militärische Überlegenheit und das demokratische Grundprinzip zuwider sind.

Und nach der Demo gehen sie dann zu McDonalds, eine Coke ziehen….




Breakfast in Europa: Warum ich weiter an unseren Kontinent glaube

Man muss sich immer mal vergewissern – über sich selbst sowieso, über seine Überzeugungen natürlich und über das Wahrnehmen der Realität um sich herum. Wie Leser meiner Kolumnen wissen, bin ich zur Zeit in Rom, und gestern habe ich an dieser Stelle darüber geschrieben, wie gut es ist, dass wir endlich keine Roaminggebühren mehr bezahlen müssen, wenn wir im EU-Ausland telefonieren. Über Jahre eine skandalöse Abzocke, gewissermaßen alternativlos, und nun außer Kraft. Dank der EU.

Ja, ja, an dieser Stelle steigt bei vielen Lesern der Blutdruck an. Griechenland bekommt für seinen maroden Haushalt wieder frisches Geld und überhaupt: warum haben die den Euro bekommen? Uns so viele Kredite? Und Bürgschaften…von uns! Sie haben recht: Wie die Bürokraten in Brüssel und Berlin damals vorgegangen sind, ist nicht schönzureden. Aber unser Wirtschafts- und Finanzsystem ist nicht zusammengebrochen. Und der Euro? 2008 haben mir Freunde, die sich selbst im Gegensatz zu mir als kleinem Journalisten, „wirtschaftlichen Sachverstand“ bescheinigen, gesagt, der werde in Kürze abgeschafft, DM-Scheine seien bereits gedruckt und nachts Laster in Deutschland unterwegs, die die Sparkassen-Filialen bestücken. Erinnern Sie sich noch daran? Wir haben Mitte 2017, und selbst heute deutet nichts außer den Kassandrarufen einiger Profiteure, die in Büchern und Talkshows viel Geld mit dem vermeintlich bevorstehenden Untergang verdienen, darauf hin, dass so etwas in absehbarer Zeit geschehen könnte.

Europa ist nicht die EU – natürlich nicht. Und einen Nationalstaat EU sehe ich nicht einmal als schemenhafte Silhouette am Horizont. Ein Staatenbund Europa, eine Gemeinschaft freier Länder auf gleichen Wertüberzeugungen basierend – Freiheit, Demokratie, Recht, Abendland – das ist es. Dazu muss man kein Romantiker sein, um der Idee Europas etwas abzugewinnen, das geht auch als Realist. Aber Romantiker sein, das ist auch nicht schlecht.

Gestern sprachen wir darüber als wir mit Freunden spätabends auf der berühmten Scalinata di Trinità dei Monti im Herzen der Ewigen Stadt saßen, die wir Deutsche die Spanische Treppe nennen. 1723 erbaut, eine Folge städtebaulicher Ambitionen des Papstes Innozenz XIII., ist sie rund um die Uhr ein Anziehungspunkt für vorzugsweise junge Menschen im Herzen dieser wirklich pulsierenden italienischen Metropole, die wahrlich auch eine euroäische ist. Ein paar Stufen vor uns eine Schulklasse aus Spanien, einer der Schüler – wohl der Klassenclown – führt etwas vor, alle Lachen. Wir auch, obwohl wir nicht ein Wort von den Faxen verstehen, die er aufführt. So wie auch die Italiener um uns herum, irgendwo sprechen welche auf Englisch. Ein Sicherheitsmann schlendert durch die Reihen, begleitet von einem Carabinieri. Alkohol ist hier auf der Treppe strikt verboten. Doch es ist heiß im Frühling in Rom, auch um 23 Uhr noch. Ein junger Mann – #wirschaffendas – kommt mit einer grünen Plastiktüte durch die Reihen, eiskaltes italienisches Bier in 0,5-Liter-Dosen, das Stück für 3 Euro. Wir kaufen sechs und verbergen sie unsichtbar für die Aufpasser hinter unseren Waden. Und trinken sie aus.

Die Länder Europas und die Mentalitäten ihrer Bewohnen sind ganz unterschiedlich. Solche Abende gibt es auch in anderen europäischen Metropolen. In Kopenhagen oder Dublin sind sie immer friedlich, man schließt schnell Freundschaft mit Menschen aus anderen Teilen der Welt. In Paris, Berlin oder London gibt es solche spontanen Straßenfeste auch, aber man weiß, dass dort die Stimmung auch aggressiv umschlagen kann. Menschen aus Ländern, die oft Kriege geführt haben, sind wohl doch anders als die Bewohner des Auenlandes.

Heute Morgen Frühstück auf der Dachterrasse unseres Hotels mit herrlichem Blick über die Stadt mit den vielen Kuppeln und Kirchen. Zwei Tische weiter ein junges Paar, vielleicht um die 30 herum. Zwischen Kaffee und diesen unfassbar leckeren italienischen Backwaren haben sie eine kleine dänische Fahne aufgestellt, nur für sich. Meine Frau und ich beschließen spontan, uns auh eine kleine Deutschlandfahne zu besorgen. Für den Fall, dass wir mal wieder irgendwo in Europa frühstücken…




Der Vormarsch der Wütenden gerät spürbar ins Stocken

Marine Le Pen hat ein starkes Ergebnis bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich eingefahren. Und verloren. Zuvor hatte in den Niederlanden Geert Wilders kein so berauschendes Ergebnis eingefahren. Aber auch verloren. Nach dem Saarland kam die AfD in Schleswig-Holstein zum zweiten Mal mit nur rund sechs Prozent in den Landtag. Nachdem sie zum Jahresbeginn in manchen Umfragen bei 14 Prozent gehandelt wurde. Die Kampagnen rechter und konservativer Parteien in Europa sind deutlich ins Stocken geraten. Stattdessen wählten 65 Prozent der Franzosen den klar pro europäisch eingestellten Emmanuell Macron.

Über die Gründe dieser Entwicklungen kann man trefflich streiten. In Deutschland sind sie hausgemacht, in Frankreich hat der FN ein eindrucksvolles Ergebnis eingefahren, also erstmal aus seiner Sicht alles richtig gemacht.

Mit dem Schüren der Wut auf „die da oben“, auf die „Brüsseler Bürokraten“ und Wall Street kann man leicht Protest mobilisieren. Man kann schnelle Wahlerfolge erzielen, wenn Euro-Krise und Flüchtlings-Krise die Menschen kurz hintereinander treffen und empören.

Aber Politik ist letztlich dann doch trotz vieler Kaspereien ein ernsthaftes Geschäft, das Bohren dicker Bretter, wie man sagt. Aus Mandaten politisch etwas machen außer Dienstwagen verteilen.




Wilders deutlich hinter Rutte: So einfach ist eine Revolution auch nicht

Bei den Parlamentswahlen in den Niederlanden hat der Islam-Kritiker Geert Wilders 13 Prozent der Stimmen bekommen und blieb damit weit, sehr weit, hinter den Rechtsliberalen des alten und wohl auch neuen Regierungschefs Mark Rutte zurück, dessen Partei acht Prozent vor Wilders landete.

Heute Morgen werden wohl manche auch hierzulande enttäuscht sein, die schon in Österreich gehofft hatten, dass die FPÖ erstmals den Bundespräsidenten stellen, Wilders die Niederlande vom Islam befreien und demnächst Le Pen Frankreich aus der EU führen wird. Auch das wird übrigens nicht passieren. Dazu muss man nicht einmal etwas von Politik verstehen, sondern von reiner Mathematik.

Viele verweisen dann auf Donald Trump, der es in den Vereinigten Staaten ja auch „geschafft“ habe, als kantiger Außenseiter Präsident zu werden. Doch Trump und die GOP lagen im Wahlkampf in den Umfragen stets über 40 Prozent. Da kann man auch mal gewinnen. Mit 13 Prozent, 8,5 Prozent oder in Frankreich aktuell 25 Prozent für den FN gibt es keine Chance auf Beteiligung an der Macht für Konservative, Rechte oder wie immer man das nennen mag. Wobei ich auch an dieser Stelle erwähnen möchte, dass Wilders, Petry, Le Pen und ihre Parteien außer der Abneigung gegen den Islam und Massenzuwanderung wenig gemeinsam haben.

Ist also der Sturm auf das Establishment, auf Kanzleramt und EU nun vorbei? Mitnichten! Die „rechtspopulistischen Parteien“ – der FN ist eher eine sozialistische, die holländische PVV eine durchaus linksliberale Partei (Homo-„Ehe“, Mindestlohn) – aber nennen wir sie so, werden in unseren Gesellschaften auf Sicht einen Platz besetzen und den Finger in die Wunde legen, dort, wo die etablierte Politik ihrer Funktion nicht mehr nachkommt. Das ist Demokratie. Und das ist auch gut so. Die Revolution, der Sturz „des Systems“, die Abschaffung der EU – all das ist erst einmal abgeblasen.




GASTSPIEL Stefan Simmnacher fragt: Kann denn Steuer Sünde sein?

„Die Stadt Monheim im Bundesland Nordrhein-Westfalen hat jahrelang einen zu niedrigen Gewerbesteuersatz von den ansässigen Unternehmen verlangt“, stellte heute die EU-Wettbewerbskommissarin Verstager fest. Sie verlangt von der Gemeinde Monheim, die zu wenig gezahlten Steuern von einem Gewebesteuer zahlenden Unternehmen aus Irland samt Zinsen einzuziehen. Und zwar nur von diesem Unternehmen, weil das irgendwie böse ist, nur vier Millionen Euro Steuern bezahlt hat und sowieso zu viel Gewinne erwirtschafte.

Die Kommunen Harsewinkel und Langenfeld werden nach Ansicht von Beobachtern mit unter 400 Punkten Hebesatz bei den Gewerbesteuern die Nächsten sein. Man sei noch auf der Suche nach einem passenden Unternehmen in diesen Städten.

Experten erwarten nun auch ein Vorgehen der EU gegen die Umsatzsteuer in Deutschland, die im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern nur bei 19% statt 25% liegt. Diese Steuersubvention würde dann von den Bürgern unter Vorlage der Quittungsbons nachgezahlt werden müssen.

Bevor Mancher nun in den großen Hype gegen das böse Apple-Imperium einstimmt, sollte er dieses fiktive Szenario einmal durchspielen. Denn es unterscheidet sich in Nichts von dem aktuellen Vorgehen der EU-Kommission gegen dieses eine Unternehmen. Es ist simple Willkür, mit der die Kommission hier gegen ein bestimmtes Unternehmen vorgeht. Bislang haben wir nichts gehört von einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Irland wegen seiner niedrigen Steuersätze und Lokalsteuern. Überhaupt muss man sich mal das Schlagwort „Steuersubvention“ auf der Zunge zergehen lassen. Was ist denn eine „Steuersubvention“? Eine Subvention wäre zum Beispiel eine Bevorteilung eines konkreten Unternehmens mit niedrigen Steuern oder dem Verzicht auf Steuern im Gegensatz zu anderen Wettbewerbsteilnehmern im gleichen Land. Aber niedrige Steuersätze sind doch keine Steuersubvention. Wenn wir in Deutschland beschließen, keine Steuer auf Katzen zu erheben, obwohl die Franzosen das tun… Ist das dann eine Steuersubvention?

Natürlich siedeln sich Unternehmen dort an, wo die Steuersätze niedrig, die Bürokratie gering, die Standortbedingungen und die Infrastruktur gut sind. Es ist Aufgabe der Staaten, die Balance zu finden, wie niedrig sie die Kosten gestalten können, um gleichzeitig gute Straßen, Breitband oder Kultur und soziale Stabilität sicherzustellen. Das nennt man Wettbewerb und es ist der Wettbewerb, der Staaten daran hindert, in die eine oder andere Richtung zu überziehen. Tut er es doch, wird die Rechnung später kommen.

Aber viel Schlimmer ist es, wenn andere Staaten sich einmischen wollen. Wenn sie Ihre eigene Steuerpolitik als alleinig seelig machend ansehen und gleichzeitig eigene Pseudo-Steuersubventionen tunlichst nicht diskutieren wollen. Stichworte könnten bezüglich Deutschland sein: Kinderfreibetrag, Steuerfreigrenze, Abschreibungsregelungen, Abwrackprämien, Konjunkturpakete, Vorsorgebeiträge, Riester-Rente und vieles mehr. Es ist nicht Aufgabe der EU, sich in die nationale Steuerpolitik einzumischen. Das war und ist explizit in den europäischen Verträgen festgelegt. Nach den Grenzüberschreitungen bei der Haftung für Staatsschulden und der Niedrigzinspolitik ist hier der nächste Dammbruch zu befürchten. Ich jedenfalls finde es gefährlich für unseren Mittelstand, was sich da zusammenbraut. Denn auch hier bei uns könnten wir viele angebliche Subventionen mit Brüssel zu debattieren haben, wenn die europäische Kommission ihr neues Spielzeug so spannend findet. Dann geht es aber nicht mehr um das angeblich so böse Apple-Imperium. Dann trifft es den Handwerksmeister in Harsewinkel – übrigens laut Gewerbesteuerliste 2015 des IT.NRW: „die Mähdrescherstadt“

Stefan Simmnacher ist Politikwissenschaftler, hat an der London Guildhall University und an der Universität Trier jeweils mit einem Master als political scientist abgeschlossen. Er ist beruflich Geschäftsführer eines politischen Wirtschaftsverbandes in Nordrhein-Westfalen und war ehrenamtlich lange Zeit kommunalpolitisch engagiert.




Gegenüber der Türkei sind Deutschland, EU und NATO nur noch Papiertiger

„Als Resultat der islamisierten Innen- und Außenpolitik Ankaras hat sich die Türkei zur zentralen Aktionsplattform für islamistische Gruppierungen entwickelt.“

Unsere Bundesregierung, die sich außenpolitisch im Allgemeinen und in Sachen Türkei im Speziellen samtpfötig gibt, redet endlich mal Klartext. In einer als „vertraulich“ klassifizierten Antwort der Bundesregierung nämlich auf eine entsprechende Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen (Linke). Das Erdogan-Regime unterhalte enge Beziehungen zur Muslimbruderschaft in Ägypten, den Terrororganisationen in Syrien und der Hamas, die Israel gerne früher heute als morgen auslöschen würde. Im Handelsblatt lese ich dazu: „Würde es sich nicht um Erdogan, sondern um Putin handeln, hätte der Westen längst harte Wirtschaftssanktionen verhängt. Erdogan dagegen bekommt für seine Flüchtlingsbremse einen Drei-Milliarden-Scheck der EU. Vielleicht sollte man das Geld aus Brüssel künftig direkt an die Terrorgruppen weiterleiten. Das spart zumindest die Überweisungsgebühr.“ Zynisch, aber da ist was dran.

Tatsächlich sind Europa und die NATO, aber insbesondere Deutschland in einer explosiven Lage. Die Regierung von Frau Merkel hat Deutschland in eine Abhängigkeit von der Türkei gebracht, die uns bei einem Anführer wie Präsident Erdogan erpressbar macht. Ich selbst habe ein unverkrampftes Verhältnis zur Türkei an sich. Zwischen Deutschland und der Türkei gibt es historische Bande, drei Millionen Türken leben hierzulande, die meisten gern und absolut integriert. Über 70.000 Unternehmen „mit Migrationshintergrund“ sind in Deutschland registriert, klar, da sind auch viele Döner-Stände dabei. Aber im Großen und Ganzen habe ich mit Kollegen und Bekannten, die aus der Türkei stammen und hier leben, immer gute Erfahrungen gemacht. Die Türkei sorgt dafür, dass der Strom an Flüchtlingen nach Deutschland nicht wieder anschwillt. Die Türkei stellt dem westlichen Verteidigungsbündnis wichtige Stützpunkte zur Verfügung, damit dieses im Syrien-Krieg handlungsfähig ist.

Heute las ich, dass die türkische Regierung Tausende Kleinkriminelle aus den Haftanstalten entlässt, um „Putschisten“ in Massen in Zellen sperren zu können. Von „Säuberungen“ redet Erdogan, von Einführung der Todesstrafe. Und seine neue Sympathie zu Russland sollte jeden im Westen beunruhigen, der noch klar bei Verstand ist. Was müsste ein handlungsfähiger Staat eigentlich tun? Die Beitrittsverhandlungen der Türkei zur EU endgültig beenden. Und der Türkei klar sagen: man kann nicht mit Russland und der Hamas an einem Tisch sitzen, wenn man weiter zur NATO gehören will. Doch was wird unser Land, was werden EU und NATO tatsächlich tun? Nichts! Das ist eines der vielen Dramen unserer Zeit.




Zu wenig Geld, zu wenig Realitätssinn – die NATO steht vor einem Umbruch

Das Büro der Friedrich-Naumann-Stiftung in Brüssel ist eine eher kleinere Einrichtung, die man neudeutsch als „Think Tank“ bezeichnen darf, und die der FDP nahe steht. Gestern jedoch ist dem Leiter des Büros, Hans H. Stein, etwas Besonderes geglückt. Sechs Wochen vor dem NATO-Gipfeltreffen der Staatschefs von 28 Ländern in Warschau hatte er 150 Teilnehmer zu einem – auch neudeutsch – „Pre-Summit Briefing“ versammelt. Dazu als Diskussionsteilnehmer den amerikanischen NATO-Botschafter Douglas E. Lute, den deutschen NATO-Botschafter Dr. Hans-Dieter Lucas, aus Polen den Politologen und liberalen Politiker Dr. Bartolomiej E. Nowak und ebenfalls aus Polen Renata Zaleska, NATO-Expertin für Afghanistan. Besonders ist das, weil es die einzige größere Veranstaltung dieser Art im Zentrum der EU zu diesem Thema vor dem überaus wichtigen Treffen in Warschau ist.

Der NATO-Gipfel am 8. und 9. Juli wird eine Zäsur des westlichen Verteidigungsbündnisses bringen, da waren sich die Diskussionsteilnehmer einig. Der deutsche Botschafter Hans-Dieter Lucas sprach gar von „fundamentalen Fragen der Verteidigungsfähigkeit“ Europas. Ja, das Bündnis, das 40 Jahre lang Frieden und Freiheit in Europa gesichert hat, ist träge geworden in den Jahren nach dem Kalten Krieg. Eine neue Ära wollte man nach den Umbrüchen 1989 und 1990 entdeckt haben. Wir alle sind fortan Freunde, auch die früheren Gegner aus den Warschauer Pakt-Staaten um Russland, die zu einem beachtlichen Teil selbst in das Lager des Westens „rübermachten“.

„Out of Area“ lautete in den folgenden 25 Jahren die Marschrichtung. Der Krieg auf dem Balkan, Afghanistan, wo bis heute 13.000 Soldaten der NATO-Staaten im Einsatz sind, beschäftigten und beschäftigen die Bündnis-Manager. Doch nun ist eine neue Phase angebrochen. Flüchtlingskrise, Internationaler Terrorismus, der längst kein regionales, sondern ein globales Problem ist, und die neue aggressive Politik Russlands sind die neuen Herausforderungen für das Bündnis. Und das vor dem Hintergrund dramatischer Budget-Kürzungen der Mitgliedsstaaten, von denen kein einziger die finanzielle Selbstverpflichtung des vergangenen Gipfels in Wales 2014 eingehalten hat. Dougles Lute appellierte an die Staaten der NATO, angesichts zunehmender Instabilität und dem „aggressiven Nachbarn im Osten“, mehr Geld aufzuwänden, um das Büdnis zu modernisieren, aber nicht zu einem Kalten Krieg zurückzukehren.

Es war Bartolomiej E. Nowak von der größten polnischen Oppositionspartei, der Salz in die Suppe der Harmonie schüttete. Verständlich, den Polen ist direkter Nachbar Russlands und hat daher eine andere Sichtweise auf die Dinge als Paris oder Washington. „Ich würde begrüßen, wenn Russland unser Partner wäre“, bekräftigte er, aber „Russland hat alle Regeln gebrochen, die ein Land überhaupt brechen kann. Und das verlangt nach einer Antwort.“ Was bedeuten die Solidaritätsbekundungen praktisch für die baltischen Staaten und Polen? Wie muss die NATO auf den hybriden Krieg reagieren, den der Kreml heute bereits aktiv führt? Durch Cyber-Attacken gegen westliche Regierungen und übrigens auch gegen politische Stiftungen in Brüssel. Durch „Touristen“, die ohne Hoheitsabzeichen an ihren Uniformen in Nachbarländer einmarschieren? Die mit Desinformationen die Öffentlichkeit in den westlichen Ländern verunsichern wollen. Auch eine junge Frau von einer ukrainischen Lobby-Organisation bei der EU spitzte die Ängste der russischen Nachbarstaaten zu. „Es wäre gut, wenn man in Europa nicht einem Wunschdenken folgt, sondern endlich beginnt, die Wirklichkeit anzuerkennen.“

Der NATO-Gipfel in Warschau wäre der richtige Zeitpunkt, damit anzufangen.